BBl 2024 1799
CH - Bundesblatt

Parlamentarische Initiative Vorstösse mit mehreren Ratsmitgliedern als Urhebende ermöglichen Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates

Parlamentarische Initiative Vorstösse mit mehreren Ratsmitgliedern als Urhebende ermöglichen Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates
vom 27. Juni 2024
Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren
Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen Entwürfe zur Änderung des Parlamentsgesetzes (ParlG) ¹ und des Geschäftsreglements des Nationalrates (GRN) ² . Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.
Die Kommission beantragt, den beiliegenden Entwürfen zuzustimmen.
27. Juni 2024 Im Namen der Kommission: Die Präsidentin, Greta Gysin
Übersicht
Derzeit können parlamentarische Initiativen, Motionen und Postulate nur von einem Ratsmitglied, einer Fraktion oder der Mehrheit einer Kommission eingereicht werden. Die Möglichkeit, dass mehrere Ratsmitglieder einen solchen Vorstoss gemeinsam einreichen, besteht bislang nicht. Ratsmitglieder mit demselben Anliegen haben keine andere Wahl, als einzeln gleichlautende Vorstösse einzureichen. Mit dieser Vorlage soll den Mitgliedern des Nationalrates ermöglicht werden, zu mehreren eine parlamentarische Initiative, eine Motion oder ein Postulat einzureichen. Auf Kantonsebene gibt es bereits entsprechende Modelle. Zudem werden weitere Änderungen zum Thema Vorstösse vorgenommen. So wird z. B. das Einreichen von Vorstössen in den Sondersessionen untersagt.
Zu diesem Zweck wird das Parlamentsgesetz um eine Delegationsnorm ergänzt, die es erlaubt, in den Ratsreglementen vorzusehen, dass gewisse Rechte der Ratsmitglieder, namentlich das Recht, Vorstösse und parlamentarische Initiativen einzureichen, von mehreren Ratsmitgliedern gemeinsam ausgeübt werden können. Zum jetzigen Zeitpunkt wird lediglich das Geschäftsreglement des Nationalrates entsprechend angepasst. Die Nationalratsmitglieder und die Fraktionen sollen die Möglichkeit erhalten, gemeinsam - als Miturhebende - parlamentarische Initiativen, Motionen und Postulate einzureichen. Die anderen Vorstossarten fallen nicht unter diese Regelung. Da alle Miturhebenden in der Kopfzeile des Vorstosses oder der Initiative genannt werden, kann durch diese neue Möglichkeit die politisch breitgefächerte Unterstützung eines Anliegens künftig direkt sichtbar gemacht werden, ohne gleichlautende Texte einreichen zu müssen.
Darüber hinaus werden im Parlamentsrecht weitere Änderungen in Sachen Vorstösse vorgenommen. So werden die Voraussetzungen für die Teilbarkeit von Vorstössen präzisiert, ein Absatz zu den Vorstössen, die sich an den Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) richten, hinzugefügt und das Einreichen von Vorstössen in den Sondersessionen untersagt.
Bericht
¹ BBl 2024 1800
² BBl 2024 1801

1 Entstehungsgeschichte

1.1 Miturheberschaft

Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK-N) beschloss an ihrer Sitzung vom 24. Februar 2022 einstimmig die Kommissionsinitiative 22.406 («Vorstösse mit mehreren Ratsmitgliedern als Urhebende ermöglichen»). Die Staatspolitische Kommission des Ständerates (SPK-S) stimmte dem Beschluss ihrer Schwesterkommission an ihrer Sitzung vom 7. April 2022 mit 8 zu 0 Stimmen bei 5 Enthaltungen zu und machte so den Weg für die SPK-N frei, einen Entwurf zur Revision des Parlamentsrechts auszuarbeiten.
An ihrer Sitzung vom 17. November 2022 fällte die SPK-N eine Reihe von Grundsatzentscheiden. So beschloss sie, dass die Möglichkeit der Miturheberschaft nur im Nationalrat eingeführt werden soll. Die SPK-S hatte bei der Vorberatung signalisiert, dass sie keine entsprechende Regelung für den Ständerat wünscht, da sie dieses Instrument in einer Parlamentskammer, in der die Parteienlogik eine geringere Rolle spielt, als unnötig erachtet. Die SPK-N entschied ferner, die bestehende Regelung über die Mitunterzeichnung beizubehalten, d. h. nicht durch die Miturheberschaft zu ersetzen, sondern beide Möglichkeiten nebeneinander bestehen zu lassen. Sie beschloss ausserdem, dass die Höchstzahl der Miturhebenden der Anzahl Fraktionen im Parlament (derzeit: sechs) entsprechen soll. In Bezug auf die Ausübung der Rechte, die der oder dem Urhebenden des Vorstosses zustehen, wurden zwei Varianten diskutiert: einstimmige Ausübung der Rechte durch die Miturhebenden oder Ausübung aller Rechte durch die erste Miturheberin oder den ersten Miturheber. In Sachen Redezeit, die aktuell bei fünf Minuten liegt, wurde keine Änderung angestrebt, sondern von der SPK-N vorgeschlagen, dass die Miturhebenden diese nach eigenem Ermessen unter sich aufteilen können.
Die Kommission trat an ihrer Sitzung vom 16. Mai 2024 mit 21 zu 4 Stimmen auf die ihr unterbreiteten Gesetzes- und Reglementsänderungen ein und nahm die Detailberatung vor. Die Kommissionsmehrheit sprach sich für die Variante aus, wonach alle Rechte, die der Urheberin oder dem Urheber einer parlamentarischen Initiative, einer Motion oder eines Postulats zustehen, von der ersten Miturheberin oder dem ersten Miturheber ausgeübt werden und einzig die Redezeit gesondert geregelt wird. Die Minderheit sprach sich für die Variante «einstimmige Ausübung der Rechte durch die Miturhebenden» aus, bei der speziell geregelt werden muss, wann der Text als zurückgezogen gilt.
An derselben Sitzung nahm die Kommission verschiedene andere Änderungen zu den Vorstössen an und stimmte der Aufnahme dieser Änderungen in die Vorlage zur Miturheberschaft zu. Die Änderungen sind im Folgenden beschrieben. An der Sitzung vom 27. Juni 2024 verabschiedete die Kommission die Vorlage mit 19 gegen 4 Stimmen in der Gesamtabstimmung zuhanden ihres Rates. Eine Minderheit beantragt Nichteintreten.

1.2 Teilbarkeit von Vorstössen

Das Büro des Nationalrates erläuterte der SPK-N mit Schreiben vom 11. November 2022 seine Praxis in Bezug auf die Möglichkeit, einen parlamentarischen Vorstoss in einzelne Punkte zu teilen und über diese getrennt zu beraten und abzustimmen. Das Büro ersuchte die SPK-N im Sinne der Klarheit der Debatten und Abstimmungen, bei der nächsten Revision des Parlamentsgesetzes (ParlG) ³ Artikel 119 Absatz 2 ausgehend von der bestehenden Praxis in den Räten zu präzisieren.
Die Kommission beschloss an ihrer Sitzung vom 19. und 20. Januar 2023, die Zweckmässigkeit einer solchen Gesetzesänderung bei einer der nächsten Revisionen des Parlamentsrechts zu prüfen, z. B. im Rahmen des Geschäfts «Vorstösse mit mehreren Ratsmitgliedern als Urhebende ermöglichen». An ihrer Sitzung vom 16. Mai 2024 hiess die SPK-N die vorgeschlagene Änderung gut und beschloss, diese in die vorliegende Vorlage einzubauen.
³ SR 171.10

1.3 An den EDÖB gerichtete Vorstösse

Der Bundesrat wandte sich mit Schreiben vom 22. Dezember 2023 an die Ratspräsidien, um diese darauf hinzuweisen, dass Artikel 118 Absätze 2-5 ParlG eine Lücke hinsichtlich der Vorstösse aufweist, die den Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) betreffen. Denn seit der Revision des Datenschutzgesetzes ist der EDÖB eine unabhängige Behörde. Seine Situation ist somit vergleichbar mit jener der eidgenössischen Gerichte oder der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft. Für Vorstösse, die diese Behörden betreffen, enthält Artikel 118 Absätze 2-5 ParlG eine Sonderregelung. Der Bundesrat schlug als provisorische Lösung, bis zur formellen Ergänzung von Artikel 118 ParlG in der nächsten Revision des ParlG, die sinngemässe Anwendung von Artikel 118 Absatz 4 ParlG auf den EDÖB vor. Die Ratspräsidien erklärten in ihrer Antwort vom 18. Januar 2024, die Analyse des Bundesrates zu teilen, und stimmten der vorgeschlagenen Vorgehensweise zu.

1.4 Keine Einreichung von Vorstössen während Sondersessionen

Der Nationalrat hat am 7. März 2023 mit 115 zu 78 Stimmen bei 3 Enthaltungen der parlamentarischen Initiative 22.433 Folge gegeben, wonach während Sondersessionen keine Vorstösse eingereicht werden dürfen. Der Ständerat lehnte jedoch diese Initiative am 21.9.2023 ab, mit dem Hinweis, das angesprochene Problem betreffe vor allem den Nationalrat, welcher es mit einer Änderung seines Geschäftsreglements lösen könne. Die SPK-N hat an ihrer Sitzung vom 26. April 2024 einem Antrag zugestimmt, wonach die Einreichung von Vorstössen während Sondersessionen auf Reglementsstufe untersagt werden soll. An ihrer Sitzung vom 16. Mai 2024 beschloss die SPK-N, diesen Vorschlag in die Vorlage 22.406 einzubauen.

2 Ausgangslage

2.1 Handlungsbedarf und Ziele

Vorstösse können im National- und im Ständerat nur von einzelnen Ratsmitgliedern, einer Fraktion oder einer Kommission eingereicht werden. Die Möglichkeit, dass mehrere Ratsmitglieder gemeinsam einen Vorstoss einreichen, wie sie in mehreren Kantonsparlamenten (z. B. Zürich und Aargau) existiert, besteht nicht. Wenn Mitglieder verschiedener Fraktionen in einem Rat dasselbe Anliegen vorbringen möchten, besteht die gängige Praxis derzeit darin, gleichlautende Motionen oder Postulate einzureichen. In Curia Vista ist vermerkt, wenn es gleichlautende Vorstösse gibt (Beispiel: 21.3689 und 21.3690). Jede Urheberin und jeder Urheber behält folglich die Gewalt über ihren bzw. seinen Vorstoss. Insbesondere kann der Vorstoss nach eigenem Ermessen zurückgezogen werden, ohne dass dies Auswirkungen auf die gleichlautenden Vorstösse hat. Allen Urhebenden steht zudem die volle Redezeit im Nationalrat zur Verfügung. Die Urhebenden gleichlautender Vorstösse können eine getrennte Abstimmung über ihre Vorstösse verlangen. Diese Praxis ist allerdings wenig effizient, da sie relativ schwerfällig ist und die Zahl der hängigen parlamentarischen Vorstösse weiter erhöht. Sie wird mit der vorgeschlagenen Regelung (gemeinsames Einreichen eines Vorstosses durch mehrere Ratsmitglieder) überflüssig, aber nicht abgeschafft.
Im Übrigen bedeutet die Mitunterzeichnung (geregelt in Artikel 29 des Geschäftsreglements des Nationalrates [GRN] ⁴ und Artikel 25 des Geschäftsreglements des Ständerates [GRS] ⁵ ) nicht notwendigerweise, dass ein Vorstoss von mehreren Parteien unterstützt wird. Dieser überparteiliche Charakter tritt umso weniger zutage, als nur die Person, die den Vorstoss einreicht, den Urheberstatus und damit eine besondere Rolle erhält. Zudem ist der Entscheid, einen Vorstoss mitzuunterzeichnen, nicht immer bestens durchdacht, da er keine rechtlichen Folgen hat. Es hat sich gezeigt, dass das Vorhandensein zahlreicher Mitunterzeichnerinnen und Mitunterzeichner, selbst in einer Zahl, die eine theoretische Mehrheit im Nationalrat darstellt, nicht gewährleistet, dass der Vorstoss im Rat angenommen wird.
Das Einreichen eines Kommissionsvorstosses zeigt zwar, dass das fragliche Anliegen im Rat mehrheitsfähig sein dürfte, ist aber für Minderheitenparteien nicht immer ein gangbarer Weg.
⁴ SR 171.13
⁵ SR 171.14

2.2 Frühere Versuche

Ausgehend vom Postulat Girod 08.3058 nahm die SPK-N 2008 die Möglichkeit der Miturheberschaft in den Entwurf zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative 07.400 n (pa. Iv. SPK-N. «Parlamentsrecht. Verschiedene Änderungen») auf. Die entsprechenden Anträge wurden in den Entwurf aufgenommen, obwohl die Kommission ihren Bericht zum Entwurf bereits verabschiedet hatte, ohne dieses Anliegen darin thematisiert zu haben. Im damaligen Konzept der SPK-N war die Zahl der Miturhebenden auf drei begrenzt und wurden die mit der Urheberschaft verbundenen Rechte der ersten Miturheberin bzw. dem ersten Miturheber zugewiesen. Der Nationalrat nahm diese Anträge diskussionslos an (AB NR 10.6.2008), der Ständerat lehnte sie hingegen ab, zum einen aus Kostengründen, zum anderen, weil die Mehrheit keinen klaren Mehrwert erkannte (AB SR 25.9.2008, ad Art. 107). Um die Idee zu retten, schlug die SPK-N eine Lösung vor, die nur für den Nationalrat gelten sollte. Diese wurde vom Nationalrat allerdings letztlich mit 80 zu 77 Stimmen abgelehnt (siehe AB NR 30.9.2008), aus Kostengründen und mit Verweis darauf, dass das Ziel der Hervorhebung der parteiübergreifenden Zusammenarbeit auch auf anderem Wege erreicht werden kann (gleichlautende Vorstösse oder Mitunterzeichnung).
Nationalrat Bastien Girod reichte 2019 ein neues Postulat zu diesem Thema ein (19.3541, «Vorstösse mit Co-Autorenschaft»), welches vom Nationalrat mit 102 zu 60 Stimmen bei 1 Enthaltung abgelehnt wurde.

3 Grundzüge der Vorlage

3.1 Miturheberschaft

Der hier behandelte Teil der Vorlage betrifft entsprechend dem Grundsatzentscheid der SPK-N nur den Nationalrat. Der Hauptteil der Neuregelung erfolgt deshalb im Geschäftsreglement des Nationalrates, nur die Delegationsnorm wird ins Parlamentsgesetz aufgenommen.
Durch das gemeinsame Einreichen einer parlamentarischen Initiative, einer Motion oder eines Postulats soll signalisiert werden können, dass ein Anliegen über die Parteigrenzen hinweg unterstützt wird. Die aktuelle Lösung dafür, das Einreichen gleichlautender Initiativen, Motionen oder Postulate durch mehrere Ratsmitglieder, soll dadurch überflüssig gemacht werden. Abgeschafft werden soll sie allerdings nicht. Sie soll lediglich obsolet werden, da die Möglichkeit mehrerer Urheberinnen und Urheber ein zweckmässigeres Instrument darstellt. Im Hinblick auf das Hauptziel der Neuregelung wird also vom Szenario ausgegangen, dass die Miturhebenden eines Vorstosses aus unterschiedlichen Fraktionen stammen. Um das System nicht zu verkomplizieren, soll aber nicht vorgeschrieben oder verboten werden, dass die Miturhebenden der gleichen Fraktion angehören. Theoretisch wäre es also möglich, dass ein Vorstoss von sechs Ratsmitgliedern derselben Fraktion eingereicht wird. Dieses Szenario steht dann nicht mehr im Einklang mit dem Hauptziel der Neuregelung, welches darin besteht, eine parteiübergreifende Unterstützung zu signalisieren. Der Vorstoss hätte in diesem Fall eventuell geringeres politisches Gewicht, der Miturheberschaft könnte aber eine andere Funktion zukommen, zum Beispiel jene, hervorzuheben, dass der Vorstoss von Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Sprachgemeinschaften innerhalb derselben Fraktion unterstützt wird. Im Übrigen erhalten von mehreren Ratsmitgliedern gemeinsam eingereichte Initiativen, Motionen und Postulate keine Sonderbehandlung, d. h. sie werden nicht priorisiert und auch nicht von der zweijährigen Guillotineklausel ausgenommen. Die Miturheberschaft hätte folglich rein politische Auswirkungen und diese wären umso grösser, wenn die Miturhebenden aus verschiedenen Fraktionen stammen. Insgesamt ist die Miturheberschaft so konzipiert, dass sie eine Ausnahme bleibt. Mit anderen Worten: Ihre Nutzung soll nicht zu einfach sein und sie soll nicht dazu führen, dass die Mehrzahl der Vorstösse von mehreren Ratsmitgliedern gemeinsam eingereicht wird.
In diesem Sinne ist im Entwurf auch nicht vorgesehen, dass sich eine Miturheberin oder ein Miturheber zurückziehen kann. Mit der Unterzeichnung der Initiative oder des Vorstosses muss dieser bis zum Ende mitgetragen werden. Damit soll vermieden werden, dass Ratsmitglieder Miturhebende werden, ohne die Konsequenzen ihrer Unterstützung gründlich zu prüfen, so wie dies derzeit bei der Mitunterzeichnung bisweilen der Fall ist.
Gemeinsam eingereicht werden können parlamentarische Initiativen, Motionen und Postulate. Bei den anderen Vorstossarten (Interpellation, Anfrage) würde das gemeinsame Einreichen keinen Mehrwert bringen, da diese den Erhalt einer Information betreffen und nicht das Unterbreiten von Vorschlägen. Zudem existiert das Instrument einer dringlichen Interpellation, mit der 75 Ratsmitglieder die Durchführung einer aktuellen Debatte verlangen können. Die parlamentarischen Initiativen unterscheiden sich von Vorstössen dadurch, dass deren Behandlung grösstenteils in den Kommissionen erfolgt. Da gemäss dem neuen Artikel 29 a Absatz 1 die erste Miturheberin oder der erste Miturheber alle Rechte der oder des Urhebenden eines Textes ausübt, werden allfällige verfahrenstechnische Hürden vermieden. Nach der neuen Bestimmung wird somit die erste Miturheberin oder der erste Miturheber zu den Kommissionssitzungen eingeladen, an denen die Initiative behandelt wird. Sollte die von der Kommissionsminderheit unterstützte Variante angenommen werden (einstimmige Ausübung der Rechte), müssten die Miturheberinnen und Miturheber nach Möglichkeit eine Person bestimmen, die sie in der Kommission vertritt, da andernfalls die Behandlung ihres Textes erheblich erschwert würde.
Die Möglichkeit, gemeinsam eine parlamentarische Initiative, eine Motion oder ein Postulat einzureichen, soll nicht nur den Ratsmitgliedern, sondern auch den Fraktionen zustehen. Da das Instrument dazu dienen soll, die parteiübergreifende Unterstützung für ein Anliegen zu verdeutlichen, ist es nur logisch, wenn es auch den Fraktionen zur Verfügung steht. Vorstellbar wäre zum Beispiel, dass eine Motion von mehreren Fraktionen gemeinsam oder von einer Fraktion zusammen mit einzelnen Ratsmitgliedern eingereicht wird. Nicht vorgesehen ist diese Möglichkeit für die Kommissionen, da das Einreichen eines Vorstosses durch die Mehrheit einer Kommission bereits zeigt, dass dieser von mehreren Fraktionen oder zumindest von einer politischen Mehrheit unterstützt wird.
Darüber hinaus werden die Rechte, die der Urheberin oder dem Urheber einer parlamentarischen Initiative, einer Motion oder eines Postulats gemäss Gesetz oder Reglement zustehen, von der ersten Miturheberin oder vom ersten Miturheber ausgeübt. Die Kommissionsminderheit verlangt, dass diese Rechte allen Miturheberinnen und Miturhebern eingeräumt werden und es diesen obliegt, diese Rechte - falls gewünscht - an eine oder mehrere Personen aus diesem Kreis zu übertragen. Der Minderheitsantrag bedingt, dass der Rückzug der Initiative oder des Vorstosses geregelt wird. Um den Rückzug nicht übermässig zu erschweren, müsste im Reglement präzisiert werden, dass der Text als zurückgezogen gilt, wenn eine Miturheberin oder ein Miturheber dies erklärt. Mit anderen Worten: Es wird davon ausgegangen, dass der Rückzug im Einvernehmen mit allen Miturheberinnen und Miturhebern verkündet wird.
Eine Minderheit beantragt Nichteintreten. Sie sieht keinen Mehrwert darin, dass mehrere Ratsmitglieder zusammen einen Vorstoss einreichen können. Die doch recht komplexe Regelung und der finanzielle Aufwand stünden in keinem Verhältnis zum geringen Nutzen.

3.2 Teilbarkeit von Vorstössen

Hier geht es darum, im Gesetz die Praxis der Räte zu verankern, wonach ein Vorstoss nur teilbar ist, wenn die Urheberin oder der Urheber im Text mit Aufzählungszeichen, Buchstaben, Ziffern usw. voneinander abgetrennte inhaltliche Forderungen stellt. In diesem Fall kann über jeden Punkt getrennt beraten und abgestimmt werden, und kann der Bundesrat getrennte Anträge zu diesen Punkten stellen. Der Rat kann anhand dieser formalen Voraussetzung klar bestimmen, ob ein Vorstoss teilbar ist oder nicht. Ein Vorstoss ist nicht teilbar, wenn verschiedene Forderungen in einem unstrukturierten Fliesstext gestellt werden (Ziffer C. 8. der Sammlung der Beschlüsse und Praktiken des Büros).

3.3 An den EDÖB gerichtete Vorstösse

Seit dem Inkrafttreten des totalrevidierten Datenschutzgesetzes vom 25. September 2020 (DSG; SR 235.1 ) übt der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) seine Funktion unabhängig aus, ohne Weisungen einer Behörde oder eines Dritten einzuholen oder entgegenzunehmen. Er ist administrativ der Bundeskanzlei zugeordnet (Art. 43 Abs. 4 DSG). Neu wird er zudem vom Parlament gewählt (Art. 43 Abs. 1 DSG).
Aufgrund der gesetzlichen Unabhängigkeit des EDÖB ist der Bundesrat nicht mehr zuständig für Motionen, die den EDÖB betreffen. Zudem erscheint es aufgrund von Artikel 43 Absatz 1 DSG als ausgeschlossen, dass das Parlament dem EDÖB mit einer Motion gestützt auf Artikel 120 ParlG Weisungen zur Aufsichtstätigkeit oder Verfahrensführung erteilen kann. Ebenso fragt es sich, ob es sachgerecht wäre, wenn der Bundesrat Postulate behandeln müsste, die die Aufgaben des EDÖB betreffen, zumal die Datenschutzverordnung (DSV; SR 235.11 ) in Artikel 37 Absatz 2 vorsieht, dass der EDÖB Berichte an das Parlament über die Parlamentsdienste einreicht.
Artikel 118 Absätze 2 bis 5 ParlG über die Zuteilung von Vorstössen wurden im Rahmen der Totalrevision des DSG nicht angepasst. Anders als für die eidgenössischen Gerichte und die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) besteht somit keine Regelung betreffend den EDÖB. Abklärungen der Bundeskanzlei und des Bundesamtes für Justiz haben ergeben, dass hinsichtlich der Zuteilung der Vorstösse, die den EDÖB betreffen, eine gesetzliche Lücke besteht. Als Übergangslösung wurde beschlossen, Artikel 118 Absatz 4 ParlG analog auf den EDÖB anzuwenden, wie dies nach der Aufnahme der Tätigkeit der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft am 1. Januar 2011 bis zum Inkrafttreten von Artikel 118 Absatz 4bis ParlG am 25. November 2013 der Fall war (Martin Graf, Kommentar Parlamentsgesetz, Basel 2014, Art. 118 Rz. 32, mit Beispielen).
Diese Übergangslösung muss in das ordentliche Recht überführt werden. Artikel 118 ParlG wird mit einem neuen Absatz 4ter ergänzt, wonach die Vorstösse, die die Geschäftsführung des EDÖB oder dessen Finanzhaushalt betreffen, diesem zur Beantwortung zugewiesen werden; Motionen werden als unzulässig erklärt.

3.4 Keine Einreichung von Vorstössen während Sondersessionen

Gemäss Artikel 2 des Parlamentsgesetzes können die Räte für sich Sondersessionen beschliessen, wenn die ordentlichen Sessionen «zum Abbau der Geschäftslast» nicht ausreichen. Aus diesem Grund führt der Nationalrat seit über zehn Jahren jedes Jahr eine mehrtägige Sondersession durch.
Das eigentliche Ziel der Sondersessionen - der Abbau der Geschäftslast - wird jedoch regelmässig vereitelt, da in Sondersessionen mittlerweile mehr neue Vorstösse eingereicht als alte Geschäfte erledigt werden. Sondersessionen führen mithin dazu, dass die Geschäftslast noch stärker ansteigt. So wurden in der Sondersession des Nationalrats vom Mai 2022 zwar rund 50 Geschäfte erledigt, gleichzeitig aber über 150 neue Vorstösse eingereicht. Die Rechnung ist einfach: Die Pendenzenliste wurde nicht verkürzt, sondern mit 100 neuen Geschäften verlängert. Bisweilen ist die Erfolgsbilanz zwar etwas besser, aber auch in der Sondersession vom April 2024 standen 83 neu eingereichte Vorstösse und parlamentarische Initiativen 58 erledigten gegenüber.
Damit die Zahl neu eingereichter Vorstösse nicht weiter wächst, scheint eine Konzentration in der Sondersession auf den Abbau von Geschäften sinnvoll, während in ordentlichen und ausserordentlichen Sessionen Vorstösse weiterhin normal eingereicht werden können.
Die Kommissionsminderheit lehnt diese Änderung ab, da es aus ihrer Sicht keinen Grund gibt, die Rechte der Ratsmitglieder in Sachen Vorstösse einzuschränken, und eine solche Einschränkung darüber hinaus nicht zu weniger Vorstössen führen würde, da die Ratsmitglieder die Vorstösse einfach in der nächsten ordentlichen Session einreichen würden.

4 Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

4.1 Parlamentsgesetz

Artikel 6 Absatz 2bis
Damit der Nationalrat die Miturheberschaft bei parlamentarischen Initiativen und Vorstössen in seinem Geschäftsreglement vorsehen kann, braucht es eine Delegationsnorm in einer formellen Rechtsgrundlage. Eine solche formelle Delegation ist erforderlich, da die geplante Neuregelung einen Bruch mit dem aktuellen System darstellt: Galt für von Ratsmitgliedern eingereichte Vorstösse bisher der Grundsatz «ein Ratsmitglied, ein Vorstoss», soll neu auch eine Mehrzahl von Ratsmitgliedern Vorstösse einreichen können. Die Möglichkeit einer Kommissionsmehrheit oder einer Fraktion, einen Vorstoss einzureichen, die ebenfalls eine Ausnahme vom genannten Grundsatz darstellt, ist im Übrigen in Artikel 119 Absatz 1 ParlG verankert. Zudem ist die Frage, wer die gesetzlichen Rechte der Ratsmitglieder ausüben darf, als wichtig zu erachten und bedarf deren Regelung einer formellen Rechtsgrundlage. Die Delegationsnorm in Absatz 2bis ist eine Kann-Regelung, d. h. die Räte können auf diese Möglichkeit auch verzichten oder sie nur teilweise nutzen. Bei den betroffenen Rechten handelt es sich in der Theorie um das Recht, parlamentarische Initiativen und Vorstösse einzureichen, und um das Recht, Wahlvorschläge einzureichen (Abs. 1). Die Ratsreglemente können also vorsehen, dass Vorstösse und parlamentarische Initiativen von mehreren Ratsmitgliedern gemeinsam eingereicht werden können, und die entsprechenden Modalitäten regeln. Von den anderen Bestimmungen des Parlamentsgesetzes, namentlich jenen über die Rechte der Ratsmitglieder, kann in den Ratsreglementen hingegen nicht abgewichen werden. Die in der hier behandelten Vorlage vorgeschlagene Änderung des Geschäftsreglements des Nationalrates nutzt die gesetzliche Delegationsnorm nur teilweise, da die Miturheberschaft nur bei parlamentarischen Initiativen, Motionen und Postulaten möglich sein soll, nicht aber bei den anderen Vorstössen und den Wahlvorschlägen. Im Übrigen betrifft die hier behandelte Vorlage entsprechend dem Grundsatzentscheid der SPK-N nur den Nationalrat. Die Bestimmungen, welche die Modalitäten der Miturheberschaft regeln, finden sich deshalb im Geschäftsreglement des Nationalrates. Der Ständerat ist von der hier behandelten Änderung nicht betroffen.
Artikel 118 Absatz 4ter
Artikel 118 Absatz 2 ParlG hält fest, dass sich parlamentarische Vorstösse in der Regel an den Bundesrat richten. Ausnahmen sahen bis jetzt die Absätze 3, 4 und 4bis vor. Nach Artikel 118 Absatz 3 ParlG richten sich Vorstösse an das Büro des Rates, in dem sie eingereicht wurden, wenn sie sich auf den Bereich des Parlamentsrechts beziehen. Vorstösse richten sich nach Artikel 118 Absatz 4 ParlG an die eidgenössischen Gerichte, wenn sie sich auf deren Geschäftsführung oder deren Finanzhaushalt beziehen. Artikel 118 Absatz 4bis ParlG sieht vor, dass sich Vorstösse an die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) richten, wenn sie sich auf die Geschäftsführung oder den Finanzhaushalt der Bundesanwaltschaft (BA) oder ihrer Aufsichtsbehörde beziehen. Schliesslich sieht Absatz 4ter vor, dass sich Vorstösse an den EDÖB richten, wenn sie sich auf dessen Geschäftsführung oder dessen Finanzaushalt beziehen. Motionen, die sich an den EDÖB richten, sind ausgeschlossen, da der Adressat, wie in den Fällen von Artikel 118 Absatz 4 und 4bis ParlG, nicht über das Initiativrecht verfügt (Martin Graf, Kommentar Parlamentsgesetz, Basel 2014, Art. 118 Rz. 31 ff).
Artikel 119 Absatz 2
Die Präzisierung in Artikel 119 Absatz 2 ParlG dient dazu, die Praxis bei der Teilung von Vorstössen klarer zu regeln. Verankert wird die Praxis der Räte, so wie sie in der «Sammlung der Beschlüsse und Praktiken» festgehalten ist: Ein Vorstoss kann nur geteilt werden, wenn die inhaltliche Trennbarkeit der verschiedenen Forderungen im Text mit Aufzählungszeichen, Buchstaben, Ziffern usw. formell verdeutlicht ist. Ein Fliesstext erfüllt diese Voraussetzung nicht und auch Abschnittswechsel reichen nicht aus. Diese Praxis ist nicht neu. Sie ist im Übrigen genau so im ParlG-Kommentar von 2014 (Art. 119 Abs. 2) beschrieben.
Diese Änderung dient dazu, den Ausdruck «inhaltlich teilbar» zu präzisieren und zu ergänzen: Voraussetzung für die Teilbarkeit ist nicht nur, dass die verschiedenen Punkte inhaltlich trennbar sind, sondern dass diese inhaltliche Trennbarkeit auch durch eine formelle Trennung verdeutlicht ist.
Diese Formulierung geht in die vom Büro gewünschte Richtung, ohne das Parlamentsgesetz mit detaillierten Erläuterungen zu überfrachten, die nicht ins Gesetz, sondern in die Sammlung der Praktiken gehören.
Artikel 162 Absatz 5
Da dem EDÖB eine unabhängige Stellung zukommt, wird der Verkehr zwischen der Bundesversammlung und dem EDÖB analog zu jenem zwischen der Bundesversammlung und den eidgenössischen Gerichten sowie zwischen der Bundesversammlung und der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft gemäss Artikel 162 ParlG geregelt. Der Verkehr zwischen der Bundesversammlung und dem EDÖB beschränkt sich im Wesentlichen auf die Aufgaben der Bundesversammlung im Rahmen der Budgethoheit, der Oberaufsicht und der Gesetzgebung im Bereich der Zuständigkeit, Organisation und Verwaltung des EDÖB. Absätze 1-4 konkretisieren dieses Verhältnis (Irene Moser, Kommentar Parlamentsgesetz, Basel 2014, Art. 162 Rz. 5 ff).

4.2 Geschäftsreglement des Nationalrates

Art. 25
Einreichung
Absatz 1: In Artikel 25 Absatz 1 GRN soll neu präzisiert werden, dass Vorstösse während ordentlichen und ausserordentlichen Sessionen eingereicht werden können. Hingegen dürfen keine Vorstösse während Sondersessionen eingereicht werden.
Absatz 2: Der neue Absatz 2 sieht vor, dass parlamentarische Initiativen, Motionen und Postulate von mehreren Ratsmitgliedern oder Fraktionen gemeinsam eingereicht werden können. Allgemeine Informationen zum System der Miturheberschaft finden sich oben unter Ziffer 3.
Aus Gründen der Lesbarkeit und der Praktikabilität muss die Zahl der möglichen Miturhebenden beschränkt sein. Durch zu viele Miturhebende könnte die Kopfzeile der Vorstösse oder Initiativen unlesbar werden. Zudem würde der technische und praktische Umgang mit den Initiativen, Motionen und Postulaten verkompliziert, namentlich was die Ausübung der Rechte angeht, die der oder dem Urhebenden zustehen (siehe Liste dieser Rechte unten). Da das Hauptziel der Miturheberschaft darin besteht, die parteiübergreifende Unterstützung für einen Vorstoss zu verdeutlichen, ist es nur logisch, die Höchstzahl der Miturhebenden auf die Zahl der Fraktionen im Parlament (derzeit: sechs) zu begrenzen. Ein von allen Fraktionen unterstützter Vorstoss könnte so von sechs Ratsmitgliedern, einem pro Fraktion, gemeinsam eingereicht werden. Sollte sich die Zahl der Fraktionen künftig ändern, würde sich die Höchstzahl der möglichen Miturhebenden automatisch mit ändern. Ausschlaggebend ist hierbei der Zeitpunkt, an dem der Vorstoss eingereicht wird. Zählt das Parlament sechs Fraktionen und reichen Vertreterinnen und Vertreter dieser sechs Fraktionen gemeinsam einen Vorstoss ein, bleiben diese sechs Ratsmitglieder Miturhebende, auch wenn die Zahl der Fraktionen in der nachfolgenden Legislatur auf fünf sinkt.
Art. 29
Mitunterzeichnerinnen und Mitunterzeichner
Die Miturheberschaft soll neben dem bereits existierenden und in Artikel 29 GRN vorgesehenen Konzept der Mitunterzeichnung bestehen. Die Regeln für die Mitunterzeichnung bleiben also unverändert. Die geltenden Absätze 1 und 2 werden nicht geändert.
Absatz 1 bis (neu): Der neue Absatz 1bis präzisiert, dass parlamentarische Initiativen, Motionen und Postulate mit mehreren Urhebenden (Miturheberschaft) von weiteren Ratsmitglieder mitunterzeichnet werden können. Absatz 2 findet sinngemäss Anwendung, d. h., Mitunterzeichnerinnen und Mitunterzeichner können sich dem Rückzug des Vorstosses durch die Miturhebenden nicht widersetzen. Der Rückzug des Vorstosses durch die Miturhebenden ist in Artikel 29 a Absatz 2 GRN geregelt. Das Ziel der Mitunterzeichnung bleibt gleich wie zuvor: Signalisieren, dass ein Vorstoss von einer Vielzahl von Ratsmitgliedern unterstützt wird und deshalb im Rat mehrheitsfähig sein dürfte.
Art. 29a
Miturheberschaft
Absatz 1: Die Rechte, die der oder dem Urhebenden einer Motion oder eines Postulats gemäss Parlamentsgesetz und Ratsreglement zustehen, werden grundsätzlich von der ersten Miturheberin oder dem ersten Miturheber ausgeübt. Eine Vertretung durch eine oder mehrere andere Miturheberinnen bzw. einen oder mehrere andere Miturheber ist möglich. Es ist dies die Lösung, die in der Vorlage 07.400 von 2008 vorgesehen war (siehe oben, Ziff. 2.2.). Sie hat den Vorteil, dass sie nahe am üblichen Fall bleibt, in dem ein Vorstoss oder eine Initiative nur eine Urheberin oder einen Urheber hat, und dass sie die Ausübung der verschiedenen Rechte vereinfacht. Die wichtigsten Rechte, die der Urheberin oder dem Urheber gemäss ParlG und GRN zustehen, sind die folgenden: Recht auf mündliche Begründung (Art. 6 Abs. 4 ParlG, Art. 44 Abs. 2 und Art. 46 Abs. 4 GRN), Recht auf Rückzug (Art. 73 ParlG und Art. 29 Abs. 2 GRN), Recht des Urhebers einer parlamentarischen Initiative, an den Sitzungen der Kommission teilzunehmen (Art. 109 Abs. 4 und 111 Abs. 2 ParlG), Anrufung des Büros bei Unzulässigkeitserklärung durch die Präsidentin oder den Präsidenten (Art. 23 Abs. 3 GRN) sowie das Recht auf Information über die Gründe für Verzögerungen bei der Beantwortung eines Vorstosses (Art. 27 GRN).
Die erste Miturheberin oder der erste Miturheber kann jederzeit die Ausübung eines dieser Rechte an eine andere Miturheberin oder einen anderen Miturheber delegieren. Die verschiedenen Rechte dürfen auch an verschiedene Miturhebende delegiert werden. Ein Recht darf jedoch nicht von mehreren Miturhebenden gleichzeitig ausgeübt werden. So könnte z. B. das Recht, eine parlamentarische Initiative in der für die Vorprüfung zuständigen Kommission zu präsentieren, an die die zweite Miturheberin delegiert werden und das Recht, an den Sitzungen zur Ausarbeitung dieser Initiative teilzunehmen, an den dritten Miturheber.
Es versteht sich von selbst, dass die erste Miturheberin oder der erste Miturheber zunächst die anderen Miturhebenden zu konsultieren hat, bevor er den Rückzug der Initiative, der Motion oder des Postulats erklärt. Ferner gibt es die Praktik des Büros, dass die Behandlung eines Vorstosses, dessen Urheberin bzw. Urheber abwesend oder entschuldigt ist, auf einen späteren Zeitpunkt verschoben wird, was allerdings mit der Gefahr verbunden ist, dass der Vorstoss gar nicht behandelt wird. Auf ausdrücklichen Wunsch des betroffenen Ratsmitglieds kann jedoch in dessen Abwesenheit über den Vorstoss abgestimmt werden. Bei einem gemeinsam eingereichten Vorstoss reicht die Anwesenheit einer oder eines Miturhebenden (egal welche oder welcher) aus, damit der Vorstoss behandelt wird.
Absatz 2: Gemäss der allgemeinen Regel in Absatz 1 würde das im ParlG und im GRN vorgesehene Recht auf mündliche Begründung von der ersten Miturheberin oder dem ersten Miturheber ausgeübt. Dieser bzw. diesem stünde folglich die fünfminütige Redezeit gemäss Artikel 44 Absatz 2 GRN zu. Die SPK-N wollte jedoch, dass die Redezeit grundsätzlich den Miturhebenden als Ganzes zusteht und diese über die Aufteilung zu entscheiden haben. Diese Sonderregelung findet sich in Absatz 2. Ohne anderweitige Vereinbarung kann also jede Miturheberin und jeder Miturheber das Wort ergreifen, sofern die Wortmeldungen insgesamt nicht die fünfminütige Redezeit überschreiten. Die Miturhebenden sind frei, die gesamte fünfminütige Redezeit einer Person unter ihnen zuzuteilen oder auf zwei oder drei unter ihnen aufzuteilen.
Minderheit ad Abs. 1, 1 bis und 2: Eine Minderheit beantragt, dass die Rechte der oder des Urhebenden einer Initiative, einer Motion oder eines Postulats von den Miturhebenden gemeinsam ausgeübt werden. Grundsätzlich gilt also das Konsensprinzip. Um die Ausübung dieser Rechte zu vereinfachen, können die Miturheberinnen und Miturheber eines oder alle dieser Rechte an eine bzw. einen von ihnen delegieren. Die Delegation kann mündlich oder schriftlich erfolgen und muss dem Ratssekretariat nicht kommuniziert werden.
Gemäss dem in Absatz 1 vorgesehenen Konsensprinzip bedarf der Rückzug des Einverständnisses aller Miturhebenden. Auch wenn dieses Konzept im Grundsatz klar und einfach ist, müssen die Modalitäten der Kommunikation des Rückzugs doch geregelt werden, damit es keine Zweifel hinsichtlich der Gültigkeit des Rückzugs gibt. Deshalb enthält Absatz 1bis die Regel, dass die schriftliche oder mündliche Rückzugserklärung einer oder eines Miturhebenden an einer Rats- oder Kommissionssitzung als Rückzug des Vorstosses gilt. Ob diese Erklärung mit Einwilligung der anderen Miturhebenden erfolgte, ist eine interne Frage, die für die Gültigkeit des Rückzugs ohne Bedeutung ist. Es ist davon auszugehen, dass Miturhebende, die ohne Einwilligung der Miturhebenden den Rückzug des Vorstosses erklären, in der Folge Schwierigkeiten haben werden, Partner für das gemeinsame Einreichen von Vorstössen zu finden. Das Ratssekretariat muss darum beim mündlichen Rückzug durch eine einzelne Miturheberin oder einen einzelnen Miturheber nicht prüfen, ob die Einwilligung der anderen Miturhebenden vorliegt. Der direkte Rückzug im Nationalrat während der Beratung des Vorstosses bleibt also möglich, solange das entsprechende Ratsmitglied vor seiner Wortmeldung die Zustimmung seiner Miturhebenden eingeholt hat. Der elektronische Rückzug via Parlnet ist ebenfalls möglich. Jeder Miturheberin und jedem Miturheber steht die Funktion «Rückzug» zur Verfügung. Nutzt eine oder einer der Miturhebenden diese Funktion, gilt der Vorstoss als zurückgezogen. Im Übrigen erhält im Nationalrat jede Urheberin und jeder Urheber eines Vorstosses (Motion oder Postulat) mit der Antwort des Bundesrates ein Formular des Zentralen Sekretariats, auf dem zu erklären ist, ob sie bzw. er mit dieser Antwort einverstanden ist. Ist sie oder er mit der Antwort zufrieden (was in der Regel der Fall ist, wenn der Bundesrat die Annahme der Motion oder des Postulats beantragt), wird der Vorstoss auf die Liste des letzten Freitags der nächsten Session gesetzt und kann von den anderen Ratsmitgliedern bekämpft werden. Wird der Vorstoss nicht bekämpft, ist er im beschleunigten Verfahren angenommen. Wird der Vorstoss bekämpft, wird er vor den Vorstössen behandelt, die der Bundesrat zur Ablehnung beantragt (Art. 28 Abs. 2 GRN). Wurde ein Vorstoss von mehreren Ratsmitgliedern gemeinsam eingereicht, erhalten alle Miturhebenden das Formular des Zentralen Sekretariats. Erklären sich alle Miturhebenden zufrieden mit der Antwort des Bundesrates, wird der Vorstoss auf die Liste des letzten Freitags der nächsten Session gesetzt. Fehlt die Erklärung einer oder eines Miturhebenden wird der Vorstoss nicht auf diese Liste gesetzt.
Mit dem Konsensprinzip ist eine spezielle Regelung zur Redezeit unnötig, weshalb Abs. 2 gestrichen werden kann.
Absatz 3: Der Fall, dass eine Miturheberin oder ein Miturheber aus dem Rat ausscheidet, muss ebenfalls geregelt werden. Die allgemeine Bestimmung für von einem einzelnen Ratsmitglied eingereichte Initiativen oder Vorstösse (Art. 109 Abs. 5 und 119 Abs. 5 Bst. b ParlG) muss hierfür präzisiert werden. Solange mindestens eine Miturheberin oder ein Miturheber Mitglied des Rates ist, bleibt der Vorstoss hängig, ohne dass weitere Schritte nötig sind. Scheidet die erste Miturheberin oder der erste Miturheber aus dem Rat aus, gehen die auf die nächste Miturheberin oder den nächsten Miturheber über. Scheiden alle Miturhebenden aus dem Rat aus, kommt die allgemeine Regelung des ParlG zur Anwendung: Wenn kein anderes Ratsmitglied während der ersten Woche der folgenden Session die Initiative oder den Vorstoss übernimmt, wird dieser ohne Ratsbeschluss abgeschrieben (Art. 109 Abs. 5 und 119 Abs. 5 Bst. b ParlG).

5 Auswirkungen

5.1 Auswirkungen auf den Bund

5.1.1 Finanzielle Auswirkungen

Die Geschäftsleitung der Parlamentsdienste hat abgeklärt, welche Auswirkungen sich in technischer und finanzieller Hinsicht bei den IT-Systemen der Bundesversammlung aus den vorgeschlagenen Änderungen von Artikel 119 Absatz 2 ParlG und Artikel 29 a GRN ergeben würden:
Vorschlag der Mehrheit: mehrere Urhebende, wobei einer Miturheberin oder einem Miturheber eine administrative Sonderstellung zukommt.
Vorschlag der Minderheit: mehrere Urhebende, wobei alle Miturhebenden über die gleichen Rechte verfügen.
Der Vorschlag der Mehrheit kommt dem heutigen Stand der Ratsmitgliederplattform «Parlnet» insofern am nächsten, als nur einige wenige Funktionserweiterungen erforderlich wären. Beim Vorschlag der Minderheit müsste mit einem höheren Aufwand gerechnet werden, um die Gleichberechtigung der Ratsmitglieder abzubilden.
Auswirkungen auf die IT-Systeme
Die technische Umsetzung bedingt Anpassungen an folgenden IT-Systemen:
-
Ratsmitgliederplattform «Parlnet»;
-
Geschäftsdatenbank «CURIAplus» (voraussichtlich nur in Variante 1 und 3);
-
Data Ware House «ParlData»;
-
Internet-Präsenz www.parlament.ch;
-
Open Data Schnittstellen (OGD);
-
Datenschnittstelle zur Bundeskanzlei.
Bei der technischen Umsetzung ist - insbesondere beim Vorschlag der Minderheit- die Ratsmitgliederplattform «Parlnet» unmittelbar sowie am stärksten betroffen, weil «Parlnet» die parlamentarischen Kernprozesse digitalisiert und zahlreiche Prozessschritte im Umgang mit parlamentarischen Vorstössen abdeckt. In Abhängigkeit davon, welche der obengenannten Varianten gewählt wird und wie umfassend die technische Unterstützung der Urhebenden in «Parlnet» gewährleistet werden soll, werden mehr oder weniger grosse Änderungen in den Geschäftsprozessen zu modellieren und umzusetzen sein. Dabei sind voraussichtlich auch Anpassungen am Datenmodell der zentralen Geschäftsdatenbank «CURIAplus» und bei der analytischen Datenbank von «ParlData» vorzunehmen. Die weiteren genannten IT-Systeme sind Datenabnehmer aus «CURIAplus» sowie «ParlData». Dazu zählt vorab die Internet-Präsenz www.parlament.ch (auch bekannt als «Curia Vista»), die diverser Anpassungen bedarf, um die neue geschaffene Möglichkeit einer aus mehreren Ratsmitgliedern zusammengesetzten Urheberschaft in geeigneter Form darzustellen. Analoges gilt für die technischen Schnittstellen, über die öffentlich zugängliche Daten in maschinenlesbarer Form als Open Data angeboten werden. Auch hier sind kleinere Anpassungen erforderlich. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die Parlamentsdienste an einer Modernisierung der Open-Data-Schnittstellen arbeiten und voraussichtlich Mitte 2025 ein neues Angebot für den Bezug öffentlicher Parlamentsdaten zur Verfügung stellen werden.
Schliesslich dient die Datenschnittstelle zur Bundeskanzlei dem medienbruchfreien Austausch von Daten zu parlamentarischen Vorstössen und zu deren Beantwortung durch die Bundesverwaltung. Die erforderlichen Schnittstellenanpassungen sind überschaubar. Indes wird durch die Bundeskanzlei zu prüfen und sicherzustellen sein, dass die Bundesverwaltung Vorstösse mit mehreren Ratsmitgliedern als Urhebende verarbeiten kann und das Zusammenwirken mit nachgelagerten Geschäftsprozessen und IT-Systemen reibungslos funktioniert.
Finanzielle Auswirkungen
Die vorgeschlagenen Varianten hätten finanzielle Auswirkungen in der Grössenordnung von 100 000 bis 300 000 Franken, wobei der Minderheitsantrag kostenintensiver ist als der Mehrheitsantrag.
Beurteilung
Aufgrund der vorliegenden Abklärungen zum Anpassungsbedarf bei betroffenen IT-Systemen steht einer technischen Umsetzung der parlamentarischen Initiative 22.406 SPK-N grundsätzlich nichts entgegen. Die hierfür erforderlichen Aufwände sind nicht budgetiert und wurden noch nicht umfassend abgeschätzt, weil die Variantenwahl auch die Gestaltung der Geschäftsprozesse beeinflussen kann, worauf bei der technischen Umsetzung dann Rücksicht zu nehmen wäre.
In zeitlicher Hinsicht erscheint eine technische Umsetzung ab Mitte 2025 realistisch. Dies wird auch unter Beachtung der Abhängigkeiten zu anderen Vorhaben empfohlen, die die Ablösung technischer Schnittstellen und Bereitstellung eines modernen Open Data Angebots zum Gegenstand haben.

5.1.2 Andere Auswirkungen

Es sind keine anderen Auswirkungen auf den Bund zu erwarten.

5.2 Andere Bereiche

Es ist offensichtlich, dass die Vorlage weder Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden noch auf die Bereiche Wirtschaft, Gesundheit, Gesellschaft, Umwelt oder andere Bereiche hat. Die entsprechende Frage wurde daher nicht vertieft untersucht.

6 Rechtliche Aspekte

6.1 Verfassungsmässigkeit

Die Bundesversammlung kann gemäss Artikel 164 Absatz 1 Buchstabe g der Bundesverfassung (BV) grundlegende Bestimmungen über die Organisation und das Verfahren der Bundesbehörden erlassen.

6.2 Ausgabenbremse

Mit der Vorlage werden weder neue Subventionsbestimmungen noch neue Verpflichtungskredite oder Zahlungsrahmen beschlossen. Sie ist somit nicht der Ausgabenbremse (Art. 159 Abs. 3 Bst. b BV) unterstellt.

6.3 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Die in Artikel 6 Absatz 2bis ParlG vorgesehene Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen an den Nationalrat wird unter Ziffer 3 und Ziffer 4.1 begründet.
Bundesrecht
Parlamentarische Initiative. Vorstösse mit mehreren Ratsmitgliedern als Urhebende ermöglichen. Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates
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