Botschaft zum Bundesgesetz über das Verbot der Hamas sowie verwandter Organisationen
Botschaft zum Bundesgesetz über das Verbot der Hamas sowie verwandter Organisationen
vom 4. September 2024
Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren
Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf des Bundesgesetzes über das Verbot der Hamas sowie verwandter Organisationen ¹ .
Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben:
2023 | M | 23.4312 | Die Terrororganisation Hamas verbieten (Sicherheitspolitische Kommission NR) |
2023 | M | 23.4329 | Die Terrororganisation Hamas verbieten (Sicherheitspolitische Kommission SR) |
Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.
4. September 2024 | Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Viola Amherd Der Bundeskanzler: Viktor Rossi |
Übersicht
Mit dem neuen Bundesgesetz sollen die Hamas, Tarn- und Nachfolgeorganisationen der Hamas sowie Organisationen und Gruppierungen, die im Auftrag oder im Namen der Hamas handeln, verboten werden. Damit können die Behörden des Bundes und der Kantone wirksam gegen die Hamas und solche Organisationen vorgehen. Zusätzlich erhält der Bundesrat die Kompetenz, Organisationen und Gruppierungen zu verbieten, deren Führungspersonen, Zielsetzung oder Mittel mit denjenigen der Hamas übereinstimmen und die mittelbar oder unmittelbar terroristische oder gewalttätig-extremistische Aktivitäten unterstützen und damit die innere oder äussere Sicherheit konkret bedrohen.
Am 7. Oktober 2023 griff die militante islamistische und palästinensisch-nationalistische Organisation Hamas Israel vom Gazastreifen aus an. Der Angriff forderte den Tod von fast 1200 Personen aus Israel und auch aus anderen Staaten, so der Schweiz. Bei dem Terrorakt nahm die Hamas nicht nur militärische Ziele, sondern bewusst auch die Zivilbevölkerung durch Luft- und Bodenangriffe ins Visier. Sie griff ein Open-Air-Musikfestival und Kibbuze an, wobei die Kämpfer der Hamas wahllos Zivilisten erschossen, verstümmelten, verbrannten und sexueller Gewalt aussetzten. Unter den Opfern befanden sich zahlreiche Frauen und Kinder. Die Hamas nahm rund 250 Personen als Geiseln und verschleppte sie in den Gazastreifen. Im Nachgang zum Angriff kündigte die Führung der Hamas an, derartige Angriffe fortzusetzen, bis Israel ausgelöscht sei.
Als Reaktion auf diesen beispiellosen Terrorakt beantragten die Sicherheitspolitischen Kommissionen von National- und Ständerat ein Verbot der Hamas. Der Bundesrat beschloss an seiner Sitzung vom 22. November 2023, dem Parlament ein entsprechendes Gesetz zu unterbreiten. Damit erhalten die Bundesbehörden die notwendigen Instrumente, um gegen allfällige Aktivitäten der Hamas oder die Unterstützung der Organisation in der Schweiz vorzugehen.
Die Hamas, Tarn- und Nachfolgegruppierungen sowie Organisationen und Gruppierungen, die im Auftrag oder im Namen der Hamas handeln, werden verboten und gelten als terroristische Organisationen nach Artikel 260ter des Strafgesetzbuchs (StGB). Eine Beteiligung oder Unterstützung wird dadurch unter Strafe gestellt. Das Verbot erfasst die Hamas, Tarn- und Nachfolgeorganisationen sowie Organisationen und Gruppierungen, die im Auftrag oder im Namen der Hamas handeln. Mit der Hamas verwandte Organisationen und Gruppierungen sind nur dann verboten, wenn der Bundesrat mittels einer Allgemeinverfügung, die eine besondere Nähe zur Hamas darlegt, ein Verbot erlässt: Die Organisationen müssen betreffend Führungspersonen, Zielsetzung oder Mittel mit denjenigen der Hamas übereinstimmen. Wer gegen das Verbot verstösst, wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwanzig Jahren oder einer Geldstrafe bestraft.
Das Verbot erleichtert und beschleunigt den Erlass von präventivpolizeilichen Massnahmen. Ebenso wird die Beweisführung bei Strafverfahren betreffend Artikel 260ter StGB erleichtert. Ein Organisationsverbot schafft zudem Rechtsicherheit für Finanzintermediäre bei der Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung. Die Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) kann so mit ausländischen Behörden einfacher Informationen über Finanzflüsse mit Verdacht auf Terrorismusfinanzierung austauschen und verhindern, dass die Hamas oder verwandte Organisationen das Schweizer Finanzsystem zur Finanzierung terroristischer Aktivitäten missbrauchen.
Botschaft
¹ BBl 2024 2251
1 Ausgangslage
1.1 Handlungsbedarf und Ziele
1.1.1 Hintergrund
Am 7. Oktober 2023 griff die Hamas Israel vom Gazastreifen aus an. Sie feuerte Raketen Richtung israelisches Territorium und drang in israelisches Gebiet vor. Die Hamas griff mehrere Kibbuze, ein Open-Air-Musikfestival sowie mehrere Militärstellungen an. Bei dem Terrorakt gingen die Kämpfer der Hamas gezielt gegen die Zivilbevölkerung vor. Sie vergewaltigten, töteten, verstümmelten und verbrannten ihre Opfer. Ihre Gräueltaten zeichneten sie mit Videokameras auf. Der Angriff forderte den Tod von fast 1200 Personen aus Israel und auch aus anderen Staaten; unter den Opfern befanden sich zwei Personen mit Schweizer Staatsbürgerschaft. Fast 250 Geiseln verschleppte die Hamas in den Gazastreifen.
Als Reaktion auf den beispiellosen Terrorakt der Hamas vom 7. Oktober 2023 reichte die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats (SiK-N) am 10. Oktober 2023 einstimmig eine Kommissionsmotion ein, welcher der Nationalrat am 19. Dezember 2023 zugestimmt hat. Die Motion beauftragt den Bundesrat, die Hamas zu verbieten. Die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerats (SiK-S) reichte am 27. Oktober 2023 ebenfalls einstimmig eine gleichlautende Kommissionsmotion ein, die der Ständerat am 12. Dezember 2023 an den Bundesrat überwiesen hat.
Am 11. Oktober 2023, vier Tage nach dem Terrorakt der Hamas, erklärte der Bundesrat, dass er die Hamas als terroristische Organisation einstufe und beauftragte die Task-Force «Naher Osten» mit der Abklärung der rechtlichen Grundlagen für eine Verbot dieser Organisation. Aufgrund der rechtlichen Beurteilung und unter Berücksichtigung der Diskussionen in der interdepartementalen Task-Force «Naher Osten» beschloss der Bundesrat am 22. November 2023, dem Parlament ein Bundesgesetz über das Verbot der Organisation der Hamas zu unterbreiten. Die Vernehmlassung dazu dauerte vom 21. Februar bis am 28. Mai 2024.
1.1.2 Die Hamas
Die Hamas ist eine militante islamistische und palästinensisch-nationalistische Organisation, die aus einem politischen und einem bewaffneten Arm, den paramilitärischen Izz-al-Din-al-Kassam-Brigaden, besteht. Sie wurde nach dem Ausbruch der Intifada 1987 von Mitgliedern der Muslimbruderschaft gegründet. Bei den 2006 im besetzten palästinensischen Gebiet durchgeführten Wahlen erhielt die Hamas in den palästinensischen Autonomiegebieten die Stimmenmehrheit. Als Gründe für den Wahlsieg wurden die zunehmende Radikalisierung aufgrund des über Jahrzehnte ungelösten Nahostkonflikts, das soziale Engagement der Hamas und der Frust der palästinensischen Bevölkerung über die unter der Fatah weit verbreitete Korruption gesehen. Nachdem alle Versuche, eine palästinensische Einheitsregierung zu bilden, gescheitert waren und nach Wochen der Gewalt übernahm im Juni 2007 die Hamas die Kontrolle in Gaza. Die palästinensische Autonomiebehörde konsolidierte ihre Macht im Westjordanland.
Im Anschluss an ihre Machtübernahme im Gazastreifen zeigte die Hamas keinerlei Bereitschaft, einen demokratischen Prozess fortzusetzen und ihre Macht bei Neuwahlen zur Debatte zu stellen. In ihrer Gründungscharta von 1988 wird zur Tötung von Jüdinnen und Juden sowie zur Zerstörung des Staates Israel aufgerufen sowie ein antisemitischer Weltverschwörungsmythos kultiviert. Den Oslo-Friedensplan von 1993 hat die Hamas als Verrat zurückgewiesen. Im Jahr 2017 veröffentlichte die Hamas eine aktualisierte Version ihrer Charta, in der sie ihre Haltung gegenüber Israel lockerte. In diesem Dokument akzeptiert die Hamas die Idee eines palästinensischen Staates innerhalb der Grenzen von 1967 und stellt klar, dass sie nicht gegen Jüdinnen und Juden, sondern nur gegen Zionistinnen und Zionisten Krieg führe. Die Hamas anerkennt aber Israel als Staat nach wie vor nicht. Die aktuelle Führung der Hamas propagiert erneut die Vernichtung des Staates Israel.
Seit 1993 greifen die Izz-al-Din-al-Kassam-Brigaden Israels Bevölkerung regelmässig mit terroristischen Mitteln - v. a. Selbstmordattentaten - an. Die Angriffe der Izz- al-Din-al-Kassam-Brigaden und die bewaffneten Reaktionen Israels führen häufig zu Gewalteskalationen im Gazastreifen und wiederholt zu kriegsähnlichen Zusammenstössen. Diese Lage stellt einen bewaffneten Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts dar. Der bewaffnete Arm der Hamas ist die wichtigste, aber nicht die einzige bewaffnete Gruppierung in Gaza. Weitere Organisationen wie zum Beispiel der Palestinian Islamic Jihad, die Al-Aqsa-Martyrs-Brigade oder die Popular Resistance Committees sind ebenfalls in Gaza verwurzelt.
In Europa konzentrieren sich die Netzwerke der Hamas vor allem auf Finanzierungsfragen. Dennoch haben hamasnahe Medien sowie Hamaskader in früheren Krisen dazu aufgerufen, die bewaffneten Aktionen auf israelische und jüdische Ziele ausserhalb der palästinensischen Gebiete und Israels auszuweiten. Eine geplante terroristische Aktivität der Hamas in der Schweiz wird derzeit als eher unwahrscheinlich eingeschätzt, was sich jedoch je nach Entwicklung des Konflikts ändern kann.
Bereits vor dem Angriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 initiierte die Bundesanwaltschaft Vorermittlungen zu Finanztransaktionen, die im Verdacht stehen, der Unterstützung der Hamas zu dienen.
1.1.3 Die Massnahmen
Als Reaktion auf den Terrorakt vom 7. Oktober 2023 sind zusätzliche Massnahmen nötig, um zu verhindern, dass die Schweiz zu einem Ziel oder einem Rückzugsort der Hamas wird. Mit einem Organisationsverbot erhalten die Behörden bessere Instrumente, um gegen allfällige Aktivitäten der Hamas oder deren Unterstützung in der Schweiz vorzugehen. Das Organisationsverbot und die in Artikel 260ter StGB ² enthaltene Strafbestimmung liegen im öffentlichen Interesse:
-
Das Organisationsverbot erleichtert und beschleunigt den Erlass von präventivpolizeilichen Massnahmen gestützt auf das Bundesgesetz vom 21. März 1997 ³ über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) und das Ausländer- und Integrationsgesetz vom 16. Dezember 2005 ⁴ (AIG). Ein Organisationsverbot stützt Massnahmen rechtlich solider ab, erleichtert die Unterbindung von radikalem Gedankengut und stärkt das Zusammenspiel von Kriminalprävention und Strafverfolgung;
-
Da die EU die Sanktionen im Zusammenhang mit der Hamas ausgeweitet hat, verringert das Organisationsverbot das Risiko, dass die Hamas und verwandte Organisationen die Schweiz als Rückzugsort nutzen. Ebenso verringert sich die Gefahr terroristischer Aktivitäten auf schweizerischem Territorium ⁵ ;
-
Ein Verbot der Hamas, verbunden mit dem Straftatbestand von Artikel 260ter StGB, geht mit einer erheblichen Erleichterung der Strafverfolgung gegen Hamas-Angehörige sowie gegen entsprechende Unterstützungshandlungen und Propagandaaktionen einher. Der Nachweis, dass die Hamas das Tatbestandsmerkmal einer terroristischen Organisation gemäss Artikel 260ter StGB erfüllt, ist erbracht. Propaganda, Anwerbung, finanzielle Unterstützung und andere Aktivitäten zugunsten der Hamas können strafrechtlich konsequent verfolgt und geahndet werden. Dies schafft mehr Rechtssicherheit und Klarheit für die Polizeibehörden und ermöglicht es ihnen, gezielter gegen Personen vorzugehen, die die Hamas unterstützen. Demonstrationen mit Hamas-Fahnen und -Emblemen können je nach Ausgangslage als Propagandaveranstaltungen untersagt werden. Präventiv kann dies durchaus dazu führen, dass die Teilnehmenden von Demonstrationen auf das Mitführen von Hamas-Symbolen verzichten oder die Organisatoren zu einem solchen Verzicht aufrufen.
Bereits nach geltendem Recht haben Finanzintermediäre der Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) unverzüglich Meldung zu erstatten, wenn der begründete Verdacht besteht, dass Vermögenswerte der Verfügungsmacht einer kriminellen oder terroristischen Organisation unterliegen oder der Finanzierung von Terrorismus dienen. Die Finanzintermediäre können nur schwer eruieren, ob es sich bei Geldern, die über sie fliessen oder bei ihnen liegen, um Gelder terroristischer Organisationen handelt oder ob sie der Terrorismusfinanzierung dienen. Dies gilt besonders dann, wenn eine Organisation nicht offiziell dem Terrorismus zugerechnet wird. Ein gesetzliches Verbot der Hamas und verwandter Organisationen führt deshalb für die Finanzintermediäre in dieser Hinsicht zu Klarheit und Rechtssicherheit. Die MROS kann Informationen mit ausländischen Partnerbehörden austauschen. Die internationale Zusammenarbeit ist von entscheidender Bedeutung, um Finanzflüsse nachverfolgen zu können.
² SR 311.0
³ SR 120 ; siehe Massnahmen zur Verhinderung terroristischer Aktivitäten, Art. 23 e ff. BWIS.
⁴ SR 142.20 ; siehe Einreiseverbot Art. 67 Abs. 4 AIG und Ausweisung Art. 68 AIG.
⁵ Vgl. auch Ziel 1 der Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung vom 31. Mai 2024, BBl 2024 1396 .
1.2 Geprüfte Varianten und gewählte Lösung
Für die Klärung des Vorgehens hat der Bundesrat folgende Varianten geprüft:
-
ein Organisationsverbot auf der Grundlage des Nachrichtendienstgesetzes vom 25. September 2015 ⁶ (NDG);
-
ein Organisationsverbot auf der Grundlage einer verfassungsunmittelbaren Verordnung oder Verfügung («Notrecht»);
-
ein Organisationsverbot auf der Grundlage eines eigenen Gesetzes nach dem Vorbild des Bundesgesetzes vom 12. Dezember 2014 ⁷ über das Verbot der Gruppierungen «Al-Qaïda» und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisationen (Al-Qaïda-Gesetz);
-
ein Organisationsverbot auf der Grundlage eines eigenen Gesetzes mit Verweis auf Artikel 260ter StGB anstelle einer eigenen Strafbestimmung (vorgeschlagener Entwurf);
-
ein eigenes Gesetz mit einem Verweis auf Artikel 260ter StGB, jedoch ohne eigentliches Organisationsverbot und ohne eigene Strafbestimmung.
Organisationsverbot auf Grundlage des Nachrichtendienstgesetzes
Der Bundesrat kann gestützt auf Artikel 74 NDG eine Organisation oder Gruppierung verbieten. Zwei kumulative Voraussetzungen müssen erfüllt sein: Erstens muss die Organisation oder Gruppierung terroristische oder gewalttätig-extremistische Aktivitäten mittelbar oder unmittelbar propagieren, unterstützen oder in anderer Weise fördern und damit konkret die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz bedrohen (Abs. 1) und zweitens muss ein Verbots- oder Sanktionsbeschluss der Vereinten Nationen bestehen (Abs. 2). Ein entsprechender Beschluss der UNO liegt für die Hamas nicht vor. Er ist gegenwärtig auch nicht zu erwarten.
Bei der Debatte zum NDG wurde dem Bundesrat keine Blankovollmacht eingeräumt, Organisationen zu verbieten. ⁸ Für ein Verbot gestützt auf das Nachrichtendienst-gesetz müssten somit die Voraussetzungen von Artikel 74 Absätze 1 und 2 NDG gelockert werden. Eine solche Lockerung würde potenziell eine unbestimmte Anzahl von terroristischen und gewalttätig-extremistischen Organisationen und Gruppierungen betreffen. Im Anschluss an eine hierzu erforderliche Änderung von Artikel 74 NDG müsste der Bundesrat eine Allgemeinverfügung erlassen.
Organisationsverbot auf Grundlage einer verfassungsunmittelbaren Verordnung oder Verfügung («Notrecht»)
Der Bundesrat kann unmittelbar gestützt auf Artikel 185 Absatz 3 der Bundesverfassung (BV) ⁹ eine Verordnung oder Verfügung erlassen, um eingetretenen oder unmittelbar drohenden schweren Störungen der öffentlichen Ordnung oder der inneren oder äusseren Sicherheit zu begegnen; eine solche Verordnung ist zu befristen.
Artikel 184 Absatz 3 BV setzt ein aussenpolitisches Interesse des Landes voraus, worunter insbesondere die aussenpolitischen Ziele von Artikel 54 Absatz 2 BV verstanden werden. Die Bestimmung eröffnet dem Bundesrat einen relativ grossen Handlungsspielraum. In Bezug auf ein Organisationsverbot muss er darlegen können, dass es zur Wahrung der Interessen des Landes notwendig, verhältnismässig und zeitlich dringlich ist. Ausserdem muss eine verfassungsunmittelbare Verordnung oder Verfügung subsidiär gegenüber anderen, insbesondere gesetzlichen Massnahmen sein. Verordnungen zur Wahrung der Interessen des Landes sind zudem angemessen zu befristen; ihre Geltungsdauer beträgt höchstens vier Jahre (Art. 7 c Abs. 2 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 1997 1⁰ [RVOG]).
Organisationsverbot auf Grundlage eines eigenen Gesetzes nach dem Vorbild des Bundesgesetzes über das Verbot der Gruppierungen «Al-Qaïda» und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisationen
Der Bundesrat kann dem Parlament einen Entwurf für ein spezifisch auf die Hamas zugeschnittenes Bundesgesetz vorlegen. Ein eigenes Gesetz hat im Vergleich zu einer Änderung von Artikel 74 NDG den Vorteil, dass es keine Rechtswirkungen auf andere Organisationen und Gruppierungen entfaltet, sondern nur die Hamas und mit ihr verwandte Organisationen erfasst. Naheliegend ist in Bezug auf die Ausgestaltung des Gesetzes ein Bundesgesetz analog zum Al-Qaïda-Gesetz. Der Kern des Al-Qaïda-Gesetzes bilden die Strafbestimmungen in Artikel 2, die deckungsgleich mit den Strafbestimmungen von Artikel 74 Absatz 4 NDG sind.
Organisationsverbot auf Grundlage eines eigenen Gesetzes mit Verweis auf Artikel 260ter StGB anstelle einer eigenen Strafbestimmung (vorgeschlagener Entwurf)
Würde im neuen Gesetz eine eigenständige Strafbestimmung geschaffen nach dem Vorbild des Al-Qaïda-Gesetzes, so würde diese Strafbestimmung weitgehend denselben Anwendungsbereich wie der bestehende Artikel 260ter Absatz 1 StGB aufweisen. Der vom Bundesrat vorgeschlagene Entwurf sieht deshalb vor, auf eine eigenständige Strafbestimmung zu verzichten und stattdessen im neuen Gesetz bloss zu regeln, dass die Hamas verboten ist und im Sinne von Artikel 260ter StGB als terroristische Organisation gilt.
Der Verweis auf Artikel 260ter StGB bedeutet, dass der Strafrahmen Freiheitsstrafe bis 10 Jahre, im qualifizierten Fall bis 20 Jahre beträgt. Dagegen würde mit einem Gesetz nach dem Vorbild des Al-Qaïda-Gesetzes der Strafrahmen Freiheitsstrafe bis 5 Jahre betragen. Im neuen Gesetz wird sinnvollerweise wie beim Al-Qaïda-Gesetz und wie beim Organisationsverbot nach Artikel 74 NDG generell die Bundesgerichtsbarkeit vorgesehen statt die geteilte Zuständigkeit von Bund und Kantonen nach Artikel 24 Absatz 1 der Strafprozessordnung (StPO) 1¹ .
Eigenes Gesetz mit einem Verweis auf Artikel 260ter StGB, jedoch ohne eigentliches Organisationsverbot und ohne eigene Strafbestimmung
Eine weitere Variante würde darin bestehen, neben der eigenständigen Strafbestimmung auch auf die eigentliche Verbotsbestimmung (Art. 1 Abs. 1 des vorgeschlagenen Entwurfs) zu verzichten. Das Gesetz würde dann selber kein eigentliches Verbot aussprechen, sondern einzig regeln, dass die erfassten Organisationen als Organisationen im Sinne von Artikel 260ter StGB gelten. Im Ergebnis würde dadurch dasselbe erreicht, weil der Bedrohung der Beteiligung an den betroffenen Organisationen mit der Strafe nach Artikel 260ter StGB implizit ebenfalls Verbotscharakter innewohnt. Diese Variante hätte den Vorteil, dass sich das Gesetz nicht auf die ungeschriebene Kompetenz des Bundes zur Wahrung der inneren und äusseren Sicherheit abstützen müsste. Das Gesetz könnte sich unter dieser Variante allein auf Artikel 123 BV stützen (Ziffer 7.1).
Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Variante
An seiner Sitzung vom 22. November 2023 beschloss der Bundesrat, ein spezifisches Gesetz über ein Verbot der Hamas auszuarbeiten (Variante «Organisationsverbot auf Grundlage eines eigenen Gesetzes»). Er ist der Auffassung, dass diese Variante am besten geeignet ist, um auf den präzedenzlosen und brutalen Angriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 und die seitherigen Entwicklungen zu reagieren. Mit einem spezifischen Gesetz erhalten die Behörden die notwendigen Instrumente, um gegen allfällige Aktivitäten der Hamas oder die Unterstützung der Organisation in der Schweiz vorzugehen. ¹2
Der Bundesrat erachtet die Variante eines Organisationsverbots auf der Grundlage des Nachrichtendienstgesetzes mit einer damit einhergehenden Revision der gesetzlichen Voraussetzungen nicht als zielführend, da hier als unerwünschter Nebeneffekt eine generelle Lockerung der Kriterien für das Verbot weiterer Organisationen ohne Verbindung zur Hamas erfolgen würde. Weil der Grund für das Organisationsverbot ein spezifisches Ereignis ist, nämlich die Terrorattacke vom 7. Oktober 2023, ist die adäquate Reaktion auch ein spezifisches Gesetz.
Auch eine notrechtliche Regelung lehnt der Bundesrat ab. Gegenwärtig hat der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) keine Informationen, die darauf hindeuten, dass die Hamas über operative Mittel verfügt, um in Europa oder der Schweiz Anschläge zu verüben. In Europa konzentrieren sich ihre Netzwerke hauptsächlich auf Finanzierungsfragen und umfassen keine operativen Fähigkeiten. Der Bundesrat sieht folglich keine hinreichenden zeitlichen und sachlichen Gründe, um Notrecht heranzuziehen.
Letztlich stellt sich die Frage, ob bei der Variante «Organisationsverbot auf Grundlage eines eigenen Gesetzes» die Untervariante «nach Vorbild Al-Qaïda-Gesetz», die Untervariante «Organisationsverbot mit Verweis auf Artikel 260ter StGB» oder die Untervariante «Verweis auf Artikel 260ter StGB ohne eigentliches Organisations-verbot» gewählt wird.
Die beiden Untervarianten mit einem Verweis auf Artikel 260ter StGB weisen gegenüber der Untervariante «nach Vorbild Al-Qaïda-Gesetz» mehrere Vorteile auf. Erstens lassen sie keine Abgrenzungsschwierigkeiten und Unklarheiten zwischen einer neuen spezialgesetzlichen Strafbestimmung und Artikel 260ter StGB entstehen. Somit müssen nicht die Gerichte und die Praxis die vom Gesetzgeber nicht abschliessend geregelte Frage beantworten, in welchen Fällen welche Strafnorm zur Anwendung gelangt. Die Anwendungsbereiche der beiden Strafbestimmungen würden derart überlappen, dass es schwerfallen würde, einen eigenständigen Anwendungsbereich der spezialgesetzlichen Strafbestimmung zu skizzieren.
Des Weiteren spricht für das Verbot der Hamas in einem Spezialgesetz der Umstand, dass der Gesetzgeber Rechtssicherheit darüber schaffen kann, dass es sich bei der Hamas um eine terroristische Organisation handelt. Damit kann er die bereits jetzt nach Artikel 260ter StGB erfolgende Strafverfolgung von Handlungen, die der Unterstützung der Hamas dienen, erleichtern. Das gesetzgeberische Ziel, die Beweisführung in der Praxis zu erleichtern, wird mit der expliziten Bezeichnung der Hamas als terroristische Organisation nach Artikel 260ter StGB am besten erreicht.
Ausserdem ist der Verweis auf Artikel 260ter StGB auch insofern sachrichtig, als das Al-Qaïda-Gesetz ebenso wie Artikel 74 NDG zu einem Zeitpunkt erlassen wurden, als Artikel 260ter StGB terroristische Organisationen noch nicht ausdrücklich erfasste. Seit dem 1. Juli 2021 bezieht sich diese Bestimmung jedoch ausdrücklich auch auf terroristische Organisationen. Dies verschärft die vorliegend skizzierten Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Artikel 260ter StGB und einer allfälligen neuen Strafbestimmung, was dafür spricht, keine neue Strafbestimmung nach dem Vorbild des Al-Qaïda-Gesetzes zu schaffen.
Insgesamt können somit mit einem Organisationsverbot auf Grundlage eines eigenen Gesetzes mit Verweis auf Artikel 260ter StGB die angestrebten gesetzgeberischen Ziele am besten erreicht werden. Zwischen den beiden verbleibenden Untervarianten («Organisationsverbot mit Verweis auf Artikel 260ter StGB» oder «Verweis auf Artikel 260ter StGB ohne eigentliches Organisationsverbot») hat sich der Bundesrat dafür entschieden, ein eigentliches Organisationsverbot in den vorgeschlagenen Entwurf aufzunehmen. Dies hat zur Folge, dass das Gesetz neben der Kompetenz des Bundes im Gebiet des Strafrechts auch die ungeschriebene Kompetenz des Bundes zur Wahrung der inneren und äusseren Sicherheit als Verfassungsgrundlage heranziehen muss (Ziffer 7.1).
⁶ SR 121
⁷ AS 2014 4565 mit Geltungsdauer bis 31.12.2018; Verlängerung bis 31. Dezember 2022 ( AS 2018 3345 ).
⁸ Siehe schriftliche Begründung zum Antrag Eichenberger, AB 2015 N 417 f.
⁹ SR 101
1⁰ SR 172.010
1¹ SR 312.0
¹2 Medienmitteilung des Bundesrates vom 22. November 2023, abrufbar unter: www.news.admin.ch.
1.3 Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates
Die Vorlage entspricht der vom Bundesrat am 31. Mai 2024 ¹3 genehmigten Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung. Der Bundesrat hat am 24. Januar 2024 ¹4 die Botschaft zur Legislaturplanung 2023-2027 verabschiedet. Diese enthält als Ziel 19 die Vorbeugung von bewaffneten Konflikten und die effektive Bekämpfung von Terrorismus, Gewaltextremismus und aller Formen der Kriminalität mit angemessenen Instrumenten. Die Botschaft erwähnt das Verbot der Hamas und verwandter Organisationen.
¹3 BBl 2024 1396
¹4 BBl 2024 525
1.4 Erledigung parlamentarischer Vorstösse
Dem Parlament wird beantragt, die am 10. bzw. am 27. Oktober 2023 eingereichten Motionen der sicherheitspolitischen Kommissionen (M 23.4312 und M 23.4329), die am 19. und am 12. Dezember 2023 angenommen wurden und den Bundesrat beauftragten, die Terrororganisation der Hamas zu verbieten, abzuschreiben.
Mit der Variantenprüfung (Ziffer 1.2) und dem vorliegenden Gesetzesentwurf hat der Bundesrat diesen Auftrag erfüllt.
2 Vernehmlassungsverfahren
2.1 Vernehmlassungsvorlage
Schon die Vernehmlassungsvorlage sah ein Verbot der Hamas vor. Dieses umfasste die Hamas, Tarn- und Nachfolgeorganisationen sowie Organisationen und Gruppierungen, die im Auftrag oder im Namen der Hamas handeln. Die verbotenen Organisationen und Gruppierungen sollten als terroristische Organisationen nach Artikel 260ter StGB gelten, womit Unterstützungshandlungen mit bis zu 10 Jahren und im qualifizierten Fall mit bis zu 20 Jahren Freiheitsstrafe bestraft werden können.
Zusätzlich sah die Vernehmlassungsvorlage die Kompetenz des Bundesrates vor, mit der Hamas verwandte Organisationen und Gruppierungen zu verbieten. Als «verwandt» sollten terroristische Organisationen oder Gruppierungen gelten, die eine besondere Nähe zur Hamas haben und mit ihr in Zielsetzung, Führung oder Mitteln übereinstimmen.
Ein Organisationsverbot hat für die betroffenen Organisationen, Gruppierungen und Personen weitreichende Konsequenzen. Deshalb war die Geltungsdauer auf fünf Jahre befristet.
2.2 Zusammenfassung des Vernehmlassungsergebnisses
Vom 21. Februar 2024 bis am 28. Mai 2024 wurde das Vernehmlassungsverfahren nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben b und c des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 2005 ¹5 durchgeführt.
Zur Stellungnahme wurden 73 Stellen eingeladen. Davon haben 51 geantwortet. Zudem sind 12 spontane Stellungnahmen eingegangen. Insgesamt erfolgten 63 Eingaben. Darunter befinden sich alle Kantone, sieben politische Parteien und zahlreiche Nichtregierungsorganisationen. Sieben Stellen haben ausdrücklich auf eine Stellungnahme verzichtet.
Die Rückmeldungen zum neuen Gesetzesvorentwurf sind überwiegend positiv. Insbesondere unterstützen alle Kantone , die Stellung genommen haben ¹6 , sowie die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren und die Konferenz der Kantonalen Polizeikommandantinnen und -kommandanten der Schweiz (KKPKS) den Gesetzesentwurf. Auch sämtliche politischen Parteien , die an der Vernehmlassung teilgenommen haben, ¹7 begrüssen das Verbot der Hamas im Grundsatz. Weiter haben jüdische und israelitische Organisationen sowie der Dachverband Freikirchen.ch (Freikirchen) dem Gesetzesentwurf zugestimmt. Es besteht insgesamt die klare Auffassung, dass Terrorismus unter keinen Umständen tolerierbar ist. Das entschiedene und rasche Vorgehen im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren wird begrüsst. Ebenfalls begrüsst wird, dass beim beantragten Verbot der Hamas auf die Anwendung von Notrecht verzichtet wurde.
Gegen den Gesetzesentwurf in der aktuellen Form haben sich Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und die Demokratischen Jurist*innen Schweiz (DJS) ausgesprochen. Die NGOs befürchten, dass ihre bisherige Tätigkeit mit dem neuen Gesetzt strafbar und somit verunmöglicht wird. Die DJS sind der Auffassung, dass mit dem vorgeschlagenen Gesetz rechtsstaatliche Grundsätze nicht gewahrt werden. Zudem machen die DJS gelten, dass Gewalttaten der Hamas gegen die Zivilbevölkerung bereits unter der heutigen Gesetzeslage strafrechtlich verfolgbar seien und das vorgeschlagene Gesetz somit unnötig sei.
Die Gesellschaft Schweiz-Palästina und die C ommission C ontributive C itoyenne Genève lehnen den Gesetzesentwurf grundsätzlich ab, weil er im historischen Kontext nicht gerechtfertigt sei. Zudem sei die Hamas primär eine politische Bewegung und nicht eine terroristische Organisation.
Die Vernehmlassungsteilnehmenden gaben in ihren Stellungnahmen Verbesserungsvorschläge ab oder übten Kritik am Umfang des Verbots und an dessen Rahmenbedingungen. Die Rückmeldungen werden nachfolgend zusammengefasst dargelegt. Das detaillierte Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens wird in dem dafür vorgesehenen Bericht detailliert dargestellt. ¹8
Umfang des Verbots
Zusätzlich zum Verbot der Hamas befürworten die Kantone Nidwalden und Wallis ein umfassendes Verbot der Hisbollah und aller ihr zugehörigen Gruppen, indem sie ebenfalls als terroristische Organisationen gemäss Artikel 260ter StGB eingestuft werden sollten. Ein solches Verbot ist aus Sicht des Kantons Nidwalden geboten, da die Hisbollah Ziele verfolgt, die denjenigen der Hamas sehr ähnlich sind.
Die NGOs kritisieren, dass sowohl die Definition der Tarn- und Nachfolgeorganisationen als auch die Definition der mit der Hamas verwandten Organisationen und Gruppierungen zu wenig klar sei. Sie fordern aus Gründen der Rechtssicherheit, dass die verbotenen Organisationen und Gruppierungen in der Botschaft oder im Gesetzestext genauer definiert werden. Zwei Vernehmlassungsteilnehmende fordern, die Bestimmungen betreffend Tarn- und Nachfolgeorganisationen sowie betreffend verwandte Organisationen und Gruppierungen zu streichen.
Die NGOs fordern, die Ausnahme von der Strafbarkeit genauer darzulegen. Sie beantragen ebenso wie die SP eine Ergänzung des Gesetzestextes. Das Ziel müsse sein, humanitäre Aktivitäten und diplomatische Dienste weiterzuführen. Zudem müsse auch die Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit ungehindert ausgeübt werden können, ohne dass ein «chilling effect» eintrete.
Rahmenbedingungen
Die SP , die EVP , die DJS , die Freikirchen , grundrechte.ch und der Ordre des avocats de Genève beantragen, dass der Bundesrat bei Verboten von mit der Hamas verwandten Organisationen und Gruppierungen vor Erlass eines Verbots die zuständigen parlamentarischen Kommissionen konsultiert. Zudem solle auch die gerichtliche Kontrolle dieser Verbote sichergestellt werden.
Die Kantone Basel-Landschaft , St. Gallen , die Bundesanwaltschaft sowie die KKPKS fordern, dass die Verfolgung und Beurteilung von Beteiligungs- und Unterstützungshandlungen zugunsten der Hamas sowie verwandter Organisationen und Gruppierungen der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen, da die Bundesanwaltschaft bereits über ein grosses Knowhow in der Untersuchung von Unterstützungshandlungen zugunsten terroristischer Organisationen verfügt. Dagegen begrüsst der Kanton Zürich die heutige Zuständigkeit der kantonalen Behörden nach Artikel 24 StPO, wenn ein eindeutiger Schwerpunkt der verfolgten Taten in einem Kanton besteht.
Aus Sicht der Bundesanwaltschaft wäre die Schaffung eines spezialgesetzlichen Straftatbestandes nach dem Vorbild von Artikel 2 des ehemaligen Al-Qaïda-Gesetzes einem Verweis auf Artikel 260ter StGB vorzuziehen.
Der Gesetzesentwurf sieht eine Befristung des Verbots auf fünf Jahre vor, wobei das Parlament das Verbot im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren verlängern kann. Die Gesellschaft Schweiz-Israel ( GSI) fordert, auf die Befristung zu verzichten. Eine Befristung des Verbots macht nach Ansicht der GSI nur dann Sinn, wenn erwartet wird, dass sich die Hamas und ihre verwandten Organisationen in nächster Zeit auflösen oder sich in ihrer Zielsetzung und ihren Mitteln grundlegend verändern. Beides ist nach Ansicht der GSI nicht zu erwarten.
Verletzung von rechtsstaatlichen Prinzipien
Gemäss den DJS und grundrechte.ch verstosse der Gesetzesentwurf gegen fundamentale rechtsstaatliche Prinzipien. Mit dem vorgeschlagenen Gesetz werde eine unwiderlegbare gesetzliche Vermutung aufgestellt, dass es sich bei der Hamas um eine verbotene Organisation nach Artikel 260ter StGB handelt. Dadurch könne das Verbot nicht überprüft werden, wie dies etwa bei Organisationsverboten gemäss Artikel 74 NDG möglich ist. Zudem ist es Aufgabe der Gerichte, festzustellen, ob Tatbestandsmerkmale im Einzelfall erfüllt sind. Der Gesetzesentwurf verstosse folglich auch gegen das Prinzip der Gewaltenteilung.
Die Bundesanwaltschaft äussert Vorbehalte hinsichtlich der Konzeption des Verbots und befürchtet, dass die Anwendung des Gesetzes zu einem Konflikt auf der Ebene der Gewaltenteilung führen könnte, da die abschliessende Auslegung respektive Anwendung der Strafnorm (Art. 260ter StGB) der judikativen Gewalt vorbehalten ist. Sie erachtet deshalb ein Verbot mit einer eigenständigen Strafbestimmung für den geeigneteren Weg.
¹5 SR 172.061
¹6 Die Kantone Neuenburg und Solothurn haben auf eine Stellungnahme verzichtet.
¹7 Es sind dies: Die Mitte, EDU, EVP, FDP, Grüne, SP, SVP.
¹8 www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2024 > EJPD.
2.3 Würdigung des Vernehmlassungsergebnisses
Der Bundesrat legte bereits im erläuternden Bericht zur Vernehmlassungsvorlage dar, dass ein Organisationsverbot auf der Grundlage eines eigenen Gesetzes mit Verweis auf Artikel 260ter StGB anstelle einer eigenen Strafbestimmung die beste Lösung ist. In der Vernehmlassung hat einzig die Bundesanwaltschaft vorgeschlagen, im vorliegenden Gesetzesentwurf eine eigenständige Strafbestimmung zu verankern. Der Bundesrat hält jedoch an der Bewertung und Begründung der vorgeschlagenen Variante fest (siehe Ziffer 1.2).
Das Anliegen, genauer zu umschreiben, was unter Tarn- und Nachfolgeorganisationen bzw. unter den mit der Hamas verwandten Organisationen und Gruppierungen zu verstehen ist, ist berechtigt. Ebenso wird das Anliegen aufgenommen, die Ausnahme von der Strafbarkeit genauer darzulegen. Beides wird in der Botschaft umgesetzt.
Mehrere Vernehmlassungsteilnehmende verweisen in ihren Stellungnahmen auf die Ausgestaltung des Organisationsverbots gemäss Artikel 74 NDG und regen eine inhaltliche Abstimmung mit dieser Bestimmung an. Bereits beim Vorentwurf wurde angestrebt, das neue Gesetz eng an Artikel 74 NDG anzulehnen. Um dies noch stärker zu tun, wird der Gesetzesentwurf nun wie folgt ausgestaltet:
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Bevor der Bundesrat mit der Hamas verwandte Organisationen und Gruppierungen verbietet, konsultiert er die für die Sicherheitspolitik zuständigen Kommissionen;
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Gegen ein Verbot einer mit der Hamas verwandten Organisation oder Gruppierungen kann beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde erhoben werden;
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Die Verfolgung und Beurteilung der Beteiligung an einer verbotenen Organisation oder Gruppierung und der Unterstützung einer solchen Organisation oder Gruppierung untersteht der Bundesgerichtsbarkeit;
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Die Geltungsdauer des Gesetzes ist auf fünf Jahre befristet.
2.4 Offen gebliebene strittige Punkte
Die Bestimmung, wonach der Bundesrat mittels Allgemeinverfügung eine mit der Hamas verwandte Organisation verbieten kann, wurde nicht gestrichen. Da nicht bekannt ist, wie sich die Lage im Verlauf der Zeit entwickelt, muss eine Möglichkeit geschaffen werden, neu entstehende Organisationen und Gruppierungen oder solche, die bereits heute existieren, sich aber erst später mit der Hamas verbünden, zu verbieten.
Auf die von Vernehmlassungsteilnehmenden geforderte Ergänzung des Entwurfes mit einer Ausnahmeklausel des Verbotes für humanitäre Dienste und friedenspolitische Bemühungen wurde verzichtet, da die humanitären Dienste bereits durch die Ausnahmeklausel in Artikel 260ter Absatz 2 StGB von der Strafbarkeit ausgenommen sind und die friedenspolitischen Bemühungen nicht unter Strafe stehen, da damit keine willentliche Erhöhung des Gefährdungspotenzials der Hamas angestrebt wird.
In der Vernehmlassung geäusserte Bedenken zur Rechtsstaatlichkeit eines Verbots sind nach Auffassung des Bundesrates unbegründet. Das Verbot der Hamas und verwandter Organisationen als terroristische Organisationen im Sinne von Artikel 260ter StGB soll in einem formellen Gesetz verankert werden, was den Vorgaben von Artikel 164 BV entspricht.
3 Rechtsvergleich
Die politische Einstufung der Hamas als Terrororganisation bzw. ein Organisationsverbot wird von den Staaten gemäss ihrem nationalen Recht unterschiedlich vorgenommen.
Am 2. November 2023 hat Deutschland ein Betätigungsverbot für die Hamas verhängt bzw. die Terrororganisation Hamas verboten. ¹9 Vereine können in Deutschland dann verboten werden, wenn ihre Zwecke oder ihre Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder sie sich gegen die verfassungsmässige Ordnung der Bundesrepublik oder den Gedanken der Völkerverständigung richten. Die Betätigung der Hamas ist in Deutschland damit verboten. Mit dem Verbot soll die Stärkung der Kernorganisation durch Propagandaaktivitäten und Finanzierungs- oder Spendensammelaktivitäten verhindert werden. Das Verbot verbietet auch die öffentliche Verwendung und die Verbreitung von Kennzeichen der Hamas. Es ermöglicht die Beschlagnahme und Einziehung von Sachen und Forderungen Dritter, welche in Deutschland verfassungswidrige Bestrebungen fördern oder dazu bestimmt sind.
In Österreich wurde die Verwendung von Symbolen der Hamas bereits 2019 verboten. 2⁰ Wer vorsätzlich dem Verbot zuwiderhandelt wird mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bestraft. Selbst der Versuch ist strafbar.
Die Vereinigten Staaten 2¹ und das Vereinigte Königreich 2² stufen die Hamas als Terrororganisation ein. Die Beteiligung an der Hamas sowie die Unterstützung der Hamas werden bestraft.
Die EU führt Sanktionslisten (Finanz- und Reisesanktionen) und hat eine Liste von Personen, Gruppen und Entitäten, die als terroristisch eingestuft werden, darunter auch die Hamas. ²3 Die EU-Mitgliedsstaaten sind an die Liste der EU gebunden. Sie setzen die Sanktionen gemäss der eigenen Rechtsprechung und den Strafbestimmungen um. Die EU-Sanktionen gegen die Hamas umfassen Reiseverbote für Einzelpersonen, das Einfrieren der Vermögenswerte von Einzelpersonen, Gruppen und Einrichtungen sowie das Verbot, denjenigen, gegen die Sanktionen verhängt wurden, Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen. ²4 Liechtenstein hat die Sanktionen der EU übernommen. Die Schweiz hat sich den Sanktionen teilweise angeschlossen, welche die EU in der Folge der am 7. Oktober 2023 verübten Terrorangriffe erlassen hatte. ²5
¹9 Verbot der Vereinigung «Hamas (Harakat al-Musqawama al-Islamiya)» vom 2. November 2023 des Bundesministeriums des Innern und für Heimat; BAnz AT 2. November 2023 B10.
2⁰ Bundesgesetz, mit dem die Verwendung von Symbolen der Gruppierung Islamischer Staat und anderer Gruppierungen verboten wird (Symbole-Gesetz); BGBl. I Nr. 103/2014 und BGBl. I Nr. 2/2019.
2¹ Country Reports on Terrorism 2022, Bureau of counterterrorism.
2² Policy paper: Proscribed terrorist groups or organisations, Last updated 26 April 2024, Home Office.
²3 Durchführungsverordnung (EU) 2024/329 vom 16. Januar 2024.
²4 Beschluss (GASP) 2024/385 des Rates vom 19. Januar 2024, (ABl. L 385 vom 19. Januar 2024, S. 1)
²5 Bundesratsbeschluss und Medienmitteilung vom 10. April 2024; AS 2024 147 .
4 Grundzüge der Vorlage
4.1 Die beantragte Neuregelung
Mit dem Bundesgesetz über das Verbot der Hamas sowie verwandter Organisationen werden die Hamas, Tarn- und Nachfolgegruppierungen sowie Organisationen und Gruppierungen, die im Auftrag oder im Namen der Hamas handeln, verboten und gelten als terroristische Organisationen nach Artikel 260ter StGB. Eine Beteiligung oder Unterstützung wird dadurch unter Strafe gestellt. Mit der Hamas verwandte Organisationen und Gruppierungen sind nur dann verboten, wenn der Bundesrat mittels einer Allgemeinverfügung, die eine besondere Nähe zur Hamas darlegt, ein Verbot erlässt (Organisationen müssen betreffend Führungspersonen, Zielsetzung oder Mittel übereinstimmen). Wer gegen das Verbot verstösst, wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwanzig Jahren oder einer Geldstrafe bestraft.
Der vorgeschlagene Erlass orientiert sich an vier bestehenden Rechtstexten: am Al-Qaïda-Gesetz; an Artikel 74 NDG; an der Allgemeinverfügung vom 19. Oktober 2022 ²6 betreffend das Verbot der Gruppierungen «Al-Qaïda» und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisationen; sowie an Artikel 260ter StGB. Damit soll sichergestellt werden, dass die Rechtsetzung zu Organisationsverboten und die strafrechtliche Sanktionierung kohärent sind.
²6 BBl 2022 2548
4.2 Geplante Umsetzung
Für den Vollzug des Bundesgesetzes kann vollumfänglich auf die bestehenden eidgenössischen und kantonalen Sicherheitsbehörden abgestellt werden. Die Verfolgung und Beurteilung der Beteiligung an einer verbotenen Organisation oder Gruppierung und der Unterstützung einer solchen Organisation oder Gruppierung gemäss dem Gesetzentwurf obliegt bei Erwachsenen dem Bund. Die Zuständigkeit für die Strafverfolgung von Jugendlichen liegt bei den Kantonen, da es keine Jugendstaatsanwaltschaft des Bundes gibt. Die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung obliegt den Kantonen.
5 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln
Art. 1
Verbot
Absatz 1 orientiert sich an der Formulierung der Allgemeinverfügung vom betreffend das Verbot der Gruppierungen «Al-Qaïda» und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisationen. Verboten sind die Hamas, Tarn- und Nachfolgeorganisationen sowie Organisationen und Gruppierungen, die im Auftrag oder im Namen der Hamas handeln. Bei dieser Aufzählung ist stets die Hamas bzw. deren Ableger gemeint, wobei diese Organisationen und Gruppierungen in unterschiedlichen Formen in Erscheinung treten können. In jedem Fall muss eine Verknüpfung mit den Strukturen der Hamas bestehen.
Absatz 2 umschreibt die mit der Hamas verwandten Organisationen und Gruppierungen. Darunter sind Organisationen und Gruppierungen zu verstehen, deren Führungspersonen, Zielsetzung oder Mittel mit denjenigen der Hamas übereinstimmen ²7 und die mittelbar oder unmittelbar terroristische oder gewalttätig-extremistische Aktivitäten unterstützen und damit die innere oder äussere Sicherheit konkret bedrohen ²8 . Zur Qualifikation als verwandte Organisation oder Gruppierung reicht es nicht aus, dass die gleichen Ziele verfolgt werden, welche die Hamas verfolgt. Die erforderliche Nähe zur Hamas ist nur gegeben, wenn sich die Hamas und die verwandte Organisation auf ein gemeinsames Vorgehen verständigt haben. Im Unterschied zur Tarn- und Nachfolgeorganisation handeln verwandte Organisationen also nicht in direktem Auftrag oder im Namen der Hamas, sondern stellen eine eigenständige Organisation oder Gruppierung dar, die mit der Hamas kollaboriert bzw. mittelbar oder unmittelbar terroristische oder gewalttätig-extremistische Aktivitäten der Hamas unterstützt und damit die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz konkret bedroht.
Wenn heute schon verwandte Organisationen bekannt wären, könnten sie im Gesetz namentlich aufgeführt werden. Da dies jedoch nicht der Fall ist und sich die Lage im Verlauf der Zeit ändern kann, muss eine Möglichkeit geschaffen werden, verwandte Organisationen auch später noch bezeichnen zu können. Dies können entweder neu entstehende Organisationen und Gruppierungen sein oder auch solche, die bereits heute existieren, sich aber erst später mit der Hamas verbrüdern. Hierzu braucht es eine Einzelfallprüfung. Deshalb wird der Bundesrat ermächtigt, verwandte Organisationen und Gruppierungen dem Organisationsverbot zu unterstellen, analog zu Artikel 74 Absätze 1 und 3 NDG. Der Bundesrat konsultiert vorgängig die für die Sicherheitspolitik zuständigen parlamentarischen Kommissionen des National- und Ständerats.
Der Bundesrat konkretisiert ein Verbot mit dem Erlass einer Allgemeinverfügung, die die verwandten Organisationen und Gruppierungen namentlich nennt. Der Ermessensspielraum des Bundesrates wird dadurch beschränkt, dass die Organisationen und Gruppierungen einen engen Bezug zur Hamas aufweisen und dieselben rechtswidrigen Zielsetzungen teilen müssen. Der Entwurf der Allgemeinverfügung wird unter Ansetzung einer angemessenen Frist zur Gewährung des rechtlichen Gehörs publiziert. Ein Verbot ist zu befristen. Die Dauer des Verbots kann die Geltungsdauer des Gesetzes nach Artikel 4 nicht überschreiten. Gegen die Allgemeinverfügung des Bundesrates kann beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde erhoben werden (vgl. Erläuterungen zu Art. 3).
Absatz 3 bestimmt, dass die verbotenen Organisationen und Gruppierungen als terroristische Organisationen nach Artikel 260ter Absatz 1 Buchstabe a Ziffer 2 StGB gelten. Durch den Verweis auf das Strafgesetzbuch und den Verzicht auf eine neue spezialgesetzliche Strafbestimmung werden Abgrenzungsschwierigkeiten vermieden. ²9 Die gesetzliche Qualifikation der verbotenen Organisationen und Gruppierungen als terroristische Organisationen erleichtert zudem die Beweisführung bei Strafverfahren betreffend Artikel 260ter StGB. Per 1. Juli 2021 wurde die bestehende Strafnorm gegen kriminelle Organisationen, welche in den 1990er-Jahren vor allem für den Kampf gegen die organisierte Kriminalität geschaffen worden ist, verschärft und deren Anwendbarkeit ausdrücklich auch auf terroristische Organisationen ausgedehnt (Art. 260ter StGB). Neu sieht die Strafnorm Freiheitsstrafe bis 10 Jahre vor. Für Personen, die einen bestimmenden Einfluss in einer terroristischen Organisation ausüben, beträgt die Freiheitsstrafe neu mindestens drei und maximal 20 Jahre Freiheitsstrafe.
Bestraft wird, wer sich an einer terroristischen Organisation beteiligt oder eine solche unterstützt. Für die Beurteilung massgebend sind Artikel 260ter Absatz 1 Buchstabe a StGB und die dazugehörige Rechtsprechung. Als Beteiligung an einer terroristisschen Organisation ist demnach die Eingliederung in diese, gefolgt von einem Tätigwerden, zu verstehen. Diese Tätigkeit muss jedoch nicht in einer illegalen Aktion bestehen. Auch legale Handlungen, zum Beispiel das Zurverfügungstellen von Material oder Räumlichkeiten oder andere Dienstleistungen, können als entsprechende Tätigkeiten eingestuft werden. Die Beiteiligung muss zu einem Mehrwert für die Organisation führen. 3⁰ Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung zu Artikel 260ter Absatz 1 StGB sind als Beteiligte alle Personen anzusehen, die funktionell in die Organisation eingegliedert sind und im Hinblick auf deren Zweckverfolgung Aktivitäten entfalten. 3¹ Darunter fallen namentlich auch logistische Vorkehren, die dem Organisationszweck unmittelbar dienen (wie z. B. Auskundschaften, Planen oder Bereitstellen der operativen Mittel, insbesondere Beschaffen von Fahrzeugen, Waffen, Kommunikationsmitteln oder Finanzdienstleistungen). Bei Personen, die nicht in die Organisationsstruktur integriert sind, kommt die Tatvariante der Unterstützung in Frage. Als Unterstützung gilt jede Handlung, die geeignet ist, das Gefährdungspotenzial der Organisation zu erhöhen. Die Abgrenzung zwischen straflosem Verhalten und deliktischer Unterstützung einer Organisation wird abhängig vom bestehenden Wissen und Willen der handelnden Person anhand der qualitativen und quantitativen Bedeutung der Unterstützung sowie des Charakters seiner konkreten Handlung vorgenommen. Als strafbare Unterstützungsungs-handlungen können das Liefern von Waffen, die Finanzierung, das Verwalten von Vermögenswerten und weitere logistische Hilfeleistungen gelten. Das Bereitstellen von Websites zur Unterstützung der Propaganda einer terroristischen Organisation 3² oder die Bewirtschaftung von Internetforen im Zusammenhang mit Dschihadistennetzwerken sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts Unterstützungshandlungen im Sinne von Artikel 260ter StGB. 3³ Der Unterstützung von Einzelpersonen aus humanitären Motiven kommt keine Eignung als Unterstützungshandlung im Sinne von Artikel 260ter StGB zu. Nach wie vor straflos bleibt auch die Unterstützung einer Organisation in Unkenntnis ihrer verbrecherischen Ausrichtung oder eine Aktivität zugunsten einer an der Organisation beteiligten Person ohne Bezug zur Tätigkeit der Organisation, zum Beispiel die strafrechtliche Verteidigung einer der Mitgliedschaft in einer verbotenen Organisation angeklagten Person.
Artikel 260ter Absatz 2 StGB enthält des Weiteren eine Ausnahmeregelung für humanitäre Dienste. Die humanitäre Tätigkeit (Hilfe und Schutz) soll weiterhin möglich und nicht mit Strafe bedroht sein. Bereits bei der Schaffung dieser Ausnahmeregleung wurde festgehalten, dass humanitäre Organisationen und Hilfswerke ihre Dienste auch in Zukunft erbringen und damit die verwundbarsten und schwächsten Mitglieder der Gesellschaft in Konflikt- und Krisengebieten unterstützen und schützen können. ³4 Die neutrale, unvoreingenommene und von machtpolitischen Erwägungen unabhängige Hilfe an die Opfer des Nahostkonfliktes - insbesondere in Gaza - bleibt auch nach Inkrafttreten des Verbots weiterhin möglich und wird nicht mit Strafe bedroht sein. Rechtmässige und durch die Schweizerische Gesetzgebung erlaubte und gebotene Handlungen fallen nicht unter den Straftatbestand von Artikel 260ter Absatz 1 Buchstabe b StGB. Diese Einschätzung gilt selbst dann, wenn - zumindest indirekt und im Endeffekt - eine mit der humanitären Tätigkeit einhergehende Stärkung einer verbotenen Organisation oder Gruppierung gemäss Artikel 1 Absatz 1 und 2 des Entwurfs nicht ausgeschlossen werden kann. Dies steht im Einklang mit der Position der Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung, die in Ziel 6 besagt, dass die humanitäre Tätigkeit (Hilfe und Schutz) von der Terrorismusbekämpfung unangetastet bleibt. Die Grundsätze von Neutralität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit sind zu beachten; eine erfolgreiche Friedenspolitik und die Entwicklungszusammenarbeit tragen zur Bekämpfung von Radikalisierung bei.
Art. 2
Verfolgung und Beurteilung
Artikel 2 unterstellt die Zuständigkeit für die Verfolgung und Beurteilung der Tathandlungen ausschliesslich den Behörden des Bundes (Bundesgerichtsbarkeit), so wie dies bereits beim Organsiationsverbot gemäss Artikel 74 Absatz 6 NDG vorgesehen ist. Die spezialisierten Behörden des Bundes haben im Rahmen der Strafverfolgung komplexer Kriminalitätsformen entsprechende Erfahrungen gesammelt und sind, gerade auch im Zusammenhang mit der Verfolgung von terroristischen Organisationen und Personen, die diese unterstützen, in der Lage, erfolgreich und effizient entsprechende Strafverfahren zu führen. In fachlicher Hinsicht wie auch im Hinblick auf den Ressourcenbedarf ist es sinnvoll und naheliegend, dass spezifische, im Zusammenhang mit terroristischen Organisationen und Gruppierungen stehende Delinquenz nicht durch eine Vielzahl von Behörden, wie es bei kantonaler Zuständigkeit der Fall sein könnte, verfolgt und beurteilt wird. Stattdessen sollen, in bewährter Form und unter Konzentration der Kräfte, die Bundeskriminalpolizei und die Bundesanwaltschaft die entsprechenden Fälle verfolgen und das Bundesstrafgericht die Beurteilung vornehmen. Diese Vorgehensweise hat sich in Anwendung des Al-Qaïda-Gesetzes bewährt.
Art. 3
Änderung eines anderen Erlasses
Die Beschwerdemöglichkeit gegen Verfügungen des Bundesrates über Organisationsverbote nach Artikel 1 Absatz 2 muss in Artikel 33 Buchstabe b des Bundesgesetzes vom 17.Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht ³5 explizit vorgesehen werden, da sie bisher in der abschliessenden Aufzählung nicht enthalten ist. Das Bundesverwaltungsgericht beurteilt bereits heute Beschwerden gegen Organisationsverbote nach dem NDG (Art. 33 Bst. b Ziff. 4bis NDG).
Art. 4
Referendum, Inkrafttreten und Geltungsdauer
Absatz 1: Das vorliegende Gesetz soll nicht für dringlich erklärt werden. Es untersteht folglich dem fakultativen Referendum.
Absatz 2: Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten. Der hierzu nötige Bundesratsbeschluss und das Inkrafttreten sollen zeitnah nach ungenutztem Ablauf der Referendumsfrist bzw. einer angenommenen Volksabstimmung erfolgen.
Absatz 3: Das Organisationsverbot hat für die betroffenen Organisationen, Gruppierungen und Personen weitreichende Konsequenzen. Deshalb ist eine Befristung der Geltungsdauer auf fünf Jahre angebracht. Dies entspricht der in Artikel 74 Absatz 3 NDG enthaltenen Maximalfrist, die im Falle der Allgemeinverfügung betreffend das Verbot der Gruppierungen «Al-Qaïda» und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisationen ausgeschöpft wurde. Wenn bei einem Organisationsverbot gemäss NDG, also einem Verbot auf der Grundlage eines UNO-Beschlusses, eine Befristung vorgesehen ist, dann sollte beim vorliegenden Gesetz, also einem Verbot ohne Beschluss der Vereinten Nationen, auch eine Befristung erfolgen. Die Geltungsdauer des vorliegenden Bundesgesetzes kann durch das Parlament im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren verlängert werden.
²7 Vgl. auch Formulierung des Al-Qaïda-Gesetzes.
²8 Vgl. auch Formulierung von Art. 74 Abs. 1 NDG.
²9 Siehe hierzu Ziff. 1.2.
3⁰ BBl 2018 6427
3¹ BGE 133 IV 58 E. 5.3.1.
3² Urteil 6B_645/2007 des Bundesgerichts vom 2. Mai 2008 E. 7.3.3.2.
3³ Botschaft vom 14. September 2018 zur Genehmigung und zur Umsetzung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung des Terrorismus mit dem dazugehörigen Zusatzprotokoll sowie zur Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität, BBl 2018 6427
, S. 6472.
³4 BBl 2018 6427
³5 SR 173.32
6 Auswirkungen
6.1 Auswirkungen auf den Bund
Das Verbot der Hamas sowie verwandter Organisationen wird aufgrund von polizeilichen Vorermittlungen, einschlägigen Strafverfahren und der erwarteten Zunahme von Meldungen der Finanzintermediäre zu einem Mehraufwand bei den Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden führen. Betroffen sind insbesondere das Bundesamt für Polizei und der NDB. Es wird angestrebt, diesen Mehraufwand intern aufzufangen. Sollte sich nach Inkrafttreten des Gesetzes und ersten Erfahrungen herausstellen, dass der Mehrbedarf nicht intern aufzufangen ist, würde der entsprechende Mehrbedarf bei der nächsten Erhebung für den Entwicklungsrahmen im Eigenbereich (frühestens in der Erhebung 2025 für die Jahre 2027 ff.) angemeldet werden. Die Umsetzung des neuen Bundesgesetzes könnte auch zu einer grösseren Anzahl Beschwerden ans Bundesverwaltungsgericht führen.
Die Bundesanwaltschaft ist als von der Bundesverwaltung unabhängige Behörde für ihr Budget und die Deckung ihres Ressourcenbedarfs selber verantwortlich. Die Erfahrungen der Bundesanwaltschaft im Zusammenhang mit der Anwendung des Al-Qaïda-Gesetzes zeigen, dass die Umsetzung des neuen Bundesgesetzes zu einem höheren Fallaufkommen führen wird. Es wird angestrebt, diesen Mehraufwand intern aufzufangen.
6.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden
Für die Strafverfolgung gilt nach Artikel 2 des Gesetzesentwurfs Bundesgerichtsbarkeit statt der geteilten Zuständigkeit von Bund und Kantonen nach Artikel 24 Absatz 1 StPO. Die kantonale Zuständigkeit für die Strafverfolgung von Jugendlichen bleibt unberührt. Bei den kantonalen Jugendstaatsanwaltschaften ³6 , den kantonalen Polizeikorps und dem kantonalen Bedrohungsmanagement ist mit erhöhtem Ressourcenbedarf zu rechnen. Die Erfahrungen u.a. im Kanton Zürich mit der Umsetzung des Bundesgesetzes über das Verbot der Gruppierungen «Al Qaïda» und «Islamischer Staat» sowie dem nachfolgenden Organisationsverbot gemäss Artikel 74 des NDG zeigen, dass es sich bei einer Vielzahl der festgestellten Widerhandlungen um Propaganda-Aktivitäten in sozialen Medien und die Verbreitung von verbotenem Videomaterial via einschlägige Kanäle handelt. Mit der Einführung des Hamas-Verbots sind vergleichbare Straftaten nach Artikel 260ter StGB aus dem gewaltbejahenden islamistischen Umfeld zu erwarten. Radikalisierte Jugendliche stehen hier oft im Fokus der Ermittlungen, weshalb in den Kantonen bei den erwähnten Behörden ein erhöhter Ressourcenbedarf sehr wahrscheinlich ist.
³6 Diese sind auch im Bereich von terroristischen Taten für die Strafverfolgung und Beurteilung von Jugendlichen zuständig.
6.3 Auswirkungen auf die Aussenpolitik
Mit dem Verbot werden die Terrorakte der Hamas gegen die israelische Zivilbevölkerung vom 7. Oktober 2023 sanktioniert. Damit leistet die Schweiz einen Beitrag zur Achtung des Völkerrechts und der Menschenrechte und zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker. Zudem zeigt die Schweiz mit diesem Gesetz ihren Willen zur wirkungsvollen Bekämpfung des islamistischen Terrorismus. Dies dient dem internationalen Ansehen der Schweiz.
7 Rechtliche Aspekte
7.1 Verfassungsmässigkeit
Das Bundesgesetz stützt sich auf die Kompetenzen des Bundes im Bereich des Strafrechts nach Artikel 123 Absatz 1 BV sowie auf die ungeschriebene Bundeskompetenz zur Wahrung der inneren und äusseren Sicherheit (sog. inhärente Kompetenz des Bundes). Für Bundeszuständigkeiten, die sich aus der Existenz und der Natur der Eidgenossenschaft ergeben und für die eine explizite Zuweisung einer Rechtsetzungskompetenz fehlt, wird nach heutiger Praxis im Ingress stellvertretend für die Bundeskompetenz Artikel 173 Absatz 2 BV genannt.
Das Bundesgesetz enthält einen Verweis auf Artikel 260ter StGB und keine neue Strafbestimmung des Nebenstrafrechts (vgl. Ziffer2). Damit konkretisiert das Bundesgesetz einen Rechtsbegriff des Kernstrafrechts («kriminelle oder terroristische Organisation»). Hierfür kann sich der Bundesgesetzgeber auf die Bundeskompetenz im Gebiet des Strafrechts (Art. 123 BV) stützen.
Das Gesetz enthält jedoch neben dem Verweis auf Artikel 260ter StGB auch eine eigentliche Verbotsbestimmung (Art. 1 Abs. 1 des vorliegenden Entwurfs). Diese stützt sich auf die seit Langem anerkannte ³7 inhärente Kompetenz des Bundes zur Wahrung der inneren und äusseren Sicherheit. Es gilt als inhärente Kompetenz des Bundes, im Inneren und im Äusseren die notwendigen Massnahmen zu seinem Schutz und zum Schutz seiner Organe und Institutionen zu treffen; der Bund hat den Bestand des gesamtschweizerischen Gemeinwesens zu gewährleisten und zu sichern und für die Abwehr von Gefahren zu sorgen, die dieses Gemeinwesen existenziell bedrohen. Die inhärente Kompetenz des Bundes im Bereich der inneren und äusseren Sicherheit schliesst auch Gesetzgebungsbefugnisse mit ein. ³8 Mitunter auf diese Verfassungsgrundlage stützen bzw. stützten sich auch das Nachrichtendienstgesetz, das BWIS und das Al-Qaïda-Gesetz. Gegenwärtig hat der NDB keine Informationen, die darauf hindeuten, dass die Hamas über operative Mittel verfügt, um in Europa oder der Schweiz Anschläge zu verüben. Dennoch haben Hamas-nahe Medien sowie Hamas-Kader in früheren Krisen dazu aufgerufen, die Aktionen gegen israelische und jüdische Ziele auch ausserhalb des besetzten palästinensischen Gebiets und Israels auszuweiten. Der Bundesrat betrachtet es als notwendig, den potenziellen Folgen einer solchen Entwicklung für die innere und äussere Sicherheit der Schweiz anhand der vorliegend vorgeschlagenen Massnahmen vorzubeugen. Unter der Variante ohne eigentliche Verbotsbestimmung (Ziffer 1.2) müsste die inhärente Kompetenz des Bundes nicht angerufen werden.
Das vorgeschlagene Verbot der Hamas sowie verwandter Organisationen kann Grundrechte einschränken, beispielsweise das Recht auf Schutz der Privatsphäre (Art. 13 BV), die Meinungsäusserungsfreiheit (Art. 16 Abs. 2 BV) oder die Versammlungsfreiheit (Art. 22 BV). Zu unterscheiden ist, ob eine Handlung der Förderung der Ziele der Hamas dient (welche das Gesetz verbietet) oder der Unterstützung von palästinensischen Anliegen. Nur Ersteres ist verboten und kann zu einer Einschränkung von Grundrechten führen.
Gemäss Artikel 36 BV bedürfen Einschränkungen von Grundrechten einer gesetzlichen Grundlage und müssen durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz der Grundrechte Dritter gerechtfertigt sein sowie den Grundsatz der Verhältnismässigkeit und den Kerngehalt der Grundrechte wahren. In Bezug auf die für schwere Grundrechtseingriffe erforderliche gesetzliche Grundlage sind die Voraussetzungen mit dem Erlass eines formellen Bundesgesetzes erfüllt.
Mit dem Verbot der Hamas sowie verwandter Organisationen soll ein Beitrag zur Verhinderung von Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Gräueltaten und sonstigen terroristischen Handlungen und Völkerrechtsverletzungen und damit ein Beitrag zur Achtung der Menschenrechte und zum friedlichen Zusammenleben der Völker geleistet werden, was im öffentlichen Interesse liegt. Nebst dieser übergeordneten Zielsetzung liegen auch die einzelnen Effekte des Organisationsverbots im öffentlichen Interesse (siehe ausführlich oben Ziffer 1.1.2):
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Das Organisationsverbot verringert die Bedrohung durch verbrecherische Aktivitäten auf schweizerischem Territorium;
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Es verringert das Risiko, dass die Hamas und verwandte Organisationen die Schweiz als Rückzugsort nutzen;
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Es erleichtert und beschleunigt den Erlass von präventivpolizeilichen Massnahmen;
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Es erleichtert die Strafverfolgung, indem die Beweislage sich faktisch je nach Ausgangslage einfacher darstellen wird;
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Ein Verbot der Hamas und verwandter Organisationen führt für die Finanzintermediäre zu Rechtssicherheit, da diese nicht mehr selbst beurteilen müssen, ob es sich dabei um terroristische Organisationen handelt;
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Die MROS kann mehr Informationen betreffend Terrorismusfinanzierung mit ausländischen Partnerbehörden austauschen, wenn wie erwartet mehr Meldungen von Finanzintermediären bei ihr eingehen.
Unter dem Aspekt der Verhältnismässigkeit ist das Verbot der Hamas sowie verwandter Organisationen geeignet, gewalttätige und unterstützende Handlungen der erwähnten Art zu verhindern. Es ist zudem erforderlich, weil nur ein Verbot die Beweisführung betreffend das Vorliegen einer terroristischen Organisation bei präventiven und repressiven Massnahmen erleichtert und die vorhandenen Mittel zur Verhinderung und Verfolgung von Straftaten für oder durch die Hamas stärkt. Zudem kann dadurch mehr Rechtssicherheit geschaffen werden. Angesichts der mit dem Terrorismus einhergehenden Gefahr für Leib und Leben sowie für andere hochwertige Rechtsgüter ist ein Verbot offensichtlich auch zumutbar. Der Kerngehalt der Grundrechte bleibt mit einem Verbot terroristischer Organisationen und Gruppierungen gewahrt.
Das vorgeschlagene Verbot ist namentlich auch unter Berücksichtigung seiner Befristung und dem vorgesehenen Erlass auf dem Wege der ordentlichen Gesetzgebung verfassungskonform; die rechtsstaatlichen Prinzipien werden eingehalten.
³7 Vgl. den Ingress des Bundesgesetzes vom 21. März 1997 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit ( SR 120 , Grunderlass: AS 1998 1546 ).
³8 BGE 117 Ia 202 mit Verweisen; Bericht des Bundesrates vom 2. März 2012 in Erfüllung des Postulats Malama vom 3. März 2010 «Innere Sicherheit. Klärung der Kompetenzen» ( BBl 2012 4459 ).
7.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz
Die vorgeschlagene Regelung steht im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz, insbesondere mit den menschenrechtlichen Garantien der Konvention vom 4. November 1950 ³9 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) und des Internationalen Pakt vom 16. Dezember 1966 4⁰ über bürgerliche und politische Rechte (UNO-Pakt II). Die einschlägigen Garantien sind kongruent mit den in der Bundesverfassung verankerten Grundrechten; deshalb kann hierzu auf die Ausführungen unter Ziffer 7.1 verwiesen werden. Der Kerngehalt der betroffenen Grundrechte sowie die notstandsfesten Menschenrechtsgarantien gemäss den Notstandsklauseln von Artikel 15 EMRK und Artikel 4 Absatz 2 des UNO-Pakts II werden gewahrt. Die Einhaltung des humanitären Völkerrechts wird durch die humanitäre Ausnahmeregelung (Art. 260ter Abs. 2 StGB) sichergestellt.
³9 SR 0.101
4⁰ SR 0.103.2
7.3 Erlassform
Alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen sind in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen (Art. 164 Abs. 1 BV). Als rechtsetzend gelten Bestimmungen, die - wie vorliegend - in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen (Art. 22 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 4¹ ). Folglich muss die vorgeschlagene Regelung in der Form eines Bundesgesetzes erfolgen.
4¹ SR 171.10
7.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse
Mit der Vorlage werden keine neuen Verpflichtungskredite oder Zahlungsrahmen beschlossen, die einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken nach sich ziehen. Die Vorlage ist somit nicht der Ausgabenbremse (Art. 159 Abs. 3 Bst. b BV) unterstellt.
7.5 Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz
Das Prinzip der Subsidiarität (Art. 5 a und 43 a Abs. 1 BV) wird mit dem vorgeschlagenen Bundesgesetz eingehalten: Für die Strafverfolgung gilt nach Artikel 2 des Gesetzesentwurfs Bundesgerichtsbarkeit statt der geteilten Zuständigkeit von Bund und Kantonen nach Artikel 24 Absatz 1 StPO. Damit wird Kohärenz hergestellt mit dem geltenden Artikel 74 Absatz 6 NDG. Die kantonale Zuständigkeit für die Strafverfolgung von Jugendlichen bleibt unberührt.
Bundesrecht
Botschaft zum Bundesgesetz über das Verbot der Hamas sowie verwandter Organisationen
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