Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Kolumbien über Rechtshilfe in Strafsachen
Abgeschlossen in Davos am 27. Januar 2011 Von der Bundesversammlung genehmigt am 15. Juni 2012¹ In Kraft getreten durch Notenaustausch am 27. April 2014 (Stand am 27. April 2014) ¹ AS 2014 743
Die Schweizerische Eidgenossenschaft und die Republik Kolumbien,
nachfolgend: die Vertragsstaaten,
in Anbetracht der Bande der Freundschaft und der Zusammenarbeit, die sie verbinden;
in der Erkenntnis, dass der Kampf gegen das grenzüberschreitende Verbrechen eine gemeinsame Verantwortung der internationalen Gemeinschaft bildet;
im Bewusstsein, dass die Rechtshilfe und die Mechanismen der Zusammenarbeit gestärkt werden müssen, um die Zunahme verbrecherischer Tätigkeiten zu verhindern;
im Bestreben, ein Höchstmass an Rechtshilfe für die Untersuchung strafbarer Handlungen, die Beschlagnahme, weitere vorsorgliche Massnahmen und die Einziehung von Erträgen aus strafbaren Handlungen sowie der Tatwerkzeuge, mit denen eine strafbare Handlung begangen wurde, zu gewährleisten;
in Einhaltung der Verfassungs- und Gesetzesbestimmungen ihrer Staaten sowie der Grundsätze des Völkerrechts, insbesondere der Souveränität, der territorialen Integrität, der Nichteinmischung und der Achtung der innerstaatlichen Rechtsordnung der beiden Parteien;
unter Berücksichtigung der Grundsätze, die in den internationalen Übereinkommen im Bereich der Menschenrechte festgelegt sind, und im Bestreben, im Hinblick auf deren Förderung zusammenzuarbeiten;
haben Folgendes vereinbart:
Kapitel I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 Verpflichtung zur Rechtshilfe in Strafsachen
Die Vertragsstaaten verpflichten sich, einander nach den Bestimmungen dieses Vertrags weitestgehende Rechtshilfe in Strafsachen zu leisten in allen Untersuchungen und Verfahren wegen strafbarer Handlungen, deren Ahndung im Zeitpunkt, in dem um Rechtshilfe ersucht wird, in die Zuständigkeit der Justizbehörden des ersuchenden Staates fällt.
Art. 2 Umfang der Rechtshilfe
Die Rechtshilfe umfasst folgende Massnahmen, die im Hinblick auf ein Strafverfahren im ersuchenden Staat getroffen werden:
a) die Entgegennahme von Zeugenaussagen oder anderen Aussagen;
b) die Übermittlung von Gegenständen, Schriftstücken, Akten und Beweismitteln;
c) die Herausgabe von Gegenständen und Vermögenswerten zur Einziehung oder Rückerstattung;
d) den Informationsaustausch;
e) die Durchsuchung von Personen und die Hausdurchsuchung;
f) das Auffinden und Identifizieren von Personen und Eigentum;
g) das Aufspüren, die Beschlagnahme und das Einziehen von Erträgen aus strafbaren Handlungen;
h) die Zustellung von Schriftstücken;
i) die Überführung inhaftierter Personen zum Zweck der Einvernahme oder der Gegenüberstellung;
j) die Einladung an Zeugen und Sachverständige, im ersuchenden Staat zu erscheinen und auszusagen;
k) alle anderen Massnahmen im Rahmen der Rechtshilfe, die mit den Zielen dieses Vertrags vereinbar sind und von den Vertragsstaaten akzeptiert werden können, vorausgesetzt sie sind nicht unvereinbar mit den Gesetzen des ersuchten Staates.
Art. 3 Unanwendbarkeit
Dieser Vertrag ist nicht anwendbar auf:
a) die Verhaftung und die Inhaftierung strafrechtlich verfolgter oder verurteilter Personen oder die Fahndung nach ihnen zum Zweck ihrer Auslieferung;
b) die Vollstreckung von Strafurteilen, einschliesslich der Überstellung verurteilter Personen zur Verbüssung ihrer Strafe.
Art. 4 Gründe für die Ablehnung oder den Aufschub der Rechtshilfe
1. Die Rechtshilfe in Strafsachen kann abgelehnt werden, wenn:
a) sich das Ersuchen auf eine strafbare Handlung bezieht, die vom ersuchten Staat als politische Straftat oder als mit einer politischen Straftat zusammenhängende strafbare Handlung angesehen wird;
b) sich das Ersuchen auf eine nach der Militärgesetzgebung strafbare Handlung bezieht, die nach gemeinem Recht keine strafbare Handlung darstellt;
c) sich das Ersuchen auf eine fiskalische strafbare Handlung bezieht; der ersuchte Staat kann jedoch dem Ersuchen stattgeben, wenn sich die Untersuchung oder das Verfahren auf einen Abgabebetrug bezieht;
d) der ersuchte Staat der Ansicht ist, dass die Ausführung des Ersuchens geeignet wäre, die Souveränität, die Sicherheit, die öffentliche Ordnung oder andere wesentliche Interessen seines Landes, wie sie von dessen zuständiger Behörde festgelegt wurden, zu beeinträchtigen;
e) das Ersuchen Handlungen betrifft, derentwegen eine strafrechtlich verfolgte Person im ersuchten Staat wegen einer im Wesentlichen entsprechenden strafbaren Handlung rechtskräftig freigesprochen oder verurteilt wurde, und sofern eine verhängte Sanktion noch vollzogen wird oder bereits vollzogen ist;
f) ernsthafte Gründe zur Annahme bestehen, dass das Rechtshilfeersuchen mit dem Ziel eingereicht wurde, eine Person wegen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihres Geschlechts oder ihrer politischen Anschauungen zu verfolgen oder zu bestrafen oder dass eine Gutheissung des Ersuchens dazu führen würde, dass die Situation dieser Person aus einem der genannten Gründe erschwert wird;
g) ernsthafte Gründe zur Annahme bestehen, dass im Rahmen des Strafverfahrens gegen die strafrechtlich verfolgte Person die Garantien nicht berücksichtigt werden, die in den internationalen Instrumenten für den Schutz der Menschenrechte, insbesondere im Internationalen Pakt vom 16. Dezember 1966² über bürgerliche und politische Rechte, festgehalten sind;
h) sich das Ersuchen auf eine strafbare Handlung bezieht, für die nach dem Recht des ersuchenden Staates die Todesstrafe vorgesehen ist, sofern der ersuchende Staat dem ersuchten Staat nicht eine von diesem als ausreichend erachtete Zusicherung abgibt, dass die Todesstrafe nicht verhängt wird oder dass sie, wenn sie verhängt würde, nicht vollstreckt wird.
2. Der ersuchte Staat kann die Rechtshilfe aufschieben, wenn sich die Ausführung des Ersuchens nachteilig auf ein hängiges Strafverfahren in diesem Staat auswirken würde.
3. Bevor der ersuchte Staat die Rechtshilfe nach diesem Artikel ablehnt oder aufschiebt:
a) teilt er dem ersuchenden Staat umgehend die Gründe mit, die ihn veranlassen, die Ablehnung oder den Aufschub der Rechtshilfe in Betracht zu ziehen; und
b) prüft er, ob die Rechtshilfe unter den ihm erforderlich scheinenden Bedingungen gewährt werden kann; trifft dies zu, so müssen diese Bedingungen im ersuchenden Staat eingehalten werden.
4. Jede vollständige oder teilweise Ablehnung der Rechtshilfe ist zu begründen.
² SR 0.103.2
Kapitel II: Rechtshilfeersuchen
Art. 5 Anwendbares Recht
1. Das Ersuchen wird nach dem Recht des ersuchten Staates ausgeführt.
2. Wünscht der ersuchende Staat, dass bei der Ausführung eines Rechtshilfeersuchens ein besonderes Verfahren angewendet wird, so hat er ausdrücklich darum zu ersuchen; der ersuchte Staat gibt dem Ersuchen statt, sofern sein Recht dem nicht entgegensteht.
Art. 6 Doppelte Strafbarkeit
Mit Ausnahme der Durchführung von Zwangsmassnahmen nach Artikel 7 wird die Rechtshilfe auch gewährt, wenn die Tat, auf die sich das Verfahren im ersuchenden Staat bezieht, nach dem Recht des ersuchten Staates keine Straftat darstellt.
Art. 7 Zwangsmassnahmen
1. Ein Ersuchen, dessen Ausführung Zwangsmassnahmen erfordert, kann abgelehnt werden, wenn die im Ersuchen beschriebenen Handlungen nicht die objektiven Tatbestandsmerkmale einer nach dem Recht des ersuchten Staates strafbaren Handlung aufweisen.
2. Zwangsmassnahmen umfassen:
a) die Durchsuchung von Personen und die Hausdurchsuchung;
b) die Beschlagnahme von Beweismitteln, einschliesslich der Tatwerkzeuge, mit denen eine strafbare Handlung begangen wurde, sowie der Gegenstände und Vermögenswerte, die aus einer strafbaren Handlung herrühren;
c) jede Massnahme, welche die Preisgabe von Geheimnissen bewirkt, die durch das Strafrecht des ersuchten Staates geschützt werden;
d) jede andere Massnahme, die mit der Anwendung von Zwang verbunden ist und als solche im Verfahrensrecht des ersuchten Staates vorgesehen ist.
Art. 8 Vorläufige Massnahmen
Auf ausdrückliches Verlangen des ersuchenden Staates ordnet die zuständige Behörde des ersuchten Staates zur Erhaltung des bestehenden Zustandes, zur Wahrung bedrohter rechtlicher Interessen oder zur Sicherung gefährdeter Beweismittel vorläufige Massnahmen an, wenn das Verfahren, auf das sich das Ersuchen bezieht, nach dem Recht des ersuchten Staates nicht offensichtlich unzulässig oder unzweckmässig erscheint.
Art. 9 Anwesenheit von Personen, die am Verfahren teilnehmen
Auf ausdrückliches Verlangen des ersuchenden Staates unterrichtet ihn die Zentralbehörde des ersuchten Staates über Zeit und Ort der Ausführung des Ersuchens. Die beteiligten Behörden und Personen können bei der Ausführung anwesend sein, wenn der ersuchte Staat zustimmt.
Art. 10 Zeugenaussagen im ersuchten Staat
1. Die Zeugen und Zeuginnen werden nach dem Recht des ersuchten Staates einvernommen. Sie können jedoch auch die Aussage verweigern, wenn das Recht des ersuchenden Staates dies zulässt.
2. Sofern sich die Zeugnisverweigerung auf das Recht des ersuchenden Staates stützt, übermittelt der ersuchte Staat diesem die Akten zum Entscheid. Der Entscheid muss begründet werden.
3. Macht der Zeuge oder die Zeugin ein Zeugnisverweigerungsrecht geltend, so darf er oder sie deswegen im ersuchenden Staat keinerlei gesetzlichen Sanktionen ausgesetzt werden.
Art. 11 Übermittlung von Gegenständen, Schriftstücken, Akten oder Beweismitteln
1. Der ersuchte Staat gibt dem ersuchenden Staat auf dessen Verlangen Gegenstände, Schriftstücke, Akten oder Beweismittel heraus.
2. Der ersuchte Staat kann Kopien der verlangten Schriftstücke, Akten oder Beweismittel übermitteln. Verlangt der ersuchende Staat ausdrücklich die Herausgabe der Originale, so gibt der ersuchte Staat dem Begehren so weit wie irgend möglich statt.
3. Der ersuchende Staat ist gehalten, das Herausgegebene möglichst rasch oder spätestens nach Abschluss des Verfahrens zurückzugeben, ausser wenn der ersuchte Staat ausdrücklich auf die Rückgabe verzichtet.
4. Von Dritten im ersuchten Staat geltend gemachte Rechte an Gegenständen, Schriftstücken, Akten oder Beweismitteln hindern deren Herausgabe an den ersuchenden Staat nicht.
Art. 12 Gerichts- oder Untersuchungsakten
1. Auf Verlangen stellt der ersuchte Staat den Behörden des ersuchenden Staates seine Gerichts- oder Untersuchungsakten, einschliesslich Urteilen und Entscheiden, zur Verfügung, sofern diese Unterlagen für ein Gerichtsverfahren von Bedeutung sind.
2. Schriftstücke, Akten und anderes Beweismaterial werden nur herausgegeben, wenn sie sich auf ein abgeschlossenes Verfahren beziehen. Ist dies nicht der Fall, so entscheidet die zuständige Behörde des ersuchten Staates, ob die Herausgabe dennoch zulässig ist.
Art. 13 Herausgabe von Gegenständen und Vermögenswerten
1. Gegenstände und Vermögenswerte, die das Erzeugnis oder den Erlös aus einer vom ersuchenden Staat verfolgten strafbaren Handlung oder das Instrument, mit denen die strafbare Handlung begangen wurde, darstellen, und die zu Sicherungszwecken beschlagnahmt wurden, oder der entsprechende Ersatzwert können dem ersuchenden Staat im Hinblick auf ihre Einziehung oder Rückgabe an die berechtigte Person herausgegeben werden, ausser wenn eine gutgläubige Drittperson darauf Anspruch erhebt.
2. Die Herausgabe erfolgt in der Regel nach einem rechtskräftigen und vollstreckbaren Entscheid oder Urteil des ersuchenden Staates; der ersuchte Staat kann jedoch die Gegenstände und Vermögenswerte auch in einem früheren Stadium des Verfahrens herausgeben.
Art. 14 Teilung eingezogener Vermögenswerte
1. Da die Teilung eingezogener Vermögenswerte als eines der Mittel zur Steigerung der Wirksamkeit der in diesem Vertrag verankerten internationalen Zusammenarbeit gilt, verpflichten sich die Vertragsstaaten zur weitestgehenden Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Teilung gemäss ihrem innerstaatlichen Recht.
2. Zur Teilung beschlagnahmter Vermögenswerte nach diesem Artikel schliessen die Vertragsstaaten für jeden Einzelfall eine Übereinkunft oder Vereinbarung ab, welche die besonderen Voraussetzungen für das Ersuchen, die Herausgabe und die Überweisung der geteilten Vermögenswerte festlegt.
Art. 15 Beschränkte Verwendung von Auskünften, Schriftstücken und Gegenständen
1. Die durch Rechtshilfe nach diesem Vertrag erlangten Auskünfte, Schriftstücke oder Gegenstände dürfen im ersuchenden Staat in Verfahren wegen Taten, bezüglich deren Rechtshilfe nicht zulässig ist, weder für Ermittlungen benützt noch als Beweismittel verwendet werden.
2. Jede weitere Verwendung bedarf der Zustimmung des ersuchten Staates. Diese ist nicht erforderlich, wenn:
a) die Tat, auf die sich das Ersuchen bezieht, einen anderen Straftatbestand darstellt, für den Rechtshilfe zulässig wäre;
b) das ausländische Strafverfahren sich gegen andere Personen richtet, die an der strafbaren Handlung teilgenommen haben; oder
c) das Material für eine Untersuchung oder ein Verfahren bezüglich der Leistung von Schadenersatz im Zusammenhang mit einem Verfahren verwendet wird, für das Rechtshilfe gewährt wurde.
Kapitel III: Zustellung und Erscheinen
Art. 16 Zustellung von Verfahrensurkunden und Gerichtsentscheidungen
1. Der ersuchte Staat bewirkt die Zustellung von Verfahrensurkunden und Gerichtsentscheidungen, die ihm zu diesem Zweck vom ersuchenden Staat übermittelt werden.
2. Die Zustellung kann durch einfache Übergabe der Urkunde oder der Entscheidung durch den ersuchten Staat an den Empfänger oder die Empfängerin erfolgen. Auf ausdrückliches Verlangen des ersuchenden Staates bewirkt der ersuchte Staat die Zustellung in einer der Formen, die in seinen Rechtsvorschriften für die Zustellung gleichartiger Schriftstücke vorgesehen sind, oder in einer besonderen Form, die mit diesen Rechtsvorschriften vereinbar ist.
3. Die Zustellung wird durch eine datierte und vom Empfänger oder von der Empfängerin unterschriebene Empfangsbestätigung nachgewiesen oder durch eine Erklärung des ersuchten Staates, welche die Tatsache, die Form und das Datum der Zustellung beurkundet. Die eine oder die andere dieser Urkunden wird dem ersuchenden Staat unverzüglich übermittelt. Auf Verlangen des ersuchenden Staates gibt der ersuchte Staat an, ob die Zustellung nach seinen Rechtsvorschriften erfolgt ist. Kann die Zustellung nicht vorgenommen werden, so teilt der ersuchte Staat dem ersuchenden Staat die Gründe unverzüglich schriftlich mit.
4. Ersuchen um Zustellung einer Vorladung an eine strafrechtlich verfolgte Person, die sich im Hoheitsgebiet des ersuchten Staates befindet, müssen der Zentralbehörde dieses Staates spätestens 45 Kalendertage vor dem für das Erscheinen festgesetzten Zeitpunkt zugehen.
Art. 17 Erscheinen von Zeugen, Zeuginnen und Sachverständigen im ersuchenden Staat
1. Hält der ersuchende Staat das persönliche Erscheinen eines Zeugen, einer Zeugin oder eines oder einer Sachverständigen vor seinen Justizbehörden für notwendig, so erwähnt er dies im Ersuchen um Zustellung der Vorladung, und der ersuchte Staat fordert diese Person zum Erscheinen im Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates auf.
2. Der ersuchte Staat teilt dem ersuchenden Staat die Entscheidung des Zeugen, der Zeugin oder des oder der Sachverständigen bezüglich der Aufforderung unverzüglich schriftlich mit.
3. Der Zeuge, die Zeugin oder der oder die Sachverständige, der oder die zum Erscheinen im ersuchenden Staat bereit ist, kann von diesem Staat einen Vorschuss für seine oder ihre Reise- und Aufenthaltskosten verlangen.
Art. 18 Entschädigungen
Die dem Zeugen, der Zeugin oder dem oder der Sachverständigen vom ersuchenden Staat zu zahlenden Entschädigungen und zu erstattenden Reise- und Aufenthaltskosten werden vom Aufenthaltsort dieser Person an berechnet und ihr nach Sätzen gewährt, die zumindest denjenigen entsprechen, die in den geltenden Tarifen und Bestimmungen des Vertragsstaates vorgesehen sind, in dem die Einvernahme stattfinden soll.
Art. 19 Nichterscheinen
Der Zeuge, die Zeugin oder der oder die Sachverständige, der oder die einer Vorladung, um deren Zustellung ersucht worden ist, nicht Folge leistet, darf selbst dann, wenn die Vorladung Zwangsandrohungen enthält, nicht bestraft oder einer Zwangsmassnahme unterworfen werden, ausser wenn er oder sie sich später freiwillig in das Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates begibt und dort erneut ordnungsgemäss vorgeladen wird.
Art. 20 Freies Geleit
1. Ein Zeuge, eine Zeugin, ein Sachverständiger oder eine Sachverständige, gleich welcher Staatsangehörigkeit, der oder die auf Vorladung vor den Justizbehörden des ersuchenden Staates erscheint, darf in dessen Hoheitsgebiet wegen Handlungen oder Verurteilungen aus der Zeit vor seiner oder ihrer Abreise aus dem Hoheitsgebiet des ersuchten Staates weder verfolgt noch in Haft gehalten noch einer sonstigen Beschränkung seiner oder ihrer persönlichen Freiheit unterworfen werden.
2. Eine Person, gleich welcher Staatsangehörigkeit, die vor die Justizbehörden des ersuchenden Staates vorgeladen worden ist, um sich wegen einer ihr zur Last gelegten Handlung strafrechtlich zu verantworten, darf dort wegen nicht in der Vorladung angeführter Handlungen oder Verurteilungen aus der Zeit vor ihrer Abreise aus dem Hoheitsgebiet des ersuchten Staates weder verfolgt noch in Haft gehalten noch einer sonstigen Beschränkung ihrer persönlichen Freiheit unterworfen werden.
3. Ohne ihre schriftliche Zustimmung darf eine Person, auf welche die Absätze 1 und 2 anwendbar sind, nicht dazu angehalten werden, im Rahmen eines anderen Verfahrens auszusagen als in jenem, auf das sich das Rechtshilfeersuchen bezieht.
4. Der in diesem Artikel vorgesehene Schutz endet, wenn der Zeuge, die Zeugin oder der oder die Sachverständige oder strafrechtlich Verfolgte während 30 aufeinander folgenden Tagen, nachdem seine oder ihre Anwesenheit von den Justizbehörden nicht mehr verlangt wurde, die Möglichkeit gehabt hat, das Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates zu verlassen, und trotzdem dort bleibt, oder wenn er oder sie nach Verlassen dieses Gebietes dorthin zurückgekehrt ist.
Art. 21 Umfang der Zeugenaussage im ersuchenden Staat
1. Eine Person, die aufgrund einer Vorladung im ersuchenden Staat erscheint, kann zu einer Zeugenaussage oder zur Herausgabe von Beweismitteln gezwungen werden, ausser es stehe ihr nach dem Recht eines der beiden Vertragsstaaten ein Verweigerungsrecht zu.
2. Die Artikel 10 Absätze 2 und 3 sowie Artikel 15 gelten sinngemäss.
Art. 22 Zeitweilige Überführung inhaftierter Personen
1. Verlangt der ersuchende Staat das persönliche Erscheinen einer inhaftierten Person als Zeugin oder zur Gegenüberstellung, so wird sie zeitweilig an den Ort überführt, an dem die Einvernahme stattfinden soll, vorausgesetzt, dass sie innerhalb der vom ersuchten Staat bestimmten Frist rücküberführt wird; vorbehalten bleiben die Bestimmungen von Artikel 20 dieses Vertrags, soweit anwendbar.
2. Die Überführung kann abgelehnt werden, wenn:
a) die inhaftierte Person ihr nicht zustimmt;
b) die Anwesenheit der inhaftierten Person in einem im Hoheitsgebiet des ersuchten Staates hängigen Strafverfahren notwendig ist;
c) die Überführung der Person geeignet ist, ihre Haft zu verlängern; oder
d) andere überwiegende Gründe der Überführung der Person ins Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates entgegenstehen.
3. Die überführte Person muss im Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates in Haft bleiben, ausser wenn der ersuchte Staat ihre Freilassung verlangt.
4. Im Sinne dieses Artikels wird der überführten Person die im ersuchenden Staat verbüsste Haft an die Verbüssung der im ersuchten Staat ausgesprochenen Strafe angerechnet.
Art. 23 Kontrollierte Lieferung
1. Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich sicherzustellen, dass auf Ersuchen des anderen Vertragsstaates kontrollierte Lieferungen in seinem Hoheitsgebiet im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen wegen auslieferungsfähiger Straftaten genehmigt werden können.
2. Die Entscheidung über die Durchführung kontrollierter Lieferungen wird in jedem Einzelfall von den zuständigen Behörden des ersuchten Staates unter Beachtung von dessen innerstaatlichem Recht getroffen.
3. Die kontrollierten Lieferungen werden gemäss den vom ersuchten Staat vorgesehenen Verfahren durchgeführt. Die Befugnis zum Einschreiten, zur Leitung und zur Kontrolle des Einsatzes liegt bei den zuständigen Behörden des ersuchten Staates.
Kapitel IV: Strafregister und Austausch von Strafnachrichten
Art. 24 Strafregister und Austausch von Strafnachrichten
1. Der ersuchte Staat übermittelt Auszüge und Informationen aus dem Strafregister, die von den Justizbehörden des ersuchenden Staates für eine Strafsache erbeten wurden, in dem Umfang, in dem seine eigenen Justizbehörden sie in ähnlichen Fällen selbst erhalten könnten.
2. In anderen als den in Absatz 1 erwähnten Fällen wird einem solchen Ersuchen unter den Voraussetzungen stattgegeben, die in den gesetzlichen oder sonstigen Vorschriften oder in der Praxis des ersuchten Staates vorgesehen sind.
3. Jeder Vertragsstaat benachrichtigt den anderen Vertragsstaat mindestens einmal jährlich über alle strafrechtlichen Verurteilungen und Folgemassnahmen, die dessen Staatsangehörige betreffen und die im Strafregister eingetragen worden sind.
Kapitel V: Verfahren und Übermittlungswege
Art. 25 Zentralbehörde
1. Zentralbehörde im Sinne dieses Vertrags ist für die Schweizerische Eidgenossenschaft das Bundesamt für Justiz des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements.
Die Zentralbehörden mit Bezug auf Rechtshilfeersuchen, die an die Republik Kolumbien gerichtet oder die von der Republik Kolumbien verfasst werden, sind im Rahmen ihrer jeweiligen Kompetenzen die Generalstaatsanwaltschaft der Nation und das Innen- und Justizministerium.
2. Die Zentralbehörde des ersuchenden Staates übermittelt die auf Grund dieses Vertrags gestellten Rechtshilfeersuchen in Strafsachen seiner Gerichte oder Behörden.
3. Die Zentralbehörde des ersuchten Staates bearbeitet die Rechtshilfeersuchen möglichst rasch und übermittelt sie gegebenenfalls zur Ausführung an die anderen zuständigen Behörden. Die Zentralbehörde behält die Koordination der Ausführung dieser Ersuchen.
4. Die Zentralbehörden der Vertragsstaaten verkehren direkt miteinander.
5. Jeder der beiden Vertragsstaaten kann seine Zentralbehörde ändern; dies wird dem anderen Vertragsstaat auf diplomatischem Weg schriftlich mitgeteilt.
Art. 26 Form des Ersuchens und Übermittlungswege
1. Rechtshilfeersuchen werden schriftlich abgefasst.
2. In dringenden Fällen kann das Ersuchen per Fax oder auf jedem anderen vom ersuchten Staat zugelassenen Weg übermittelt werden. Die Originalfassung des Ersuchens muss innerhalb von acht Tagen versandt werden.
Art. 27 Inhalt des Ersuchens
1. Ein Ersuchen muss angeben:
a) die Behörde, von der es ausgeht, und gegebenenfalls die im ersuchenden Staat für das Strafverfahren zuständige Behörde;
b) den Gegenstand und den Grund des Ersuchens;
c) eine detaillierte Beschreibung der Beweismittel, der erforderlichen Auskünfte oder der Massnahmen, um die ersucht wird;
d) soweit möglich, den vollständigen Namen, den Geburtsort und das Geburtsdatum, die Staatsangehörigkeit und die aktuelle Adresse der Person, gegen die sich das Strafverfahren richtet; und
e) den Hauptgrund, warum die Beweismittel oder Auskünfte verlangt werden, sowie eine kurze Darstellung des wesentlichen Sachverhalts (Zeitpunkt, Ort und Umstände der Tatbegehung), der im ersuchenden Staat Anlass zum Verfahren gibt, ausgenommen bei Zustellungsersuchen nach Artikel 16.
2. Zusätzlich muss ein Ersuchen enthalten:
a) bei der Anwendung ausländischen Rechts im Hinblick auf die Ausführung (Art. 5 Abs. 2) den Text der im ersuchenden Staat anwendbaren Gesetzesbestimmungen und den Grund für deren Anwendung;
b) bei der Teilnahme von Verfahrensbeteiligten (Art. 9) die Bezeichnung der Person, die bei der Ausführung des Ersuchens anwesend ist, und den Grund für ihre Anwesenheit;
c) den mutmasslichen Ort und eine Beschreibung der Gegenstände und Vermögenswerte, die das Erzeugnis oder den Erlös aus einer strafbaren Handlung darstellen oder der Instrumente, mit denen die strafbare Handlung begangen wurde (Art. 13), oder den Hauptgrund, warum diese Gegenstände und Vermögenswerte im Hoheitsgebiet des ersuchten Staates vermutet werden;
d) bei der Zustellung von Verfahrensurkunden, Gerichtsentscheidungen und Vorladungen (Art. 16 und 17) den Namen und die Adresse des Empfängers oder der Empfängerin;
e) bei einer Vorladung von Zeugen, Zeuginnen und Sachverständigen (Art. 17) eine Erklärung, wonach der ersuchende Staat für Kosten und Entschädigungen aufkommt und auf Verlangen einen Kostenvorschuss leistet;
f) bei der Überführung inhaftierter Personen (Art. 22) deren Namen.
Art. 28 Ausführung des Ersuchens
1. Entspricht das Ersuchen nicht den Bestimmungen dieses Vertrags, so teilt die Zentralbehörde des ersuchten Staates dies der Zentralbehörde des ersuchenden Staates unverzüglich mit und verlangt eine Abänderung oder Ergänzung des Ersuchens; vorbehalten bleibt die Anordnung vorläufiger Massnahmen nach Artikel 8.
2. Erscheint das Ersuchen vertragskonform, so leitet die Zentralbehörde des ersuchten Staates es unmittelbar an die für die Ausführung zuständige Behörde weiter.
3. Nach Ausführung des Ersuchens übermittelt die zuständige Behörde das Ersuchen sowie die gesammelten Informationen und Beweismittel der Zentralbehörde des ersuchten Staates. Die Zentralbehörde vergewissert sich, dass das Ersuchen vollständig und ordnungsgemäss ausgeführt ist, und teilt die Ergebnisse der Zentralbehörde des ersuchenden Staates mit.
4. Absatz 3 dieses Artikels steht einer teilweisen Ausführung des Ersuchens nicht entgegen.
Art. 29 Befreiung von jeder Beglaubigung und anderen Formerfordernissen
1. Schriftstücke, Akten, Aussagen und anderes Beweismaterial, die nach diesem Vertrag übermittelt werden, bedürfen keiner Beglaubigung oder anderer Formerfordernisse.
2. Schriftstücke, Akten, Aussagen und anderes Beweismaterial, die von der Zentralbehörde des ersuchten Staates übermittelt werden, werden ohne weitere Formerfordernisse oder Beglaubigungsnachweise als Beweismittel zugelassen.
3. Das Übermittlungsschreiben der Zentralbehörde garantiert die Echtheit der übermittelten Schriftstücke.
Art. 30 Sprache
1. Von der Schweizerischen Eidgenossenschaft im Rahmen dieses Vertrags gestellte Ersuchen sowie die beigefügten Schriftstücke werden ins Spanische übersetzt. Von der Republik Kolumbien im Rahmen dieses Vertrags gestellte Ersuchen sowie die beigefügten Schriftstücke werden in eine der Amtssprachen der Schweizerischen Eidgenossenschaft übersetzt (Französisch, Deutsch oder Italienisch), wie sie von der Schweizerischen Zentralbehörde für jeden Einzelfall angegeben wird.
2. Die Übersetzung der Schriftstücke, die bei der Ausführung des Ersuchens erstellt oder erlangt werden, obliegt dem ersuchenden Staat.
3. Von den Vertragsstaaten vorgenommene Übersetzungen haben amtlichen Charakter.
Art. 31 Ausführungskosten
1. Der ersuchende Staat vergütet auf Verlangen des ersuchten Staates nur folgende durch die Ausführung eines Ersuchens entstandenen Kosten und Auslagen:
a) Entschädigungen, Reisekosten und Aufenthaltskosten für Zeugen und Zeuginnen und, falls absolut notwendig, deren Rechtsbeistände;
b) Kosten im Zusammenhang mit der Überführung inhaftierter Personen;
c) Honorare, Reisekosten und Aufenthaltskosten für Sachverständige.
2. Verursacht die Ausführung des Ersuchens ausserordentliche Kosten, so benachrichtigt der ersuchte Staat den ersuchenden Staat darüber, um die Bedingungen festzusetzen, unter denen die verlangte Rechtshilfe geleistet werden kann.
Kapitel VI: Unaufgeforderte Übermittlung
Art. 32 Unaufgeforderte Übermittlung von Informationen
1. Im Rahmen ihres innerstaatlichen Rechts kann eine Strafverfolgungs- oder zuständige Justizbehörde eines Vertragsstaates über ihre Zentralbehörde ohne vorheriges Ersuchen der Zentralbehörde des anderen Vertragsstaates Informationen zu strafbaren Handlungen übermitteln, die sie im Verlauf ihrer eigenen Ermittlungen erlangt hat, wenn diese Übermittlung nach ihrer Ansicht dazu beitragen kann:
a) ein Ersuchen nach diesem Vertrag einzureichen;
b) ein Strafverfahren einzuleiten; oder
c) die Durchführung einer laufenden Strafuntersuchung zu erleichtern.
2. Die Behörde, welche die Informationen übermittelt, kann gemäss ihrem innerstaatlichen Recht Bedingungen für die Verwendung dieser Informationen durch den empfangenden Staat festlegen. Der empfangende Staat ist an diese Bedingungen gebunden.
Kapitel VII: Schlussbestimmungen
Art. 33 Vereinbarkeit mit anderen Vereinbarungen und Formen der Zusammenarbeit
Die Bestimmungen dieses Vertrags stehen einer weitergehenden Rechtshilfe nicht entgegen, welche die Vertragsstaaten in anderen Vereinbarungen oder Abmachungen beschlossen haben oder beschliessen könnten oder welche sich aus innerstaatlichem Recht ergeben könnte.
Art. 34 Meinungsaustausch
Wenn die Zentralbehörden es als nützlich erachten, tauschen sie ihre Meinungen über die Anwendung oder die Umsetzung dieses Vertrags im Allgemeinen oder in Bezug auf einen Einzelfall mündlich oder schriftlich aus.
Art. 35 Beilegung von Streitigkeiten
Streitigkeiten in Bezug auf Auslegung, Anwendung oder Umsetzung dieses Vertrags werden auf diplomatischem Weg gelöst, falls die Zentralbehörden sie nicht selber beilegen können.
Art. 36 Inkrafttreten und Kündigung
1. Dieser Vertrag tritt am 60. Tag nach dem Zeitpunkt in Kraft, zu dem sich die Vertragsstaaten mitgeteilt haben, dass ihre jeweiligen Voraussetzungen für das Inkrafttreten dieses Vertrags erfüllt sind.
2. Jeder der beiden Vertragsstaaten kann diesen Vertrag jederzeit durch schriftliche Mitteilung an den anderen Vertragsstaat auf diplomatischem Weg kündigen. In diesem Fall tritt der Vertrag sechs Monate nach Erhalt dieser Mitteilung ausser Kraft. Auf laufende Rechtshilfeverfahren hat die Kündigung keine Auswirkungen.
Unterschriften
Zu Urkund dessen haben die von ihren Regierungen hierzu gehörig Bevollmächtigten diesen Vertrag unterzeichnet.
Geschehen in Davos, am 27. Januar 2011, in zwei Urschriften in englischer, spanischer und deutscher Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermassen verbindlich ist. Im Falle von sich widersprechenden Auslegungen ist die englische Fassung massgebend.
Für die | Für die |
Micheline Calmy-Rey | Juan Manuel Santos Calderón |
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