4 Die Bedrohungen im Einzelnen
4.1 Terrorismus
Die Terrorbedrohung in der Schweiz bleibt erhöht. Allerdings haben der terroristische Grossangriff der Hamas auf Israel Anfang Oktober 2023 und die folgenden Kampfhandlungen diese akzentuiert. In diesem Kontext hat der «Islamische Staat» Anfang 2024 eine international orchestrierte Propagandakampagne lanciert, in der explizit auch zu Anschlägen in Europa aufgerufen wurde. Die Kampagne und mehrere medienwirksame Anschläge haben seit Jahresbeginn eine neue Dynamik in der dschihadistischen Bewegung entfaltet und dem «Islamischen Staat» zu neuer Anziehungskraft verholfen. Insbesondere die Propaganda des «Islamischen Staats» hat die Entstehung von Netzwerken von Sympathisantinnen und Sympathisanten in der Schweiz begünstigt, verstärkt bei jungen Erwachsenen oder sogar Minderjährigen.
Die Bedrohungslage wird massgeblich von der dschihadistischen Bewegung geprägt; deren wichtigster Akteur ist nach wie vor der «Islamische Staat», weit weniger die Al-Qaïda. Die Kernorganisation des «Islamischen Staats» und die Kern-Al-Qaïda sind zurzeit kaum fähig, eigenständig komplexe Anschläge in Europa vorzubereiten oder zu verüben. Als einzige Regionalgruppierung verfügt der Islamische Staat Khorasan über weitreichende Netzwerke und über grundlegende, wenn auch begrenzte Fähigkeiten und Mittel, bestehende Anschlagsabsichten in Europa in die Tat umzusetzen. Dabei ist er wahrscheinlich darauf angewiesen, Anhänger zu finden, die in Europa leben und sich zu Gewalttaten anstiften lassen. Andere Regionalgruppierungen und Ableger der Terrororganisationen sind trotz ihrer primär regionalen Ausrichtung gewillt und in der Lage, bei Gelegenheit Anschläge auf westliche Ziele ausserhalb Europas zu verüben. Dies könnte auch schweizerische Interessen im Ausland treffen.
Spontane Gewaltakte mit einfachen Mitteln, verübt von dschihadistisch inspirierten Einzeltäterinnen und -tätern oder Kleingruppen, bleiben das wahrscheinlichste Bedrohungsszenario in der Schweiz. Solche Gewalttaten richten sich am ehesten gegen schwach geschützte Ziele. Hierbei sind insbesondere jüdische und israelische Interessen exponiert. Der Messerangriff auf einen orthodoxen Juden Anfang März 2024 in Zürich bestätigt diese Beurteilung. Allerdings sind auch Grossveranstaltungen beziehungsweise publikumswirksame Anlässe für Dschihadisten attraktive Gelegenheiten, um Anschlagsabsichten umzusetzen. Dies gilt auch für die Schweiz.
Aus europäischen Gefängnissen entlassene Dschihadistinnen und Dschihadisten sowie Personen, die sich während der Haft radikalisiert haben, stellen weiter einen Risikofaktor dar. Eine Bedrohung für die Sicherheit Europas und der Schweiz bleiben auch Rückkehrerinnen und Rückkehrer aus Dschihadgebieten. Die Fluchtbewegungen wegen des Kriegs gegen die Ukraine führten in der Schweiz nicht zu einer Erhöhung der Terrorbedrohung.
Ethno-nationalistisch motivierter Terrorismus bleibt eine Bedrohung. Weiterhin erhalten ethno-nationalistische Organisationen dank Propaganda, Rekrutierungen und Geldsammlungen Unterstützung aus Europa und der Schweiz.
4.2 Verbotener Nachrichtendienst
Die Bedrohung der Schweiz durch Spionage ist nach wie vor hoch. Verantwortlich dafür sind zum grössten Teil die rivalisierenden Gross- und Regionalmächte. Ein erheblicher Teil der Aktivitäten ausländischer Nachrichtendienste auf Schweizer Boden richtet sich in erster Linie gegen die jeweils eigenen Rivalen. Dazu kommen als Instrumente transnationaler Repression die Überwachung und Beeinflussung von Diasporagemeinschaften und politischen Oppositionellen durch autokratische Staaten.