Internationales Übereinkommen von 1974 zum Schutz des menschlichen Lebens auf See
Abgeschlossen in London am 1. November 1974 Von der Bundesversammlung genehmigt am 9. Juni 1981¹ Schweizerische Ratifikationsurkunde hinterlegt am 1. Oktober 1981 In Kraft getreten für die Schweiz am 1. Januar 1982 (Stand am 1. Juli 2024) ¹ AS 1982 127
² SR 0.747.363.32
Art. I Allgemeine Verpflichtungen aufgrund des Übereinkommens
a) Die Vertragsregierungen verpflichten sich, diesem Übereinkommen und seinem Anhang³, der Bestandteil des Übereinkommens ist, Wirksamkeit zu verleihen. Jeder Verweis auf das Übereinkommen ist gleichzeitig ein Verweis auf den Anhang.
b) Die Vertragsregierungen verpflichten sich, alle Gesetze, Verordnungen, Ausführungsbestimmungen und sonstigen Vorschriften zu erlassen und alle sonstigen Massnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um diesem Übereinkommen volle Wirksamkeit zu verleihen und dadurch zu gewährleisten, dass sich ein Schiff im Hinblick auf den Schutz des menschlichen Lebens für seinen Verwendungszweck eignet.
³ Dieser Anhang und seine Änderungen sind in der AS nicht veröffentlicht ( AS 1984 256 ; 1985 1606 ; 1987 1050 ; 1990 595 , 596 ; 1993 2513 ; 1997 464 ; 2024 618 ). Die englischen Texte können auf der Internetseite der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO): www.imo.org/en/KnowledgeCentre/IndexofIMOResolutions/Pages/Default.aspx eingesehen werden. Die französischen Texte sowie eine konsolidierte englische Version können beim Schweizerischen Seeschifffahrtsamt, Elisabethenstrasse 31, 4010 Basel eingesehen werden.
Art. II Anwendungsbereich
Dieses Übereinkommen gilt für Schiffe, die berechtigt sind, die Flagge eines Staates zu führen, dessen Regierung Vertragsregierung ist.
Art. III Gesetze und sonstige Vorschriften
Jede Vertragsregierung verpflichtet sich, dem Generalsekretär der Zwischenstaatlichen Beratenden Seeschiffahrts-Organisation (im folgenden als «Organisation» bezeichnet) folgendes zu übermitteln und bei ihm zu hinterlegen:
a) eine Liste der nichtstaatlichen Stellen, die befugt sind im Namen der Vertragsregierung Massnahmen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See zu treffen; diese Liste ist zur Weitergabe an die Vertragsregierungen zur Unterrichtung ihrer Bediensteten bestimmt;
b) den Wortlaut der Gesetze, Verordnungen, Ausführungsbestimmungen und sonstigen Vorschriften, die auf den verschiedenen durch dieses Übereinkommen betroffenen Gebieten erlassen worden sind;
c) eine ausreichende Anzahl von Mustern der nach den Bestimmungen dieses Übereinkommens von der Vertragsregierung ausgestellten Zeugnisse; diese Muster sind zur Weitergabe an die Vertragsregierungen zur Unterrichtung ihrer Bediensteten bestimmt.
Art. IV Fälle höherer Gewalt
a) Ein Schiff, das bei Antritt einer Fahrt nicht den Bestimmungen dieses Übereinkommens unterliegt, ist ihnen auch dann nicht zu unterstellen, wenn es wegen Schlechtwetters oder sonstiger höherer Gewalt vom vorgesehenen Weg abweicht.
b) Personen, die sich wegen höherer Gewalt oder an Bord befinden, weil der Kapitän verpflichtet ist, Schiffbrüchige oder andere Personen aufzunehmen, bleiben bei der Feststellung, ob eine Bestimmung dieses Übereinkommens auf ein Schiff anzuwenden ist, ausser Betracht.
Art. V Beförderung von Personen in Notfällen
a) Um die Evakuierung von Personen zu sichern, die aus einer Lebensgefahr gerettet werden sollen, kann eine Vertragsregierung die Beförderung einer grösseren Anzahl von Personen auf ihren Schiffen gestatten, als sonst nach diesem Übereinkommen zulässig ist.
b) Eine solche Erlaubnis entzieht den anderen Vertragsregierungen kein Kontrollrecht, das ihnen nach diesem Übereinkommen für Schiffe zusteht, die ihre Häfen anlaufen.
c) Hat eine Vertragsregierung eine solche Erlaubnis erteilt, so teilt sie dies dem Generalsekretär der Organisation mit und fügt einen Bericht über den Sachverhalt bei.
Art. VI Frühere Verträge und Übereinkommen
a) Das am 17. Juni 1960 in London unterzeichnete Internationale Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See wird durch dieses Übereinkommen zwischen den Vertragsregierungen abgelöst und aufgehoben.
b) Alle anderen Verträge, Übereinkommen und Vereinbarungen über den Schutz des menschlichen Lebens auf See oder damit zusammenhängende Fragen, die gegenwärtig zwischen den Vertragsregierungen des vorliegenden Übereinkommens in Kraft sind, bleiben während ihrer jeweiligen Geltungsdauer unbeschränkt wirksam für
i) Schiffe, auf die dieses Übereinkommen nicht anwendbar ist;
ii) Schiffe, auf die dieses Übereinkommen anwendbar ist, soweit es sich um Angelegenheiten handelt, die nicht ausdrücklich in diesem Übereinkommen geregelt sind.
c) Soweit jedoch solche Verträge, Übereinkommen oder Vereinbarungen zu den Vorschriften dieses Übereinkommens im Widerspruch stehen, sind die letzteren massgebend.
d) Alle Angelegenheiten, die in diesem Übereinkommen nicht ausdrücklich geregelt sind, bleiben der Gesetzgebung der Vertragsregierungen vorbehalten.
Art. VII Vereinbarung besonderer Regeln
Werden gemäss diesem Übereinkommen von allen oder einigen Vertragsregierungen besondere Regeln einvernehmlich aufgestellt, so sind diese dem Generalsekretär der Organisation zur Weiterleitung an alle Vertragsregierungen mitzuteilen.
Art. VIII Änderungen
a) Dieses Übereinkommen kann nach einem der beiden unter den nachstehenden Buchstaben vorgesehenen Verfahren geändert werden.
b) Änderungen nach Prüfung durch die Organisation:
i) Jede von einer Vertragsregierung vorgeschlagene Änderung wird dem Generalsekretär der Organisation vorgelegt, der sie spätestens sechs Monate vor der Prüfung an alle Mitglieder der Organisation und alle Vertragsregierungen weiterleitet.
ii) Jede nach Ziffer i vorgeschlagene und weitergeleitete Änderung wird dem Schiffssicherheitsausschuss der Organisation zur Prüfung vorgelegt.
iii) Alle Vertragsregierungen, gleich ob ihre Staaten Mitglieder der Organisation sind oder nicht, sind berechtigt, an den Beratungen des Schiffssicherheitsausschusses zur Prüfung von Änderungen und zur Beschlussfassung darüber teilzunehmen.
iv) Änderungen werden mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden und abstimmenden Vertragsregierungen in dem nach Ziffer iii erweiterten Schiffssicherheitsausschuss (im folgenden als «erweiterter Schiffssicherheitsausschuss» bezeichnet) beschlossen, sofern bei der Abstimmung mindestens ein Drittel der Vertragsregierungen anwesend ist.
v) Nach Ziffer iv beschlossene Änderungen werden vom Generalsekretär der Organisation allen Vertragsregierungen zur Annahme übermittelt.
vi) 1. Eine Änderung eines Artikels des Übereinkommens oder des Kapitels I des Anhangs gilt als an dem Tag angenommen, an dem sie von zwei Dritteln der Vertragsregierungen angenommen worden ist. 2. Eine Änderung des Anhangs, ausgenommen das Kapitel I, gilt als angenommen aa) mit Ablauf von zwei Jahren nach dem Tag, an dem sie den Vertragsregierungen zur Annahme übermittelt worden ist, oder
bb) mit Ablauf einer anderen Frist, die mindestens ein Jahr betragen muss, wenn dies im Zeitpunkt der Beschlussfassung mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden und abstimmenden Vertragsregierungen im erweiterten Schiffssicherheitsausschuss bestimmt worden ist.
Notifizieren jedoch innerhalb der festgesetzten Frist entweder mehr als ein Drittel der Vertragsregierungen oder der Vertragsregierungen, deren Handelsflotten insgesamt mindestens fünfzig Prozent der Bruttotonnage der Welthandelsflotte ausmachen, dem Generalsekretär der Organisation, dass sie Einspruch gegen die Änderung erheben, so gilt sie als nicht angenommen.
vii) 1. Eine Änderung eines Artikels des Übereinkommens oder des Kapitels I des Anhangs tritt für diejenigen Vertragsregierungen, die sie angenommen haben, sechs Monate nach dem Tag in Kraft, an dem sie als angenommen gilt, und für jede Vertragsregierung, die sie nach diesem Tag annimmt, sechs Monate nach dem Tag der Annahme durch diese Vertragsregierung. 2. Eine Änderung des Anhangs, ausgenommen das Kapitel I, tritt für alle Vertragsregierungen ausser für diejenigen, die nach Ziffer vi Nummer 2 Einspruch dagegen erhoben und diesen Einspruch nicht zurückgenommen haben, sechs Monate nach dem Tag in Kraft, an dem sie als angenommen gilt. Jede Vertragspartei kann jedoch vor dem festgesetzten Tag des Inkrafttretens dem Generalsekretär der Organisation notifizieren, dass sie die Änderung während einer Frist von höchstens einem Jahr nach ihrem Inkrafttreten oder während einer längeren Frist, wenn die Zweidrittelmehrheit der im erweiterten Schiffssicherheitsausschuss bei der Beschlussfassung über die Änderung anwesenden und abstimmenden Vertragsregierungen so beschliesst, nicht anwenden wird.
c) Änderung durch eine Konferenz:
i) Auf Antrag einer Vertragsregierung, der von mindestens einem Drittel der Vertragsregierungen unterstützt sein muss, beruft die Organisation eine Konferenz der Vertragsregierungen zur Prüfung von Änderungen dieses Übereinkommens ein.
ii) Jede von einer solchen Konferenz mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden und abstimmenden Vertragsregierungen beschlossene Änderung wird vom Generalsekretär der Organisation allen Vertragsregierungen zur Annahme übermittelt.
iii) Sofern die Konferenz nichts anderes beschliesst, gilt die Änderung nach dem Verfahren des Buchstabens b Ziffer vi als angenommen und tritt nach dem Verfahren des Buchstabens b Ziffer vii in Kraft, wobei jeder Hinweis auf den erweiterten Schiffssicherheitsausschuss unter diesen Ziffern als Hinweis auf die Konferenz gilt.
d) i) Eine Vertragsregierung, die eine in Kraft getretene Änderung des Anhangs angenommen hat, ist nicht verpflichtet, die Vergünstigung dieses Übereinkommens für Zeugnisse zu gewähren, die einem Schiff ausgestellt worden sind, das die Flagge eines Staates zu führen berechtigt ist, dessen Regierung nach Buchstabe b Ziffer vi Nummer 2 Einspruch gegen die Änderung erhoben und diesen Einspruch nicht zurückgenommen hat, jedoch nur soweit sich diese Zeugnisse auf Angelegenheiten beziehen, die Gegenstand der betreffenden Änderung sind.
ii) Eine Vertragsregierung, die eine in Kraft getretene Änderung des Anhangs angenommen hat, muss die Vergünstigung dieses Übereinkommens für Zeugnisse gewähren, die einem Schiff ausgestellt worden sind, das die Flagge eines Staates zu führen berechtigt ist, dessen Regierung nach Buchstabe b Ziffer vii Nummer 2 dem Generalsekretär der Organisation notifiziert hat, dass sie die Änderung nicht anwenden wird.
e) Sofern nicht ausdrücklich etwas anderes vorgesehen ist, gilt jede Änderung dieses Übereinkommens, die aufgrund dieses Artikels vorgenommen worden ist und sich auf die Bauart eines Schiffes bezieht, nur für Schiffe, die an oder nach dem Tag des Inkrafttretens der Änderung auf Kiel gelegt werden oder die sich zu dieser Zeit in einem entsprechenden Bauzustand befinden.
f) Jede Annahmeerklärung, jeder Einspruch betreffend eine Änderung und jede Notifikation nach Buchstabe b Ziffer vii Nummer 2 muss dem Generalsekretär der Organisation schriftlich mitgeteilt werden; dieser unterrichtet alle Vertragsregierungen von dieser Mitteilung und vom Tag ihres Eingangs.
g) Der Generalsekretär der Organisation unterrichtet alle Vertragsregierungen von jeder aufgrund dieses Artikels in Kraft tretenden Änderung sowie vom Tag ihres Inkrafttretens.
Art. IX Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme, Genehmigung und Beitritt
a) Dieses Übereinkommen liegt vom 1. November 1974 bis zum 1. Juli 1975 am Sitz der Organisation zur Unterzeichnung und danach zum Beitritt auf. Staaten können Vertragsparteien dieses Übereinkommens werden,
i) indem sie es ohne Vorbehalt der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung unterzeichnen;
ii) indem sie es vorbehaltlich der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung unterzeichnen und später ratifizieren, annehmen oder genehmigen oder
iii) indem sie ihm beitreten.
b) Die Ratifikation, die Annahme, die Genehmigung oder der Beitritt erfolgt durch Hinterlegung einer entsprechenden Urkunde beim Generalsekretär der Organisation.
c) Der Generalsekretär der Organisation unterrichtet die Regierungen aller Staaten, die dieses Übereinkommen unterzeichnet haben oder ihm beigetreten sind, von jeder Unterzeichnung oder von jeder Hinterlegung einer Ratifikations-, Annahme‑, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde und vom Tag dieser Hinterlegung.
Art. X Inkrafttreten
a) Dieses Übereinkommen tritt zwölf Monate nach dem Tag in Kraft, an dem mindestens fünfundzwanzig Staaten, deren Handelsflotten insgesamt mindestens fünfzig Prozent der Bruttotonnage der Welthandelsflotte ausmachen, nach Artikel IX Vertragsparteien geworden sind.
b) Jede nach dem Inkrafttreten dieses Übereinkommens hinterlegte Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde wird drei Monate nach dem Tag ihrer Hinterlegung wirksam.
c) Jede Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde, die nach dem Tag hinterlegt wird, an dem eine Änderung dieses Übereinkommens nach Artikel VIII als angenommen gilt, findet auf das Übereinkommen in seiner geänderten Fassung Anwendung.
Art. XI Kündigung
a) Jede Vertragsregierung kann dieses Übereinkommen nach Ablauf von fünf Jahren, nachdem es für sie in Kraft getreten ist, jederzeit kündigen.
b) Die Kündigung erfolgt durch Hinterlegung einer Kündigungsurkunde beim Generalsekretär der Organisation; dieser notifiziert allen anderen Vertragsregierungen den Eingang jeder Kündigungsurkunde, den Tag ihres Eingangs und den Tag, an dem die Kündigung wirksam wird.
c) Die Kündigung wird ein Jahr nach dem Tag, an dem die Kündigungsurkunde dem Generalsekretär der Organisation zugegangen ist, oder nach Ablauf einer längeren in der Urkunde bezeichneten Frist wirksam.
Art. XII Hinterlegung und Registrierung
a) Dieses Übereinkommen wird beim Generalsekretär der Organisation hinterlegt; dieser übermittelt den Regierungen aller Staaten, die das Übereinkommen unterzeichnet haben oder ihm beigetreten sind, beglaubigte Abschriften.
b) Sobald dieses Übereinkommen in Kraft tritt, übermittelt der Generalsekretär der Organisation dem Generalsekretär der Vereinten Nationen den Wortlaut zur Registrierung und Veröffentlichung nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen⁴.
⁴ SR 0.120
Art. XIII Sprachen
Dieses Übereinkommen ist in einer Urschrift in chinesischer, englischer, französischer, russischer und spanischer Sprache abgefasst, wobei jeder Wortlaut gleichermassen verbindlich ist. Amtliche Übersetzungen in arabischer, deutscher und italienischer Sprache werden angefertigt und mit der unterzeichneten Urschrift hinterlegt.
Unterschriften
Zu Urkund dessen haben die von ihren Regierungen hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Übereinkommen unterschrieben.
Geschehen zu London am 1. November 1974
(Es folgen die Unterschriften)
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