Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung
Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung
vom 31. Mai 2024
1 Einleitung
Terrorismus ist eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit und somit auch für die Freiheit und Sicherheit der Schweiz und für ihre Interessen im In- und Ausland. Er bedroht die Schweizer Wohnbevölkerung, Schweizer Staatsangehörige im Ausland, die Grundrechte, den Rechtsstaat und die demokratische Staatsordnung.
Terroristen und Terroristinnen ¹ streben nach illegaler Beeinflussung oder Veränderung von Staat und Gesellschaft. Diese wollen sie mit Begehung oder Androhung von schweren Straftaten sowie mit der Verbreitung von Furcht und Schrecken verwirklichen oder begünstigen.
Die Schweiz will sich und ihre Interessen gegen den Terrorismus schützen. Sie bekämpft ihn deshalb mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln und Möglichkeiten des Rechtsstaates. Dabei achtet sie darauf, dass die Menschenrechte und die Grundfreiheiten gewahrt werden.
Sie setzt sich ausserdem gegen die Straflosigkeit von Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Genozid ein. Gleichzeitig bemüht sie sich mittels guter Dienste, Mediation und humanitärer Hilfe um die Lösung von Konflikten und die Unterstützung der Zivilbevölkerung.
Die Schweiz bekämpft den Terrorismus seit Jahren koordiniert mit in- und ausländischen Sicherheitspartnern und über alle Stufen. Im Inland bekämpfen der Bund, die Kantone, die Städte und die Gemeinden den Terrorismus gemeinsam und koordinieren ihre Anstrengungen für die Sicherheit des Landes und den Schutz der Bevölkerung. Das vorliegende Dokument hält die etablierten Aktivitäten und Prozesse fest und soll zudem den Weg in die Zukunft weisen.
¹ Die Bekämpfung des Terrorismus ist im schweizerischen Recht in verschiedenen Erlassen geregelt, namentlich im Bundesgesetz vom 21. März 1997 zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS, SR 120 ), im Nachrichtendienstgesetz vom 25. September 2015 (NDG, SR 121 ) und im Schweizerischen Strafgesetzbuch (StGB, SR 311.0 ). Die verwendete Terminologie unterscheidet sich dabei je nach Regelungsgegenstand und -zweck. In dieser Strategie werden die Begriffe (mutmassliche) Terroristen und Terroristinnen oder Terrorverdächtige verwendet.
2 Vision
In der Schweiz werden keine terroristischen Anschläge verübt; ihr Staatsgebiet wird weder für die Finanzierung noch für die logistische Unterstützung noch für die Planung von terroristischen Aktivitäten im In- oder Ausland missbraucht. Die Bekämpfung des Terrorismus erfolgt im Rahmen der Verfassung und des Völkerrechts unter Einhaltung der Grund- und Menschenrechte. Die Schweiz wahrt dabei die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit und gewichtet im Zweifelsfall die Freiheit höher. International gilt die Schweiz als verlässliche, dem Völkerrecht verpflichtete und umsichtige Akteurin.
3 Grundlagen
Terrorismus wird mit den Mitteln des Rechtsstaates bekämpft. Die Verfolgung von Straftatbeständen im Zusammenhang mit Terrorismus untersteht grundsätzlich der Bundesgerichtsbarkeit. ² Die polizeiliche Gefahrenabwehr ist grundsätzlich Sache der Kantone.
Der Bund verfügt über Zuständigkeiten zur Wahrung der inneren und der äusseren Sicherheit. Er ist zuständig für kriminalpolizeiliche Ermittlungen und Strafuntersuchungen bei Delikten, welche der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen, und weitgehend für die Grenzkontrolle. Der Bund ist ausserdem zuständig für die Aussenpolitik wie auch für die internationale Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz, Polizei und Nachrichtendienst.
Die Schweiz beachtet das anwendbare internationale Recht, namentlich die Übereinkommen und Protokolle der Organisation der Vereinten Nationen (UNO) und ihrer Sonderorganisationen sowie des Europarates. Sie ist ebenfalls zur Umsetzung der entsprechenden Resolutionen des UNO-Sicherheitsrates verpflichtet. Als Mitglied der UNO unterstützt sie deren globale Strategie gegen den Terrorismus, welche 2006 von der Generalversammlung der UNO verabschiedet wurde und seither regelmässig aktualisiert worden ist.
Die globale UNO-Strategie gegen den Terrorismus beruht auf vier Säulen: 1. Massnahmen zur Beseitigung der die Ausbreitung des Terrorismus begünstigenden Bedingungen; 2. Massnahmen zur Verhütung und Bekämpfung des Terrorismus; 3. Massnahmen zum Aufbau der Kapazitäten der Staaten für die Terrorismusverhütung und -bekämpfung sowie zur Stärkung der diesbezüglichen Rolle des Systems der Vereinten Nationen; und 4. Massnahmen zur Gewährleistung der Achtung der Menschenrechte für alle und der Rechtsstaatlichkeit als wesentliche Grundlage des Kampfes gegen den Terrorismus.
² Es besteht grundsätzliche Bundeszuständigkeit für die strafrechtliche Verfolgung von Terrorismus (Art. 74 Abs. 6 NDG i. V. m. der Allgemeinverfügung betreffend das Verbot der Gruppierungen «Al-Qaïda» und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisationen vom 19. Oktober 2022 [ BBl 2022 2548 ]). Die strafrechtliche Verfolgung terroristischer Phänomene anderer ideologischer Prägung ist nur unter gewissen Bedingungen der Bundeszuständigkeit unterstellt, s. Art. 24 Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO, SR 312.0 ).
4 Handlungsfelder und Ziele
Die Schweiz setzt sich sowohl innen- als auch aussenpolitisch für die Bekämpfung des Terrorismus und dessen Ursachen ein. Sie sorgt für die nationale Koordination unter allen Akteuren, die in die Terrorismusbekämpfung involviert sind, und betreibt einen aktiven, umfassenden Informationsaustausch mit den Partnern im In- und Ausland. Im Kampf gegen den Terrorismus ist die Schweiz in den folgenden vier Handlungsfeldern aktiv:
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Prävention;
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Repression;
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Schutz;
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Krisenvorsorge.
Die Schweiz verfolgt im Kampf gegen den Terrorismus die folgenden sechs strategischen Ziele:
Ziel 1: Die Schweiz verhindert Terrorismus auf ihrem Territorium
Die Schweiz verhindert, dass Terroristen und Terroristinnen auf Schweizer Territorium aktiv sind. Das betrifft auch die Schweizer Vertretungen im Ausland sowie die in der Schweiz immatrikulierten Luftfahrzeuge im internationalen gewerbsmässigen Luftverkehr und die Schiffe unter Schweizer Flagge.
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Die Schweiz verhindert terroristische Anschläge auf ihrem Territorium.
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Die Schweiz schützt ihre Bevölkerung, namentlich die Minderheiten mit besonderen Schutzbedürfnissen, ihre Institutionen und ihre Infrastruktur vor terroristischen Anschlägen.
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Die Schweiz verhindert die Finanzierung von Terrorismus, den Missbrauch des Schweizer Finanzplatzes für entsprechende Transaktionen oder Anlagen sowie das Sammeln und Verwalten von Geldern für terroristische Zwecke.
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Die Schweiz verhindert, dass mutmassliche Terroristen und Terroristinnen ihr Territorium als Rückzugsort missbrauchen.
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Die Schweiz verhindert, dass mutmassliche Terroristen und Terroristinnen im Rahmen von Migration und Reisebewegungen in ihr Territorium eindringen.
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Die Schweiz verhindert den Missbrauch ihres Territoriums für Propaganda, Rekrutierung und Ausbildung für terroristische Zwecke oder für jegliche anderen Aktivitäten zu terroristischen Zwecken.
Ziel 2: Die Schweiz verhindert den Export und die Unterstützung von Terrorismus von ihrem Territorium aus
Die Schweiz verhindert, dass ihr Territorium und ihre Infrastruktur zur Vorbereitung oder Unterstützung von Terrorakten im Ausland missbraucht werden.
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Die Schweiz verhindert, dass ihre Staatsangehörigen und sich hierzulande aufhaltende ausländische Personen die Schweiz verlassen, um sich im Ausland terroristisch zu betätigen.
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Die Schweiz verhindert den Missbrauch national basierter Fernmeldedienste für die Planung und Durchführung von Terroranschlägen.
Ziel 3: Die Schweiz unterstützt das Ausland bei der Verhinderung und Bekämpfung von Terrorismus
Terrorismusbekämpfung kann nicht isoliert betrieben werden, sondern muss im internationalen Verbund erfolgen. Die internationale Gemeinschaft kann Terrorismus nur gemeinsam wirksam und nachhaltig bekämpfen. Dementsprechend ist die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von grösster Wichtigkeit.
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Die Schweiz beteiligt sich aktiv am Schutz des Schengenraums.
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Die Schweiz beteiligt sich aktiv an internationalen Gremien zur Verhinderung von terroristischer Radikalisierung sowie zur Bekämpfung des Terrorismus und der Terrorismusfinanzierung.
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Die Schweiz unterstützt internationale Organisationen sowie andere Staaten, welche die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht einhalten und schützen, beim Kapazitätsaufbau für eine wirkungsvolle und rechtsstaatliche Terrorismusbekämpfung.
Ziel 4: Die Schweiz lässt sich von Terroristen und Terroristinnen nicht erpressen
Terroristen und Terroristinnen setzen zur Erreichung ihrer Ziele sowohl auf Aktionen oder Anschläge als auch auf deren blosse Androhung. Diese Drohungen haben oft dieselbe Wirkung, erfordern aber einen geringeren Mitteleinsatz. Den Androhungen (z. B. von Anschlägen, Geiselnahmen und Entführungen oder Hackerangriffen auf kritische Infrastruktur) folgen oft Forderungen. Mehrere Terrororganisationen finanzieren ihre Aktivitäten mit Lösegeldzahlungen. Staaten riskieren den Verlust ihrer Handlungsfreiheit gegenüber Terroristen und Terroristinnen, sobald sie sich einmal haben erpressen lassen. Die Zahlung von Lösegeld an vom UNO-Sicherheitsrat sanktionierte Organisationen verletzt ausserdem internationales und nationales Recht.
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Die Schweiz bezahlt kein Lösegeld bei Freiheitsberaubungen, Entführungen und Geiselnahmen mit terroristischem Hintergrund. Sie widersetzt sich auch anderen erpresserischen Forderungen (z. B. Freilassung von inhaftierten Terroristen).
Ziel 5: Die Schweiz ist darauf vorbereitet, Terroranschläge bewältigen zu können
Terroranschläge können auch in der Schweiz nicht ausgeschlossen werden. Es geht darum, sicherzustellen, dass die Schweiz diese bewältigen kann, indem die Widerstandsfähigkeit der Akteure aller Staatsebenen in der Schweiz gestärkt wird.
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Die Schweizer Behörden beurteilen laufend und umfassend die Sicherheitsrisiken und Verletzlichkeiten; sie gehen erkannte Risiken und Verletzlichkeiten aktiv an (eliminieren, reduzieren oder tragen), z. B. beim Schutz kritischer Infrastruktur. Dabei gilt das Prinzip der Verhältnismässigkeit.
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Die Schweiz verfügt über einen Krisenmechanismus auf Stufe Bund, Kantone und Gemeinden, mit dem terroristische Anschläge und deren Auswirkungen bewältigt werden können.
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Die Schweizer Behörden sind durch Ausbildung und wiederkehrende Übungen auf ihre Aufgaben im Verbund vorbereitet.
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Die Gesellschaft ist durch adäquate und zielgerichtete Information für den Ereignisfall sensibilisiert und im Ereignisfall informiert.
Ziel 6: Die Schweiz ist eine verlässliche, dem Völkerrecht verpflichtete und umsichtige Akteurin auf internationaler Ebene
Die Schweiz wahrt ihre Interessen auf internationaler Ebene. Sie wird von den internationalen Akteuren bei der Bekämpfung des Terrorismus als aktive und kompetente Partnerin wahrgenommen, auf die im europäischen und internationalen Sicherheitsdispositiv Verlass ist.
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Die Schweiz setzt sich für die Wahrung des Völkerrechts, namentlich der Menschenrechte, des humanitären Völkerrechts und des Flüchtlingsrechts, ein. Das Schweizer Engagement orientiert sich an der globalen UNO-Strategie gegen den Terrorismus.
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Die Schweiz wirkt insbesondere darauf hin, dass in bewaffneten Konflikten und bei der Terrorismusbekämpfung das humanitäre Völkerrecht eingehalten wird. Sie setzt sich dafür ein, dass humanitäre Dienste, die von einer unparteiischen humanitären Organisation wie dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz in Übereinstimmung mit dem gemeinsamen Artikel 3 der Genfer Abkommen vom 12. August 1949 erbracht werden, nicht kriminalisiert werden.
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Die Schweiz trägt aktiv zur Stärkung des normativen Rahmens der internationalen Terrorismusbekämpfung auf der Basis rechtsstaatlicher und demokratischer Prinzipien bei.
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Die Schweiz bekämpft die Ursachen von Terrorismus und unterstützt betroffene Staaten im Aufbau von rechtsstaatlichen Institutionen zur wirksamen Terrorismusbekämpfung.
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Die Schweiz trägt durch eine aktive Friedenspolitik, einschliesslich des Engagements in der Mediation, und durch die Entwicklungszusammenarbeit zur Bekämpfung der Ursachen von terroristischer Radikalisierung bei. Entsprechende Kontakte sollen möglich bleiben.
5 Massnahmen
Die Bekämpfung des Terrorismus ist gemeinsame Aufgabe von Bund, Kantonen und Gemeinden. Die nationale und internationale Koordination ist unerlässlich für eine wirksame Terrorismusbekämpfung und hat einen Bezug zu allen strategischen Handlungsfeldern. Prävention, Repression, Schutz und Krisenvorsorge greifen permanent und nahtlos ineinander. Die Aussenpolitik hat einen Bezug zu allen strategischen Handlungsfeldern und umgekehrt.
Die für die Terrorismusbekämpfung zuständigen Behörden von Bund, Kantonen und Gemeinden erhalten die nötigen Ressourcen, um die ihnen übertragenen Aufgaben wahrzunehmen. Sie sind durch Ausbildung und wiederkehrende Übungen auf ihre Aufgaben im Verbund vorbereitet. Die für die Verhinderung und Bewältigung terroristischer Anschläge erforderlichen Konzepte, Massnahmen, Ressourcen und Instrumente stehen bereit.
5.1 Massnahmen in den vier Handlungsfeldern
Die strategischen Ziele sollen insbesondere mit den folgenden Massnahmen in den vier Handlungsfeldern erreicht werden:
5.1.1 Prävention
Permanente Lagebeurteilung:
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Verfolgung und Beurteilung der Bedrohungslage im In- und Ausland;
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Erarbeitung von Lageentwicklungsmöglichkeiten und Ermittlung von deren Eintrittswahrscheinlichkeiten;
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Antizipation und Früherkennung von neuen terroristischen Bedrohungen;
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Formulierung von möglichen Empfehlungen.
Sicherheit der Schweizer Staatsangehörigen im Ausland:
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Unterhalt eines Frühwarnsystems zur Überwachung der internationalen Lage in Bezug auf die Sicherheit der Schweizer Staatsangehörigen, Vertretungen und Interessen im Ausland;
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Publikation von Reisehinweisen, die sicherheitsrelevante Informationen und eine Einschätzung potenzieller Risiken enthalten sowie Vorsichtsmassnahmen empfehlen.
Verhinderung der Radikalisierung:
³
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Massnahmen in der Bildung und zur Bekämpfung der (Jugend-)Arbeitslosigkeit durch Schaffung von Perspektiven über die schulische und berufliche Ausbildung und den Zugang zum Arbeitsmarkt;
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Massnahmen in der Integration, im Religionsbereich, in Kulturräumen, in der Sozialhilfe sowie im Kinder- und Erwachsenenschutz;
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Massnahmen in Gefängnissen, Jugendzentren usw., z. B. durch Sensibilisierungs-, Gewaltpräventions- und Deradikalisierungsprogramme;
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Massnahmen zur sozialen und medizinischen Erkennung und Einschätzung von radikalisierten Personen, z. B. Stärkung der Verbindung zwischen Deradikalisierung und Medizin, Anstoss von wissenschaftlicher Forschung und Tätigkeiten, Schaffung bzw. Anstoss von forensischen Angeboten.
Beziehungen zu besonders verwundbaren Gemeinschaften und Minderheiten:
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Pflege der Beziehung mit und Sensibilisierung von Vertreterinnen und Vertretern der besonders verwundbaren Gemeinschaften zur Erkennung der Radikalisierung einzelner Mitglieder;
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Verhinderung der Diskriminierung und Stigmatisierung von Minderheiten bzw. Förderung von deren Anliegen;
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Schaffung von Standards für die Ausbildung von Betreuungspersonen.
Massnahmen bei grenzüberschreitenden Bewegungen (Ein-, Aus- und Durchreise):
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Verfügen von Einreiseverboten und Ausweisungen gegenüber mutmasslichen Terroristen und Terroristinnen und Personen, die wegen terroristischer Straftaten verurteilt wurden;
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Verfügen von Massnahmen zur Verhinderung der Ausreise von Schweizer Terrorverdächtigen und mutmasslichen Terroristen und Terroristinnen;
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Verhinderung von unerwünschten Ein-, Aus- und Durchreisen von Terrorverdächtigen und mutmasslichen Terroristen und Terroristinnen durch aktive Nutzung nationaler und internationaler Informationssysteme, durch Befragungen, Observationen usw.;
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Ausschreibung von Terrorverdächtigen sowie mutmasslichen Terroristen und Terroristinnen in internationalen Informationssystemen (z. B. Schengener Informationssystem [SIS], Interpol, Europol);
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Prüfung von ausländerrechtlichen Bewilligungen und Asylverfahren unter besonderer Berücksichtigung der Sicherheit.
Massnahmen mit rechtlichem oder partnerschaftlichem Hintergrund:
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Konsequente Nutzung des präventiv-polizeilichen Instrumentariums zur Bekämpfung von Terrorismus, ⁴ d. h. Melde- und Gesprächsteilnahmepflicht, Kontaktverbot, Ein- und Ausgrenzung, Ausreiseverbot, Eingrenzung auf eine Liegenschaft, elektronische Überwachung und Mobilfunklokalisierung;
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Prüfung von zusätzlichen Massnahmen gegen die Verfügbarkeit und Proliferation von Feuerwaffen, Vorläuferstoffen zu Explosivstoffen ⁵ und anderen Tatmitteln;
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Prüfung und Vollzug von Bürgerrechtsentzügen bei schweizerischen Doppelbürgerinnen und -bürgern, welche ein schweres Verbrechen im Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten begangen haben und dafür rechtskräftig verurteilt wurden, sowie Verweigerung der Einbürgerung bei Terrorverdächtigen sowie Terroristen und Terroristinnen;
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aktiver gegenseitiger Informationsaustausch und Zusammenarbeit mit in- und ausländischen Partnern in der Amtshilfe;
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Unterstützung von anderen Staaten in der internationalen Zusammenarbeit bei der Durchsetzung und Einhaltung von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit sowie beim Aufbau wirkungsvoller, rechtsstaatlich legitimierter Institutionen zur Prävention und Bekämpfung von Terrorismus;
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Umsetzung von internationalen Sanktionen im Zusammenhang mit Terrorismus;
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laufende Prüfung und allfällige Anpassung der Rechtsgrundlagen zur Prävention und Bekämpfung von Terrorismus und Terrorismusfinanzierung;
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Zusammenarbeit mit Betreibern von Servern, Messengerdiensten, Websites und sozialen Netzwerken und gleichzeitige Verbesserung der rechtlichen Grundlagen und stärkere Regulierung, um die Verbreitung von strafbaren Inhalten einzudämmen, welche den Boden für terroristische Radikalisierung und Gewalt ebnen können.
Sensibilisierung:
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Allgemeine sowie zielgerichtete und adäquate Information über präventive Massnahmen an Behörden, Medien und Bevölkerung;
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Monitoring von neuen Technologien und von deren Nutzungsmöglichkeiten durch Terroristen und Terroristinnen (z. B. Kryptowährungen, Drohnen, 3D-Drucker).
³ Siehe dazu auch den Nationalen Aktionsplan zur Verhinderung und Bekämpfung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus 2023-2027.
⁴ Polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT), s. www.fedpol.admin.ch > Terrorismus
⁵ Bundesgesetz vom 25. September 2020 über Vorläuferstoffe für explosionsfähige Stoffe ( SR 941.42 )
5.1.2 Repression
Strafverfolgung:
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Konsequente und rechtzeitige Aufnahme der Strafverfolgung, insbesondere bei der Unterstützung von und Beteiligung an terroristischen Organisationen.
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Stärkung der Rechtssicherheit durch aktive Fortentwicklung der Rechtsprechung;
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operative Fallkoordination zwischen Bund und Kantonen mittels Single Points of Contact (SPOC) bei den Staatsanwaltschaften und Polizeikorps;
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Ausschreibung von Terrorverdächtigen in nationalen und internationalen, polizeilichen und nachrichtendienstlichen Informationssystemen;
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Koordination zwischen Erwachsenen- und Jugendstrafverfolgungsbehörden, Einbezug von Fachleuten für die Terrorismusbekämpfung in Jugendstrafverfahren.
Massnahmen mit rechtlichem oder partnerschaftlichem Hintergrund:
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Aktiver gegenseitiger Informationsaustausch und Zusammenarbeit in der nationalen und internationalen Amts- und Rechtshilfe;
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Überprüfung der strafprozessualen Zuständigkeitsregelung zwischen Bund und Kantonen;
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Zusammenarbeit mit den Finanzintermediären und mit Non-Profit-Organisationen zwecks Verfolgung von Terrorismusfinanzierung.
Sensibilisierung:
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Allgemeine sowie zielgerichtete Information über repressive Massnahmen an Behörden, Medien und Bevölkerung;
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Ausbildung und Sensibilisierung von Angehörigen der Strafverfolgungsbehörden im Bereich Gewaltextremismus und Terrorismus.
5.1.3 Schutz
Massnahmen zugunsten gefährdeter Personen:
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Schutz der Gesellschaft als Ganzes, aber auch von Einzelpersonen oder Personengruppen (z. B. Magistratspersonen, Mitglieder der eidgenössischen Räte, besonders exponierte Angestellte öffentlicher Verwaltungen, Vertreterinnen und Vertreter der Sicherheitskräfte);
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Massnahmen zur Förderung der Sicherheit von Minderheiten mit besonderen Schutzbedürfnissen;
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Schutz von völkerrechtlich geschützten Personen.
Massnahmen zugunsten gefährdeter Einrichtungen und Objekte (Schutz kritischer Infrastruktur):
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Schutz von öffentlichen Gebäuden und Einrichtungen im Inland und im Ausland;
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Schutz von nicht öffentlichen Gebäuden und Einrichtungen im Inland, die für das Funktionieren und das öffentliche Leben der Schweiz von zentraler Bedeutung sind (Verkehrsinfrastruktur, Lokalitäten für Veranstaltungen, historische und symbolträchtige Orte, religiöse Einrichtungen usw.);
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Schutz von ausländischen Einrichtungen in der Schweiz, für welche völkerrechtliche Schutzpflichten bestehen (z. B. ausländische Vertretungen).
Massnahmen zur Abwehr von widerrechtlichen Handlungen, welche die Sicherheit an Bord schweizerischer Luftfahrzeuge im internationalen gewerbsmässigen Luftverkehr gefährden können:
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Zielgerichteter und risikobasierter Einsatz der Sicherheitsbeauftragten im Luftverkehr in Absprache mit dem Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) und den involvierten schweizerischen Fluggesellschaften im In- und Ausland.
Sensibilisierung:
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Allgemeine sowie zielgerichtete und adäquate Information über Schutzmassnahmen an Behörden, Medien und Bevölkerung.
5.1.4 Krisenvorsorge
Vorbereitung der Behörden auf Krisen und Notlagen im Inland:
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Weiterentwicklung, Konsolidierung und Harmonisierung der bestehenden Krisenmechanismen zur Bewältigung von terroristischen Anschlägen und von deren Auswirkungen (Polizei, Armee, Bevölkerungsschutz);
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Erarbeitung und regelmässige Aktualisierung von Eventualplanungen für die Bewältigung von terroristischen Anschlägen in der Schweiz;
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Erarbeitung und Umsetzung von Ausbildungsmodulen zur Ereignisbewältigung im Verbund;
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laufendes Training der Ereignisbewältigung auf allen Stufen, auch mit komplexen Anschlagsszenarien und Massenanfall von Verletzten; Analyse der heutigen Möglichkeiten und Aufzeigen von Lücken bei der Versorgung zahlreicher (schwer-)verletzter Personen bei einem Anschlag.
Vorbereitung der Behörden auf Krisen und Notlagen im Ausland:
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Prävention und Vorsorge betreffend durch Terrorismus verursachte Krisen und Notlagen, die Schweizer Staatsangehörige und Interessen im Ausland betreffen;
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Hilfeleistungen für Schweizer Staatsangehörige im Ausland (konsularischer Schutz);
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Beteiligung an Such- und Rettungsmassnahmen zugunsten von Schweizer Staatsangehörigen bei durch Terrorismus verursachten Krisen und Notlagen.
Sensibilisierung:
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Allgemeine sowie zielgerichtete und adäquate Information über Krisenvorsorgemassnahmen an Behörden, Medien und Bevölkerung.
5.2 Nationale und internationale Koordination
Die nationale und internationale Koordination sowie die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen Behörden und Institutionen sind unerlässlich für eine wirksame Terrorismusbekämpfung. Dies gilt für alle strategischen Handlungsfelder und Ziele.
Die Schweizer Behörden pflegen im Rahmen der rechtlichen Vorgaben einen aktiven Informationsaustausch und eine enge Zusammenarbeit mit in- und ausländischen Partnern.
Die Schweiz verfügt über das erforderliche gesetzliche Instrumentarium, um bei der Prävention und Strafverfolgung des Terrorismus und den Terrorismus unterstützenden Handlungen mit dem Ausland zusammenzuarbeiten.
Die internationale Kooperation der Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden auf bi- und multilateraler Ebene erfolgt in Anwendung der geltenden Staatsverträge und der von der Schweiz ratifizierten internationalen Übereinkommen. Bund und Kantone koordinieren ihre Massnahmen mit denen der ausländischen Partnerbehörden, kennen die jeweiligen Ansprechpartner und bilden bei Bedarf gemischte Ermittlungsteams.
Für die Kooperation und Koordination im Inland wird beim Bund unter Einbezug der Kantone das operative Koordinationsgremium TETRA betrieben. Mit dem Nationalen Terrorausschuss (NATA) verfügt der Bundesrat über ein politisches Koordinationsgremium. Aufgabe des NATA ist die Koordination der politischen Führung und Kommunikation zwischen Bund und Kantonen in Terrorlagen. Im Ereignisfall sorgt der nationale Führungsstab Polizei für die nationale Koordination der polizeilichen Mittel und Massnahmen.
5.3 Bezug der Aussenpolitik zu den Handlungsfeldern
Die Aussenpolitik bezieht sich auf alle strategischen Handlungsfelder und steht zu diesen in einer Wechselwirkung. Die nachfolgenden Massnahmen haben einen besonderen Bezug zur Aussenpolitik.
Beteiligung an internationalen Plattformen:
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Kohärentes Auftreten in den verschiedenen aussenpolitischen Bereichen in Übereinstimmung mit den Partnern und Bedürfnissen der inneren Sicherheit (wie z. B. Sicherheits-, Strafverfolgungs- und Grenzkontrollbehörden), des internationalen Strafrechts, des humanitären Völkerrechts, der Friedens- und Menschenrechtspolitik, der Finanzplatzpolitik, der Sicherheitspolitik, der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe;
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aktive Mitwirkung der Schweiz in internationalen Organisationen zu den Themen Prävention von terroristischer Radikalisierung und Terrorismus (UNO, Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa [OSZE], Europarat, Groupe d’action financière [GAFI], Global Counterterrorism Forum [GCTF] usw.);
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Förderung der internationalen Bestrebungen und des internationalen Genf als Drehscheibe zur Verhinderung von terroristischer Radikalisierung und zur Bekämpfung der Ursachen von Terrorismus (Gobal Community Engagement and Resilience Fund [GCERF] usw.).
Massnahmen mit rechtlichem oder partnerschaftlichem Hintergrund:
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Umsetzung der internationalen Verpflichtungen zur Bekämpfung des Terrorismus und der Terrorismusfinanzierung;
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Einsatz für rechtsstaatliche Verfahren im Bereich der UNO-Sanktionen (Listing/Delisting);
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Einsatz für die Wahrung der Menschenrechte, des humanitären Völkerrechts und des Flüchtlingsrechts bei der Terrorismusbekämpfung;
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Einsatz für die uneingeschränkte Wirksamkeit humanitärer Aktionen, die den Grundsätzen von Neutralität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit verpflichtet sind.
Sensibilisierung:
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Allgemeine sowie zielgerichtete und adäquate Information über aussenpolitische Massnahmen an Behörden, Medien und Bevölkerung.
6 Überprüfung der Strategie
Die Strategie wird nach 4 Jahren evaluiert und bei Bedarf angepasst.
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