BBl 2024 2178
CH - Bundesblatt

Parlamentarische Initiative Für eine unabhängige Presse sind die Beträge zur indirekten Förderung anzupassen Bericht der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates vom 2. Juli 2024 Stellungnahme des Bundesrates

Parlamentarische Initiative Für eine unabhängige Presse sind die Beträge zur indirekten Förderung anzupassen Bericht der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates vom 2. Juli 2024 Stellungnahme des Bundesrates
vom 4. September 2024
Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren
Zum Bericht der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates vom 2. Juli 2024 ¹ betreffend die parlamentarische Initiative 22.423 «Für eine unabhängige Presse sind die Beträge zur indirekten Förderung anzupassen» nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.
Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.
4. September 2024 Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Viola Amherd Der Bundeskanzler: Viktor Rossi
Stellungnahme
¹ BBl 2024 1837

1 Ausgangslage

Am 18. März 2022 hat Nationalrätin Christine Bulliard-Marbach die parlamentarische Initiative 22.423 «Für eine unabhängige Presse sind die Beträge zur indirekten Förderung anzupassen» eingereicht.
Die von der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates (KVF-N) erarbeitete Vorlage enthält die folgenden Punkte:
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Der Beitrag für die Zustellung abonnierter Tages- und Wochenzeitungen der Regional- und Lokalpresse soll um 15 Millionen Franken von 30 Millionen Franken auf 45 Millionen Franken pro Jahr erhöht werden. Damit sollen die Verlage, die förderberechtigte Zeitungen und Zeitschriften herausgeben, finanziell entlastet werden und mehr Mittel in die digitale Transformation investieren können.
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Neu soll auch die Frühzustellung abonnierter Tages- und Wochenzeitungen der Regional- und Lokalpresse unter der Woche durch spezialisierte Organisationen mit 30 Millionen Franken pro Jahr gefördert werden. Heute unterstützt der Bund lediglich die Tageszustellung durch die Schweizerische Post im Rahmen der postalischen Grundversorgung mit 50 Millionen Franken pro Jahr. Davon entfallen 30 Millionen Franken auf die Regional- und Lokalpresse sowie 20 Millionen Franken auf die Mitgliedschafts- und Stiftungspresse.
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Eine Minderheit der Kommission will auch den jährlichen Beitrag für die Mitgliedschafts- und Stiftungspresse um 10 Millionen Franken auf 30 Millionen Franken erhöhen.
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Die Förderbeiträge sollen also von 50 Millionen Franken um insgesamt 45 Millionen Franken (Minderheit: +55 Mio. Fr.) auf 95 Millionen Franken (Minderheit: 105 Mio. Fr.) pro Jahr erhöht werden. Nach Ablauf einer siebenjährigen Frist soll die indirekte Presseförderung insgesamt eingestellt werden. Eine Minderheit verlangt, dass die Förderung nach Ablauf der sieben Jahre im heutigen Umfang weitergeführt wird.
Die Vorlage wurde von der KVF-N am 14. November 2023 beraten und in die Vernehmlassung geschickt. Diese dauerte vom 20. November 2023 bis zum 1. März 2024. Die KVF-N hat an ihrer Sitzung vom 29. April 2024 vom Ergebnisbericht zur Vernehmlassung Kenntnis genommen und sowie am 2. Juli 2024 den Entwurf zuhanden des Nationalrates verabschiedet und den Bundesrat zur Stellungnahme aufgefordert.

2 Stellungnahme des Bundesrates

2.1 Grundsätzliche Überlegungen

Unabhängige und vielfältige Medien erfüllen in der Schweiz eine wichtige demokratiepolitische Funktion. Infolge der Digitalisierung sinken die Werbe- und Abonnementseinnahmen der Medienunternehmen kontinuierlich. Die Presse ist von dieser Entwicklung besonders stark betroffen und befindet sich in einer wirtschaftlich schwierigen Situation. Um der staatspolitischen Bedeutung der Printmedien Rechnung zu tragen, wird die Zustellung von abonnierten Zeitungen und Zeitschriften seit Jahren subventioniert. Daran will der Bundesrat weiterhin festhalten. Einen Ausbau der indirekten Presseförderung lehnt er hingegen aus verschiedenen Gründen ab.
Gegen einen Ausbau sprechen in erster Linie medienpolitische Überlegungen zur indirekten Presseförderung. In seinem Bericht vom 21. Februar 2024 in Erfüllung des Postulats Christ 21.3781 vom 17. Juni 2021 ² stellt der Bundesrat verschiedene Optionen der Medienförderung zur Debatte. Dabei stehen Massnahmen im Zentrum, die speziell lokal-regionale Medienangebote unabhängig vom Verbreitungskanal und vom Geschäftsmodell unterstützen. Hierfür sollen die Beiträge, die heute für die indirekte Presseförderung eingesetzt werden, mittelfristig umgewidmet werden.
Die Tageszustellung abonnierter Zeitungen und Zeitschriften ist Bestandteil des Grundversorgungsauftrags der Post. In den vergangenen zehn Jahren wies die Post in diesem Bereich ausnahmslos hohe Fehlbeträge aus. Die Kostenunterdeckung belief sich in den vergangenen zehn Jahren im Mittel auf rund 80 Millionen Franken pro Jahr.
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Die Zustellpreise der Post sind nicht kostendeckend. Im Ergebnis wird die Zustellung der Printmedien durch die Post faktisch zusätzlich subventioniert. Dies wirkt sich negativ auf das Betriebsergebnis der Post aus und verschlechtert damit deren Dividendenfähigkeit. Indirekt trägt der Bund als Eigner der Post diese Kosten.
Schliesslich sprechen finanzpolitische Gründe gegen einen Ausbau der indirekten Presseförderung. Die angespannte finanzielle Situation des Bundes steht zusätzlichen Ausgaben für die indirekte Presseförderung entgegen. Der Bundesrat beantragt, auf den Entwurf der Kommission nicht einzutreten. Für den Fall, dass auf den Entwurf eingetreten wird, beantragt er die Mittel für die Regional- und Lokalpresse statt um 15 Millionen Franken, wie von der Mehrheit der KVF-N beantragt, lediglich um 7,5 Millionen Franken pro Jahr zu erhöhen.
² Strategie für eine zukunftsgerichtete Medienförderung jetzt aufgleisen, Bericht des Bundesrats in Erfüllung des Postulats Christ 21.3781 vom 17. Juni 2021.

2.2 Förderung der Frühzustellung

Der Bundesrat anerkennt, dass die Beschränkung der Zustellermässigung auf die Tageszustellung durch die Post unbefriedigend ist. Das heutige System entspricht nicht dem Ideal einer kanal- und anbieterneutralen Presseförderung. Eine Öffnung für weitere Zustellorganisationen wäre grundsätzlich in der Tages- und Frühzustellung realisierbar. Dies hätte jedoch regulatorische und finanzielle Konsequenzen für die Zustellorganisationen (inkl. Post) und die Verlage zur Folge, die sorgfältig abgewogen werden müssten. Der Vorteil der Verknüpfung von Grundversorgung und Presseförderung ist, dass die Zustellermässigung vollumfänglich den Verlagen zukommt. Die in der Kommissionsvorlage vorgesehenen Vorgaben (Registrierungs- und Auskunftspflicht, Vorgaben an die Rechnungslegung, Quersubventionierungsverbot) reichen nicht aus, um sicherzustellen, dass die Gelder effektiv den Verlagen zugutekommen. Nur mit einer Preisregulierung könnte garantiert werden, dass die Förderung tatsächlich den Verlagen zugutekommt und nicht die Zustellorganisationen subventioniert werden. Unter diesen Voraussetzungen wäre die Auszahlung von Förderbeiträgen für private Zustellorganisationen allerdings wirtschaftlich kaum attraktiv.
Die Ausweitung der Förderung auf die Frühzustellung erhöht den administrativen Aufwand erheblich. Heute beurteilt das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) die Förderberechtigung und berechnet die Höhe der Zustellermässigungen. Die Auszahlung der Subventionen wickelt hingegen die Post ab. Es wäre vertieft zu prüfen, ob an dieser Arbeitsteilung ohne Verletzung des Datenschutzes festgehalten werden kann. Die Post würde Einblick in relevante Geschäftszahlen der Konkurrenz erhalten. Zudem geht die Post davon aus, dass sie für ihre administrative Hilfstätigkeit durch den Bund entschädigt würde. Alternativ könnte das BAKOM die Aufgaben übernehmen. Dies würde den Aufbau der erforderlichen Ressourcen mit entsprechender Kostenfolge erfordern. Vor allem der Initialaufwand für den Aufbau des IT-Systems sowie die erstmalige Registrierung und Überprüfung der Preise der berechtigten Zustellorganisationen wären hoch. Insgesamt entsteht bei allen Beteiligten (Verlage, BAKOM, Post) ein erheblicher zusätzlicher Aufwand für die Abwicklung der Subventionszahlung.

2.3 Finanzielle Erwägungen

Die Kommissionsvorlage führt zu einer zusätzlichen Belastung des Bundeshaushalts im Umfang von 45 Millionen Franken pro Jahr (Minderheit: 55 Mio. Fr.) beziehungsweise 315 Millionen Franken für sieben Jahre (Minderheit: 385 Mio. Fr.). Diese Mehrausgaben müssen durch Ausgabenkürzungen an anderen Stellen kompensiert werden. Die finanzielle Situation des Bundes ist äusserst angespannt. Ohne Gegenmassnahmen wird das strukturelle Defizit im Bundeshaushalt bis ins Jahr 2032 auf rund 3 bis 4 Milliarden Franken ansteigen. Es besteht ein beträchtlicher Bereinigungsbedarf, damit die Schuldenbremse eingehalten werden kann.
Die Mehrheit der Kommission sieht vor, dass die indirekte Presseförderung nach sieben Jahren eingestellt wird. Nach Ablauf dieser Frist würden die Zustellkosten der förderberechtigten Verlage nicht mehr subventioniert werden. Die KVF-N sieht ihrerseits den Ausbau der Presseförderung als eine Übergangslösung, bis eine zeitgemässe, kanal- und geschäftsmodellunabhängige Medienförderung in Kraft ist, von der auch die Printmedien profitieren würden. Für den Fall, dass bis dann keine Nachfolgelösung vorliegt, wäre mit starkem Widerstand seitens der Betroffenen gegen ein Auslaufen der Presseförderung zu rechnen und die Gefahr eines dauerhaften Ausbaus der Förderung ist hoch.

2.4 Begründung des Eventualantrags

Sollte das Parlament auf die Gesetzesvorlage eintreten, beantragt der Bundesrat auf die Ausweitung auf die Frühzustellung im Umfang von jährlich 30 Millionen Franken zu verzichten. Der Mehraufwand bei der Post und beim BAKOM steht in keinem Verhältnis zum zusätzlichen Nutzen. Hingegen würde die vorübergehende Erhöhung der Beiträge an die Regional- und Lokalpresse um 7,5 Millionen Franken pro Jahr die Verlage bei der digitalen Transformation unterstützen. Die Digitalisierung stellt vorab die Geschäftsmodelle klassischer Medienhäuser infrage. Nicht-gewinnorientierte Organisationen stehen nicht vor den gleichen Herausforderungen wie die Regional- und Lokalpresse, weshalb der Bundesrat den Minderheitsantrag auf Erhöhung der Beiträge um 10 Millionen Franken für die Mitgliedschafts- und Stiftungspresse ablehnt.
Weiter beantragt der Bundesrat, die Erhöhung der Presseförderung zu befristen gemäss Kommissionsminderheit. Damit würde die indirekte Presseförderung nach sieben Jahren auf das heutige Niveau zurückfallen.

3 Anträge des Bundesrates

Der Bundesrat beantragt, auf den Entwurf der Kommission nicht einzutreten.
Für den Fall, dass auf den Entwurf der Kommission eingetreten wird, beantragt der Bundesrat, die indirekte Presseförderung zugunsten der Regional- und Lokalpresse um 7,5 Millionen Franken zu erhöhen (keine Erhöhung der Beiträge an die Mitgliedschafts- und Stiftungspresse) und auf die Ausweitung auf die Frühzustellung zu verzichten. Die Befristung beantragt der Bundesrat gemäss Kommissionsminderheit. Der Eventualantrag lautet demgemäss wie folgt:
Art. 2 Bst. abis
Streichen
Art. 16 Abs. 5 zweiter Satz und 6
Gemäss Antrag der Kommissionsmehrheit
Art. 16 Abs. 7 Bst. a
⁷ Der Bund leistet zur Gewährung dieser Ermässigung jährlich folgende Beiträge:
a.
37,5 Millionen Franken für die Regional- und Lokalpresse;
Art. 16 Abs. 7 Bst. b
Gemäss Antrag der Kommissionsmehrheit
Gliederungstitel vor Art. 19a
Streichen
Art. 19a-19c
Streichen
II
Abs. 4
Gemäss Antrag der Kommissionsminderheit
Bundesrecht
Parlamentarische Initiative. Für eine unabhängige Presse sind die Beträge zur indirekten Förderung anzupassen. Bericht der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates vom 2. Juli 2024. Stellungnahme des Bundesrates
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