Botschaft zur Genehmigung eines Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Jordanien
Botschaft zur Genehmigung eines Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Jordanien
vom 21. August 2024
Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren
Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses ¹ über die Genehmigung eines Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Jordanien ² .
Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.
21. August 2024 | Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Viola Amherd Der Bundeskanzler: Viktor Rossi |
Übersicht
Die Schweiz und Jordanien haben am 13. Dezember 2023 ein Doppelbesteuerungsabkommen auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen unterzeichnet.
Mit dem Abkommen kann das schweizerische Abkommensnetz im Mittleren Osten ausgebaut werden. Das Abkommen schafft Rechtssicherheit und günstige steuerliche Rahmenbedingungen für die Schweizer Wirtschaft, was sich positiv auf die Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen und die Zusammenarbeit der beiden Länder im Steuerbereich auswirken wird.
Das Abkommen folgt weitgehend dem Musterabkommen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD und der heutigen Abkommenspolitik der Schweiz in diesem Bereich. Der Entwurf trägt somit den Entwicklungen aus dem OECD-Projekt «Base Erosion and Profit Shifting» (BEPS) zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung Rechnung.
Die Kantone und eine sehr grosse Mehrheit der interessierten Verbände haben den Abschluss des Abkommens begrüsst.
Botschaft
¹ BBl 2024 2176
² BBl 2024 2177
1 Grundzüge des Abkommens
1.1 Ausgangslage, Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen
Jordanien ist ein Land im Mittleren Osten mit ungefähr 11 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern. Seine Wirtschaft beruht zum grossen Teil auf dem Tourismus und gewissen Rohstoffvorkommen (Uranium und Phosphat). Jordanien exportiert unter anderem Kleider, Dünger und pharmazeutische Erzeugnisse. Die jordanische Wirtschaft kämpft mit einigen Schwierigkeiten. So verfügt Jordanien kaum über fossile Energieträger und muss diese weitgehend importieren. Eine grosse wirtschaftliche Belastung stellt zudem die hohe Anzahl von Geflüchteten dar. Zudem wurde die jordanische Wirtschaft durch die Covid-19-Pandemie stark getroffen, worunter insbesondere der Tourismus litt. Das Land erwies sich jedoch im Jahr 2022 grundsätzlich als resilient und hat ein Wirtschaftswachstum von 2.4 Prozent erreicht. Dieses wurde hauptsächlich von einer Erholung des Tourismussektors getragen. Die Arbeitslosigkeit blieb jedoch erhöht.
Die Schweiz exportiert nach Jordanien insbesondere chemische und pharmazeutische Erzeugnisse, Präzisionswerkzeuge und Uhrmachererzeugnisse. Die Schweiz importiert aus Jordanien namentlich Textilien. Die Exporte der Schweiz nach Jordanien betrugen 1,075 Milliarden Franken im Jahr 2022 und die Importe aus Jordanien 14 Millionen Franken. Die Direktinvestitionen zwischen den beiden Ländern sind gegenwärtig tief.
Zwischen der Schweiz und Jordanien existieren seit 2001 ein Investitionsschutzabkommen ³ und ein Freihandelsabkommen ⁴ , aber noch kein Abkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung. Die jordanische Regierung verfolgt das Ziel, ausländische Investitionen nach Jordanien zu fördern. In diesem Zusammenhang verstärkte die jordanische Regierung in jüngerer Zeit die Bemühungen für den Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen. Es bot sich daher die Gelegenheit, die bilateralen wirtschaftlichen Beziehungen mit Jordanien zu vertiefen und die steuerlichen Rahmenbedingungen zu verbessern.
Am 13. Dezember 2023 konnte ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und zur Vermeidung von Steuerbetrug und Steuerflucht (nachfolgend «DBA-JO») unterzeichnet werden.
³ SR 0 . 975.246.7
⁴ SR 0.632.314.671
1.2 Würdigung
Das DBA-JO entspricht weitgehend dem Musterabkommen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD ⁵ (nachfolgend «OECD-Musterabkommen») und der heutigen Abkommenspolitik der Schweiz in diesem Bereich. Die vereinbarten Lösungen versetzen Schweizer Unternehmen in eine konkurrenzfähige Position gegenüber Unternehmen aus Staaten, die Doppelbesteuerungsabkommen mit Jordanien abgeschlossen haben. Das Abkommen gewährleistet Rechtssicherheit und einen vertraglichen Rahmen, der sich vorteilhaft auf die Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen auswirken wird. Ferner trägt dieses Doppelbesteuerungsabkommen zur Erweiterung des schweizerischen Abkommensnetzes bei.
Das DBA-JO setzt die Mindeststandards aus den Arbeiten der OECD zur Bekämpfung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (nachfolgend «BEPS-Projekt») um, d. h. den Mindeststandard gemäss dem Bericht zur Massnahme 6 des BEPS-Projekts, womit die Gewährung von Abkommensvorteilen in missbräuchlichen Situationen verhindert wird, sowie den Mindeststandard gemäss dem Bericht zu Massnahme 14 des BEPS-Projekts betreffend die Verbesserung der Streitbeilegungsmechanismen ⁶ . Des Weiteren erfüllt das DBA-JO den internationalen Standard im Bereich des Informationsaustauschs auf Anfrage.
⁵ Einsehbar unter www.oecd.org > Thèmes > Fiscalité > Conventions fiscales > Modèle OCDE de Convention fiscale concernant le revenu et la fortune (nur engl. und franz. Texte vorhanden).
⁶ Einsehbar unter www.oecd.org > Thèmes > Fiscalité > Érosion de la base d’imposition et transfert de bénéfices > Documents clés (nur engl. und franz. Texte vorhanden).
2 Vernehmlassungsverfahren
Das DBA-JO untersteht dem Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 der Bundesverfassung (BV) ⁷ . Gestützt auf Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 2005 ⁸ (VlG) besteht damit an sich die Pflicht zur Durchführung einer Vernehmlassung. Nach Artikel 3 a Absatz 1 Buchstabe b VlG kann aber darauf verzichtet werden, wenn daraus keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind, weil die Positionen der interessierten Kreise bekannt sind.
Für das DBA-JO wurde im Juni und Juli 2023 eine Orientierung durchgeführt. Dabei wurde den Kantonen und den am Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen interessierten Kreisen eine Erläuterung zum DBA-JO zur Stellungnahme vorgelegt. Die Kantone und mit einer Ausnahme alle interessierten Verbände haben den Abschluss des DBA-JO begrüsst. Die Positionen der interessierten Kreise sind entsprechend bekannt und belegt. Gestützt auf Artikel 3 a Absatz 1 Buchstabe b VlG konnte deshalb auf eine Vernehmlassung verzichtet werden.
⁷ SR 101
⁸ SR 172.061
3 Erläuterungen zu einzelnen Bestimmungen des Abkommens
Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf die wichtigsten Abweichungen gegenüber dem OECD-Musterabkommen und der schweizerischen Abkommens-politik in diesem Bereich.
Titel und Präambel
Entsprechend dem Mindeststandard nach der Massnahme 6 des BEPS-Projekts ist im Titel und in der Präambel vorgesehen, dass das DBA-JO auch die Verhinderung der Steuerhinterziehung und Steuerumgehung bezweckt.
Mit dieser Bestimmung wird klargestellt, dass die Schweiz und Jordanien nicht die Absicht haben, durch das Doppelbesteuerungsabkommen Möglichkeiten zur Nichtbesteuerung oder reduzierten Besteuerung durch Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung zu schaffen. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es Situationen von gewollter doppelter Nichtbesteuerung gibt. Dazu zählt beispielsweise die Besteuerung von Dividenden an Gesellschaften des gleichen Konzerns. Doppelte Nichtbesteuerung verhindert in solchen Situationen ungewollte wirtschaftliche Mehrfachbelastungen.
Diese Bestimmung findet sich im OECD-Musterabkommen von 2017 und deren Aufnahme in das DBA-JO ist notwendig, um den im Rahmen der Massnahme 6 des BEPS-Projekts gesetzten Mindeststandard zu erfüllen.
Art. 1
Persönlicher Geltungsbereich
Absatz 2 enthält eine Bestimmung zu steuerlich transparenten Rechtsträgern gemäss Massnahme 2 des BEPS-Projekts, die in das OECD-Musterabkommen aufgenommen wurde und die auf dem Konzept im OECD-Bericht zu den Personengesellschaften ⁹ beruht.
Der erste Satz von Absatz 2 regelt die Gewährung der Vorteile des DBA-JO, wenn Einkünfte an einen von einem Vertragsstaat oder von beiden Vertragsstaaten als transparent erachteten Rechtsträger gezahlt werden. Die Vorteile werden gewährt, wenn diese Einkünfte für die Besteuerung in einem Vertragsstaat als Einkünfte einer dort ansässigen Person gelten. Ansonsten sind die Vorteile des DBA-JO nicht anwendbar. Demnach gilt das DBA-JO beispielsweise für Zinszahlungen eines Unternehmens in Jordanien an eine Kommanditgesellschaft in der Schweiz, wenn deren Gesellschafter in der Schweiz steuerlich ansässig sind. Ohne diese Regel könnten Fälle von doppelter Nichtbesteuerung auftreten.
Der zweite Satz von Absatz 2 behält das Recht des Ansässigkeitsstaats eines solchen Rechtsträgers oder von dessen Mitgliedern oder Gesellschaftern vor, die Einkünfte zu besteuern, die er diesem Rechtsträger oder diesen Mitgliedern oder Gesellschaftern ungeachtet der Zurechnung durch den anderen Vertragsstaat zurechnet. Diese Klausel behält beispielsweise das Besteuerungsrecht der Schweiz vor, wenn eine in der Schweiz ansässige Person an einem ausländischen Trust beteiligt ist, sofern die Schweiz den Trust als transparent erachtet und keine Betriebsstätte im Ausland vorliegt.
Nach schweizerischer Auffassung sind Rechtsträger der kollektiven Kapitalanlage, analog zur Regelung in der Schweiz, grundsätzlich als transparent anzusehen. Die Abkommensberechtigung richtet sich folglich nach den Investorinnen und Investoren. Verschiedene Staaten behandeln solche Rechtsträger jedoch als eigenständiges Steuersubjekt, dem die Einkünfte der kollektiven Kapitalanlage zuzurechnen sind. Würde Jordanien diese Betrachtungsweise einnehmen, so müsste die Schweiz sie nach Absatz 2 akzeptieren und ungeachtet der Investorinnen und Investoren die Vorteile des DBA-JO vollständig gewähren, vorausgesetzt, der Rechtsträger erfüllt auch die übrigen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Abkommens. Dies hätte einerseits eine unterschiedliche Behandlung der kollektiven Kapitalanlagen beider Staaten zur Folge, und andererseits hätten Investorinnen und Investoren, die selbst kein Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz in Anspruch nehmen können, die Möglichkeit, sich die Abkommensvorteile durch eine Investition in eine jordanische kollektive Kapitalanlage zu sichern.
Ziffer 1 des Protokolls zum DBA-JO hält deshalb fest, dass in einem der Vertragsstaaten errichtete kollektive Kapitalanlagen insoweit wie natürliche Personen abkommensberechtigt sind, als die Anteilsinhaberinnen und Anteilsinhaber im betreffenden Staat ansässig sind (Bst. a). In der Schweiz betrifft dies die vertraglichen Anlagefonds und die Investmentgesellschaften mit variablem Kapital (Bst. b). Eine Kommanditgesellschaft für kollektive Kapitalanlagen gilt für die Zwecke des DBA-JO nicht als in der Schweiz ansässig, kann aber die Abkommensvorteile für die Gesellschafterinnen und Gesellschafter mit Ansässigkeit in der Schweiz geltend machen (Bst. c).
Art. 2
Unter das Abkommen fallende Steuern
Da Jordanien keine Vermögenssteuer erhebt, umfasst das DBA-JO nur die Steuern vom Einkommen. Ihre Vermögens- und Kapitalsteuern kann die Schweiz somit nach ihrem innerstaatlichen Recht erheben.
Art. 3
Allgemeine
Begriffsbestimmungen
Die Definition des Ausdrucks «internationaler Verkehr» entspricht der Definition nach dem OECD-Musterabkommen von 2017. Dieser überarbeitete Wortlaut ermöglicht die Erfassung gewisser Dreieckssachverhalte und die Verhinderung von Mehrfachbesteuerungen.
Absatz 2 enthält eine allgemeine Auslegungsregel für die im DBA-JO verwendeten Ausdrücke, die darin nicht definiert sind. Nach dem Vorbild des OECD-Musterabkommens von 2017 enthält es nicht nur einen Verweis auf das innerstaatliche Recht eines Vertragsstaats, sondern auch die Möglichkeit für die zuständigen Behörden, sich im Rahmen des Verständigungsverfahrens im Sinne von Artikel 24 auf eine Bedeutung zu einigen. Dadurch wird eine koordinierte Anwendung des DBA-JO sichergestellt, um Fälle von Doppelbesteuerung zu verhindern.
Art. 4
Ansässige Person
Die Bestimmung stellt klar, dass bei nicht natürlichen Personen, die in beiden Vertragsstaaten ansässig sind, die Vertragsstaaten die Ansässigkeit durch ein Verständigungsverfahren regeln. Massgebend dabei ist entsprechend der schweizerischen Politik in diesem Bereich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung.
Art. 5
Betriebsstätte
Die Liste der Beispiele für Betriebsstätten umfasst Tätigkeiten im Bereich der Ausbeutung aber auch der Erkundung von Rohstoffvorkommen (Abs. 2 Bst. f). Da Unternehmen der Erkundung von Rohstoffvorkommen in Jordanien eine bedeutende Rolle spielen, war der Einschluss dieser Tätigkeiten für Jordanien unentbehrlich. Gemäss den erhaltenen Erklärungen erfolgen solche Erforschungen gestützt auf Bewilligungen des jordanischen Staates während einer wesentlichen Dauer (in der Regel mehr als 6 Monate) in einem von der Bewilligung definierten Gebiet. Die Annahme einer Betriebsstätte wäre unter diesen Umständen auch nach der Kommentierung der OECD wahrscheinlich.
Bauausführungen und damit zusammenhängenden Aufsichtstätigkeiten ab einer Dauer von neun Monaten (Abs. 3 Bst. a) sowie vor Ort erbrachten Dienstleistungen ab einer Dauer von 183 Tagen innerhalb eines im betreffenden Steuerjahr beginnenden oder endenden Zeitraums von zwölf Monaten (Abs. 3 Bst. b) gelten als Betriebsstätte. Nicht als Betriebsstätte gilt hingegen die Montage von Maschinen oder Ausrüstungen, sofern diese vom selben Unternehmen hergestellt worden sind, welches die Montage vornimmt (Abs. 4 Bst. e).
Diese Ergebnisse entsprechen Lösungen, wie sie die Schweiz bereits mit anderen vergleichbaren Staaten vereinbart hat.
Art. 7 und 9
Unternehmensgewinne und verbundene Unternehmen
Da Jordanien nicht bereit war, Artikel 7 des aktuellen OECD-Musterabkommens vom Juli 2010 zu vereinbaren, folgt dieser Artikel den Regelungen des OECD-Musterabkommens von 2008.
Diese beiden Artikel enthalten Bestimmungen über die zeitliche Beschränkung zur Vornahme von Gewinnaufrechnungen bei Betriebsstätten und bei verbundenen Unternehmen (Art. 7 Abs. 7 und Art. 9 Abs. 3). Damit können die Steuerbehörden der Schweiz und Jordaniens Gewinnaufrechnungen nur während einer Periode von fünf Jahren ab der betreffenden Steuerperiode vornehmen. Wird ein Rechtsmittel gegen eine Gewinnaufrechnung ergriffen und kommt es dadurch zu Verzögerungen, so hat dies keinen Einfluss auf die Berechnung der Einhaltung der Frist. Liegt ein Fall von Betrug, grober Fahrlässigkeit oder vorsätzlicher Unterlassung vor, so kann die Gewinnaufrechnung auch noch nach Ablauf dieser Frist erfolgen. In solchen Fällen gelten die Fristen nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht.
Grund für die Aufnahme dieser Bestimmungen in das DBA-JO bildet Element 3.3 des Mindeststandards zur BEPS-Massnahme 14. Dieses Element verlangt die Aufnahme des zweiten Satzes von Artikel 25 Absatz 2 des OECD-Musterabkommens in die Doppelbesteuerungsabkommen, gemäss dem Verständigungslösungen ungeachtet der Fristen des innerstaatlichen Rechts umzusetzen sind. Da die Schweiz diesen Satz in ihren Doppelbesteuerungsabkommen üblicherweise nicht vereinbart, musste sie zur Einhaltung des Mindeststandards als Alternative bereit sein, über Fristen für die Vornahme von Gewinnaufrechnungen bei Betriebsstätten und bei verbundenen Unternehmen zu verhandeln.
Art. 8
Internationale Schiff- und Luftfahrt
Die Bestimmung entspricht weitgehend dem OECD-Musterabkommen von 2014. Im Übrigen hält Absatz 4 wie in anderen schweizerischen Doppelbesteuerungsabkommen (z. B. mit Kanada, Chile oder der Ukraine) die im Kommentar zum OECD-Musterabkommen enthaltenen Grundsätze fest, wonach Gewinne aus dem Betrieb von Schiffen und Luftfahrzeugen auch solche aus der Vermietung von unbemannten Schiffen oder Luftfahrzeugen oder von Containern und ihrer Ausrüstung umfassen, wenn diese eine Nebentätigkeit zum Betrieb von Schiffen und Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr darstellen.
Art. 10
-
12
Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren
Das DBA-JO sieht für Dividenden einen generellen Residualsteuersatz von 15 Prozent vor. Kommen die Dividenden einer Gesellschaft zu, die mindestens 15 Prozent am Kapital der ausschüttenden Gesellschaft während eines Jahres hält, beträgt der Residualsteuersatz 5 Prozent. Für an die Zentralbank, eine Vorsorgeeinrichtung oder den anderen Vertragsstaat gezahlte Dividenden ist eine Befreiung im Quellenstaat vorgesehen.
Bei den Zinsen sieht das DBA-JO einen Residualsteuersatz von 5 Prozent vor. Für an die Zentralbank, eine Vorsorgeeinrichtung oder den anderen Vertragsstaat gezahlte Zinsen ist wiederum eine Befreiung im Quellenstaat vorgesehen.
Für Lizenzgebühren wurde ein Residualsteuersatz von 5 Prozent vereinbart. Die Definition der Lizenzgebühren folgt dem Musterabkommen der UNO. Ausgenommen von der Definition sind gemäss Klarstellung in Ziffer 4 des Protokolls zum DBA-JO allerding die Vermietung und das Leasing von gewerblicher, kaufmännischer oder wissenschaftlicher Ausrüstung, weswegen Einkünfte daraus unter Artikel 7 DBA-JO fallen.
Art. 13
Gewinne aus der Veräusserung von Vermögen
Dieser Artikel folgt den Grundsätzen der schweizerischen Abkommenspolitik. Wie in anderen Schweizer Doppelbesteuerungsabkommen sieht Absatz 4 vor, dass die Gewinne aus der Veräusserung von Anteilen an einer Gesellschaft, deren Wert zu über 50 Prozent direkt oder indirekt aus unbeweglichem Vermögen in einem Vertragsstaat stammen, in diesem besteuert werden können. Davon ausgenommen sind jedoch börsenkotierte Gesellschaften und solche, die die Immobilien für ihre eigene Geschäftstätigkeit nutzen.
Art. 14
Selbständige Arbeit
Das DBA-JO enthält eine Bestimmung für Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit von natürlichen Personen. Der Wortlaut folgt dem Musterabkommen der UNO. Der Quellenstaat hat demnach ein Besteuerungsrecht, wenn dort eine feste Einrichtung gegeben ist oder wenn die Person sich dort in einem Zeitraum von 12 Monaten länger als 183 Tage aufhält.
Art. 18 und 19
Ruhegehälter und Renten sowie öffentlicher Dienst
Unter dem DBA-JO können sämtliche Ruhegehälter vom Quellenstaat besteuert werden, unabhängig davon ob sie für eine Tätigkeit im Privatsektor oder im öffentlichen Dienst bezahlt werden.
Art. 22
Vermeidung der Doppelbesteuerung
Jordanien vermeidet die Doppelbesteuerung mittels der Anrechnungsmethode. Die Schweiz vermeidet die Doppelbesteuerung wie üblich mit der Freistellungsmethode unter Progressionsvorbehalt. Entsprechend ihrer Abkommenspolitik behält sich die Schweiz jedoch das Recht vor, Gewinne aus der Veräusserung von Anteilen an Immobiliengesellschaften zu besteuern, wenn diese Gewinne in Jordanien nicht besteuert wurden. Eine Freistellung ist auch dann ausgeschlossen, wenn Jordanien aufgrund eines Qualifikationskonflikts seinerseits das gleiche Einkommen freistellt (Abs. 2 Bst. c). Dies verhindert die doppelte Nichtbesteuerung.
Die Anrechnung ist im Übrigen vorgesehen für Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren (Abs. 2 Bst. b). Der Wortlaut dieser Bestimmung ist neu. Der früher von der Schweiz üblicherweise vereinbarte Text sah drei Optionen vor: eine Anrechnung der nicht rückforderbaren ausländischen Steuer, eine pauschale Ermässigung der schweizerischen Steuer oder eine teilweise Befreiung der betreffenden Einkünfte in der Schweiz. Nach dem Inkrafttreten am 1. Januar 2020 der revidierten Verordnung vom 22. August 1967 1⁰ über die Anrechnung ausländischer Quellensteuern, mit welcher der pauschale Charakter der Steueranrechnung entfernt wurde, wurde die Bestimmung modernisiert und vereinfacht. Wie bisher ist die Schweiz nicht verpflichtet, einen Betrag anzurechnen, der den Teil der vor der Anrechnung ermittelten Schweizer Steuer übersteigt, der den gemäss dem anwendbaren Abkommen im anderen Vertragsstaat besteuerten Einkünften entspricht.
Die Bestimmung enthält auch eine sogenannte Switch-over-Klausel, die es der Schweiz ermöglicht, bei einer Person, die in der Schweiz ansässig ist und in Jordanien eine Betriebsstätte besitzt, gemäss den Schweizer Bestimmungen zur Mindestbesteuerung grosser Unternehmensgruppen, die auf der Grundlage der «Global Anti-Base Erosion Model Rules» des «OECD/G20 Inclusive Frameworks» («Pillar Two») beschlossen worden sind, eine Ergänzungssteuer («top-up tax») zu erheben. Diese Klausel ermöglicht es der Schweiz, eine Mindestbesteuerung sicherzustellen, die den erwähnten Regeln entspricht, und damit Massnahmen auszuschliessen, die andere Staaten ergriffen haben.
Art. 23
Gleichbehandlung
Der Anwendungsbereich ist in Übereinstimmung mit der Bestimmung über den Informationsaustausch auf die unter das DBA-JO fallenden Steuern beschränkt.
Art. 24
Verständigungsverfahren
Die Bestimmung über das Verständigungsverfahren umfasst eine Schiedsklausel. So sind Streitpunkte, in welchen innert drei Jahren auf dem Verständigungsweg keine Einigung herbeigeführt werden konnte, auf Antrag der betroffenen steuerpflichtigen Person einer Schiedsstelle zu unterbreiten. Der Schiedsspruch ist für die Vertragsstaaten verbindlich, sofern ihn nicht eine der direkt betroffenen Personen ablehnt oder sich die zuständigen Behörden und die betroffenen Personen nicht innert sechs Monaten auf eine andere Lösung einigen.
Art. 25
Informationsaustausch
Das DBA-JO enthält eine Bestimmung über den Informationsaustausch nach dem internationalen Standard. Die nachfolgenden Ausführungen gehen lediglich auf einzelne Punkte in Artikel 25 sowie die dazugehörige Protokollbestimmung (Ziff. 6 des Protokolls zum DBA-JO) ein.
Der Geltungsbereich für den Informationsaustausch ist auf die unter das Abkommen fallenden Steuern beschränkt.
Die Bestimmungen von Artikel 25 werden im Protokoll zum DBA-JO (Ziff. 6) konkretisiert. Es regelt unter anderem im Detail die Voraussetzungen, die ein Auskunftsersuchen erfüllen muss (Bst. b). Notwendig sind insbesondere die Identifikation der betroffenen steuerpflichtigen Person (diese Information kann sich aus sämtlichen Elementen ergeben, die eine Identifikation ermöglichen) sowie, soweit bekannt, der Name und die Adresse der Person (z. B. eine Bank), in deren Besitz der ersuchende Staat die gewünschten Informationen vermutet. Ebenso hält das Protokoll zum DBA-JO fest, dass diese Voraussetzungen nicht formalistisch ausgelegt werden dürfen (Bst. c).
Gemäss dem internationalen Standard ist der Informationsaustausch auf konkrete Anfragen beschränkt. Dazu gehören nach dem weiterentwickelten OECD-Standard auch konkrete Anfragen, die auf eine genau definierte Gruppe von Steuerpflichtigen abzielen, bei denen davon ausgegangen werden muss, dass sie ihren Steuerpflichten im ersuchenden Staat nicht nachgekommen sind. Das DBA-JO ermöglicht es, solchen Ersuchen Folge zu leisten. Die Identifikation kann durch den Namen und die Adresse der betroffenen Person erfolgen, aber auch durch andere Mittel, z. B. durch die Beschreibung eines Verhaltensmusters. Diese Auslegung beruht auf der Auslegungsklausel (Bst. c i. V. m. Bst. b), die die Vertragsstaaten zu einer Auslegung der Erfordernisse an ein Ersuchen mit dem Ziel eines möglichst weitgehenden Informationsaustauschs verpflichtet, ohne dass «fishing expeditions» zugelassen sind. Die prozeduralen Voraussetzungen für die Erfüllung von Gruppenersuchen sind im Steueramtshilfegesetz vom 28. September 2012 1¹ geregelt.
Artikel 25 des DBA-JO sieht den spontanen und den automatischen Informationsaustausch nicht vor.
Art. 27
Anspruch auf
Vorteile
Diese Bestimmung sieht eine Missbrauchsklausel vor, die auf den hauptsächlichen Zweck einer Gestaltung oder eines Geschäfts abstellt. Aufgrund dieser Klausel werden die Vorteile des DBA-JO nicht gewährt, wenn das Erlangen dieser Vorteile einer der hauptsächlichen Zwecke der entsprechenden Gestaltung oder Transaktion war; es sei denn, es wird nachgewiesen, dass das Gewähren dieser Vorteile in Einklang mit dem Ziel und Zweck der entsprechenden Bestimmungen des DBA-JO steht.
Diese Missbrauchsklausel ist im OECD Musterabkommen enthalten (Art. 29 Abs. 9) und ist notwendig zur Erfüllung des diesbezüglichen Mindeststandards.
Art. 28
Inkrafttreten
Das DBA-JO tritt am Tage des Eingangs der zweiten schriftlichen und auf diplomatischem Weg übermittelten Notifikation über den Abschluss des dafür erforderlichen innerstaatlichen Verfahrens in Kraft. Seine Bestimmungen finden auf die Steuerjahre Anwendung, die am oder nach dem 1. Januar nach dem Inkrafttreten des Abkommens beginnen. Dies gilt auch für die Bestimmungen zum Informationsaustausch, die für Informationen über Steuerjahre anwendbar sind, die am oder nach dem 1. Januar des auf das Inkrafttreten des DBA-JO folgenden Kalenderjahrs beginnen.
⁹ OECD, L’application du Modèle de Convention fiscale de l’OCDE aux sociétés de personnes - The Application of the OECD Model Tax Convention to Partnerships, Paris, 1999.
1⁰ SR 672.201
1¹ SR 651.1
4 Finanzielle Auswirkungen
In jedem Doppelbesteuerungsabkommen verzichten die beiden Vertragsstaaten auf einen Teil ihrer Steuereinnahmen. Angesichts des begrenzten bilateralen Handelsaus-tauschs dürften die finanziellen Auswirkungen gering bleiben. Mit dem DBA-JO wird namentlich der Residualsteuersatz für Dividenden auf 15 Prozent (5 % bei Gesellschaften, die mindestens 15 % des Kapitals der ausschüttenden Gesellschaft halten, 0 % bei Vorsorgeeinrichtungen und den Zentralbanken) und für Zinsen auf 5 Prozent gesenkt. Generell stärken diese Massnahmen die steuerlichen Rahmenbedingungen und wirken sich infolgedessen positiv auf die Schweizer Wirtschaft aus. Das DBA-JO kann im Rahmen der bestehenden Personalressourcen umgesetzt werden.
5 Rechtliche Aspekte
Verfassungsgrundlage für das DBA-JO ist Artikel 54 Absatz 1 BV, der die Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten dem Bund zuweist. Artikel 184 Absatz 2 BV ermächtigt den Bundesrat, völkerrechtliche Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 BV für die Genehmigung völkerrechtlicher Verträge zuständig, sofern für deren Abschluss nicht aufgrund von Gesetz oder völkerrechtlichem Vertrag allein der Bundesrat zuständig ist (vgl. auch Art. 7 a Abs. 1 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 1997 ¹2 ). Im vorliegenden Fall gibt es kein Gesetz und keinen völkerrechtlichen Vertrag, die dem Bundesrat die Kompetenz verleihen, einen Vertrag wie das DBA-JO abzuschliessen. Das Parlament ist somit für die Genehmigung des Abkommens zuständig.
Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterliegen völkerrechtliche Verträge unter anderem dann dem fakultativen Referendum, wenn sie wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten. Gemäss Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 ¹3 (ParlG) gelten Bestimmungen als rechtsetzend, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen.
Das DBA-JO enthält Bestimmungen, die den Schweizer Behörden Pflichten auferlegen, insbesondere im Bereich der Amtshilfe, und die den Privatpersonen (natürliche und juristische Personen) Rechte verleihen. Es enthält somit wichtige rechtsetzende Bestimmungen im Sinne von Artikel 22 Absatz 4 ParlG und Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV. Der Bundesbeschluss über die Genehmigung des DBA-JO untersteht dementsprechend dem fakultativen Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV.
Die Bundesversammlung genehmigt den Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrags, der dem Referendum unterliegt, in der Form eines einfachen Bundesbeschlusses (Art. 24 Abs. 3 ParlG).
¹2 SR 172.010
¹3 SR 171.10
Bundesrecht
Botschaft zur Genehmigung eines Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Jordanien
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