Gesetz zur Sicherstellung der Angebote nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz (Schwangerenhilfesicherstellungsgesetz)
Gesetz zur Sicherstellung der Angebote nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz (Schwangerenhilfesicherstellungsgesetz) Vom 28. März 2006
Zum 17.10.2024 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe
Stand: | letzte berücksichtigte Änderung: Überschrift neu gefasst, § 1 geändert sowie Teil 5 mit §§ 10 und 11 neu angefügt durch Gesetz vom 02.05.2023 (Brem.GBl. S. 440) |
Der Senat verkündet das nachstehende von der Bürgerschaft (Landtag) beschlossene Gesetz:
Teil 1 Allgemeine Grundsätze
§ 1 Sicherstellung der Beratung
(1) Die Sicherstellung eines ausreichenden pluralen Angebots wohnortnaher Beratungsstellen nach den §§ 3 und 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes obliegt der Freien Hansestadt Bremen. Dabei ist von dem sich aus § 4 Abs. 1 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes ergebenden Versorgungsschlüssel von einer vollzeitbeschäftigten Beratungskraft oder einer entsprechenden Zahl von Teilzeitbeschäftigten je 40.000 Einwohner auszugehen, der für beide Beratungsstellen zusammen und nicht gesondert für die Beratungsstellen nach § 3 und § 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes gilt.
(1a) Die Freie Hansestadt Bremen stellt ein ausreichendes Beratungsangebot nach § 25 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes sicher. Die Beratung nach § 25 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes soll durch eine Beratungsstelle nach Absatz 1 durchgeführt werden, die auch Beratungen nach den §§ 2 oder 5 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes anbietet und von der Freien Hansestadt Bremen gefördert wird.
(2) Das Beratungsangebot nach Absatz 1 wird durch die Gesundheitsämter und Beratungsstellen in freier Trägerschaft, die über Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Schwangerenberatung oder der Schwangerschaftskonfliktberatung verfügen, sichergestellt.
(3) Für die Schwangere muss der ungehinderte Zugang zu diesen Beratungsstellen sowie zu Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, gewährleistet sein. Es ist insbesondere verboten, in Sicht- oder Rufweite dieser Stellen die Schwangere durch gezieltes Ansprechen oder sonstige Ausübung von Zwang oder Druck zu beeinflussen oder sie am Zugang zu hindern. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit (Artikel 8 Absatz 2 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt.
§ 2 Einzugsgebiet
Die Freie Hansestadt Bremen stellt ein einheitliches Einzugsgebiet dar. Das Beratungsangebot unter Berücksichtigung des Versorgungsschlüssels nach § 4 Abs. 1 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes wird nicht getrennt für die Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven festgelegt.
Teil 2 Anerkennung von Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen
§ 3 Verfahren
(1) Über die Anerkennung von Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen entscheidet die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz. Die Anerkennung kann nur auf Antrag des Trägers einer Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle und bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 9 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes erfolgen.
(2) Aus der Anerkennung folgt kein Anspruch des Trägers der Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle auf finanzielle Förderung, soweit sich nicht aus den Vorschriften des Teils 3 etwas anderes ergibt.
(3) Die Anerkennung wird widerruflich und für die Dauer von drei Jahren erteilt.
(4) Die Anerkennung ist zu widerrufen, wenn ihre Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht vorgelegen haben, nachträglich wegfallen oder eine sachgemäße Beratung nicht mehr gewährleistet ist.
(5) Die Anerkennung erlischt, wenn der Träger einer anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle auf die Anerkennung verzichtet oder die Beratungstätigkeit nicht nur vorübergehend einstellt. Verzicht, Einstellung der Beratungstätigkeit und Änderungen, die die Voraussetzungen der Anerkennung betreffen, sind der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz unverzüglich schriftlich anzuzeigen. Die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz gibt die anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen in geeigneter Form bekannt.
§ 4 Anerkennung von ärztlichen Beratungsstellen
(1) Ärztinnen und Ärzte werden nicht zur Sicherstellung des Beratungsangebotes nach
§ 1 Abs. 1
herangezogen, können aber als Beratungsstelle anerkannt werden, wenn sie
1.
eine mindestens zweijährige Berufstätigkeit nach Erteilung der Approbation oder einer Erlaubnis nach § 10 der Bundesärzteordnung und
2.
die Kenntnis der möglichen Hilfen für Schwangere nach § 2 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes durch die Teilnahme an einer von der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz anerkannten Informations- und Fortbildungsveranstaltung zu Inhalt, Form und Durchführung der Schwangerschaftskonfliktberatung sowie über die öffentlichen und privaten Hilfen für Schwangere, Familien, Mütter und Kinder
schriftlich nachweisen.
(2)
§ 3 Abs. 2 bis 5
und
§ 7 Nr. 3, 4 und 6
gelten entsprechend.
Teil 3 Förderung von Beratungsstellen
§ 5 Voraussetzungen der Förderung
(1) Die Freie Hansestadt Bremen fördert Einrichtungen freier Träger, die Beratung nach § 2 oder nach § 5 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes anbieten und die, soweit sie Beratung nach § 5 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes durchführen, gemäß § 9 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes anerkannt worden sind (Beratungsstellen). Bietet eine Beratungsstelle außer Beratungen nach den §§ 2 oder 5 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes auch Beratungen nach § 25 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes an, wird ihr die Förderung zur Sicherstellung des gesamten Beratungsangebotes gewährt. Eine Förderung wird nur gewährt, wenn diese Beratungsstellen erforderlich sind, um mit der in § 4 Abs. 1 Satz 1 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes bestimmten Mindestzahl von Beraterinnen und Beratern ein wohnortnahes und weltanschaulich plurales Beratungsangebot sicherzustellen. Um den Ratsuchenden die Auswahl zwischen Beratungsstellen unterschiedlicher weltanschaulicher Ausrichtung zu ermöglichen, sollen sich die in der Bevölkerung vertretenen grundsätzlichen Werthaltungen in Fragen des Lebensschutzes im Beratungsangebot widerspiegeln. Dabei ist nicht für jede religiöse oder weltanschauliche Ausrichtung eine spezielle Beratungsstelle erforderlich.
(2) Die Förderung setzt weiter voraus, dass die Beratungsstellen in freier Trägerschaft
1.
über die für eine sachgemäße Durchführung der Beratung geeigneten Räumlichkeiten und die hierzu erforderlichen Einrichtungen verfügen,
2.
an mindestens drei Tagen pro Woche regelmäßige Öffnungszeiten einrichten sowie fernmündlich erreichbar sind,
3.
grundsätzlich mit allen Stellen zusammenarbeiten, die öffentliche und private Hilfen für Mutter und Kind gewährleisten,
4.
die Maßstäbe, die der Beratungstätigkeit zugrunde liegen, und die aus den Aufzeichnungen gesammelten Erfahrungen jährlich in einem schriftlichen Bericht nach den Vorgaben der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz darstellen,
5.
über jede durchgeführte Schwangeren- oder Schwangerschaftskonfliktberatung ein Protokoll, das keine Rückschlüsse auf die Identität der Beratenen oder der hinzugezogenen Personen erlaubt, nach einem von der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz bestimmten Muster erstellen und diesem auf Verlangen vorlegen,
5a.
über jede Beratung zur vertraulichen Geburt ein Protokoll nach § 33 Absatz 1 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes erstellen,
6.
ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die Pflicht zur Verschwiegenheit und die strafrechtlichen Folgen einer Verletzung dieser Verpflichtung (§ 203 Abs. 1 Nr. 4 a des Strafgesetzbuches) hinweisen und dies belegen sowie
7.
dafür Sorge tragen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Beratungsstelle Supervision erhalten und fachlich fortgebildet werden. Nachweise über Kompetenzerhaltungsmaßnahmen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz auf Verlangen vorzulegen.
(3) Geht das in den Gesundheitsämtern und den Beratungsstellen freier Träger tätige Personal über den nach Absatz 1 ermittelten Bedarf hinaus, werden diejenigen Beratungsstellen freier Träger gefördert, die über größere, durch entsprechende Zahlen belegte Erfahrung bei der Beratung nach §§ 2, 5 oder 25 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes verfügen. Erfüllen mehrere Beratungsstellen diese Voraussetzungen, werden vorrangig die Beratungsstellen derjenigen freien Träger gefördert, die zusätzlich zur Beratung nach § 2 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes Beratung nach
§ 5
oder §§ 5 und 25 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes erbringen, sodann die Beratungsstellen derjenigen freien Träger, die in einem engen zeitlichen, räumlichen und konzeptionellen Zusammenhang mit der Beratung nach §§ 2, 5 oder 25 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes selbst Leistungen anbieten, welche diese Beratung ergänzen und der Erreichung ihrer Ziele förderlich sind.
§ 6 Umfang der öffentlichen Förderung
(1) Für die zur Gewährleistung des Versorgungsschlüssels nach § 4 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes tätigen Beratungsstellen in freier Trägerschaft, die die Voraussetzungen der Förderung erfüllen, beträgt die Förderung mindestens 80 Prozent der förderungsfähigen Kosten.
(2) Förderungsfähige Kosten sind die für den Betrieb einer Beratungsstelle nach Absatz 1 notwendigen Personal- und Sachausgaben.
(3) Bei den Leistungen nach § 2 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes ist grundsätzlich ein dem Beratungsaufwand entsprechendes und den wirtschaftlichen Verhältnissen des Leistungsempfängers angemessenes Entgelt zu erheben, das vorrangig zur Deckung des vom Träger zu erbringenden Eigenanteils an seinen notwendigen Personal- und Sachkosten eingesetzt werden soll.
§ 7 Berichtspflicht
Die geförderten und die zur Sicherstellung des Beratungsangebotes herangezogenen Beratungsstellen sind verpflichtet, der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz zum 31. März eines jeden Jahres einen schriftlichen Erfahrungsbericht über das abgelaufene Kalenderjahr vorzulegen. Darin ist in einer statistischen Übersicht anonymisiert und in aggregierter Form Auskunft zu geben über
1.
die Zahl der durchgeführten Präventionsveranstaltungen jeweils mit Angabe der Teilnehmerzahl sowie der Zielgruppe,
2.
die Zahl der Einzel- oder Paarberatungen zu Sexualität, Verhütung und Familienplanung,
3.
die Zahl der durchgeführten Beratungen schwangerer Frauen nach § 2 und § 5 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes,
4.
die Zahl der ausgestellten Beratungsbescheinigungen nach § 7 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes,
5.
Alter und Familienstand der beratenen Schwangeren sowie
6.
Wohnsitz der beratenen Schwangeren, differenziert nach Bundesländern.
Teil 4 Verzeichnisse
§ 8 Anzeige der Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen
Die Leitungen der Krankenhäuser und der Einrichtungen außerhalb eines Krankenhauses, in denen Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden sollen, sowie niedergelassene Ärztinnen oder Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche außerhalb von Krankenhäusern durchführen wollen, zeigen der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz den Beginn und die Beendigung dieser Tätigkeit an. Für die Anzeige ist von der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz festgesetzter Vordruck zu verwenden, auf dem auch anzugeben ist, ob die Einwilligung zur Veröffentlichung nach
§ 9 Absatz 3 Satz 2
erteilt wird. Die Einwilligung kann jederzeit widerrufen werden.
§ 9 Führung und Veröffentlichung von Verzeichnissen
(1) Die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz führt ein Verzeichnis
1.
der nach Teil 2 anerkannten Beratungsstellen und
2.
der nach
§ 8
angezeigten Krankenhäuser, Praxen und Einrichtungen außerhalb von Krankenhäusern, in denen Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden.
(2) Das Verzeichnis nach Absatz 1 Nummer 1 wird jährlich im Amtsblatt und laufend auf den Internetseiten der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz veröffentlicht.
(3) Das Verzeichnis nach Absatz 1 Nummer 2 wird regelmäßig den nach Teil 2 anerkannten Beratungsstellen zur Verfügung gestellt. Ein Verzeichnis der Krankenhäuser, Einrichtungen und Praxen, die in die Veröffentlichung eingewilligt haben, wird jährlich im Amtsblatt und laufend auf den Internetseiten der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz veröffentlicht.
Teil 5 Sicherstellung der Möglichkeit des Schwangerschaftsabbruchs
§ 10 Sicherstellung eines ausreichenden Angebots
(1) Die Sicherstellung eines ausreichenden Angebots ambulanter und stationärer Einrichtungen nach § 13 Absatz 2 des Schwangerenkonfliktgesetzes obliegt der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz. Sie hat darauf hinzuwirken, dass in den Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven jeweils
1.
für alle Schwangeren mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Einzugsbereich der jeweiligen Stadtgemeinde ein bedarfsgerechtes Angebot zur Vornahme von nicht rechtswidrigen oder unter den Voraussetzungen des § 218a Absatz 1 des Strafgesetzbuches erfolgenden Abbrüchen einer Schwangerschaft (straffreie Schwangerschaftsabbrüche) besteht,
2.
stationäre und ambulante Angebote für alle medizinisch anerkannten Methoden des Schwangerschaftsabbruchs verfügbar sind,
3.
alle Abbruchmethoden auch in Verbindung mit Kostenübernahmen nach Abschnitt 5 des Schwangerenkonfliktgesetzes angeboten werden.
(2) Sofern dies zur Sicherstellung eines ausreichenden Angebots nach Absatz 1 erforderlich ist und die dahingehenden Maßnahmen der jeweiligen Stadtgemeinde nicht hinreichend sind, ergreift und finanziert die Freie Hansestadt Bremen Maßnahmen, die auf die Herbeiführung und Sicherung eines bedarfsgerechten Angebots hinwirken.
§ 11 Berichtspflicht
(1) Die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz legt der Deputation für Gesundheit sowie dem für gleichstellungspolitische Angelegenheiten zuständigen Ausschuss der Bürgerschaft einmal jährlich einen Bericht zur Lage der Sicherstellung von Abbruchmöglichkeiten im Lande Bremen vor und bewertet die bedarfsgerechte Sicherstellung anhand der Kriterien nach
§ 10 Absatz 1
.
(2) Ist festzustellen, dass in den Stadtgemeinden ein nicht ausreichendes Angebot zur Vornahme von straffreien Schwangerschaftsabbrüchen besteht oder in absehbarer Zeit droht, berichtet die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz über bereits durchgeführte bzw. geplante Maßnahmen zur Beseitigung oder Abwendung der Unterversorgung.
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