Runderlaß II Nr. 10/1997<br> Pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheiten der Gemeinden, Landkreise und Zweckverbände und Ausgestaltung der Entgelterhebung bei Entscheidung für eine privatrechtlic...
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Runderlaß II Nr. 10/1997 Pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheiten der Gemeinden, Landkreise und Zweckverbände und Ausgestaltung der Entgelterhebung bei Entscheidung für eine privatrechtliche Organisationsform zur Aufgabendurchführung

Runderlaß II Nr. 10/1997 Pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheiten der Gemeinden, Landkreise und Zweckverbände und Ausgestaltung der Entgelterhebung bei Entscheidung für eine privatrechtliche Organisationsform zur Aufgabendurchführung
vom 15. Oktober 1997
1. In meinem Runderlaß II Nr.
4/1995 vom 5. Juli 1995, Az.
: II/4-1340, wurde ausgeführt, daß sich kommunale Gebietskörperschaften zur Durchführung pflichtiger Selbstverwaltungsangelegenheiten privatrechtlicher Organisationsformen bedienen dürfen. Im Bereich der Wasserver- und Abwasserentsorgung sowie der Abfallbeseitigung machen kommunale Aufgabenträger verstärkt von privatrechtlichen Organisationslösungen Gebrauch. Allerdings wird, wie aus den Genehmigungsverfahren zu den Gesellschafts- sowie den Betreiber- und Betriebsführungsverträgen hervorgeht, immer wieder außer acht gelassen, daß die Entscheidung für eine privatrechtliche Organisationsform im Bereich der pflichtigen Aufgaben nicht mit einer materiellrechtlichen Übertragung der Aufgabenverantwortung auf die privatrechtlichen Rechtssubjekte einhergeht. Als Ausnahme sei hier auf § 16 Abs.
2 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz - KrW-/AbfG - vom 27. September 1994 ( BGBl. I
S.
2705) verwiesen, das eine materiellrechtliche Privatisierung ermöglicht. Gesetzlich den Kommunen zugewiesene Aufgaben stehen hinsichtlich der Übertragbarkeit der Aufgabe auf Privatrechtssubjekte grundsätzlich nicht zu ihrer Disposition, solange Gesetze nicht ausdrücklich eine materiellrechtliche Privatisierung zulassen. Die kommunalen Aufgabenträger können sich in diesen Fällen privater Rechtssubjekte nur zur
technischen
Aufgabenerfüllung bedienen. Im rechtlichen Sinne stellen sie „Erfüllungsgehilfen“ bzw.
„Verwaltungshelfer“ dar. Dem kommunalen Aufgabenträger verbleibt trotz der Entscheidung, die pflichtige Aufgabe mittels einer privatrechtlichen Organisationsform zu erfüllen, die Letztverantwortlichkeit.
2. Aus der gesetzlichen Aufgabenwahrnehmungspflicht ergeben sich nachstehende Folgen:
2.1. Die Festsetzung der Gebühren oder privatrechtlichen Entgelte, ebenso die der Beiträge oder Baukostenzuschüsse, hat durch die Vertretungskörperschaft der kommunalen Gebietskörperschaft zu erfolgen (§ 35 Abs. 2 Nrn.
10 und 15 der Gemeindeordnung des Landes Brandenburg - GO - vom 15. Oktober 1993 [ GVBl. I
S. 398], zuletzt geändert durch Gesetz vom 30. Juni 1994 [GVBl. I S. 230]; § 29 Abs. 2 Nr. 9 und 14 der Landkreisordnung für das Land Brandenburg - LKrO - vom 15. Oktober 1993 [GVBl. I S. 398, 433]; zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. Februar 1994 [GVBl. I S. 34] sowie § 15 Abs. 1 i. V. m.
§ 8 Abs. 1 des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit - GKG - vom 19. Dezember 1991 [GVBl. S. 682]). Dies schließt nicht aus, daß das private Rechtssubjekt als Erfüllungsgehilfe der kommunalen Gebietskörperschaft im Vorfeld der Festsetzung die Gebühren- bzw. die privatrechtliche Entgeltkalkulation vornimmt. Gleiches gilt für die Ermittlung des Beitrags bzw. des Baukostenzuschusses. In der Rechtsprechung wird die Notwendigkeit, daß die Kalkulation der Gebühren bzw. privatrechtlichen Entgelte und der Beiträge bzw. Baukostenzuschüsse dem Beschlußorgan ebenfalls zur Beschlußfassung vorliegen muß, gegensätzlich beurteilt. Während der VGH
Mannheim ( vgl.
BadWürttGemeindeZ 1988, 306) darauf abstellt, daß die Gebührenbedarfsberechnung dem Satzungsgeber vor oder bei der Beschlußfassung über den Gebührensatz vorliegen müsse, vertritt u. a.
das OVG
Münster (vgl. NVwZ-RR 1993, 48) die Auffassung, eine von der Willensbildung des Ortsgesetzgebers als gedeckt anzusehende Beitragskalkulation könne noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nachgeschoben werden. Unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt eine solche Kalkulation vorliegen muß, ist davon auszugehen, daß die abgabenerhebende, also die kommunale Körperschaft, im Zweifel den Abgabensatz zu begründen und nachzuweisen hat. Allein schon aus diesem Grunde muß sich die kommunale Gebietskö rperschaft die Abgabenkalkulationen vorlegen lassen und sich im Verhältnis zum Erfüllungsgehilfen ausreichende Kontrollrechte sichern, die es ihr ermöglichen, die Kalkulation hinsichtlich den Anforderungen nach dem Kommunalabgabengesetz des Landes Brandenburg - KAG - vom 27. Juni 1991 (GVBl. S. 200), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. Juni 1995 (GVBl. I. S. 145), zu prüfen.
2.2. Die Erhebung der Gebühren oder privatrechtlichen Entgelte sowie der Beiträge oder Baukostenzuschüsse obliegt nur dem gesetzlich verpflichteten kommunalen Aufgabenträger. Privatrechtlich organisierte Dritte, wie z. B.
kommunale Eigengesellschaften oder Betreiber, können diese Abgaben nicht im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erheben. Allerdings kann das Privatrechtssubjekt als Erfüllungsgehilfe der kommunalen Gebietskörperschaft durchaus neben der Gebühren- und Beitragsberechnung auch mit der Ausfertigung und Versendung der Gebühren- und Beitragsbescheide, dem Einhalten von Gebühren und Beiträgen sowie dem Abführen dieser Einnahmen an den kommunalen Gebührengläubiger beauftragt sein. Dies gilt auch für den Fall, daß die kommunale Körperschaft statt Gebühren ein privatrechtliches Entgelt für die Benutzung bzw. Baukostenzuschüsse erhebt. Voraussetzung ist, daß in jedem Fall für den Zahlungspflichtigen erkennbar sein muß, daß der Bescheid bzw. die Rechnung von der aufgabenpflichtigen kommunalen Körperschaft erlassen worden ist, das Privatrechtssubjekt also im Namen und für Rechnung der aufgabenpflichtigen Körperschaft tätig wird.
2.3. Die Erkennbarkeit der Hilfstätigkeit des beauftragten privaten Rechtssubjektes ist z. B. dann gegeben, wenn der Bescheid oder die Rechnung unter dem Briefkopf der kommunalen Körperschaft mit dem Zusatz versandt wird, daß der tätig gewordene Dritte von der Körperschaft beauftragt wurde, die festgesetzten Gebühren oder privatrechtlichen Entgelte zu erheben. Der Bescheid endet mit der Schlußzeichnung durch den zeichnungsberechtigten Mitarbeiter der kommunalen Körperschaft (vgl. § 61 Abs. 1 GO, § 50 LKrO, § 9 Abs. 3 und 4 AmtsO, § 16 Abs. 2 und 3 GKG). Sofern der Bescheid mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können Unterschrift und Namenswiedergabe entfallen (§ 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Brandenburg - VwVfGBbg - vom 26. Februar 1993 (GVBl. I S. 26)). Der Bescheid kann mit dem Aufdruck „Der Landrat“, „Der Oberbürgermeister“, „Der Amtsdirektor“, „Der Bürgermei ster“ oder „Der Verbandsvorsteher“ enden.
2.4. Auch die Verwendung des Briefkopfs des von der Körperschaft beauftragten Rechtssubjektes ist möglich, sofern ausdrücklich in den Bescheiden oder den Rechnungen darauf hingewiesen wird, daß diese für die kommunale Körperschaft erstellt wurden. Die Schlußzeichnung erfolgt dann durch den Vertreter des beauftragten Dritten.
2.5. In der Rechtsbehelfsbelehrung von Gebühren- und Beitragsbescheiden ist in jedem Fall auf die kommunale Gebietskörperschaft als Widerspruchsbehörde hinzuweisen. Im Falle der Erhebung eines privatrechtlichen Entgeltes muß der Zahlungspflichtige darauf hingewiesen werden, daß die Einrede gegenüber der kommunalen Körperschaft zu erfolgen hat.
2.6. Im übrigen sollte sich die kommunale Körperschaft gegenüber dem beauftragten Erfüllungsgehilfen Weisungsbefugnisse vertraglich einräumen lassen, mit der sie die ordnungsgemäße Abwicklung der Abgabenerhebung sicherstellen kann.
3. Die Entscheidung über einen Widerspruch und den Erlaß eines Widerspruchsbescheides obliegt der Selbstverwaltungsbehörde (vgl. § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO). Die Einschaltung des beauftragten Privatrechtssubjektes beschränkt sich in diesem Verfahrensstadium auf die notwendigen Vorarbeiten zum Erlaß eines Widerspruchbescheides. Diese Vorarbeiten können sich maximal bis auf den Entwurf eines Widerspruchbescheides erstrecken. Der Bescheid ist danach allerdings ausschließlich durch die kommunale Gebietskörperschaft zu erlassen und vorab zu prüfen. Er bedarf der Schlußzeichnung durch den zeichnungsberechtigten Mitarbeiter der kommunalen Körperschaft. Der Versand des Bescheides kann durch den Erfüllungsgehilfen erfolgen.
4. Im Rahmen der Einziehung der Gebühren oder der privatrechtlichen Entgelte sowie der Beiträge kann der Erfüllungsgehilfe das Inkassogeschäft ausführen. Die dem Erfüllungsgehilfen aus dieser Inkassotätigkeit zufließenden Einnahmen kann die kommunale Körperschaft gegen die Forderung auf Leistung des mit der kommunalen Körperschaft vereinbarten Dienstleistungs- bzw. Betreiberentgeltes aufrechnen. Das kommunale Kassenrecht (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 2 der Gemeindekassenverordnung vom 23. Juni 1992 ( GVBl. II
S. 315), zuletzt geändert durch Verordnung vom 4. Juli 1995 (GVBl. II S. 499) und § 395 des Bürgerlichen Gesetzbuches) steht dem Aufrechnungsprinzip nicht entgegen. Dies setzt jedoch voraus, daß die Höhe und die Zeitpunkte der Verrechnung vertraglich fixiert werden und die Körperschaft sich vertraglich einräumen läßt, die Eingänge der Entgelt- und Beitragserhebungen kontrollieren zu können. Von den kassenrechtlichen Bestimmungen zu unterscheiden sind die haushalt srechtlichen Bestimmungen. Nach § 77 Abs. 1 GO muß die kommunale Körperschaft die ihr aus der Erfüllung der Aufgaben voraussichtlich zufließenden Einnahmen und die zu leistenden Ausgaben im Haushaltsplan veranschlagen. § 6 Abs. 2 der Gemeindehaushaltsverordnung vom 23. Juni 1992 (GVBl. II S. 306), zuletzt geändert durch Verordnung vom 4. Juli 1995 (GVBl. II S. 499) schreibt diesbezüglich ausdrücklich den Grundsatz der Brutto-Veranschlagung vor.
5. Die Inkassotätigkeit des Erfüllungsgehilfen umfaßt jedoch nicht die Beitreibung der Gebühren und Beiträge im Rahmen der Zwangsvollstreckung nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Brandenburg (VwVG BB) vom 18. Dezember 1991 (GVBl. I S. 661), zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. November 1996 (GVBl. I S. 306). Die Vollstreckung der Gebühren und Beiträge als öffentlich-rechtliche Geldforderungen obliegt gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 VwVGBB in Verbindung mit § 1 der Gemeindekassenverordnung (GemKVO Bbg) den Kassen der amtsfreien Gemeinden, Ämtern, Landkreisen und kreisfreien Städten. Diese Körperschaften vollstrecken in ihrem örtlichen Zuständigkeitsbereich auch öffentlich-rechtliche Geldforderungen der Zweckverbände, dessen Mitglied sie sind (§ 2 Abs. 3 Satz 1 VwVG). Für amtsangehörige Gemeinden, die einem Zweckverband angehören, nimmt das Amt, dem sie angehören, die Vollstreckungsaufgabe wahr (§ 2 Abs. 3 Satz 2 VwVG). Die zuständige Aufsichtsbeh örde kann den Zweckverband auch selbst zur Vollstreckungsbehörde bestimmen (§ 2 Abs. 3 Satz 3 VwVG).
6. Nach § 6 Abs. 3 VwVG BB soll der Schuldner vor Beginn der Vollstreckung nach § 259 der Abgabenordnung gemahnt werden. Die Ausfertigung der Mahnung kann durch den Erfüllungsgehilfen erfolgen. Es muß dann allerdings dem Schuldner erkenntlich sein, daß der tätig werdende Erfüllungsgehilfe von der aufgabenpflichtigen Körperschaft beauftragt wurde (vgl. Ausführungen unter Nr. 2 des Runderlasses).
7. Sofern der Schuldner der Forderung zur Leistung des privatrechtlichen Entgeltes nicht nachkommt, kann der Erfüllungsgehilfe das Mahnverfahren nach den §§ 688 ff. der Zivilprozeßordnung - ZPO - betreiben. Er kann den Antrag auf Erlaß des Mahnbescheides gemäß § 688 ZPO stellen und gemäß § 699 Abs. 1 ZPO den Vollstreckungsbescheid beantragen. Voraussetzung ist, daß er gemäß § 703 ZPO bevollmächtigt ist. Des weiteren kann die aufgabenpflichtige kommunale Körperschaft den Erfüllungsgehilfen bevollmächtigen, die Zwangsvollstreckung zu veranlassen.
Zusatz für die Landräte:
Ich bitte den vorstehenden Runderlaß den Ämtern, Gemeinden und Zweckverbänden in geeigneter Form bekanntzugeben.
gez.
Hoffmann
Hoffmann
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