Flächennutzungsplanung und Schutzgebiete vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.10.1999
Flächennutzungsplanung und Schutzgebiete vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.10.1999
vom 17. Juli 2000
(Schreiben vom 17.07.2000 an die Baudezernenten und -dezernentinnen der Landkreise und kreisfreien Städte)
Hinweis: Die neuere Rechtsprechung ist zu beachten.
Sehr geehrte Damen und Herren,
das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat mit seinem Urteil vom 21.10.1999 (4 C 1.99, DÖV, Heft 10, S.
423) entschieden, dass ein Flächennutzungsplan, dessen Darstellungen den Festsetzungen eines Schutzgebietes widersprechen, erst nach der vorherigen Ausgliederung der Flächen aus dem Schutzgebiet genehmigt werden kann. Eine In-Aussichtstellung der Ausgliederung entfaltet demnach keine rechtliche Verbindlichkeit als Genehmigungsvoraussetzung für den FNP. Dies führt dazu, dass eine Genehmigungsfähigkeit der betroffenen räumlichen und sachlichen Darstellungen des Flächennutzungsplans ( u. U.
auch des gesamten FNP) nicht gegeben ist. Die bislang im Land Brandenburg ausgeübte Praxis der In-Aussichtstellung der Ausgliederung als Genehmigungsvoraussetzung für einen Flächennutzungsplan kann daher keine Anwendung mehr finden.
I. Umgang mit naturschutzrechtlichen Schutzgebieten
Die Konsequenzen für das Verfahren der Aufstellung und Änderung von Flächennutzungsplänen sowie deren Genehmigung werden nachfolgend beschrieben. Hierbei ist zu beachten, dass die beschriebenen Fallgruppen nicht zwingend alle Fallkonstellationen abdecken und insofern eine Einzelbeurteilung der unter Schutz gestellten Flächen durch den Verordnungsgeber unerlässlich ist.
Fallgruppe 1
Ein genehmigter Flächennutzungsplan liegt vor, eine Ausgliederung durch die Naturschutzbehörde ist jedoch nicht erfolgt:
Den Schutzgebietsverordnungen zuwiderlaufende Darstellungen ( i. d. R.
Bauflächen und Verkehrsflächen) im Flächennutzungsplan sind unwirksam, der FNP ist zumindest für diesen Teilbereich unter Umständen aber auch in Gänze (wenn die Gesamtkonzeption der gemeindlichen Planung wesentlich berührt wird) unwirksam. Bebauungspläne, die aus diesem nichtigen Teil des FNP entwickelt werden sollen, bedürfen grundsätzlich der Ausgliederung der Geltungsbereiche aus dem Schutzgebiet, andernfalls ist eine Genehmigungsfähigkeit nicht gegeben.
Bei den sogenannten „Altschutzgebieten“ (Verordnungen, die vor dem 3.10.1990 mit einem pauschalen Flächenschutz für Siedlungsbereiche und landschaftlichen Freiraum in Kraft getreten sind) kann ausnahmsweise auch eine Vereinbarkeitserklärung in Betracht kommen, siehe Fallgruppe 2 b) und 3 a).
Fallgruppe 2
Der Flächennutzungsplan ist zur Genehmigung bei der höheren Verwaltungsbehörde eingereicht. Der Verordnungsgeber (i. d. R. MLUR
) hat zuvor verbindlich in Aussicht gestellt, Darstellungen des FNP, die innerhalb von Schutzgebieten, liegen im Rahmen der Aufstellung einer verbindlichen Bauleitplanung auszugliedern.
Soweit mit der Gesamtabwägung zum FNP vereinbar, werden diejenigen Darstellungen von der Genehmigung ausgenommen ("weißer Fleck"), die innerhalb des Schutzgebietes liegen. Spätestens bei der Aufstellung eines Bebauungsplanes ist in einem parallelen Verfahren das Ausgliederungsverfahren hinsichtlich der vom Schutzgebiet betroffenen Flächen einzuleiten. Die Ergänzung des FNP um die ausgenommen Teilflächen ("weiße Flecke") ist nach Durchführung des Ausgliederungsverfahrens zur Genehmigung bei der höheren Verwaltungsbehörde einzureichen.
Soweit es sich um Altschutzgebiete handelt, ist von der Gemeinde oder der höheren Verwaltungsbehörde beim Verordnungsgeber zu fragen, ob die "In-Aussichtstellung" in eine Vereinbarkeitserklärung umgewandelt wird. Dies wird nur in den Fällen möglich sein, in denen die In-Aussichtstellung ausdrücklich damit begründet wurde, dass kein Widerspruch zu den Festsetzungen einer Schutzgebietsverordnung besteht und unabhängig hiervon die betroffene Fläche im Zuge einer Neuausweisung auch nicht mehr Bestandteil des Schutzgebietes werden soll.
In den Fällen, in denen die Flächen von solcher Bedeutung sind, dass die Verwirklichung des städtebaulichen Gesamtkonzeptes ohne diese Fläche nicht möglich ist und diese deshalb nicht von der Genehmigung ausgenommen werden können, ist ein Ausgliederungsverfahren durchzuführen. Aufgrund der langen Verfahrensdauer bei Ausgliederungsverfahren ist eine Entscheidung des Verordnungsgebers i. d. R. nicht innerhalb der Genehmigungsfrist für den Flächennutzungsplan möglich. Deshalb sollte der FNP durch die Gemeinde von der Genehmigung zurückgezogen werden oder die höhere Verwaltungsbehörde hat die Genehmigung zu versagen.
Fallgruppe 3
Der Flächennutzungsplan ist im Verfahren, eine Entscheidung des Verordnungsgebers liegt noch nicht vor.
Innerhalb der Altschutzgebiete kann im Einzelfall (wenn keine sensiblen Bereiche berührt werden) davon ausgegangen werden, dass kein Widerspruch zwischen FNP-Darstellungen und der Schutzgebietsverordnung besteht. Folgende Voraussetzungen müssen dafür vorliegen (Klärung erfolgt durch den Verordnungsgeber):
Möglichkeit der Ableitung der Vereinbarkeit aus dem spezifischen Schutzweck des Alt-LSG (gezielte Einbeziehung von Freiraum und Ortslagen) - Hierfür bedarf es einer schriftlichen Erklärung des MLUR.
Zustimmung der Naturschutzverbände
Die genannten Schutzgebiete werden langfristig entsprechend den Vorgaben des Brandenburgischen Naturschutzgesetzes überarbeitet.
Innerhalb von "neuen" Schutzgebieten, deren Rechtsverordnungen nach den Vorschriften des Brandenburgischen Naturschutzgesetzes erarbeitet wurden und deren Inkrafttreten in aller Regel erst wenige Jahre zurückliegt, ist dagegen grundsätzlich von einem Widerspruch zwischen im FNP dargestellten Bauflächen und der Schutzgebietsverordnung auszugehen. Der Schutzgebietsverordnung entgegenstehende Teile des FNP werden von der Genehmigung ausgenommen bzw.
sind vor Einreichung zur Genehmigung entsprechend zu ändern. Es werden keine In-Aussichtstellungen in Bezug auf künftige Ausgliederungsverfahren mehr ausgesprochen, im Einzelfall kann ein Ausgliederungsverfahren durchgeführt werden.
II. Umgang mit Waldflächen
Eine Waldumwandlungsgenehmigung ist keine Voraussetzung für die Genehmigungsfähigkeit eines FNP. Zwar ist § 8 LWaldG
eine sonstige Vorschrift i. S. d.
§ 6 Absatz 2 BauGB
, jedoch handelt es sich bei dem § 8 LWaldG „nur“ um ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Die planerische Darstellung einer anderen Nutzungsart für eine Waldfläche bildet nur eine Vorstufe der vorgesehenen Waldumwandlung; sie ist nicht mit dieser gleichzusetzen. Liegt jedoch die Erhaltung des Waldes überwiegend im öffentlichen Interesse (Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes, forstwirtschaftliche Erzeugung etc.
) so kann dies ein dauerndes Hindernis rechtlicher Art darstellen ( vgl.
BVerwG
, Beschl.
v.
25.8.97 -4 NB 12.97). Für das FNP-Verfahren bedeutet dies, dass bereits im Rahmen der TÖB-Beteiligung zu ermitteln ist, ob grundsätzlich eine Waldumwandlung möglich ist. Ohne eine entsprechende positive Stellungnahme der Forstbehörde wird deshalb i. d. R. eine Genehmigungsfähigkeit nicht gegeben sein. Die Abgabe einer positiven Stellungnahme der Forstbehörde im Rahmen des FNP-Verfahrens ist als eine grundsätzliche Vorentscheidung für das nachfolgende Verfahren der Waldumwandlungsgenehmigung zu werten. Da es Aufgabe der Gemeinde ist, die von ihr vorgesehene, auf die Umwandlung von Wald abzielende Darstellung einer entsprechenden vorausschauenden Beurteilung zu unterziehen, sollte sie auch untersuchen, welche Kompensationsmöglichkeiten für die Umwandlung von Wald bestehen. Das Aufzeigen von adäquaten Kompensationsmöglichkeiten durch den Plangeber kann für die forstbehördliche Beurteilung hilfreich sein.
Gleiches gilt auch für Bebauungspläne.
III. Umgang mit Trinkwasserschutzgebieten
Bei Trinkwasserschutzgebieten ist eine pauschale Beurteilung nicht möglich, da nicht in jedem Fall eine Nutzungsinanspruchnahme der geschützten Flächen ausgeschlossen ist. Hier ist daher anhand der jeweiligen Trinkwasserschutzgebietsverordnung genau zu prüfen, welche Vorhaben zulässig sind und welche nicht. Ob eine Genehmigung des FNP erteilt werden kann, ist also abhängig vom Inhalt der Verordnung. Die Klärung, inwieweit Regelungsinhalte einer Trinkwasserschutzgebietsverordnung der Darstellung von Bauflächen im FNP entgegenstehen, sollte spätestens im TÖB-Verfahren erfolgen.
Bitte unterrichten Sie auch die Ämter und amtsfreien Gemeinden Ihres Landkreises über den Inhalt dieses Schreibens.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Dr.
Koppitz
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