Ausübung der Befugnisse im Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten
Ausübung der Befugnisse im Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten
vom 4. September 2020 ( JMBl/20, [Nr. 10] , S.130, ber. JMBl/22 [Nr. 4] , S.54)
Aufgrund des § 74 Absatz 2 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Juni 1994 ( BGBl. I
S.
1537), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 10. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2128) geändert worden ist, in Verbindung mit der Vereinbarung der Bundesregierung mit den Landesregierungen über die Zuständigkeit im Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten vom 28. April 2004 ( BAnz
S.
11494) wird die Ausübung der Befugnisse im Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten wie folgt geregelt:
I. Allgemeine Zuständigkeitsbestimmung für die justizielle Rechtshilfe
In Angelegenheiten der Rechtshilfe mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten, in denen die Bundesregierung den Landesregierungen die Zuständigkeit übertragen hat, entscheidet das für Justiz zuständige Ministerium, soweit nicht in den Nummern 2 bis 6 ein anderes bestimmt ist. Die Nummern 2 bis 6 gelten nicht für Ersuchen nach dem Gesetz über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof.
Die Präsidentin oder der Präsident des Oberlandesgerichts entscheidet über ausgehende Ersuchen des Oberlandesgerichts um sonstige Rechtshilfe, für die nach einer Bestimmung des Völkerrechts oder des Unionsrechts der unmittelbare oder der konsularische Geschäftsweg zugelassen ist.
Die Präsidentin oder der Präsident des Landgerichts entscheidet über ausgehende Ersuchen dieses Landgerichts um sonstige Rechtshilfe, für die nach einer Bestimmung des Völkerrechts oder des Unionsrechts der unmittelbare oder der konsularische Geschäftsweg zugelassen ist.
Die Präsidentin oder der Präsident des örtlich zuständigen Amtsgerichts, oder, wenn das Amtsgericht nicht mit einer Präsidentin oder einem Präsidenten besetzt ist, die Präsidentin oder der Präsident des für dieses Amtsgericht örtlich zuständigen Landgerichts entscheidet über
eingehende Ersuchen um sonstige Rechtshilfe, wenn die Rechtshilfe von einem Gericht zu leisten ist;
ausgehende Ersuchen dieses Amtsgerichts um sonstige Rechtshilfe, für die nach einer Bestimmung des Völkerrechts oder des Unionsrechts der unmittelbare oder der konsularische Geschäftsweg zugelassen ist.
Die Generalstaatsanwaltschaft entscheidet über
eingehende Ersuchen um Auslieferung und Durchlieferung aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union;
eingehende Ersuchen um Auslieferung, wenn die verfolgte Person sich mit der Auslieferung im vereinfachten Verfahren einverstanden erklärt hat (§ 41 IRG);
eingehende Ersuchen um Durchbeförderung von Zeugen und um Durchbeförderung zur Vollstreckung aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union;
eingehende Ersuchen um vorübergehende Überstellung (§§ 62, 63 IRG);
eingehende Ersuchen um sonstige Rechtshilfe, wenn die Rechtshilfe von der Generalstaatsanwaltschaft zu leisten ist;
ausgehende Ersuchen um vorübergehende Überstellung (§§ 69, 70 IRG);
ausgehende Ersuchen der Generalstaatsanwaltschaft um sonstige Rechtshilfe, für die nach einer Bestimmung des Völkerrechts oder des Unionsrechts der unmittelbare oder der konsularische Geschäftsweg zugelassen ist.
Die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft entscheidet über
eingehende Ersuchen um Vollstreckungshilfe, für die nach einer Bestimmung des Völkerrechts oder des Unionsrechts der unmittelbare Geschäftsweg zugelassen ist;
eingehende Ersuchen um sonstige Rechtshilfe, soweit nicht nach Nummer 4 oder 5 eine andere Stelle entscheidet;
ausgehende Ersuchen um Auslieferung und Durchlieferung an Mitgliedstaaten der Europäischen Union;
ausgehende Ersuchen um Vollstreckungshilfe, für die nach einer Bestimmung des Völkerrechts oder des Unionsrechts der unmittelbare Geschäftsweg zugelassen ist;
ausgehende Ersuchen der Staatsanwaltschaft um sonstige Rechtshilfe (mit Ausnahme von Ersuchen nach Nummer 5 Buchstabe f), für die nach einer Bestimmung des Völkerrechts oder des Unionsrechts der unmittelbare oder der konsularische Geschäftsweg zugelassen ist.
Zuständigkeitszuweisungen durch Gesetz oder unmittelbar anwendbare Vorschriften des Unionsrechts gehen den Vorschriften dieses Gemeinsamen Runderlasses vor.
II. Zuständigkeitskonzentration an einer Staatsanwaltschaft bei eingehenden Ersuchen um sonstige Rechtshilfe
Über ein eingehendes Ersuchen um sonstige Rechtshilfe, das in die örtliche Zuständigkeit mehrerer Staatsanwaltschaften des Landes fällt, entscheidet eine Staatsanwaltschaft insgesamt. Diese führt im Falle der Bewilligung das Ersuchen auch insgesamt aus.
Geht das Rechtshilfeersuchen zuerst der Generalstaatsanwaltschaft zu, bestimmt sie die insgesamt zuständige Staatsanwaltschaft, indem sie das Ersuchen an diese weiterleitet. Sie bestimmt regelmäßig diejenige Staatsanwaltschaft, in deren Zuständigkeitsbereich der Schwerpunkt der beantragten Handlungen liegt.
Geht das Rechtshilfeersuchen auf dem unmittelbaren Geschäftsweg bei einer Staatsanwaltschaft ein, die örtlich für wenigstens eine der beantragten Handlungen zuständig ist, so soll sie die Bewilligungsentscheidung insgesamt treffen. Sie hat die Bewilligungsentscheidung insgesamt zu treffen, wenn in ihrem Zuständigkeitsbereich der Schwerpunkt der beantragten Handlungen liegt, wenn ein solcher Schwerpunkt nicht eindeutig festzustellen ist, oder wenn besondere Eilbedürftigkeit besteht.
Geht das Rechtshilfeersuchen auf dem unmittelbaren Geschäftsweg bei einer Staatsanwaltschaft ein, ohne dass diese nach Nummer 3 die Bewilligungsentscheidung insgesamt trifft, so übermittelt sie das Rechtshilfeersuchen unverzüglich der Generalstaatsanwaltschaft, die abschließend nach Nummer 2 verfährt.
Gehen denselben Ermittlungsgegenstand betreffende Rechtshilfeersuchen zeitgleich bei mehreren Staatsanwaltschaften ein, die jeweils für einen Teil der Erledigungshandlungen örtlich zuständig sind, ist ein Einvernehmen über die insgesamt zuständige Staatsanwaltschaft, andernfalls die Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft herbeizuführen.
Im Verhältnis zu den Staatsanwaltschaften anderer Bundesländer gilt Nummer 19a der Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten (RiVASt).
III. Zuständigkeitskonzentration an einer Staatsanwaltschaft für ausgehende Ersuchen um Vollstreckungshilfe
Sind mehrere Ersuchen um Vollstreckungshilfe (Vollstreckung deutscher Erkenntnisse betreffend freiheitsentziehende Sanktionen oder Überwachung deutscher Bewährungsmaßnahmen) an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union durch verschiedene Staatsanwaltschaften zu stellen, soll die Staatsanwaltschaft, durch die die höchste Sanktion zu vollstrecken ist, federführend gegenüber den Behörden des anderen Mitgliedstaates auftreten. Entsprechendes gilt für die Jugendrichter als Vollstreckungsleiter. Hierzu stellen die betroffenen Vollstreckungsbehörden Einvernehmen her. Die Bewilligungszuständigkeit bleibt unberührt.
IV. Besondere Regelungen und Hinweise für die justizielle Rechtshilfe
Rechtshilfeersuchen sind mit größtmöglicher Beschleunigung zu behandeln. Nicht zwingend vorgeschriebene Förmlichkeiten sind zu vermeiden. Soweit mit Blick auf die geltenden Vorschriften zum Datenschutz und zur Datensicherheit zulässig und tunlich, sind bei ihrer Bearbeitung elektronische Übermittlungswege zu wählen. Erforderliche Klärungen sind, soweit zulässig und tunlich, fernmündlich oder auf elektronischem Wege herbeizuführen. Dies ist aktenkundig zu machen.
Abschnitt I Nummer 5 Buchstabe a und Nummer 6 Buchstabe c gelten entsprechend, soweit die Bestimmungen über den Europäischen Haftbefehl ganz oder in wesentlichen Teilen auch gegenüber einem europäischen Drittstaat, zu den die Europäische Union besondere Beziehungen unterhält, anzuwenden sind. Das für Justiz zuständige Ministerium unterrichtet die Gerichte und Staatsanwaltschaften darüber, welche Drittstaaten hiervon betroffen sind.
Bei eingehenden Ersuchen, die auf grenzüberschreitende Observation gerichtet sind, trifft die für den Ort des voraussichtlichen Grenzübertritts zuständige Staatsanwaltschaft die Entscheidung, wobei die Genehmigung der Observation für das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gilt.
Für eingehende Ersuchen um Durchführung einer Videovernehmung sind, unbeschadet Nummer 77 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 RiVASt, jedenfalls dann die Gerichte zuständig, wenn die Vernehmung, um deren Durchführung ersucht wird, im Rahmen einer ausländischen gerichtlichen Hauptverhandlung erfolgt.
Über die Genehmigung der Teilnahme von Amtsträgern des ersuchenden Staates an der Erledigung des Ersuchens (Nummer 138 Absatz 1, Nummer 139 RiVASt) entscheidet die für die Bewilligung des Ersuchens zuständige Stelle, wenn es sich um ein Ersuchen aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, aus Island, Liechtenstein, Norwegen oder der Schweiz handelt.
Die aufgrund einer Bestimmung des Unionsrechts erforderliche Validierung des Rechtshilfeersuchens einer Behörde durch eine Staatsanwaltschaft erfolgt durch die für den Sitz dieser Behörde örtlich zuständige, in Zweifelsfällen durch die von der Generalstaatsanwaltschaft bestimmte Staatsanwaltschaft.
Zuständige Stelle nach Artikel 3 des Gesetzes zu den Verträgen vom 27. April 1999 und 8. Juli 1999 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit, Auslieferung und Rechtshilfe sowie zu dem Abkommen vom 8. Juli 1999 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Durchgangsrechte vom 25. September 2001 ( BGBl. II
S. 946) ist, soweit schweizerische gerichtliche Entscheidungen zu vollstrecken sind, die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft.
Das Ministerium der Justiz erteilt mit diesem Gemeinsamen Runderlass allgemein die nach Nummer 140 Absatz 1 RiVASt erforderliche Genehmigung der Teilnahme von Richterinnen und Richtern sowie Beamtinnen und Beamten an Amtshandlungen im Ausland im Zusammenhang mit an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union, an Island, Liechtenstein, Norwegen oder die Schweiz ausgehenden Rechtshilfeersuchen, wenn der ersuchte Staat die Teilnahme vor Antritt der Reise genehmigt hat (Nummer 142 Absatz 1 RiVASt). Andere Vorschriften über Auslandsdienstreisen bleiben unberührt.
Bewilligung und Prüfung von Ersuchen sind aktenkundig zu machen. Die Bewilligungsbehörden übernehmen auch die Aufgaben der Prüfungsbehörden (Nummer 7 Absatz 2 Satz 2 RiVASt). Dessen ungeachtet prüft auch jede mit der Weiterleitung eines eingehenden oder ausgehenden Ersuchens befasste Behörde die unter Nummer 7 Absatz 1 Buchstabe b RiVASt genannten Gesichtspunkte.
Soweit durch diesen Gemeinsamen Runderlass der Generalstaatsanwaltschaft und den örtlich zuständigen Staatsanwaltschaften Befugnisse übertragen werden, sind Bewilligungsbehörden die Generalstaatsanwältin oder der Generalstaatsanwalt und die jeweilige Leitende Oberstaatsanwältin oder der jeweilige Leitende Oberstaatsanwalt.
Kontaktstelle des Europäischen Justiziellen Netzwerks im Land Brandenburg ist die Generalstaatsanwaltschaft.
V. Berichtspflichten der Staatsanwaltschaften
Die Generalstaatsanwaltschaft berichtet dem für Justiz zuständigen Ministerium in den Fällen des Abschnitts I Nummer 5 Buchstaben a und b zeitnah den Vollzug der Auslieferung oder der Durchlieferung oder die abschließende ablehnende Entscheidung. Beizufügen sind (zweifach, soweit nicht elektronisch berichtet wird)
das Ersuchen (beziehungsweise der Europäische Haftbefehl);
der dem Ersuchen zugrunde liegende Haftbefehl oder Urteilstenor;
die Entscheidung über die Bewilligung oder Ablehnung des Ersuchens;
gegebenenfalls die Haftentscheidungen des Oberlandesgerichts und die richterliche Vernehmungsniederschrift.
Darüber hinaus berichtet sie in den Fällen nach Abschnitt I Nummer 5 Buchstabe a auch über Verzögerungen im Verfahrensablauf, namentlich bei Fristüberschreitungen. Betrifft ein Auslieferungsersuchen die Auslieferung eines deutschen Staatsangehörigen an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union, berichtet sie bereits über das Ersuchen.
Die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft berichtet dem für Justiz zuständigen Ministerium auf dem Dienstweg in den Fällen des Abschnitts I Nummer 6 Buchstabe c binnen eines Monats nach Vollzug der Einlieferung oder der Durchlieferung oder nach dem Bekanntwerden einer ablehnenden Entscheidung der ausländischen Behörde. Beizufügen sind (zweifach, soweit nicht elektronisch berichtet wird)
das Ersuchen;
der dem Ersuchen zugrunde liegende Haftbefehl oder Urteilstenor;
die Entscheidung der ausländischen Behörde über die Bewilligung oder Ablehnung des Ersuchens;
gegebenenfalls die nach Nummer 164 RiVASt abgegebene Erklärung zur Rücküberstellung zur Strafvollstreckung.
Sie berichtet in den Fällen des Abschnitts I Nummer 6 Buchstabe c auch über Verzögerungen im Verfahrensablauf, namentlich bei Fristüberschreitungen.
Weiterhin ist auf dem Dienstweg zu berichten
über gerichtliche Entscheidungen, die sich mit grundsätzlichen Fragen des Aus- und Durchlieferungsrechts befassen, Zulässigkeitsentscheidungen eingeschlossen;
wenn im Rechtshilfeverkehr mit einem bestimmten Staat wiederholt nicht nur geringfügige Schwierigkeiten auftreten;
bei Zweifelsfragen über die Auslegung von Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts, des Unionsrechts oder des Völkerrechts;
wenn einem Fall sonst aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen grundsätzliche Bedeutung zukommt.
VI. Allgemeine Berichtspflichten
Jede Ablehnung eines eingehenden Rechtshilfeersuchens ist nachträglich, in besonderen Fällen im Sinne von Nummer 13 Absatz 1 RiVASt vorab, dem für Justiz zuständigen Ministerium zu berichten (Nummer 19 Absatz 2 RiVASt).
Im Übrigen bleiben weitere Berichtspflichten nach den Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten oder anderweitigen Bestimmungen unberührt.
VII. Polizeiliche Rechtshilfe
Über eingehende Rechtshilfeersuchen ausländischer Polizeibehörden und die Stellung ausgehender Ersuchen der brandenburgischen Polizeibehörde im polizeilichen Rechtshilfeverkehr entscheidet das Polizeipräsidium als Prüfungs- und Bewilligungsbehörde, soweit die brandenburgische Polizeibehörde im Rahmen ihrer Zuständigkeit nach innerstaatlichem Recht Ersuchen erledigt oder stellen darf und eine völkerrechtliche Übereinkunft den polizeilichen Geschäftsweg vorsieht.
Von der Übertragung nach Nummer 1 ausgenommen sind
Rechtshilfeersuchen von Polizeibehörden, die nach ihrem Gegenstand auf eine ausdrückliche Veranlassung einer Justizbehörde oder eines Gerichts zurückgehen;
Rechtshilfeersuchen, bei deren Eingang bereits zu erkennen ist, dass zu ihrer Erledigung voraussichtlich strafprozessuale Zwangsmaßnahmen erforderlich werden;
Rechtshilfeersuchen, die unter Nummer 5 Buchstabe b oder c der Zuständigkeitsvereinbarung 2004 fallen.
Die Bewilligung ist aktenkundig zu machen.
VIII. Inkrafttreten, Außerkrafttreten
Dieser Gemeinsame Runderlass tritt am 15. September 2020 in Kraft. Gleichzeitig tritt der Gemeinsame Runderlass des Ministeriums der Justiz und des Ministeriums des Innern vom 30. März 2012 ( JMBl.
S. 42) außer Kraft.
Potsdam, den 21. August 2020
Die Ministerin der Justiz
Susanne Hoffmann
Potsdam, den 4. September 2020
Der Minister des Innern und für Kommunales
Michael Stübgen
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