Erschließungsbeiträge als Teil der Gegenleistung
Erschließungsbeiträge als Teil der Gegenleistung
vom 27. März 2006
Erlass vom 22. August 2002, 31 - S 4521 - 3/01, bekannt gegeben durch Verfügung der OFD
Cottbus vom 03. September 2002, S 4521 - 12 - St 231
In welchem Umfang bei einem Grundstückskauf Erschließungsbeiträge als sonstige Leistungen nach § 9 Abs.
1 Nr.
1 GrEStG
1983 in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen sind, richtet sich danach, in welchem tatsächlichen Zustand das Grundstück zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemacht wurde.
1. Das Grundstück ist im Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs bereits erschlossen
Sind sämtliche nach dem örtlichen Baurecht vorgeschriebenen öffentlichen Erschließungsanlagen, die ein Grundstück zu einem „erschlossenen Grundstück” machen, im Zeitpunkt des Abschlusses des Erwerbsvorgangs bereits vorhanden, kann Gegenstand eines solchen Vertrags nur das „erschlossene” Grundstück sein, selbst wenn nach den Vertragserklärungen das Grundstück als „unerschlossen” erworben werden soll. Es liegt nicht in der Willensmacht der Beteiligten, ein Grundstück in einem Zustand zum Gegenstand des Erwerbesvorgangs zu machen, den es nicht mehr hat und auch nicht mehr erhalten soll.
In vielen Baugebieten werden die Erschließungsanlagen nicht in einem Zug, sondern schrittweise - entsprechend dem Fortgang der Bautätigkeit in diesem Gebiet - fertig gestellt. Daher sind oftmals einige Grundstücke in einem Baugebiet bautechnisch bereits vollständig erschlossen, während bei anderen Grundstücken erst ein Teil der Erschließungsanlagen fertig gestellt ist.
Für die Gemeinden ist es schwierig, den Stand der Erschließung eines einzelnen Grundstücks zu einem bestimmten Stichtag mitzuteilen. Darüber hinaus ist für die Gemeinden auch nur der Zeitpunkt der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlagen und nicht des einzelnen Grundstücks von Bedeutung, da erst dann der öffentlich-rechtliche Anspruch auf den Erschließungsbeitrag entstehen kann ( vgl.
§ 133 Abs. 2 BauGB
).
Folglich ist bei der Beurteilung, ob sich das Grundstück im Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs im erschlossenen Zustand befindet, grundsätzlich auf die endgültige Herstellung der Erschließungsanlagen im jeweiligen gesamten Bau- und Erschließungsgebiet abzustellen.
Eine Beitragspflicht kann sich auch aus Teilmaßnahmen der Erschließung ergeben. Nach § 133 Abs. 2 BauGB entsteht die Beitragspflicht für Teilbeträge, sobald die Maßnahmen, deren Aufwand durch Teilbeträge gedeckt werden soll, abgeschlossen sind (sachliche Beitragspflicht).
Ein Grundstück, für das entsprechende Teilbeträge entstanden sind, kann nicht als „erschlossenes Grundstück” angesehen werden. Der Abschluss der Teilmaßnahmen im Rahmen einer Erschließung kann der Fertigstellung sämtlicher nach dem örtlichen Baurecht erforderlichen öffentlichen Erschließungsanlagen nicht gleichgestellt werden.
Zu den Erschließungsanlagen gehören im Wesentlichen die Verkehrs- und Grünanlagen sowie die Anlagen zur Ableitung von Abwässern und zur Versorgung mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser. Nicht zu den Erschließungsanlagen gehören die auf den (Privat-) Grundstücken selbst notwendigen Anschlüsse, wie Zufahrtswege und Anschlüsse an die Ver- und Entsorgungseinrichtungen ( BFH
-Urteil vom 15.3.2001, II R 39/99, BStBl
2002 II, S.
93). Die Merkmale der endgültigen Erschließung sind von der Gemeinde durch Satzung geregelt (§ 132 Nr. 4 BauGB).
Für die in § 127 Abs. 2 BauGB angegebenen Erschließungsanlagen ( z. B.
Sammelstraßen, Parkflächen, Grünanlagen) können nur Erschließungsbeiträge nach dem BauGB erhoben werden. Für alle anderen Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Abs. 4 BauGB (z. B. Anlagen zur Ableitung von Abwasser oder zur Versorgung mit Elektrizität, Gas, Wasser, Wärme; Kinderspielplätze) kann die Beitragserhebung stets nur nach Maßgabe der Kommunalabgabengesetze der Länder erfolgen.
Wird ein in diesem Sinne erschlossenes Grundstück zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs, ist Gegenleistung für den Erwerb des Grundstücks grundsätzlich auch der auf die Erschließung entfallende Betrag, unabhängig davon, ob er im Kaufpreis enthalten ist oder neben dem Kaufpreis gesondert ausgewiesen wird.
Dies gilt nicht, wenn die Kommune eigene erschlossene Grundstücke veräußert und den Erschließungsbeitrag abgabenrechtlich geltend macht. Eine abgabenrechtliche Geltendmachung liegt vor, wenn ein entsprechender Verwaltungsakt (Beitragsbescheid) der betreffenden Gemeinde ergeht oder zwischen der Gemeinde und dem Erwerber ein öffentlich-rechtlicher (subordinationsrechtlicher) Vertrag über die Erschließungsbeiträge geschlossen wird (vgl. Münchner Kommentar zum BGB
, 4. Auflage, Vor § 145, Rz. 35 bis 39 und Boruttau, GrEStG, 15. Auflage, Rz. 290 zu § 9). In diesen Fällen gehören die vom Grundstückseigentümer übernommenen Erschließungsbeiträge nicht zur grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage.
Abweichend hiervon gehören Beiträge, die auf der Grundlage des brandenburgischen Kommunalabgabengesetzes (KAG) i. d. F.
der Bekanntmachung vom 31. März 2004 ( GVBl. I
/04 S. 174), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 26. April 2005 (GVBl. I/05 S. 170) erhoben werden, zur grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung. Nach § 8 Abs. 7 i. V. m.
§ 8 Abs. 4 KAG
entsteht für gemeindeeigene Grundstücke die Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung oder Anlage angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Satzung. Einer Konkretisierung der Beitragspflicht mittels Bescheid bzw.
öffentlich-rechtlichem (subordinationsrechtlichem) Vertrag wie bei § 134 Abs. 1 BauGB bedarf es daher insoweit nicht. Im Anwendungsbereich des KAG kann eine Gemeinde deshalb - anders als im Anwendungsbereich des BauGB - auch ihr eigener Beitragsschuldner sein.
Der fingierte Entstehungszeitpunkt der Beitragspflicht nach § 8 Abs. 7 i. V. m. § 8 Abs. 4 KAG führt dazu, dass die vom Grundstückseigentümer übernommenen Erschließungsbeiträge auf landesrechtlicher Grundlage dann zur grunderwerbsteuerlichen Bemessungsrundlage gehören, wenn die entsprechende Erschließungsanlage im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs bereits fertig gestellt war.
2. Das Grundstück ist im Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs noch nicht erschlossen
Wird ein im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages noch nicht erschlossenes Grundstück als solches zum Gegenstand der zivilrechtlichen Übereignungsverpflichtung gemacht, ist die vom Käufer eingegangene Verpflichtung, die zukünftige Erschließung zu bezahlen, nicht als Teil der Gegenleistung anzusehen, auch wenn sie zusammen mit der Übereignungsverpflichtung beurkundet wird. Die Einbeziehung der Erschließungskosten nach den Grundsätzen zum Erwerb eines Grundstücks im zukünftig bebauten Zustand scheidet wegen des sich aus der öffentlich-rechtlichen Erschließungslast der Gemeinde ergebenden besonderen Charakters der Grundstückserschließung regelmäßig aus (BFH-Urteil vom 15.3.2001, II R 39/99, a. a. O.
). Gleiches gilt für die Erstattung der vom Verkäufer als Vorausleistung oder auf Grund einer Ablösevereinbarung bereits geleisteten Zahlung und für die Übernahme noch bestehender Verpflichtungen.
Soweit eine Gemeinde nach § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB vom Eigentümer eines Grundstücks Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag verlangt bzw.
verlangt hat und diese Vorausleistungslast bei der Veräußerung des Grundstücks vom Veräußerer vertraglich auf den Grundstückserwerber abgewälzt wird, ist darin keine grunderwerbsteuerliche Gegenleistung zu sehen (BFH-Urteile vom 9.5.1979, II R 56/74, BStBl 1979 II, S. 577 und vom 30.1.1985, II R 6/83, BStBl 1985 II, S. 373). Entsprechendes gilt auch für die Übernahme der vom Veräußerer bereits gezahlten Vorausleistungen.
Auch können die Gemeinden nach § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB bereits vor der Entstehung der Beitragspflicht eine Ablösung des Erschließungsbeitrags im Ganzen zulassen. Mit der Ablösung wird die künftige Beitragslast vorweg und abschließend getilgt. Die Vereinbarung über die Ablösung des Erschließungsbeitrags stellt einen öffentlich-rechtlichen (subordinationsrechtlichen) Vertrag dar, der eine künftige Beitragschuld für das jeweilige Grundstück selbst dann ausschließt, wenn das Grundstück später den Eigentümer wechselt.
Übernimmt der Erwerber eines Grundstücks vertraglich die noch nicht erfüllte Verpflichtung des Veräußerers aus einer Ablösungsvereinbarung mit der Gemeinde bzw. erstattet er dem Veräußerer einen von diesem darauf gezahlten Betrag, gehören diese Leistungen nicht zur grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung. Die Pflicht zur Erschließung des Grundstücks (öffentlich-rechtliche Erschließungslast) verbleibt trotz der vom Veräußerer geschlossenen Ablösungsvereinbarung bei der Gemeinde (BFH-Urteil vom 11.2.2004, II R 31/02, BStBl 2004 II, S. 521).
Hat der Verkäufer die Verpflichtung übernommen, das Grundstück im erschlossenen Zustand zu verschaffen, wird das Grundstück in diesem Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs; mit der Folge, dass der auf die Erschließung entfallende Teil des Kaufpreises Gegenleistung für den Erwerb des Grundstücks darstellt. Hat sich dagegen der Verkäufer durch eine weitere, rechtlich selbständige Vereinbarung (Werkvertrag, Geschäftbesorgungsvertrag) neben der Grundstücksübertragung auch selbst zur Durchführung der Erschließung verpflichtet, ist das Entgelt hierfür nicht als Gegenleistung für die Grundstücksübertragung zu behandeln, auch wenn beide Verpflichtungen zusammen beurkundet werden. Für die rechtliche Selbständigkeit beider Verpflichtungen sprechen folgende Indizien (BFH-Urteil vom 9.5.1979, II R 56/74, BStBl 1979 II, S. 577):
zwei selbstständige Geldforderungen
unterschiedliche Leistungspflichten des Veräußerers
selbstständige Fälligkeiten beider Forderungen
rechtliche Unabhängigkeit des Kaufvertrages von der Durchführung der Erschließung.
3. Zweckverbände
Häufig schließen sich Städte und Gemeinden zwecks Erschließung und Planung von Bauvorhaben zu Zweckverbänden zusammen. Ein Zweckverband ist - ebenso wie die an ihm beteiligten Kommunen - eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Nach dem Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit (§ 8 Abs. 1 KGG) gehen das Recht und die Pflicht der an einem Zweckverband beteiligten Kommunen zur Erfüllung der Aufgaben, die dem Zweckverband obliegen, auf ihn über. Der Zweckverband tritt in vollem Umfang in die Rechtsstellung der einzelnen an ihm beteiligten Kommunen ein. Damit ist ein zur Erschließung eines Baugebiets gebildeter Zweckverband berechtigt, sowohl Erschließungsbeiträge nach dem BauGB als auch Beiträge auf landesrechtlicher Grundlage (KAG) zu erheben.
Die zu gemeindeeigenen Grundstücken geltenden Grundsätze gelten dementsprechend auch dann, wenn sich Kommunen zwecks Erschließung zu Zweckverbänden zusammenschließen. Ein Zweckverband ist daher grunderwerbsteuerlich den jeweils an ihm beteiligten Gemeinden gleichzustellen.
Dieser Erlass tritt an die Stelle des Bezugserlasses.
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