Bußgeldkatalog des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen Brandenburg (MASGF) für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten im Sinne des § 121 Abs. 1 Nr. 1 und 6 Sozialgesetzbuch XI (SGB XI)
Bußgeldkatalog des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen Brandenburg (MASGF) für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten im Sinne des § 121 Abs. 1 Nr. 1 und 6 Sozialgesetzbuch XI (SGB XI)
vom 1. September 2004
Ziel des Bußgeldkataloges ist es, eine landeseinheitliche Praxis bei der Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach § 121 Abs.
1 Nr.
1 und 6 SGB XI
sicherzustellen. Er ist aufgestellt worden, um für sehr häufig vorkommende Ordnungswidrigkeiten mit gleich gelagerten Sachverhalten eine weitgehend gleichmäßige Behandlung durchzusetzen. Das entspricht dem in Artikel 3 Grundgesetz verfassungsrechtlich garantierten Gleichbehandlungsgrundsatz.
Nach dem Gesetz zur Umsetzung des Elften Buches Sozialgesetzbuch (Landespflegegesetz) vom 29. Juni 2004, § 6 Abs. 4, nehmen die Landkreise und kreisfreien Städte die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten gemäß § 121 Abs. 1, 3 bis 6 SGB XI als Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung wahr.
Der Bußgeldkatalog ist von den Landkreisen und kreisfreien Städten in Brandenburg mit sofortiger Wirkung als Weisung
für die Durchführung der Bußgeldvorschrift nach § 121 Abs. 1 Nr.
1 und 6 SGB XI in Verbindung mit dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) verbindlich anzuwenden.
1. Bußgeldverfahren und Verwarnungsverfahren
1.1 Bußgeldverfahren
Liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Ordnungswidrigkeit vor, wie z. B.
eine schlüssige Meldung nach § 51 SGB XI, so ist ein Bußgeldverfahren einzuleiten. Hat die/der Betroffene rechtswidrig und vorwerfbar gehandelt, wird ein Bußgeldbescheid erlassen. § 47 Abs. 1 OWiG
bleibt unberührt.
Soweit die Ordnungswidrigkeit im Katalog erwähnt ist, ist von dem dort genannten Bußgeldbetrag als Regelsatz auszugehen. Im Übrigen ist derjenige Bußgeldbetrag zu Grunde zu legen, der für eine vergleichbare im Katalog genannte Ordnungswidrigkeit vorgesehen ist.
Gemäß § 121 Abs. 1 SGB XI kann vorsätzliches oder leichtfertiges Begehen einer Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße belegt werden.
Bei Vorliegen der Bußgeldtatbestände nach § 121 Abs. 1 Nr. 1 und 6 SGB XI ist davon auszugehen, dass der Täter seine Rechtspflicht zum Handeln kannte und er sich in vollem Bewusstsein seiner Rechtspflicht nicht daran gehalten hat. So wird beispielsweise jeder privat Krankenversicherte über seine Pflicht zum Abschluss und zur Aufrechterhaltung eines privaten Pflegeversicherungsvertrages bzw.
vom Zahlungsverzug durch das private Versicherungsunternehmen unterrichtet. Er wird damit in die Lage versetzt, rechtmäßig zu handeln, bevor die Meldefristen der Versicherungsunternehmen nach § 51 Abs. 1 SGB XI gegenüber dem Bundesversicherungsamt in Gang gesetzt werden. Zur Beweisführung ist das Aufforderungsdatum der privaten Versicherungsunternehmen gegenüber dem Versicherten auf den Meldungen an das Bundesversicherungsamt (Formulare B und C) vermerkt.
Deshalb soll bei allen Delikten zunächst von einer Vorsatztat ausgegangen werden. Eine weitergehende Prüfung soll erfolgen, wenn sich im Rahmen des Ermittlungsverfahrens, insbesondere auf Grund der Anhörung, hierfür Anhaltspunkte finden lassen.
1.2 Verwarnungsverfahren
Von der Festsetzung einer Geldbuße kann abgesehen werden, wenn die Bedeutung des Verstoßes oder des Vorwurfes, der den Täter trifft, so gering ist, dass eine Verwarnung nach § 56 Abs. 1 OWiG ausreichend erscheint. Die Erfordernisse des § 56 Abs. 2 OWiG zur Wirksamkeit der Verwarnung sind zu beachten.
2. Höhe der Geldbuße - Regelsätze
2.1 Bußgeldrahmen
Die im Katalog ausgewiesenen Bußgeldbeträge sind Regelsätze für Vorsatztaten. Sie sind grundsätzlich darauf abgestellt, dass nur eine Person von der Ordnungswidrigkeit betroffen ist.
Ausgangspunkt und wesentlichen Anhaltspunkt für die im Katalog ausgewiesenen Regelsätze bildet der in § 121 Abs. 2 SGB XI angedrohte Bußgeldrahmen von bis zu 2.500 Euro.
Im Rahmen der Festsetzung der Regelsätze wurde berücksichtigt, dass das Höchstmaß der Geldbuße für die schwersten Fälle vorgesehen ist, bei denen kein Milderungsgrund besteht.
Bei leichtfertigem Handeln ist § 17 Abs. 2 OWiG zu beachten. Leichtfertigkeit kann im Höchstmaß mit 1.250 Euro geahndet werden. Deshalb soll hier im Regelfall von der Hälfte der Regelsätze für Vorsatztaten ausgegangen werden.
2.2 Grundlagen für die Zumessung der Regelsätze
Der beigefügte Bußgeldkatalog berücksichtigt die in § 17 Abs. 3 und 4 OWiG genannten Grundlagen für die Zumessung der Geldbuße.
Das sind nach Abs. 3 die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft; auch kommen die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters in Betracht.
Nach Abs. 4 soll die Geldbuße den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, übersteigen. Reicht das gesetzliche Höchstmaß hierzu nicht aus, kann es überschritten werden.
Zu a)
Bedeutung der Ordnungswidrigkeit („das Gewicht der Tat“) und der Vorwurf, der den Täter trifft
Das System der Pflegeversicherung wird am stärksten beeinträchtigt, wenn der Pflichtverstoß dazu führt, dass der Täter keinen vertraglichen Anspruch auf Pflegeversicherungsleistungen hat und daher ggf.
der Sozialhilfe zur Last fällt.
Dies ist der Fall, wenn kein Pflegeversicherungsvertrag abgeschlossen bzw. eine bestehende Pflegeversicherung nicht aufrechterhalten wird und somit kein Versicherungsschutz besteht.
Regelmäßig ebenso schwerwiegend ist es zu bewerten, wenn der Täter dauerhaft oder über einen längeren Zeitraum hinweg keine Prämien entrichtet hat. Auch dies ist in der Regel als Ausdruck einer grundsätzlichen Verweigerungshaltung anzusehen.
Für das private Versicherungsunternehmen besteht nach § 110 Abs. 4 SGB XI dann zwar nicht die Möglichkeit, den Versicherungsvertrag zu kündigen, es kann jedoch für den Zeitraum, in dem der Versicherte keine Prämie entrichtet, die Leistung verweigern. Praktisch verhalten sich die Versicherungsunternehmen jedoch so, in dem sie bei Eintreten der Pflegebedürftigkeit während des Prämienverzuges die Leistungen übernehmen und davon die rückständigen Beiträge einbehalten (Verrechnungsprinzip).
Als weniger schwerwiegend ist einzuschätzen, wenn einmalig ein Prämienverzug über sechs Monate entsteht. Das gleiche gilt für Fälle, in denen verspätet bzw. unregelmäßige Zahlungen erfolgen. Hier ist davon auszugehen, dass der Täter grundsätzlich die Notwendigkeit einer Pflegeversicherung anerkennt und bemüht ist, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen.
Den Regelsätzen im Bußgeldkatalog liegen durchschnittliche wirtschaftliche Verhältnisse als Bemessungsfaktor zugrunde, siehe 2.3 d).
Zu b)
Der wirtschaftliche Vorteil, den der Täter aus der Tat gezogen hat
Von grundsätzlicher Bedeutung ist auch die Frage, ob der Täter, der keine Versicherung abgeschlossen hat bzw. mit den Prämien im Rückstand ist, einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt hat. Nach dem Gesetz soll die Geldbuße diesen Vorteil übersteigen.
Der persönliche wirtschaftliche Vorteil bestimmt in der Regel die untere Grenze der Geldbuße. Über den gezogenen Vorteil hinaus ist dann die Geldbuße festzusetzen, die der Täter als zusätzliche geldliche Einbuße empfinden muss.
Der Gesichtspunkt des individuellen wirtschaftlichen Vorteils ist aus folgenden Gründen bei der Festsetzung der Regelsätze vernachlässigt worden:
Ein wirtschaftlicher Vorteil läge vor, wenn bei Nichtabschluss des Pflegeversicherungsvertrages bzw. bei Prämienrückständen die Versicherungsunternehmen Prämien für die Vergangenheit nicht mehr einfordern könnten oder darauf verzichten würden. Das ist nicht der Fall; alle privaten Versicherungsunternehmen erheben rückwirkend Beiträge.
Es ist daher prinzipiell davon auszugehen, dass säumigen Prämienschuldnern, auch bei verspätetem Neuabschluss des Pflegeversicherungsvertrages kein wirtschaftlicher Vorteil entsteht. Eventuelle Zinsvorteile sind in diesem Zusammenhang aus Praktikabilitätsgründen nicht zu berücksichtigen.
Ausnahme:
Prämienrückstand bei Kündigung des Pflegeversicherungsvertrages
Klageverzicht des Versicherungsunternehmens bei nicht freiwilliger Zahlung
Wird der private Pflegeversicherungsvertrag vom Versicherten gekündigt und bestehen noch Beitragsrückstände aus diesem Vertragsverhältnis, werden die rückständigen Beiträge in der Regel nicht beigetrieben, so sie der vormals Versicherte nicht freiwillig zahlt. Das hat nach Auskunft des Bundesverbandes der privaten Krankenversicherung folgenden Grund:
Die Versicherungsunternehmen müssen beim Sozialgericht klagen und in jedem Fall, unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits, eine Pauschgebühr gemäß § 184 Sozialgerichtsgesetz entrichten. Im Verhältnis zu den nachzuzahlenden Beiträgen ist der Klageweg in diesen Fällen für das Versicherungsunternehmen ein unwirtschaftliches Unterfangen.
Hier entsteht für den nicht mehr Versicherten ein wirtschaftlicher Vorteil, so dass nach Klärung mit dem Versicherungsunternehmen die Geldbuße den wirtschaftlichen Vorteil übersteigend festgesetzt werden muss.
2.3 Die Höhe der Geldbußen in der Tabelle orientiert sich an folgenden Kriterien:
Berücksichtigung der Schwere der Tat
Persönliche bzw. wirtschaftliche Situation des Täters
Verhalten des Täters
Gleichbehandlungsgrundsatz, daher gleiche Geldbuße für das gleiche Delikt
Zu a):
Die Berücksichtigung der Schwere des Delikts wird erreicht, in dem unter Beachtung des Bußgeldrahmens im SGB XI ein fiktiver durchschnittlicher Monatsbeitrag in der gesetzlichen Pflegeversicherung je nach Tatbestand vervielfacht als Geldbuße erhoben wird.
Zu b):
Die persönliche und wirtschaftliche Situation des Täters soll berücksichtigt werden, wenn bekannt ist, dass es dem Täter wirtschaftlich außergewöhnlich schlecht oder gut geht.
Allein der Hinweis auf beispielsweise die Insolvenz des Täters, auf Schulden oder auf Arbeitslosigkeit reicht nicht und ist in der Regel kein Grund, von den Regelsätzen abzuweichen. Hier kann nicht zwingend davon ausgegangen werden, dass der Täter vermögenslos ist; auch kann sich das Einkommen des Ehepartners auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters auswirken.
Ein Minderungsgrund wird daher erst dann vorliegen, wenn der Täter darlegt, dass er in seiner Existenz gefährdet ist. Das kann der Fall sein, wenn ihm nach Zahlung der monatlich festgesetzten Bußgeld-Raten nur ein Betrag verbleibt, der den Mindestregelsatz für die Sozialhilfe unterschreitet. In diesen Fällen erscheint ein Abzug von den Regelsätzen entsprechend der Tabelle angemessen, dies ungeachtet einer konkreten Prüfung im Einzelfall.
Bei Empfängern von Sozialhilfe oder Arbeitslosenhilfe (ab 2005 von Beziehern des Arbeitslosengeldes II) ist von außergewöhnlich schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen auszugehen und die Vorlage der Leistungsbescheide als Nachweis für eine Minderung der Geldbuße ausreichend.
Zu c):
Auf die besonderen Umstände in der Person des Täters kommt es deshalb an, weil sie den Grad seines vorwerfbaren Handelns bestimmen, also vergrößern oder mildern.
Sofern sich der Täter hinsichtlich seines Deliktes einsichtig zeigt und er aus eigener Initiative Schritte zur Bereinigung der Situation einleitet, wirkt sich dies bußgeldmindernd entsprechend der Tabelle aus. Das können beispielsweise die Begleichung der rückständigen Prämien bzw. Neuabschluss eines gekündigten Pflegeversicherungsvertrages
vor der Anhörung
oder Ratenzahlungsvereinbarungen sein.
Zu d):
Dem Grundsatz der Gleichbehandlung wird dadurch Rechnung getragen, dass die zu verhängenden Geldbußen sich
nicht
an den Höhen der jeweiligen privaten Versicherungsprämien orientieren. Ein solches Vorgehen hätte zur Konsequenz, dass ein älterer Versicherter bei gleichem Tatbestand eine höhere Geldbuße zahlen müsste als ein jüngerer Versicherter, da die privaten Versicherungsunternehmen innerhalb eines gesetzlich vorgegebenen Rahmens ihre Prämien unter anderem nach dem Alter staffeln.
Deshalb wurde ein fiktiver durchschnittlicher Monatsbeitrag in der gesetzlichen Pflegeversicherung als Bußgeld-Grundbetrag angenommen.
Dieser beträgt 1,7 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße (Ost) in der Sozialversicherung für 2004 nach § 18 SGB IV
in Verbindung mit der Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2004 * auf den vollen Eurobetrag gerundet.
Die Bezugsgröße beträgt für 2004 in den neuen Ländern monatlich 2.030 Euro x 1,7 % = 34,51 Euro, rund 35 Euro (Grundbetrag).
Die Regelsätze im Bußgeldkatalog sind nach jedem Erscheinen der neuen Bezugsgröße für die Sozialversicherung im Bundesgesetzblatt entsprechend anzupassen.
Die beigefügte Bußgeldtabelle ist nicht als abschließend zu betrachten. Vielmehr können individuell auch andere Fallkonstellationen auftreten, die jeweils Berücksichtigung finden müssen.
Abweichungen von den Regelsätzen sind in den Akten jeweils besonders zu begründen.
3. Rechtsfolgen beim Vorliegen von Dauerordnungswidrigkeiten
Eine Dauerordnungswidrigkeit liegt vor, wenn der Täter den von ihm durch die Verwirklichung des Bußgeldtatbestands geschaffenen rechtswidrigen Zustand willentlich oder unbewusst über einen gewissen Zeitraum aufrechterhält, so dass sich der Vorwurf sowohl auf die Herbeiführung als auch auf die Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustands bezieht.
Beispiele
Der Täter hat den Bußgeldtatbestand des § 121 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI dadurch verwirklicht, dass er beim Abschluss einer privaten Krankenversicherung auf den gesetzlich vorgeschriebenen zeitgleichen Abschluss eines Pflegeversicherungsvertrages verzichtet oder einen bestehenden Vertrag nicht aufrechterhält. Der rechtswidrige Zustand wird fortgeführt, bis der Betroffene die Pflicht zum Abschluss eines Pflegeversicherungsvertrages erfüllt. Es liegt eine Dauerordnungswidrigkeit, das heißt, eine rechtliche Handlungseinheit, vor. Es ist somit Tateinheit (§ 19 OWiG) gegeben.
Rechtsfolge:
Es ist nur eine Geldbuße festzusetzen.
Sie soll nach der Tabelle entsprechend der Dauer des rechtswidrigen Zustandes festgesetzt werden.
Eine Unterbrechung dieser Dauerordnungswidrigkeit tritt, so ein Vertrag zwischenzeitlich nicht abgeschlossen wurde, erst mit rechtskräftigem Bußgeldbescheid ein. Unterlässt der ordnungswidrig Handelnde auch danach die vorgeschriebene Handlung, so wird ein neuer Ordnungswidrigkeitentatbestand geschaffen, der für sich zu verfolgen und zu ahnden ist.
Dieser ist als wiederholter Verstoß entsprechend der Tabelle zu ahnden.
Der Täter hat den Bußgeldtatbestand des § 121 Abs. 1 Nr. 6 SGB XI verwirklicht, indem er mit 6 Monatsraten in Verzug geraten ist. Der rechtswidrige Zustand dauert fort, bis er die Prämien für diesen Zeitraum nachzahlt. Bezogen auf die 6 Monate liegt eine Dauerordnungswidrigkeit als eine rechtliche Handlungseinheit vor, die erst beendet ist, wenn der Täter für diesen Zeitraum nachzahlt. Es ist somit Tateinheit (§ 19 OWiG) gegeben.
Rechtsfolge:
Es ist nur eine Geldbuße festzusetzen.
Der Täter verwirklicht mehrfach den Bußgeldtatbestand des § 121 Abs. 1 Nr. 6 SGB XI, indem er mehrmals ohne zeitliche Unterbrechung mit der Entrichtung von je 6 Monatsprämien in Verzug gerät. Jeder sechsmonatige Prämienverzug stellt eine Dauerordnungswidrigkeit als rechtliche Handlungseinheit dar, die gesondert zu behandeln und zu ahnden ist. Mehrere solcher Dauerordnungswidrigkeiten stehen zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 20 OWiG) * .
Rechtsfolge:
Für jeden sechsmonatigen Prämienverzug ist eine gesonderte Geldbuße durch gesonderten Bescheid festzusetzen. Sofern nur ein Bescheid erfolgt, sind die Geldbußen für jeden sechsmonatigen Prämienverzug gesondert auszuweisen (Kumulationsprinzip).
Für jede erneute Zuwiderhandlung ist die Geldbuße entsprechend der Tabelle zu erhöhen.
4. Höchstmaß der Geldbußen
4.1 Der in § 121 Abs. 2 SGB XI als Geldbuße angedrohte Höchstbetrag von 2.500 Euro darf nur bei Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils überschritten werden. Das Höchstmaß der Geldbuße darf jedoch in diesen Fällen nicht höher sein als der wirtschaftliche Vorteil zuzüglich des angedrohten Höchstmaßes der Geldbuße.
4.2 Der angedrohte Höchstbetrag darf darüber hinaus auch durch die sich bei Tatmehrheit ergebende Summe der Einzelbeträge überschritten werden.
Im Fall der Tatmehrheit sind getrennt für die einzelnen Ordnungswidrigkeiten Geldbußen nach der Tabelle festzusetzen. Die im Gesetz festgelegte Höchstgrenze einer Geldbuße bezieht sich jeweils nur auf die einzelne Geldbuße, jedoch nicht auf den Gesamtbetrag.
5. Abgabe an die Staatsanwaltschaft
5.1 Die Verwaltungsbehörde hat die Sache an die zuständige Staatsanwaltschaft abzugeben, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die zu verfolgende Handlung eine Straftat ist (§ 41 Abs. 1 OWiG).
5.2 Eine Sache ist auch dann als Straftat zu behandeln und damit an die Staatsanwaltschaft abzugeben, wenn durch ein und dieselbe Handlung (Tateinheit) oder durch mehrere Handlungen innerhalb eines einheitlichen Ereignisses (Verknüpfung mehrerer Handlungen in einem einheitlichen Lebensvorgang) sowohl der Tatbestand einer Straftat als auch einer Ordnungswidrigkeit verwirklicht wird (§ 21 Abs. 1 OWiG).
5.3 Wird eine tateinheitliche Straftat von der Staatsanwaltschaft nicht verfolgt, kann die tateinheitliche Ordnungswidrigkeit von der Verwaltungsbehörde verfolgt werden (§ 21 Abs. 2 OWiG).
6. Einstellung des Verfahrens
Bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten gilt grundsätzlich das Opportunitätsprinzip nach § 47 OWiG. Die Vollstreckungsbehörde entscheidet über die Einstellung des Verfahrens nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei sind die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Zweck, der mit der Festlegung der Geldbuße verfolgt wird, zu berücksichtigen. Das pflichtgemäße Ermessen verbietet ein willkürliches Handeln. Sachfremde Erwägungen, wie z. B. die Stellung oder das Ansehen des Betroffenen, dürfen nicht zur Einstellung führen.
Nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten kann eine Abwägung vorgenommen werden, ob der Ermittlungsaufwand in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der erstrebten Zielsetzung der gesetzlichen Regelungen steht. Dabei spielt im Ordnungswidrigkeitenrecht weniger der Sühnegedanke eine Rolle. Vielmehr geht es darum, präventiv die Erhaltung der Rechtsordnung sicherzustellen.
Eine Einstellung kommt daher in Betracht, wenn bei einer unklaren Sachlage die genaue Aufklärung mit Schwierigkeiten verbunden ist. Gleiches gilt bei einer komplizierten Rechtslage. Dem Sinn des Bußgeldverfahrens widerspricht es, schwierige Zweifelsfragen im Hinblick auf Tatbestands-Verwirklichung, Rechtswidrigkeit sowie Vorwerfbarkeit bis ins Letzte zu durchleuchten. Vielfach erscheint es daher sinnvoll, den Grundsatz „im Zweifel für den Betroffenen“ anzuwenden und zu dessen Gunsten die geringere Variante, z. B. Leichtfertigkeit statt Vorsatz in den Irrtumsfällen des § 11 OWiG, anzuwenden.
Das Verfahren kann ferner eingestellt werden, wenn abzusehen ist, dass die Ermittlungen nur noch mit unverhältnismäßigem Aufwand zu einem Ermittlungserfolg führen, z. B. der Betroffene ist ins Ausland verzogen; Adresse ist unbekannt.
Kein Grund für ein Absehen von der Verfolgung sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen. Diese können nur bei der individuellen Zumessung der Geldbuße mindernd berücksichtigt werden. Insbesondere kann es keine Rolle spielen, dass die Durchsetzung der Geldbuße wegen möglicher Zahlungsunfähigkeit des Täters auf Schwierigkeiten stoßen wird. Hier gelten die Grundsätze der Vollstreckung nach §§ 89 ff.
OWiG.
* Bundesgesetzblatt 2003 Teil I Nr. 59 S. 2497, § 2
* Zur Definition Dauerordnungswidrigkeit im Sinne von Tatmehrheit siehe beigefügten Beschluss des Bayrischen Oberlandesgerichtes vom 26.10.1994 - 3 ObOWi 73/94 zur Nichtzahlung von Rundfunkgebühren.
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