Ausführung des Übereinkommens vom 21. März 1983 über die Überstellung verurteilter Personen und des Zusatzprotokolls vom 18. Dezember 1997
Ausführung des Übereinkommens vom 21. März 1983 über die Überstellung verurteilter Personen und des Zusatzprotokolls vom 18. Dezember 1997
vom 3. Juli 2008
Bezug:
Erlass des Ministeriums der Justiz vom 19. März 1992 (9510 - III.1)
I. Allgemeines
1. Rechtsgrundlagen
Das Übereinkommen vom 21. März 1983 über die Überstellung verurteilter Personen (Übereinkommen, BGBl.
1991 II S. 1007) ist am 1. Februar 1992 in Kraft getreten.
Es gilt im Verhältnis zu folgenden Mitgliedstaaten des Europarates:
Albanien, Andorra, Armenien, Aserbaidschan, Belgien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Dänemark, Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, Estland, Finnland, Frankreich, Georgien, Griechenland, Irland, Island, Italien, Kroatien, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Malta, Moldawien, Montenegro, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Russland, San Marino, Schweden, Schweiz, Serbien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Türkei, Ukraine, Ungarn, Vereinigtes Königreich und Zypern (Stand: Januar 2008).
Es gilt im Verhältnis zu folgenden Nichtmitgliedstaaten des Europarates:
Australien, Bahamas, Bolivien, Chile, Costa Rica, Ecuador, Israel, Japan, Kanada, Korea, Mauritius, Mexiko, Panama, Tonga, Trinidad und Tobago, Venezuela und Vereinigte Staaten von Amerika (Stand: Januar 2008).
Die von der Bundesrepublik Deutschland und anderen Vertragsstaaten abgegebenen Erklärungen und Vorbehalte sind mit der Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Übereinkommens über die Überstellung verurteilter Personen vom 19. Dezember 1991 (BGBl. 1992 II S. 98) veröffentlicht worden.
Das Zusatzprotokoll vom 18. Dezember 1997 zu dem Überstellungsüberkommen (Zusatzprotokoll, BGBl. 2002 II S. 2866) ist für Deutschland am 1. August 2007 in Kraft getreten. Es findet Anwendung im Verhältnis zu Belgien, Bulgarien, Dänemark, Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, Estland, Finnland, Frankreich, Georgien, Griechenland, Irland, Island, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Malta, Moldawien, Montenegro, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Rumänien, Russland, San Marino, Schweden, Schweiz, Serbien, Tschechische Republik, Ukraine, Ungarn und Zypern (Stand: Januar 2008).
Der jeweilige Ratifikationsstand des Übereinkommens und des Zusatzprotokolls ist im Internet unter www.conventions.coe.int unter „Verträge", SEV-Nummer 112 (Übereinkommen) bzw.
SEV-Nummer 167 (Zusatzprotokoll), abrufbar.
Das Verfahren nach dem Überstellungsübereinkommen und dem Zusatzprotokoll richtet sich, soweit nicht in dem am 1. Februar 1992 in Kraft getretenen Gesetz zur Ausführung dieses Übereinkommens (ÜAG, BGBl. 1991 I S. 1954) etwas anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG). Das ÜAG und das IRG sind im Hinblick auf die Ratifizierung des Zusatzprotokolls zum Überstellungsübereinkommen durch Gesetz vom 17. Dezember 2006 ( BGBl. I
S. 3175) mit Wirkung zum 1. August 2007 geändert worden.
2. Zuständigkeit
Für die Entscheidung über eine Überstellung ist das Ministerium der Justiz zuständig. Die Bundesregierung hat die Ausübung der ihr zustehenden Befugnis den Landesregierungen übertragen (deutsche Erklärung zu Artikel 5 Abs.
3 des Übereinkommens in Verbindung mit Nummer 2b und 3b der Zuständigkeitsvereinbarung vom 28. April 2004). Die Regierung des Landes Brandenburg hat die Ausübung der ihr übertragenen Befugnis weiter auf das Ministerium der Justiz übertragen.
Soweit ein ausländischer Staat erklärt hat, dass der diplomatische Geschäftsweg einzuhalten ist, entscheidet die Bundesregierung.
3. Übereinkommen vom 21. März 1983 über die Überstellung verurteilter Personen
Nach dem Übereinkommen kann eine verurteilte Person auf ihren Wunsch zum Vollzug der gegen sie verhängten Sanktion in ihren Heimatstaat überstellt werden. Dem Übereinkommen gehören nicht nur Mitglieder des Europarates an. Das Übereinkommen regelt jedoch nur die Beziehung zwischen den Vertragsstaaten. Der verurteilten Person erwachsen hieraus keine subjektiven Rechte ( vgl.
die deutsche Erklärung zu Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des Übereinkommens).
4. Zusatzprotokoll vom 18. Dezember 1997
Nach Inkrafttreten des Zusatzprotokolls für Deutschland am 1. August 2007 ist die Überstellung einer verurteilten Person in ihren Heimatstaat zur weiteren Strafvollstreckung auch gegen ihren Willen möglich. Eine Überstellung gegen den Willen einer verurteilten Person kann dann erfolgen, wenn der Heimatstaat das Zusatzprotokoll vom 18. Dezember 1997 ratifiziert hat, eine bestandskräftige Ausweisungs- oder Abschiebeverfügung vorliegt und das Oberlandesgericht die Vollstreckung im Heimatstaat für zulässig erklärt hat.
Artikel 2 des Zusatzprotokolls betrifft die Übernahme der Strafvollstreckung, wenn sich die verurteilte Person der Strafvollstreckung durch Flucht in den Heimatstaat entzogen hat.
Artikel 3 des Zusatzprotokolls regelt die Übertragung der Strafvollstreckung einer noch im Urteilsstaat befindlichen verurteilten Person, gegen die eine vollziehbare Ausweisungsanordnung vorliegt.
II. Vollstreckung deutscher Urteile im Ausland
1. Allgemeines
Ziel des Übereinkommens und des Zusatzprotokolls ist es, die soziale Wiedereingliederung verurteilter Ausländer durch eine Verbüßung der gegen sie verhängten Sanktionen in ihrer Heimat zu fördern. Die Frage der Resozialisierung der verurteilten Personen ist für die Überstellung jedoch nicht allein ausschlaggebend, zu berücksichtigen sind vielmehr auch die Interessen der Rechtspflege. Dementsprechend ist bei der Entscheidung über die Überstellung von verurteilten Personen in jedem Einzelfall eine Interessensabwägung auf der Grundlage aller Strafzwecke unter Berücksichtigung der Resozialisierungsgesichtspunkte zu treffen (vgl. deutsche Erklärung zum Übereinkommen insgesamt). Insbesondere general- und spezialpräventive Gesichtspunkte können der Überstellung eines ausländischen Straftäters in sein Heimatland entgegenstehen.
2. Unterrichtung der verurteilten Person (Artikel 4 Abs. 1 des Übereinkommens)
Jede verurteilte Person, auf die das Übereinkommen Anwendung finden kann, ist von dem wesentlichen Inhalt des Übereinkommens zu unterrichten. Zu diesem Zweck ist ihr bei Beginn der Strafhaft durch die Justizvollzugsanstalt das entsprechende Merkblatt auszuhändigen.
Das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie ist gebeten worden zu veranlassen, dass die im Maßregelvollzug untergebrachten Personen ebenfalls in geeigneter Weise über den wesentlichen Inhalt des Übereinkommens unterrichtet werden.
3. Behandlung von Gesuchen um Überstellung (Artikel 4 Abs. 2 des Übereinkommens)
Gesuche verurteilter Personen auf Überstellung in einen ausländischen Staat sind wie folgt zu behandeln:
3.1. Geht das Gesuch bei der Justizvollzugsanstalt ein, in der sich die verurteilte Person befindet, so leitet diese das Gesuch mit einer Stellungnahme der Vollstreckungsbehörde zu. Die Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt soll Hinweise über die Anschrift der verurteilten Person im Vollstreckungsstaat, ihre sozialen Bindungen, ihre Führung in der Justizvollzugsanstalt und ähnliche besondere Erkenntnisse enthalten; andere Ermittlungs- oder Strafverfahren, die der Justizvollzugsanstalt bekannt sind, sind in der Stellungnahme mitzuteilen. Werden nachträglich solche Verfahren bekannt, ist die Vollstreckungsbehörde unverzüglich zu unterrichten.
Eine Stellungnahme ist nicht erforderlich, wenn erkennbar ist, dass das Übereinkommen auf die verurteilte Person keine Anwendung findet.
3.2. Geht das Gesuch bei der Vollstreckungsbehörde ein, holt diese die Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt (vgl. Ziffer II.3.1) ein, sofern nicht erkennbar ist, dass das Übereinkommen auf die verurteilte Person keine Anwendung findet.
3.3. Nach Eingang der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt berichtet die Vollstreckungsbehörde auf dem Dienstweg.
3.3.1. Der Bericht soll enthalten:
möglichst genaue Personalien der verurteilten Person (Name, Geburtsdatum, Geburtsort und Staatsangehörigkeit, letzter Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthaltsort im Vollstreckungsstaat, Familienstand, Anzahl der Kinder, Wohnsitz der Familienangehörigen);
das Ergebnis der Prüfung deutscher Strafansprüche (vgl. Nummer 107 RiVASt);
die Stellungnahme der Vollstreckungsbehörde zu dem Gesuch.
In der Stellungnahme ist insbesondere auch unter Berücksichtigung spezial- und generalpräventiver Aspekte darauf einzugehen, ob eine Überstellung der verurteilten Person in ihr Heimatland angezeigt erscheint und ob Gründe vorliegen, aus denen sich das Interesse der verurteilten Person an einer Vollstreckung in dem ausländischen Staat ergibt. Ferner ist zu dem Zeitpunkt, zu dem eine Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung oder eine Entscheidung nach § 456a StPO
(vgl. Ziffer IV) in Betracht käme, Stellung zu nehmen.
3.3.2. Dem Bericht sind beizufügen:
das Gesuch der verurteilten Person;
die Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt;
eine Bescheinigung, aus der der Stand der Strafvollstreckung zu entnehmen ist, einschließlich der Angaben über Untersuchungshaft, Strafermäßigungen und alle weiteren für die Vollstreckung der Sanktion wesentlichen Umstände (Artikel 6 Abs. 2b des Übereinkommens);
ein aktueller Auszug aus dem Bundeszentralregister;
das Vollstreckungsheft;
eine Abschrift der zu vollstreckenden Entscheidung.
3.3.3. Der Bericht ist dem Ministerium der Justiz über den Generalstaatsanwalt in einfacher Fertigung vorzulegen.
3.4. Die Vollstreckungsbehörde veranlasst, dass die jeweiligen Entscheidungen im Rahmen des Überstellungsverfahrens der verurteilten Person bekannt gegeben werden.
3.5. Verkürzte Berichterstattung
3.5.1. Bei offensichtlich aussichtslosen Überstellungsgesuchen bedarf es abweichend von Ziffern II.3.1 und II.3.2 sowie II.3.3.2 Buchstabe b keiner Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt.
Offensichtlich aussichtslos sind Überstellungsgesuche regelmäßig, sofern bei Eingang des Gesuchs lediglich noch ein Zeitraum von weniger als neun Monaten zu verbüßen ist. In diesen Fällen ist beschleunigt zu berichten. Es soll lediglich kurz zur offensichtlichen Aussichtslosigkeit des Überstellungsgesuchs Stellung genommen werden.
3.5.2. Ist in etwa neun Monaten ab dem Zeitpunkt des Eingangs des Gesuchs eine positive Entscheidung nach § 456a StPO zu erwarten, so kann auch in einem solchen Fall auf die Einholung einer Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt verzichtet werden, da die Durchführung eines Überstellungsverfahrens in der Regel mehr Zeit beansprucht. Auch in diesem Fall genügt im Erstbericht eine kurze Stellungnahme der Vollstreckungsbehörde.
4. Stellung des Ersuchens (Artikel 5 und 6 des Übereinkommens)
4.1. Teilt das Ministerium der Justiz mit, dass ein Überstellungsersuchen gestellt werden wird, veranlasst die Vollstreckungsbehörde, dass die verurteilte Person ihre Zustimmungserklärung gemäß § 3 ÜAG vor dem zuständigen Rechtshilferichter (§ 77 IRG, § 157 GVG
) abgibt. Sodann sind ergänzend die folgenden Unterlagen in zweifacher Fertigung vorzulegen (vgl. Artikel 6 Abs. 2 des Übereinkommens):
eine beglaubigte Abschrift des zu vollstreckenden Erkenntnisses (gegebenenfalls auch der einbezogenen Entscheidung), verbunden mit einer Bescheinigung über die angewendeten Rechtsvorschriften;
eine beglaubigte Abschrift der Niederschrift der richterlichen Anhörung;
eine Bescheinigung, aus der der Stand der Strafvollstreckung zu entnehmen ist, einschließlich der Angaben über Untersuchungshaft, Strafermäßigungen und alle weiteren für die Vollstreckung der Sanktion wesentlichen Umstände (Artikel 6 Abs. 2b des Übereinkommens);
gegebenenfalls Berichte von Ärzten oder Sozialarbeitern über die verurteilte Person, Mitteilungen über ihre Behandlung im Urteilsstaat und Empfehlungen für ihre weitere Behandlung im Vollstreckungsstaat (Artikel 6 Abs. 2d des Übereinkommens).
Der Begleitbericht hat ferner Vorschläge zum Vollzug der Überstellung entsprechend Nummer 91 Abs. 1e bis g RiVASt
zu enthalten.
Dem Bericht sind Übersetzungen - soweit erforderlich - beizufügen.
Eine gerichtliche Entscheidung ist nicht erforderlich (§ 2 Abs. 1 ÜAG); die Nummern 109 bis 111 RiVASt finden daher keine Anwendung.
4.2. Nach der Berichterstattung gemäß Ziffer II.4.1 eintretende, für das Überstellungsverfahren relevante Umstände sind von der Vollstreckungsbehörde dem Ministerium der Justiz auf dem Dienstweg zu berichten.
4.3. Nach Eingang der Bewilligung der Vollstreckungshilfe durch den ausländischen Staat beantragt die Vollstreckungsbehörde beim zuständigen Gericht eine Festhalteanordnung und veranlasst sodann die Belehrung der verurteilten Person sowie die Ausschreibung zur Festnahme (§ 6 ÜAG). Ferner leitet sie die Überstellung in die Wege (vgl. Nummer 113 RiVASt). Über den Vollzug der Überstellung ist dem Ministerium der Justiz auf dem Dienstweg zu berichten.
Die deutschen Behörden tragen nur die Kosten, die bis zur Beförderung an die Grenze oder zu einem deutschen Flughafen entstehen (Artikel 17 Abs. 5 des Übereinkommens).
5. Überstellung auf der Grundlage des Zusatzprotokolls (Artikel 3 Zusatzprotokoll)
Bei Überstellungen auf der Grundlage des Zusatzprotokolls ist wie folgt zu verfahren:
5.1. Die Vollstreckungsbehörde trifft eine Vorauswahl der in Betracht kommenden Personen nach folgenden Kriterien:
Der Heimatstaat der verurteilten Person hat das Zusatzprotokoll ratifiziert.
Es liegt eine bestandskräftige Ausweisungs- oder Abschiebungsverfügung der Ausländerbehörde vor.
Bis zu einer Sachbehandlung gemäß § 456a StPO bzw. bis zum Zweidrittelzeitpunkt sind noch mindestens zwei Jahre Freiheitsentzug (Freiheitsstrafe und/oder freiheitsentziehende Maßregel) zu vollstrecken.
Eine Überstellung erscheint nicht von vornherein aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ausgeschlossen.
5.2. Zu jeder verurteilten Person, die die Kriterien nach Ziffer II.5.1 erfüllt, holt die Vollstreckungsbehörde eine Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt ein. Die Stellungnahme soll Hinweise über die Anschrift der verurteilten Person im Heimatstaat, ihre sozialen Bindungen, ihre Führung in der Justizvollzugsanstalt und ähnliche besondere Erkenntnisse enthalten; andere Ermittlungs- oder Strafverfahren, die der Justizvollzugsanstalt bekannt sind, sind in der Stellungnahme ebenfalls mitzuteilen.
5.3. Die Justizvollzugsanstalt soll außerdem die verurteilte Person, die die Kriterien nach Ziffer II.5.1 erfüllt, darauf hinweisen, dass die Voraussetzungen für eine Überstellung ohne Zustimmung vorliegen, und sie befragen, ob sie nunmehr bereit ist, ihrer Überstellung freiwillig zuzustimmen.
5.4. Stimmt die verurteilte Person einer Überstellung zu, bestimmt sich das weitere Verfahren nach den Ziffern II.3 und II.4.
5.5. Stimmt die verurteilte Person der Überstellung nicht zu, berichtet die Vollstreckungsbehörde nach Eingang der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt dem Ministerium der Justiz auf dem Dienstweg.
5.5.1. Der Bericht (zweifach) soll enthalten:
möglichst genaue Personalien der verurteilten Person (Name, Geburtsdatum, Geburtsort und Staatsangehörigkeit, letzter Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthaltsort im Vollstreckungsstaat, Familienstand, Anzahl der Kinder, Wohnsitz der Familienangehörigen);
das Ergebnis der Prüfung deutscher Strafansprüche (vgl. Nummer 107 RiVASt),
eine Stellungnahme der Vollstreckungsbehörde - insbesondere unter Berücksichtigung spezial- und generalpräventiver Aspekte - zur Frage, ob eine Überstellung der verurteilten Person in ihr Heimatland angezeigt erscheint und ob Gründe vorliegen, aus denen sich ein Interesse der verurteilten Person an einer Vollstreckung in dem ausländischen Staat ergibt;
den Zeitpunkt, zu dem eine Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung oder eine Entscheidung nach § 456a StPO (vgl. Ziffer IV) in Betracht käme;
Vorschläge zum Vollzug der Überstellung entsprechend Nummer 91 Abs. 1e bis g RiVASt.
5.5.2. Dem Bericht sind beizufügen:
die Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt (zweifach);
ein aktueller Auszug aus dem Bundeszentralregister (zweifach);
das Vollstreckungsheft;
eine beglaubigte Abschrift des zu vollstreckenden Erkenntnisses (gegebenenfalls auch der einbezogenen), verbunden mit einer Bescheinigung über die angewendeten Rechtsvorschriften (vierfach);
eine Bescheinigung, aus der der Stand der Vollstreckung zu entnehmen ist, einschließlich der Angaben über Untersuchungshaft, Strafermäßigungen und alle weiteren für die Vollstreckung der Sanktion wesentlichen Umstände (Artikel 6 Abs. 2b des Übereinkommens, vierfach);
gegebenenfalls Berichte von Ärzten oder Sozialarbeitern über die verurteilte Person, Mitteilungen über ihre Behandlung im Urteilsstaat und Empfehlungen für ihre weitere Behandlung im Vollstreckungsstaat (Artikel 6 Abs. 2d des Übereinkommens, vierfach);
eine beglaubigte Abschrift der bestandskräftigen Ausweisungs- bzw. Abschiebeverfügung (Artikel 3 Abs. 3b des Zusatzprotokolls, vierfach).
5.6. Nachträglich eintretende, für das Überstellungsverfahren relevante Umstände, sind von der Vollstreckungsbehörde dem Ministerium der Justiz auf dem Dienstweg zu berichten.
5.7. Teilt das Ministerium der Justiz dem Generalstaatsanwalt mit, dass ein Überstellungsersuchen beabsichtigt ist, führt er die Zulässigkeitsentscheidung durch das Oberlandesgericht herbei. Gemäß § 2 Abs. 2 ÜAG ist bei einem Vollstreckungsersuchen nach Artikel 3 des Zusatzprotokolls die gerichtliche Entscheidung gemäß § 71 Abs. 4 IRG erforderlich. Für dieses gerichtliche Exequaturverfahren ist gemäß § 71 Abs. 4 IRG n. F. das Oberlandesgericht zuständig. Korrespondierend hierzu ist die Zuständigkeit für das Überstellungsverfahren der Generalstaatsanwaltschaft übertragen worden (§ 71 Abs. 4 IRG n. F.).
5.7.1. Erklärt das Oberlandesgericht die Überstellung für unzulässig, ist dem Ministerium der Justiz mit einer Abschrift der gerichtlichen Entscheidung zu berichten. Das Vollstreckungsheft ist mit einer Abschrift der gerichtlichen Entscheidung der zuständigen Vollstreckungsbehörde zurückzuleiten.
5.7.2. Wird die Überstellung durch das Oberlandesgericht für zulässig erklärt, legt der Generalstaatsanwalt das Vollstreckungsheft mit je drei beglaubigten Mehrfertigungen der Niederschrift der richterlichen Anhörung und des Beschlusses des Oberlandesgerichts dem Ministerium der Justiz vor.
5.8. Nach Eingang der Bewilligung der Vollstreckungshilfe durch den ausländischen Staat veranlasst der Generalstaatsanwalt unter Übersendung einer Abschrift der Bewilligungsentscheidung unverzüglich unmittelbar bei der Vollstreckungsbehörde die Beantragung einer Festhalteanordnung (vgl. Ziffer II.4.3 Satz 1). Ferner leitet er die Überstellung in die Wege (vgl. Nummer 113 RiVASt). Über den Vollzug der Überstellung ist dem Ministerium der Justiz zu berichten, der Vollstreckungsbehörde ist der Zeitpunkt der Überstellung mitzuteilen.
6. Weitere Maßnahmen nach der Überstellung
6.1. Mit der Übernahme der verurteilten Person durch den Vollstreckungsstaat wird die inländische Vollstreckung ausgesetzt (Artikel 8 Abs. 1 des Übereinkommens); sie ist jedoch von der Vollstreckungsbehörde weiterzuüberwachen.
6.2. Die Vollstreckungsbehörde hat ferner die Mitteilungen zum Bundeszentralregister (insbesondere gemäß §§ 12, 13 und 15 BZRG) zu veranlassen, wenn ihr eintragungspflichtige Entscheidungen oder Feststellungen der Behörden des Vollstreckungsstaates mitgeteilt werden. Sie hat dafür Sorge zu tragen, dass die Festhalteanordnung vom Gericht aufgehoben wird, wenn die Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind (§ 7 ÜAG).
6.3. Nach Eingang der Mitteilung nach Artikel 15a des Übereinkommens wird die Vollstreckung beendet (vgl. Artikel 8 Abs. 2 des Übereinkommens). Falls die Mitteilung nach Ablauf der vorausberechneten Strafzeit nicht eingeht, ist dem Ministerium der Justiz auf dem Dienstweg zu berichten.
6.4. Wird die überstellte Person vor Ablauf der Hälfte der zu verbüßenden Strafzeit in Deutschland angetroffen, richtet sich das weitere Verfahren nach den §§ 5 ff.
ÜAG. Die ehemalige Vollstreckungsbehörde veranlasst die erforderlichen Maßnahmen (§ 13 ÜAG). Anfragen bei der ausländischen Vollstreckungsbehörde können hierbei auf dem unmittelbaren Geschäftsweg oder über Interpol gestellt werden.
Über diese Fälle ist dem Ministerium der Justiz unter Angabe der bisherigen Geschäftszeichen auf dem Dienstweg zu berichten.
III. Vollstreckung ausländischer Urteile in der Bundesrepublik Deutschland
1. Allgemeines
Nach der deutschen Erklärung zu Artikel 3 Abs. 3 des Übereinkommens kann die Vollstreckung von Sanktionen nur übernommen werden, wenn ein deutsches Gericht das Urteil für vollstreckbar erklärt hat. Das Verfahren richtet sich nach dem Vierten Teil des IRG und nach den Nummern 64 ff. RiVASt. Die Zustellung dieser Entscheidung des Gerichts ist im Wege der Rechtshilfe entsprechend den für das jeweilige Land geltenden Bestimmungen durchzuführen (vgl. Länderteil RiVASt).
2. Zusätzliche Berichte
Die Vollstreckungsbehörde berichtet dem Ministerium der Justiz außerdem unverzüglich auf dem Dienstweg, wenn
die Vollstreckung der ausländischen Sanktion abgeschlossen ist,
die verurteilte Person vor Abschluss der Vollstreckung aus der Haft entflohen ist oder
sonstige für die Vollstreckung maßgebliche Umstände ( z. B.
Unterbrechung der Vollstreckung, Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung) eingetreten sind.
IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften
Die Regelungen über
die Aussetzung des Strafarrestes gemäß §§ 57 und 57a StGB
,
die Aussetzung der weiteren Vollstreckung der Unterbringung gemäß § 67e StGB,
das Absehen von der Strafvollstreckung gemäß § 456a StPO und
die Überstellungsmöglichkeiten nach dem Übereinkommen
stehen rechtlich selbstständig nebeneinander.
§ 456a StPO stellt in der Regel ein einfacheres Verfahren als die Überstellung nach dem Übereinkommen dar, da eine Einigung mit einem Vollstreckungsstaat über die Überstellung nicht erforderlich ist. Während nach dem Übereinkommen (Artikel 8 Abs. 1) durch die Übernahme der verurteilten Person durch den Vollstreckungsstaat die Vollstreckung im Urteilsstaat ausgesetzt wird, kann im Fall des § 456a StPO die Vollstreckung bei einer Wiedereinreise der verurteilten Person häufig durch Vollstreckungshaftbefehl gesichert werden.
Sind sowohl die Voraussetzungen des § 456a StPO als auch die des Übereinkommens gegeben, hat die Vollstreckungsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, welche Maßnahme in Betracht kommt.
V. Inkrafttreten
Dieser Erlass tritt an die Stelle des Erlasses vom 19. März 1992 (9510 - III.1).
Potsdam, 3. Juli 2008
Ministerium der Justiz Abteilung II
(Gitta Greve)
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