Rundschreiben 9/20 (RS 9/20)
Rundschreiben 9/20 (RS 9/20)
vom 11. Mai 2020 ( Abl. MBJS/20, [Nr. 17] , S.174)
Legale und illegale Suchtmittel, Glücksspielsucht und problematische Nutzung digitaler Medien
1 Grundsätze
Suchtprävention ist ein wichtiger Teilbereich schulischer Gesundheitsförderung
Sie verfolgt das Ziel, die Schule als Lebensraum zu gestalten, in dem das gemeinsame Lernen und Arbeiten ohne den Gebrauch von Suchtmitteln wichtige Voraussetzung ist und Konflikte von allen Beteiligten sensibel wahrgenommen und konstruktiv bewältigt werden. Basis ist die Stärkung der personalen Ressourcen der Kinder und Jugendlichen, welche die Förderung von Selbstwirksamkeit und die Entwicklung von Lebenskompetenz als Grundlagen für einen verantwortungsvollen Umgang mit Suchtrisiken in den Mittelpunkt stellt ¹ .
Suchtprävention bezieht sich auf alle Unterrichtsfächer und soll bewirken, nicht konsumierende Schülerinnen und Schüler zu stärken sowie - bezogen auf legale Suchtmittel - risikokonsumierende Schülerinnen und Schüler frühzeitig zu erkennen und im Rahmen des schulischen Auftrags zur Konsumreduzierung oder -aufgabe zu motivieren. In Anlehnung an das Jugendschutzgesetz steht die Schule vor der Aufgabe der Förderung eines reflektierten Umgangs der Jugendlichen mit berauschenden Substanzen (siehe: Probierverhalten ab einem bestimmten Alter). Auch in Bezug auf Glücksspielangebote und digitale Medien ist eine zielgruppen- und altersgemäße Sensibilisierung erforderlich.
Die Wirksamkeit und der Erfolg schulischer Suchtprävention sind insbesondere an folgende Erkenntnisse und Standards geknüpft ² :
frühzeitiger Beginn (auch in der Grundschule, vor dem Erstkonsum)
möglichst langfristige, dauerhafte und vernetzte Angebote mit externen Kooperationspartnern
Kombination verhaltensbezogener Prävention mit Maßnahmen der Verhältnisprävention (Verhaltenspräventive Maßnahmen
zielen auf die Förderung gesundheitsgerechter Verhaltensweisen,
richten sich vorwiegend an Personen,
zielen auf die Gestaltung gesundheitsförderlicher Strukturen wie z. B.
das Rauchverbot in Schulen.)
Wissensvermittlung und affektive Erziehung ( u. a.
Stärkung des Selbstwertgefühls, Klärung der eigenen Werte, Identifikation und Benennung eigener Empfindungen) kombiniert und mittels interaktiver Methoden durchführen (Methoden, die den Austausch und das Modelllernen zwischen den Schülerinnen und Schülern fördern)
aktive Einbeziehung der Schülerinnen und Schüler sowie Personen in deren unmittelbaren Lebensumfeld
Förderung allgemeiner, suchtmittelunspezifischer Handlungskompetenzen (u. a. Erlebnis,- Beziehungs- und Konfliktfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Stressmanagement)
Maßnahmen zur Verbesserung der Peerbeziehung und der Interaktion innerhalb der Schulklasse.
2 Rechtliche Bestimmungen
Illegale Drogen sind Betäubungsmittel gemäß den Vorschriften zum Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz - BtMG). Der Umgang mit illegalen Drogen, die Betäubungsmittel (gemäß den in den Anlagen 1 bis 3 BtMG genannten Stoffen) sind, ist grundsätzlich strafbar. Als besonders schwerwiegend legt § 29 Absatz 3 BtMG Fälle des gewerbsmäßigen Handels oder bestimmte, die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdende Handlungen fest.
Das 2016 in Kraft getretene Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG) regelt darüber hinaus den Umgang mit den u. a. als „
Legal Highs
, Badesalze oder auch Kräutermischungen“ bekannt gewordenen neuen psychoaktiven Substanzen.
Hinsichtlich sog.
legaler Drogen (z. B. Alkohol, Nikotin) und anderer Rauschmittel gelten neben dem Jugendschutzgesetz (JuSchG) und dem Brandenburgischen Nichtrauchendenschutzgesetz (BbgNiRSchG) das Brandenburgische Schulgesetz (BbgSchulG) sowie die Bestimmungen der Verwaltungsvorschriften über die Organisation der Schulen in inneren und äußeren Schulangelegenheiten - VV-Schulbetrieb - zur Gesundheitserziehung in der Schule.
In Bezug auf Glücksspiele (z. B. in Spielhallen, Spielbanken, Gastronomie und im Internet) haben das Jugendschutzgesetz (JuSchG), das Brandenburgische Spielhallengesetz, der Glücksspielstaatsvertrag bzw.
Glücksspieländerungsstaatsvertrag, das Gesetz zur Neuregelung des Glücksspiels im Land Brandenburg und die Gewerbeordnung Gültigkeit.
Werden Lehrkräften an öffentlichen und an staatlich anerkannten privaten Schulen in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls einer Schülerin oder eines Schülers bekannt, so sollen sie gemäß § 4 des Gesetzes zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen (Bundeskinderschutzgesetz - BKiSchG) mit dem Kind oder Jugendlichen und den Personensorgeberechtigten die Situation erörtern. Soweit erforderlich sollen sie bei den Personensorgeberechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfen einwirken, soweit hierdurch der wirksame Schutz der Schülerin oder des Schülers nicht in Frage gestellt wird.
Gemäß § 8b SGB VIII
haben Personen, die beruflich in Kontakt mit Kindern und Jugendlichen stehen, bei der Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung im Einzelfall gegenüber dem örtlichen Träger der Jugendhilfe Anspruch auf Beratung durch eine insoweit erfahrene Fachkraft.
2.1 Rauchen in der Öffentlichkeit/Tabakwaren
Trotz der bekannten Gesundheitsgefahr durch das Rauchen experimentieren nicht nur Jugendliche, sondern bereits auch Kinder mit Tabakwaren. Die Wahrscheinlichkeit eines gesundheitlichen Schadens ist umso größer, je früher geraucht wird. Daher bestimmt § 10 JuSchG, dass Kindern und noch nicht Volljährigen das Rauchen in der Öffentlichkeit nicht gestattet werden darf und die Abgabe von Tabakwaren an sie verboten ist.
Seit dem 1. Januar 2009 dürfen Automaten mit Tabakwaren nur noch öffentlich aufgestellt bleiben, wenn durch den Ort der Aufstellung, durch technische Vorrichtungen oder durch ständige Aufsicht sichergestellt ist, dass Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren Tabakwaren nicht entnehmen können.
Gemäß § 4 Absatz 3 BbgSchulG ist das Rauchen in der Schule und auf dem Schulgelände sowie bei schulischen Veranstaltungen außerhalb der Schule und während des Schulbetriebs verboten. Ebenso ist in Nummer 24 Absatz 3 der VV-Schulbetrieb eindeutig festgelegt, dass auf dem gesamten Schulgelände sowie bei schulischen Veranstaltungen außerhalb des Schulgeländes nicht geraucht, kein Alkohol getrunken und keine anderen Suchtmittel genommen werden dürfen.
Gemäß § 10 JuSchG ist eine Abgabe von (auch nikotinfreien) E-Zigaretten und E-Shishas an Kinder und Jugendliche verboten.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Forschungsdiskussion zu den Gefahren des Rauchens von Wasserpfeifen und sog. Elektro-Zigaretten sowie der tendenziellen Nutzung durch Jugendliche wird ein entsprechender Beschluss der Schulkonferenz gemäß § 91 Absatz 1 Nr.
1 und 2 BbgSchulG zum Regelungsbedarf empfohlen.
2.2 Alkoholische Getränke/Alkoholabgabe
Alkohol kann insbesondere im Kindes- und Jugendalter sowie bei einem Konsum größerer Mengen erhebliche gesundheitliche Gefährdungen zur Folge haben. Die alkoholbedingte Beeinträchtigung der Wahrnehmung kann Selbstüberschätzung und schwere Unfälle verursachen. Alkohol hat in der Regel eine enthemmende Wirkung, die zu unerwünschtem aggressivem Verhalten führen kann und die Wahrnehmungsfähigkeit beeinträchtigt.
Erfahrungsgemäß lernen junge Menschen erst mit zunehmendem Alter und Entwicklungsstand einen angemessenen Umgang mit Alkohol. Deshalb hat der Gesetzgeber in § 9 JuSchG altersabhängige Umgangsbeschränkungen für Alkoholgenuss in der Öffentlichkeit geschaffen: Wein, Bier und Mischgetränke mit Bier- bzw. Weinanteil dürfen an Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren weder abgegeben noch darf ihnen der Verzehr gestattet werden.
Für andere alkoholische Getränke, wie etwa Branntwein (z. B. Schnaps), branntweinhaltige Getränke (z. B. sog. Alcopops) oder Genussmittel, die Branntwein in nicht nur geringer Menge enthalten, gilt die Altersgrenze ab 18 Jahren. Anders verhält es sich, wenn Jugendliche (nicht: Kinder!) von einer personensorgeberechtigten (nicht nur erziehungsbeauftragten) Person begleitet werden. In diesem Fall dürfen Wein, Bier und Mischgetränke mit Bier- bzw. Weinanteil an Jugendliche ab 14 Jahren abgegeben werden.
Das Degustieren von alkoholhaltigen Getränken (insbesondere Weinen) im Rahmen der qualifizierten Berufsausbildung nach dem Rahmenlehrplan (RLP) der KMK (z. B. für den Ausbildungsberuf Restaurantfachmann/Restaurantfachfrau) ist zulässig.
Alkohol darf in der Öffentlichkeit nicht an Automaten angeboten werden, wenn die besonderen Aufstellorte oder Schutzvorkehrungen gemäß JuSchG nicht sichergestellt sind. Ergänzend gelten die Verhaltensregeln des Deutschen Werberates über die kommerzielle Kommunikation für alkoholhaltige Getränke, die u. a. die an Kinder und Jugendliche gerichtete Bewerbung alkoholischer Getränke untersagen.
2.3 Bestimmungen hinsichtlich illegaler Suchtmittel, insbesondere Cannabis
In Bezug auf den Umgang mit Suchtmitteln bestehen häufig Unklarheiten zu den gesetzlichen Vorschriften und zur Strafbarkeit insbesondere im Umgang mit Cannabis. Es gilt der Grundsatz, dass jeglicher Verkehr mit Cannabis verboten und nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) strafbar ist. Das gilt auch für den “bloßen Besitz oder Erwerb für den persönlichen Gebrauch“. Für den Erwerb und Besitz illegaler Drogen sieht § 29 BtMG eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe vor.
Der bloße Konsum von Betäubungsmitteln ist nicht strafbar. Mit dem dafür erforderlichen Erwerb und Besitz sind aber in der Regel bereits im Vorfeld strafbare Handlungen begangen worden. Generell gilt, dass der Konsum von Cannabis in jedem Fall dessen Besitz voraussetzt.
Gemäß § 29 Absatz 5 und § 31a BtMG kann jedoch von einer Bestrafung oder Strafverfolgung abgesehen werden, wenn die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge u. a. angebaut, hergestellt, erworben oder in sonstiger Weise beschafft bzw. in Besitz genommen werden. Hinsichtlich der geringen Menge bestehen bisher keine bundesweit einheitlichen Grenzwerte. Gemäß der Richtlinie zur Anwendung der Opportunitätsvorschriften bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz im Zusammenhang mit dem Eigenverbrauch von Cannabisprodukten (Rundverfügung des Ministeriums der Justiz vom 15. August 2006) ist “eine geringe Menge im Sinne des § 31a BtMG bei Cannabisprodukten bis zu einer Obergrenze von 6 g (Bruttogewichtsmenge) anzunehmen“.
2.4 Glücksspiele
Glücksspiele üben vor allem auf junge Menschen eine große Anziehungskraft aus. Sie regen zum Beispiel durch optische und akustische Reize zum Ausprobieren an und suggerieren schnelle und einfach zu erreichende Geldgewinne.
Aufgrund einer oftmals höheren Risikobereitschaft und kognitiver Fehleinschätzungen sind Jugendliche besonders gefährdet, ein zumindest problematisches Glücksspielverhalten zu entwickeln. Vom Glücksspiel ausgehende Gefährdungen sind Spielsucht, finanzielle Überlastung und Delinquenz.
Daher verbietet das Jugendschutzgesetz in § 6 die Anwesenheit von Kindern und Jugendlichen in öffentlichen Spielhallen oder ähnlichen vorwiegend dem Spielbetrieb dienenden Räumen. Die Teilnahme an Gewinnspielen in der Öffentlichkeit darf Kindern und Jugendlichen nur auf Volksfesten, Schützenfesten, Jahrmärkten, Spezialmärkten oder ähnlichen Veranstaltungen und nur unter der Voraussetzung gestattet werden, dass der Warengewinn von geringem Wert ist (Wert des Höchstgewinns nach § 5a Spielverordnung: maximal 60 €).
Auf Schulfahrten und Exkursionen ist der Besuch von Spielhallen auch für volljährige Schülerinnen und Schüler untersagt.
Auch
Online
-Glücksspiele sowie glücksspielähnliche Spielformen im Internet stellen eine nicht zu unterschätzende Gefahr für junge Menschen dar. Durch die leichte Verfügbarkeit über den PC
,
Tablet
oder
Smartphone
, die einfache Umgehung der Altersverifikation, durch den bargeldlosen Zahlungsverkehr und die interaktive Spielteilnahme ist das Suchtpotenzial von
Online
-Glücksspielangeboten besonders hoch.
Durch Wissensvermittlung über die Gefahren im Zusammenhang mit Glücksspielsucht im geeigneten unterrichtlichen Kontext kann die Schule einen aktiven Beitrag zur Suchtprävention leisten.
2.5 Übermäßige und problematische Mediennutzung
Interaktive Medien und mobile Kommunikationsgeräte bieten Kindern und Jugendlichen neue Möglichkeiten, bergen aber auch ein Gefährdungspotential. Die bisherigen Forschungsergebnisse sprechen dafür, dass das Phänomen einer übermäßigen Mediennutzung existiert, dieses aber deutlich von einem pathologischen und damit gefährdenden Nutzungsverhalten unterschieden werden muss.
In der Forschung herrscht Einigkeit darüber, dass z. B. neben dem Angebot von digitalen Medien weitere Bedingungen gegeben sein müssen, um problematische bzw. exzessive Verhaltensmuster zu entwickeln. Hierzu zählen ein geringes Selbstwertgefühl, soziale Ängste, Leistungsdruck und mangelnde Konfliktlösungskompetenz. Bei Schülerinnen und Schülern kann zudem ein problematischer familiärer Hintergrund dazukommen.
Im Jahr 2018 wurde die pathologische Nutzung von Video- und Computerspielen (
online
und
offline
) unter der Diagnose „
Internet Gaming Disorder
“ als psychische Krankheit durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) anerkannt.
Seit dem 1. April 2003 dürfen Computerspiele Kindern und Jugendlichen in der Öffentlichkeit nur zugänglich gemacht werden, soweit sie für die jeweilige Altersgruppe freigegeben sind (§ 12 i. V. m.
§ 14 JuSchG). Die Jugendfreigabe und Alterskennzeichnung erfolgt durch die Unterhaltungssoftware-Selbstkontrolle (USK) in Berlin. Auf die Altersfreigabe (Freigabe von Filmen und Spielprogrammen) muss mit deutlich sichtbarem Zeichen auf dem Trägermedium hingewiesen werden (§ 12 Absatz 2 JuSchG). Die jeweiligen Altersfreigaben können bei der USK oder beim Jugendamt erfragt werden bzw. sind im Internet abrufbar ( www.usk.de ). Entsprechendes gilt für die Altersfreigabe von münzbetätigten Bildschirmspielgeräten bei der Automaten-Selbstkontrolle ( www.automaten-selbstkontrolle.de ).
Im Rahmen ihres schulischen Auftrags sind Lehrkräfte aufgefordert, die Schülerinnen und Schüler und deren Erziehungsberechtigte über die Nutzungsmöglichkeiten und Gefahren moderner Kommunikationsmittel und virtueller Spielangebote angemessen zu informieren.
Die Mehrheit der Jugendlichen nutzt das Internet zu Kommunikations- und Informationszwecken, was als funktionales Verhalten angesehen werden kann. Die Förderung der Medienkompetenz (→ „Basiscurriculum Medienbildung“) sowie Unterrichtssequenzen zu den übergreifenden Themen Gewaltprävention und Verbraucherbildung gemäß Teil B des RLP 1-10 BE-BB können einem exzessiven Nutzungsverhalten im Bereich der sozialen Netzwerke oder der Computer-/Onlinespiele wirksam begegnen.
Schulische Medienbildung soll die Schülerinnen und Schüler zu kreativem Umgang sowie der konstruktiven und kritischen Auseinandersetzung mit der von verschiedenen Interessen geprägten Medienwelt, ihren sich stetig verändernden Medientechnologien und -inhalten sowie der Reflexion des eigenen Mediengebrauchs befähigen. Dabei kommt der Entwicklung eines Problembewusstseins bspw.
in Bezug auf
Cybermobbing
sowie Informationssicherheit, insbesondere auf das Recht des Einzelnen, selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu bestimmen, eine hohe Bedeutung zu.
3 Umgang mit Suchtmittelkonsum und Suchtgefährdung in der Schule
3.1 Allgemeine Hinweise
Der gesetzliche Handlungsauftrag zur Suchtprävention für Lehrkräfte im Land Brandenburg ergibt sich aus den Zielen und Grundsätzen der Erziehung und Bildung, indem die Schule die Fähigkeit und Bereitschaft der Schülerinnen und Schüler fördert, “ihre Verantwortung für die eigene Gesundheit ... zu begreifen und wahrzunehmen“ (§ 4 Absatz 4 Nummer 13 BbgSchulG). Gleichzeitig erfordern die gesetzlichen Bestimmungen ( s.
oben unter 2) das Handeln beim Drogenmissbrauch in der Schule. Daher empfiehlt es sich für Schulen, ein schulisches Konzept zur Suchtprävention und zum Umgang mit Sucht, Suchtgefährdung und Suchtmittelkonsum in der Schule als Bestandteil des Schulprogramms aufzunehmen.
Hilfestellung und Unterstützung erhalten die Schulen über das Beratungs- und Unterstützungssystem für Schulen (BUSS), das LISUM sowie bei den Überregionalen Suchtpräventionsfachstellen (ÜSPF) ³ und der Landeskoordinierungsstelle Suchtprävention der Brandenburgischen Landesstelle für Suchtfragen (BLS) ⁴ und im Einzelfall beim örtlichen Träger der Jugendhilfe. Hinweise zu Regelungen und zum Umgang mit illegalen Suchtmitteln finden sich auch im Leitfaden “Schule und Cannabis“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) ⁵ .
Wirkungsvolle Suchtprävention ist auf eine enge Kooperation zwischen Schule und Elternhaus angewiesen.
3.2 Melde- und Berichtspflichten für Lehrkräfte und die Schulleiterin bzw. den Schulleiter
Das Gefährdungspotenzial von Glücksspiel, Suchtmitteln sowie die generelle Strafbarkeit von Anbau, Besitz, Handel und in Verkehr, Bringen illegaler Substanzen sowie weitere Verstöße gegen das BtMG erfordern neben den Aufgaben der Suchtprävention besondere Verhaltenspflichten der Schule.
Aufgaben der Lehrkräfte
Ausgangspunkt für das Handeln der Lehrkräfte im Rahmen der schulischen Suchtprävention ist der im § 4 Absatz 3 Satz 1 BbgSchulG formulierte Schutz der seelischen und körperlichen Unversehrtheit der Schülerinnen und Schüler.
Eltern müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Kinder in der Schule ebenso gut aufgehoben und betreut werden, wie das im Elternhaus der Fall wäre. Die gesetzliche Verpflichtung hierzu findet sich in §13 Strafgesetzbuch (StGB) und umfasst die ‚Garantenstellung der Lehrkräfte‘.
Wird bekannt oder besteht der begründete Verdacht, dass Schülerinnen und Schüler in der Schule oder im schulischen Zusammenhang Drogen konsumieren, mit ihnen handeln, sie erwerben, besitzen oder diese sonst in die Schule einführen, sind die Lehrkräfte zum Handeln verpflichtet.
Es gehört in diesem Zusammenhang zu deren wesentlichen Aufgaben, die Schülerinnen und Schüler möglichst in Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten vor potentiellen Gefahren des Substanzkonsums zu schützen. Gleiches gilt für das Glücksspiel. Im Rahmen schulischer Maßnahmen sollte der Gefahr entgegengewirkt werden, dass sich Schülerinnen und Schüler wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz strafbar machen.
Zusätzlich können Unterstützungsmaßnahmen bzw. eine Vermittlung von zusätzlichen Beratungsangeboten - insbesondere in Fällen, in denen das Wohl des Kindes gefährdet ist - beim jeweils zuständige Jugendamt eingeholt werden.
Da ein Aussage- und Zeugnisverweigerungsrecht bzw. eine Verschwiegenheitspflicht für Lehrkräfte aus beruflichen Gründen nicht besteht, sollen Lehrkräfte sich ihnen anvertrauende Schülerinnen und Schüler darauf hinweisen, dass sie im Falle einer nicht auszuschließenden Gefährdung Dritter dazu verpflichtet sind, die Schulleiterin oder den Schulleiter zu unterrichten, die oder der regelmäßig auch die Strafverfolgungsbehörden zu informieren hat.
Gegenüber der Polizei müssen sich Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler als Beschuldigte nicht äußern, gegenüber der Staatsanwaltschaft und vor Gericht nach Belehrung nur dann, sofern sie sich damit nicht selbst belasten. Bei einer die dienstliche Tätigkeit betreffenden Aussage der Lehrkraft vor der Staatsanwaltschaft oder vor dem Gericht ist eine Aussagegenehmigung des zuständigen staatlichen Schulamts erforderlich.
Einbeziehung der Schulleiterin bzw. des Schulleiters durch die Lehrkraft
Es besteht keine Meldepflicht gegenüber der Schulleiterin oder dem Schulleiter, den Schulaufsichtsbehörden oder den Strafverfolgungsbehörden, so lange eine Gefährdung anderer Schülerinnen und Schüler auszuschließen ist.
Grundsätzlich ist jedoch davon auszugehen, dass auch die Schulleiterin oder der Schulleiter über eine klar erkennbare Suchtproblematik auch einzelner Schülerinnen und Schüler informiert werden sollte.
Eltern minderjähriger Schülerinnen und Schüler müssen bei Verdacht im Zusammenhang mit Suchtmitteln grundsätzlich informiert werden. Unter Hinweis auf das Elternrecht gemäß Artikel 6 Absatz 2 des Grundgesetzes und Artikel 27 Absatz 2 der Verfassung des Landes Brandenburg, wonach die Eltern einen Anspruch auf Informationen über die schulischen Angelegenheiten ihres Kindes haben, ist eine größtmögliche Kooperation unbedingt zu gewährleisten.
Diese Mitteilungspflicht gilt nur dann nicht, wenn konkrete Hinweise befürchten lassen, dass das Kind oder der/die Jugendliche im Falle der Information der Eltern körperlichen und seelischen Schaden nehmen könnte. In diesem Fall sollte die Lehrkraft und/oder die Schulleitung möglichst weitere Unterstützungsmöglichkeiten innerhalb der Schule oder durch externe Beratungseinrichtungen in Anspruch nehmen. Insbesondere
in schwerwiegenden Fällen soll das Jugendamt
unterrichtet werden. Hierbei unterbleibt die gemäß § 63 Absatz 3 BbgSchulG vorgesehene Unterrichtung der Eltern. Muss eine Lehrkraft eine Gefährdung anderer Schülerinnen und Schüler annehmen oder kann sie diese nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen, ist die Schulleiterin oder der Schulleiter zu verständigen. Eine solche Gefahr ist insbesondere dann anzunehmen, wenn nicht auszuschließen ist, dass die Schülerin oder der Schüler Mitschülerinnen und Mitschüler zum Suchtmittelkonsum verleiten wird oder bereits dazu verleitet hat. Dies erfasst immer den Handel mit illegalen Drogen.
Wenn der Eindruck besteht, dass die Schülerin oder der Schüler Suchtmittel konsumiert und ihnen durch die Schule nicht geholfen werden kann, soll die Schule die Hilfe einer Drogenberatungsstelle oder des zuständigen Jugendamts in Anspruch nehmen. Die Erziehungsberechtigten sind darüber zuvor zu informieren. Besteht der begründete Verdacht, dass die Schülerin oder der Schüler drogenabhängig ist, ist - bei minderjährigen Schülerinnen oder Schülern nach ergebnisloser Unterrichtung der Erziehungsberechtigten - regelmäßig das Jugendamt zu beteiligen.
Aufgaben der Schulleiterin bzw. des Schulleiters
Die Verständigung der Polizei ist grundsätzlich dann geboten, wenn es sich um schwere oder mehrfache Verstöße handelt, die vor allem zum Schutz der anderen Jugendlichen eine Strafanzeige erforderlich machen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Erkenntnisse darüber vorliegen, dass eine Schülerin oder ein Schüler mit illegalen Drogen handelt, diese herstellt, weitergibt oder entgeltlich oder unentgeltlich erwirbt.
Ein Verstoß gegen die Dienstpflichten der Lehrkraft oder der Schulleiterin oder des Schulleiters ist nicht anzunehmen, wenn von einer Mitteilung an die Polizei oder an die Staatsanwaltschaft im Einzelfall begründet abgesehen wird, um der Schülerin oder dem Schüler zu helfen. Dies kann aber nur dann gelten, wenn eine Gefährdung anderer Schülerinnen oder Schüler ausgeschlossen ist. Strafanzeigen sind grundsätzlich auch dann nicht geboten, wenn offenbar drogenbedingte Verhaltensauffälligkeiten in der Schule wahrgenommen werden, der Konsum nach allen Umständen jedoch nicht dem schulischen Zusammenhang zuzuordnen ist.
Die Schule darf die Eltern volljähriger Schülerinnen und Schüler nur über die in § 46 Absatz 5 und 6 BbgSchulG genannten wichtigen persönlichen schulischen Angelegenheiten informieren. Der Umgang mit Drogen und Suchtvorkommnisse gelten nicht als persönliche schulische Angelegenheit, die der Informationspflicht gegenüber den Eltern unterliegt. Eltern volljähriger Schülerinnen und Schüler dürfen nur informiert werden, wenn die Schüler zuvor ausdrücklich eingewilligt haben.
Alle Maßnahmen der Schule sollen von dem Gedanken des notwendigen Schutzes der anderen Schülerinnen und Schüler getragen sein. Auf die Intimsphäre der oder des durch den Umgang mit Drogen gefährdeten Schülerin oder Schülers ist aber zu achten.
Gemäß § 4 Absatz 3 BbgSchulG obliegt der Schulleiterin oder dem Schulleiter die Risikoeinschätzung zur Gefährdung des Wohls der Schülerin oder des Schülers auch bezüglich des Suchtverhaltens.
Ebenso muss die Schulleitung dafür Sorge tragen, dass jede Lehrkraft und das sonstige pädagogische Personal über die Entstehung von Suchthaltungen informiert ist und an Fortbildungen zu entsprechenden pädagogischen Fragen teilnimmt.
3.3 Umgang mit Drogenfunden
Funde illegaler oder nicht identifizierbarer Drogen in der Schule sind - unabhängig von einem bekannt gewordenen oder unbekannt gebliebenen Besitzer - durch die Schulleiterin oder den Schulleiter der Polizei zu übergeben.
3.4 Mögliche Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen
Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen gemäß § 63 und § 64 BbgSchulG sichern die Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule. Sie dienen dem Schutz beteiligter Personen und beziehen sich angemessen und unmittelbar auf das Fehlverhalten einer Schülerin oder eines Schülers in der Schule. Erziehungsmaßnahmen richten sich vor allem an die Einsicht der Schülerinnen und Schüler und gehen in der Regel Ordnungsmaßnahmen vor. Bei fortgesetzten Erziehungsschwierigkeiten haben Erziehungsmaßnahmen einschließlich der Hilfestellung durch die Beratungslehrkraft oder die Schulsozialbetreuung grundsätzlich Vorrang vor Ordnungsmaßnahmen, die mit Erziehungsmaßnahmen verknüpft werden können. Welche Maßnahmen im Zusammenhang mit Suchtmitteln jeweils im Einzelfall notwendig sind, kann generell nicht verbindlich geregelt werden. Solche notwendigerweise schematisierenden Richtlinien könnten den Einzelfall betreffenden Gesichtspunkten wie z. B. der Persönlichkeit der Schülerin bzw. des Schülers, der Intensität und Häufigkeit des Fehlverhaltens, des Umfangs der Gefährdung anderer Schülerinnen und Schüler sowie den Verhältnissen an der Schule zumeist nicht hinreichend gerecht werden.
Generell sollte das Bemühen der Schule dem gefährdeten Kind oder Jugendlichen gelten, soweit ihr dies im Rahmen ihres schulischen Auftrags möglich ist und solange sie dies den anderen ihr anvertrauten Schülerinnen und Schülern gegenüber verantworten kann.
Die Abwägung zwischen den Rechten des Einzelnen mit denen aller der Schule anvertrauten Schülerinnen und Schüler gerade in Fällen des Suchtmittelmissbrauchs ist schwierig und erfordert in besonders hohem Maß Verantwortungsbewusstsein und Einfühlungsbereitschaft der Lehrkräfte. Daher wird Lehrkräften und Schulleitungen empfohlen, sich im Team zu beraten, sich thematisch weiterzubilden und im Zweifelsfalle die fachliche und rechtliche Beratung durch die Schulaufsichtsbehörden, die Ambulanten Beratungs- und Behandlungsstellen für Suchtkranke oder den Schulpsychologischen Dienst in Anspruch zu nehmen. siehe
Anlage: Ansprechpartner im Land
3.5 Zusätzliche Hinweise
Bereits bei der Vermutung, dass im Umfeld der Schule mit Betäubungsmitteln gehandelt oder anderweitig umgegangen wird, ist unverzüglich die Polizei zu informieren. Die Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern sollen auf etwaige Gefahren - auch auf Schulwegen - besonders hingewiesen werden.
Schulfremde Personen sind beim Verdacht auf Drogenhandel unverzüglich vom Schulgelände zu verweisen. Dies betrifft auch Schülerinnen und Schüler anderer Schulen, die ohne erkennbar gerechtfertigten Grund angetroffen werden. Werden schulfremde Personen z. B. beim Handel mit Drogen auf dem Schulgrundstück angetroffen, besteht grundsätzlich ein Recht auf vorläufige Festnahme gemäß § 127 Absatz 1 Strafprozessordnung (StPO). Lehrkräfte sind danach berechtigt - nicht jedoch verpflichtet -, eine ihnen unbekannte Person bis zum Eintreffen der Polizei festzuhalten. Dies soll nur dann gelten, wenn die Festnahme ohne Risiko der eigenen Person möglich ist.
Schwebt eine Schülerin oder ein Schüler z. B. wegen Drogenkonsums in der Schule in erheblicher Gefahr für die Gesundheit oder das Leben, besteht gemäß § 323c StGB grundsätzlich die Pflicht zur Hilfeleistung. Anderenfalls kommt eine Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung in Betracht. Die Hilfeleistung muss erforderlich und zumutbar sein. Für Lehrkräfte ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sie gemäß § 323c StGB zu Hilfeleistungen bis zum Eintreffen ärztlicher Hilfe verpflichtet sind. Neben dieser strafrechtlich begründeten Pflicht zur Hilfe bestehen entsprechende Pflichten auch im Zusammenhang mit den dienstlichen Pflichten in der Schule.
Für anlassbezogene Durchsuchungen von Schülerinnen und Schülern nach illegalen Drogen gilt grundsätzlich, dass sie die Einwilligung der Schülerin oder des Schülers voraussetzen. Wird dies verweigert, ist die Polizei zur Durchführung hinzuzuziehen. Nur wenn ein Handeln wegen besonderer Umstände angezeigt ist - etwa bei der Gefahr, dass Rechtsverletzungen von erheblichem Gewicht unmittelbar bevorstehen oder zu befürchten sind -, können Lehrkräfte eingreifen - etwa durch Wegnahme eines gefährlichen Gegenstandes. Hierbei ist auch das Alter der Schülerinnen und Schüler zu berücksichtigen. Entsprechende Durchsuchungen sind durch mindestens zwei Lehrkräfte vorzunehmen.
Drogenschnelltests in der Schule dürfen nur durch die Polizei durchgeführt werden. Schulen sind nicht befugt, von Schülerinnen und Schülern Urin-, Speichel-, Haar- oder Blutproben zu nehmen oder einzufordern.
4 Inkrafttreten, Außerkrafttreten
Dieses Rundschreiben tritt am 11. Mai 2020 in Kraft und mit Ablauf des Schuljahres 2024/25 außer Kraft.
¹ vgl.
salutogenetischer Ansatz nach Aaron Antonovsky
² vgl. Bühler/Kröger: Expertise zur Prävention des Suchtmittelmissbrauchs, BZgA, Köln 2013
³ Vgl.: https://www.suchtpraevention-brb.de/
⁴ Vgl.: https://www.blsev.de/fachbereiche/suchtpraevention.html
⁵
Download
unter: https://www.bzga.de/infomaterialien/unterrichtsmaterialien/nach-schulform-sortiert/schule-und-cannabis-regeln-massnahmen-fruehintervention/
Anlagen
1
Überregionale Suchpräventionsfachstellen im Land Brandenburg 436.1 KB
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