Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz über die Anordnung von Vollzugslockerungen im Maßregelvollzug (Vollzugslockerungsverordnung – VollzLVO)
Verordnung
des Sächsischen Staatsministeriums
für Soziales und Verbraucherschutz
über die Anordnung von Vollzugslockerungen im Maßregelvollzug
(Vollzugslockerungsverordnung – VollzLVO)
Vom 27. Januar 2016
Rechtsbereinigt mit Stand vom 17. August 2024
Auf Grund des § 42 Absatz 1 des
Sächsischen Gesetzes über die Hilfen und die Unterbringung bei psychischen Krankheiten
in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Oktober 2007 (SächsGVBl. S. 422), das durch Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 2014 (SächsGVBl. S. 446) geändert worden ist, verordnet das Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern und dem Staatsministerium der Justiz:
§ 1 Vollzugslockerungen
(1) Vollzugslockerungen im Sinne dieser Verordnung sind
1.
begleiteter Ausgang außerhalb des gesicherten Bereiches, aber innerhalb des den gesicherten Bereich umgebenden Krankenhausgeländes (L1),
2.
begleiteter Ausgang außerhalb des Krankenhausgeländes in einen begrenzten Bereich der sie umgebenden Gemeinde (L2),
3.
unbegleiteter Einzelausgang, der räumlich und zeitlich innerhalb eines Tages begrenzt ist (L3),
4.
Freigang (L4): ein unbeaufsichtigter Aufenthalt außerhalb des Krankenhausgeländes für eine bestimmte Zeit innerhalb eines Tages, um einer Beschäftigung nachzugehen oder an einer arbeitstherapeutischen Maßnahme teilzunehmen,
5.
Beurlaubung (L5): ein unbeaufsichtigter Aufenthalt außerhalb des Krankenhausgeländes über mindestens eine Nacht bis zu zwei Wochen,
6.
Langzeitbeurlaubung (L6): eine Beurlaubung von mehr als zwei Wochen, die insbesondere das Probewohnen und das betreute Wohnen umfasst.
(2)
1
Die ärztliche Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung nach § 3 Absatz 10 und 11 des
Sächsischen Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes
kann eine weitere Differenzierung innerhalb einer Vollzugslockerung in Abhängigkeit von den baulichen, personellen, situativen und konzeptionellen Gegebenheiten vornehmen.
2
Dazu zählen insbesondere begleiteter Gruppenausgang, Kurzurlaub bis zu drei Tagen, Beurlaubung bis zu einer Woche.
3
Die vorgenommenen weiteren Differenzierungen sind schriftlich festzuhalten und zu begründen.
(3)
1
Vollzugslockerungen sollen nacheinander gemäß der Reihenfolge in Absatz 1 durchlaufen werden.
2
Eine höhere Vollzugslockerung soll erst gewährt werden, wenn sich die Patientin oder der Patient in einem angemessenen Zeitraum in der vorhergehenden bewährt hat.
3
Ein Überspringen ist möglich, wenn dies nach der aktuellen Prognose gemäß § 2 Absatz 1 verantwortet werden kann.
¹
§ 2 Verfahren
(1)
1
Vor einer Entscheidung über die Gewährung oder Versagung einer Vollzugslockerung ist eine Prognose über den Eintritt der in § 82 Absatz 1 Satz 2 des
Sächsischen Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes
genannten Risiken unter Anwendung anerkannter forensisch-psychiatrischer Prognosemethoden zu treffen.
2
Bei unklarer Prognoselage kann eine externe Begutachtung veranlasst werden, insbesondere
1.
bei Patientinnen und Patienten, die bereits Entweichungen oder Lockerungsmissbräuche begangen haben,
2.
bei persönlichkeitsgestörten Patientinnen und Patienten, die
a)
wegen einer der in § 181b des
Strafgesetzbuches
genannten Straftaten,
b)
wegen eines Verbrechens gemäß den §§ 211 und 212 des
Strafgesetzbuches
mit sexuellem Bezug,
c)
wegen eines Vergehens gemäß § 323a des
Strafgesetzbuches
in Verbindung mit einer Tat nach den Buchstaben a oder b
verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt wurden, weil sie ohne Schuld gemäß § 20 des
Strafgesetzbuches
handelten.
3
Bei Patientinnen und Patienten, für die neben der Maßregel nach § 63 oder § 64 des Strafgesetzbuches auch eine solche nach § 66 des
Strafgesetzbuches
angeordnet ist, soll eine externe Begutachtung veranlasst werden, bevor die Vollzugslockerung L3 bewilligt wird.
4
Das gilt auch, wenn die Vollzugslockerung L3 gemäß § 1 Absatz 3 Satz 3 übersprungen wird.
(2) Wenn eine Überweisung der Patientin oder des Patienten in den Strafvollzug ansteht, ist in die Prognose insbesondere einzustellen, inwieweit durch die Teilnahme an einer Vollzugslockerung sich die Risiken nach § 82 Absatz 1 Satz 2 des
Sächsischen Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes
erhöhen.
(3)
1
Im Rahmen der Anhörung nach § 82 Absatz 2 Satz 1 des
Sächsischen Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes
ist der zuständigen Vollstreckungsbehörde bei den Vollzugslockerungen L3 bis L6 ein Bericht zur Person der Patientin oder des Patienten und zu den wesentlichen aktuellen Behandlungsergebnissen zu übermitteln.
2
Der Bericht begründet, warum die Patientin oder der Patient den Anforderungen der vorgesehenen Vollzugslockerung entspricht.
3
Gleiches gilt für die erneute Gewährung einer Vollzugslockerung nach einem Widerruf.
4
Die Vollstreckungsbehörde soll innerhalb einer Frist von drei Wochen schriftlich zu der vorgesehenen Vollzugslockerung Stellung nehmen.
5
In der Stellungnahme der Vollstreckungsbehörde ist insbesondere auf mögliche Risiken einzugehen, die sich auf Grund offener Ermittlungs- oder Strafverfahren oder vorhandener Strafreste aus früheren Verfahren ergeben.
(4)
1
Die Entscheidung trifft die ärztliche Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung nach § 3 Absatz 10 und 11 des
Sächsischen Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes
.
2
Zuvor hat sie die an der Behandlung der Patientin oder des Patienten beteiligten Ärztinnen und Ärzte, Therapeutinnen und Therapeuten sowie Pflegerinnen und Pfleger anzuhören.
3
Die Patientin oder der Patient ist von der ärztlichen Leitung oder von einer Ärztin oder Therapeutin oder einem Arzt oder Therapeuten, die oder der an der Behandlung beteiligt ist, anzuhören.
(5)
1
Die Entscheidung einschließlich der Gründe und die Anhörung nach Absatz 3 sind zu dokumentieren.
2
Die Entscheidung ist der Patientin oder dem Patienten zu begründen.
²
§ 3 Verlaufskontrolle und Durchführung
(1)
1
Vollzugslockerungen sind in angemessenen Abständen zu überprüfen.
2
§ 2 Absatz 1, 2, 4 und 5 gilt entsprechend.
(2) Der Verlauf der Vollzugslockerung ist regelmäßig therapiebezogen mit der Patientin oder dem Patienten zu besprechen.
(3)
1
Die ärztliche Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung nach § 3 Absatz 10 und 11 des
Sächsischen Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes
erteilt der Patientin oder dem Patienten die für die Vollzugslockerung erforderlichen Auflagen und Weisungen.
2
Insbesondere kann sie der Patientin oder dem Patienten aufgeben,
1.
sich einer Behandlung zu unterziehen,
2.
sich der Aufsicht einer bestimmten Stelle oder Person zu unterstellen,
3.
Anordnungen zu befolgen, die sich auf den Aufenthalt oder ein bestimmtes Verhalten außerhalb der Einrichtung beziehen,
4.
in bestimmten Abständen für kurze Zeit in die Einrichtung zurückzukehren.
(4) Bei der Durchführung der Vollzugslockerungen L1 und L2 ist sicherzustellen, dass die Anzahl und die persönliche Eignung der zur Begleitung vorgesehenen Bediensteten den Sicherheitserfordernissen genügen.
³
§ 4 Aussetzung
(1)
1
Bei im Krankheitsverlauf der Patientin oder des Patienten oder in ihrem oder in seinem Verhalten liegenden Gründen, insbesondere bei Verstößen gegen Auflagen und Weisungen, sind die am Behandlungsprozess beteiligten Ärztinnen und Ärzte, Therapeutinnen und Therapeuten sowie Pflegerinnen und Pfleger befugt, die Vollzugslockerungen einstweilig auszusetzen.
2
Die Aussetzung und die Gründe dafür sind zu dokumentieren.
3
§ 2 Absatz 5 gilt entsprechend.
(2) Die ärztliche Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung nach § 3 Absatz 10 und 11 des
Sächsischen Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes
entscheidet unverzüglich über die weitere Aussetzung, den Widerruf oder die Beibehaltung der Vollzugslockerung.
⁴
§ 5 Widerruf
(1) Vollzugslockerungen sind zu widerrufen, wenn
1.
Umstände eintreten oder nachträglich bekannt werden, die eine Versagung gerechtfertigt hätten,
2.
Patientinnen oder Patienten die Lockerung missbrauchen oder
3.
Patientinnen oder Patienten den Auflagen und Weisungen nicht nachkommen.
(2)
1
Über den Widerruf entscheidet die ärztliche Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung nach § 3 Absatz 10 und 11 des
Sächsischen Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes
nach Anhörung der Patientin oder des Patienten.
2
§ 2 Absatz 1, 2, 4 und 5 gilt entsprechend.
(3) Die zuständige Vollstreckungsbehörde ist über den Widerruf einer Vollzugslockerung und dessen Gründe schriftlich zu informieren.
⁵
§ 6 Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Dresden, den 27. Januar 2016
Die Staatsministerin für Soziales und Verbraucherschutz
Barbara Klepsch
1
§ 1 geändert durch
Artikel 2 Absatz 5 des Gesetzes vom 22. Juli 2024
(SächsGVBl. S. 673)
2
§ 2 geändert durch
Artikel 2 Absatz 5 des Gesetzes vom 22. Juli 2024
(SächsGVBl. S. 673)
3
§ 3 geändert durch
Artikel 2 Absatz 5 des Gesetzes vom 22. Juli 2024
(SächsGVBl. S. 673)
4
§ 4 geändert durch
Artikel 2 Absatz 5 des Gesetzes vom 22. Juli 2024
(SächsGVBl. S. 673)
5
§ 5 geändert durch
Artikel 2 Absatz 5 des Gesetzes vom 22. Juli 2024
(SächsGVBl. S. 673)
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