Programm des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt und der Sächsischen Tierseuchenkasse zur risikobasierten Überwachung und freiwilligen Bekämpfung der Koi-Herpesvirus-Infektion (KHV-I) der Karpfen in sächsischen Aquakulturbetrieben (KHV-Programm)
Programm des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt und der Sächsischen Tierseuchenkasse zur risikobasierten Überwachung und freiwilligen Bekämpfung der Koi-Herpesvirus-Infektion (KHV-I) der Karpfen in sächsischen Aquakulturbetrieben (KHV-Programm)
Vom 11. November 2021
1.
Einleitung
Die durch das Cyprine Herpesvirus 3 verursachte Koi-Herpesvirus-Infektion (KHV-I) der Karpfen wurde erstmals Ende der 1990er Jahre beschrieben. Die KHV-I ist die gegenwärtig wirtschaftlich bedeutsamste Erkrankung bei Karpfen in sächsischen Aquakulturbetrieben und spielt eine bedeutsame Rolle beim Handel mit Satzfischen innerhalb Deutschlands und beim innergemeinschaftlichen Verbringen. Auch in Angelgewässern führte die Seuche bereits zu Verlustgeschehen bei wildlebenden Karpfen.
Beim Karpfen und seinen Zuchtformen kann das Virus akute Verlustgeschehen mit Mortalitätsraten von bis zu 100 Prozent vornehmlich bei Wassertemperaturen zwischen 18 und 25 °C verursachen. Typisch für die Infektion durch das KHV sind unter anderem eingefallene Augen (Enophthalmus) sowie Haut- und Kiemennekrosen. In seltenen Fällen wird das KHV ohne das Auftreten typischer klinischer Symptome bei Karpfen nachgewiesen. Diese Fische sind ebenso wie die Überlebenden eines KHV-Ausbruchs als latente Virusträger besonders gefährlich in Bezug auf die Verbreitung der Seuche durch den Handel mit Satzfischen und den Besatz von Angelgewässern.
Bereits 2006 legten das Sächsische Staatsministerium für Soziales und die Sächsische Tierseuchenkasse (TSK) erstmalig ein KHV-Bekämpfungsprogramm auf. Zwischen 2009 und 2014 wurde zusätzlich das mit der Entscheidung 2008/897/EG genehmigte KHV-Tilgungsprogramm in Sachsen durchgeführt.
Dadurch konnte die KHV-I im Freistaat deutlich zurückgedrängt und seitdem auf einem vergleichsweisen niedrigen Niveau gehalten werden.
Zum Schutz von freien und sanierten Betrieben und zur weiteren schrittweisen Zurückdrängung der Infektion ist neben der durch das EU-Recht vorgeschriebenen Überwachung die freiwillige Bekämpfung der Seuche dringend erforderlich.
Betriebe, die in Sachsen für KHV-I empfängliche Fischarten halten, sind regelmäßig hinsichtlich der Prävention und Bekämpfung der Seuche zu beraten. Der Fischgesundheitsdienst (FGD) der TSK unterstützt darüber hinaus die Betriebe bei der Erstellung von Biosicherheitsplänen hinsichtlich der Vermeidung der Einschleppung und Verbreitung des KHV.
2.
Ziele des Programms
Ziele des Programms sind
1.
die Überwachung sowie die Zurückdrängung der KHV-I im Freistaat Sachsen
2.
der Schutz von nicht infizierten Betrieben und Gebieten
3.
den „Status KHV-unverdächtig“ gemäß Anlage 1 zu erlangen
4.
die frühzeitige Erkennung von Infektionsgeschehen
5.
die Begleitung infizierter Betriebe bei der Bekämpfung der Seuche und
6.
Beratung aller teilnehmenden Betriebe zu entsprechenden Biosicherheitsmaßnahmen
7.
Öffentlichkeitsarbeit und Erhöhung des Wissensstandes zur KHV-I.
Das Programm dient weiterhin der Datenerhebung über die Verbreitung der KHV-I in Sachsen. Die Daten werden von der TSK jährlich ausgewertet und an das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt (SMS) weitergeleitet.
3.
Rechtsgrundlagen
Verordnung (EU) 2016/429 (Animal Health Law, AHL) Artikel 226
Durchführungsverordnung (EU) 2018/1882 Anhang Tabelle gemäß Artikel 2 – Einstufung der KHV als Kat. E Seuche, Liste der empfänglichen Arten und Überträgerarten
Delegierte Verordnung EU 2020/691 Artikel 6 – Verpflichtung der zugelassenen Aquakulturbetriebe und Gruppen von Aquakulturbetrieben zur Teilnahme an einem risikobasierten Überwachungsprogramm
Delegierte Verordnung (EU) 2020/ 689 (Anhang VI Teil I Risikobasierte Überwachung)
4.
Verfahrensweise
4.1
Beratung der Betriebe
Der FGD berät die Fischhaltungsbetriebe zur Überwachung und erforderlichenfalls Bekämpfung der KHV-I. Die Beratung umfasst insbesondere die Erstellung und Anwendung von Biosicherheitsplänen zur Verhinderung der Einschleppung des KHV unter anderem durch:
–
Seuchenhygienische Trennung der Fischbestände
–
Zukauf aus nachgewiesen KHV-freien Beständen bei Zukauf aus anderen Bundesländern
–
Zukauf aus KHV-unverdächtig zertifizierten sächsischen Betrieben
–
Reinigung und Desinfektionsmaßnahmen von Haltungseinrichtungen, Fahrzeugen und Gerätschaften
4.2
Untersuchungen
Für die Untersuchung auf KHV stehen an der Landesuntersuchungsanstalt für das Gesundheits- und Veterinärwesen Sachsen (LUA) molekularbiologische Methoden (PCR), Elektronenmikroskopie und Histologie zur Verfügung. Die Probenahmen und Untersuchungen erfolgen gemäß den Vorgaben aus der amtlichen Methodensammlung des FLI in der aktuellen Fassung. Gegebenenfalls sind Erkrankungen mit ähnlicher Symptomatik differentialdiagnostisch auszuschließen.
a)
Bestandsuntersuchung
Karpfenbestände und Überträgerfischarten werden risikobasiert klinisch und virologisch untersucht.
b)
Verfolgsuntersuchung
Treten in einem teilnehmenden Fischhaltungsbetrieb erhöhte Fischverluste auf oder werden klinische Veränderungen an den Fischen festgestellt, die den Ausbruch der KHV-I vermuten lassen, so informiert der Fischhalter unverzüglich das zuständige Lebensmittelüberwachungs- und Veterinäramt (LÜVA) und den FGD. Dieser führt klinische und differentialdiagnostische Untersuchungen durch und entnimmt Proben gemäß den Vorgaben der amtlichen Methodensammlung des FLI.
c)
epidemiologische Untersuchung
Im Falle des positiven Befundes nach Buchstabe a oder b werden weitere epidemiologisch im Zusammenhang stehende Untersuchungen in Abstimmung zwischen Betrieb und FGD durchgeführt.
d)
Vektoren- und Prädatorenuntersuchung
Im Falle eines positiven Befundes in einem Fischbestand kann der FGD die Untersuchung auf das Vorhandensein von KHV-Genom bei möglichen Vektoren veranlassen. Dies umfasst insbesondere Wirbellose und Material von Prädatoren.
4.3
Maßnahmen zur Erlangung und Aufrechterhaltung der KHV-Unverdächtigkeit
Die Betriebe verpflichten sich,
–
Untersuchungen gemäß Nummer 4.2 Buchstabe a risikobasiert durchführen zu lassen und
–
gemäß Nummer 4.2 Buchstabe b unverzüglich den FGD einzubeziehen und seiner Meldepflicht gegenüber dem zuständigen LÜVA nachzukommen
–
Brut- und Satzfische nur aus KHV-unverdächtig zertifizierten Betrieben beziehungsweise mit negativem PCR-Untersuchungsergebnis auf das KHV-Genom zuzukaufen
–
seuchenhygienische Grundsätze und Biosicherheitsmaßnahmen einzuhalten
Für den Zukauf von Speisefischen gelten die gleichen Bedingungen oder es erfolgt eine konsequente seuchenhygienische Trennung.
Betriebe, die seit mindestens zwei Jahren gemäß diesem Programm mit negativen Ergebnissen auf KHV untersucht wurden, können vom FGD ein Zertifikat über die KHV-Unverdächtigkeit erhalten (Anlage A). Das Zertifikat kann sich auch auf Betriebsteile bzw. auf seuchenhygienisch getrennte epidemiologische Einheiten beziehen. Epidemiologische Einheiten zeichnen sich unter anderem durch getrennte Wasserführung sowie separate Bewirtschaftung mit eigenen oder vollständig desinfizierten Gerätschaften aus.
4.4
freiwillige Maßnahmen zur Bekämpfung der KHV-I
Aquakulturbetrieb und FGD erarbeiten gemeinsam ein betriebliches KHV-Bekämpfungskonzept, in welchem abrechenbare Auflagen wie Trockenlegung, Kalkung sowie weitere konkrete Biosicherheitsmaßnahmen festgelegt werden (Anlage B). Die Kontrolle der Einhaltung obliegt dem FGD.
Das Bekämpfungskonzept enthält betriebsspezifische Festlegungen und wird als Vereinbarung gemäß Anlage C vom Tierhalter und FGD unterzeichnet.
Tierverlustbeihilfen infolge KHV-bedingter Verluste können von der TSK bei Neuausbruch nur für teilnehmende Betriebe beziehungsweise bei erneutem Ausbruch nur für Betriebe mit einem abgestimmten und umgesetzten Bekämpfungskonzept berücksichtigt werden.
4.5
Erhöhung des Wissensstandes
Die TSK initiiert oder beteiligt sich als Partner an wissenschaftlichen Projekten, die dem Erkenntnisgewinn über das KHV dienen.
Die TSK trägt in Form von Fachartikeln, Merkblättern, Vorträgen und Beratungen zur Öffentlichkeitsarbeit bei.
5.
Teilnahme an dem Programm
Die Teilnahme steht allen bei der TSK gemeldeten Haltern von empfänglichen Fischarten oder Überträgerarten offen.
Die Teilnahme ist freiwillig.
Voraussetzung ist die ordnungsgemäße Meldung der Tiere sowie die fristgerechte Entrichtung der Beiträge an die TSK.
6.
Datenübermittlung und Auswertung
Jeder Teilnehmer am Programm erklärt sich damit einverstanden, dass Daten seines Bestandes dem Tiergesundheitsdienst der TSK zur Verfügung gestellt werden. Die LUA übermittelt der TSK und dem zuständigen LÜVA die Untersuchungsbefunde. Der Tiergesundheitsdienst wertet die Befunde in Zusammenarbeit mit dem Tierhalter aus.
Die Auswertung und Veröffentlichung der anonymisierten Ergebnisse erfolgt durch den Tiergesundheitsdienst im jährlichen Arbeitsbericht, gegebenenfalls in Form von Fachartikeln und Vorträgen sowie durch Dritte im Rahmen einer Facharbeit. Die Daten werden entsprechend den datenschutzrechtlichen Bestimmungen behandelt.
7.
Kosten
Die Kosten trägt der Tierhalter.
Die TSK beteiligt sich entsprechend der Vorgaben in der jeweils gültigen Satzung. Voraussetzung für die Gewährung der Beihilfe ist die Einhaltung der Anforderungen dieses Programms.
8.
Inkrafttreten und Außerkrafttreten
Dieses Programm tritt mit Wirkung vom 1. Januar 2022 in Kraft. Gleichzeitig tritt die
Neufassung des gemeinsamen Programms des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz und der Sächsischen Tierseuchenkasse zur Prophylaxe und Bekämpfung der Koi-Herpesvirus (KHV)-Infektion in sächsischen Fischhaltungsbetrieben (KHV-Bekämpfungsprogramm)
vom 13. April 2016 (SächsABl. S. 1061) außer Kraft.
Dresden, den 11. November 2021
Sächsisches Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt Dr. Stephan Koch Abteilungsleiter
Sächsische Tierseuchenkasse Bernhard John Vorsitzender des Verwaltungsrates
Anlagen
Feedback