Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft zum Ausgleich von durch Wolf, Luchs oder Bär verursachten Schäden (VwV Große Beutegreifer – VwVGB)
Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft zum Ausgleich von durch Wolf, Luchs oder Bär verursachten Schäden (VwV Große Beutegreifer – VwVGB)
Vom 28. Juni 2023
1. Zweck der Verwaltungsvorschrift
Der Freistaat Sachsen übernimmt auf Grundlage von § 40 Absatz 6 des
Sächsischen Naturschutzgesetzes
vom 6. Juni 2013 (SächsGVBl. S. 451), das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 20. Dezember 2022 (SächsGVBl. S. 705) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, und nach Maßgabe dieser Verwaltungsvorschrift Zahlungen zum Ausgleich von in Nummer 2 näher bestimmter Sachschäden, die durch Wolf, Luchs oder Bär verursacht werden. Soweit es sich bei den Zahlungen um staatliche Beihilfen im Sinne des Artikel 107 Absatz 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (ABl. C 202 vom 7.6.2016, S. 1) handelt, werden diese auf der Grundlage des Beschlusses der Europäischen Kommission zum Betreff: SA.104586 (2022/N) vom 8. Dezember 2022 gewährt. Der Schadensausgleich dient der besseren Akzeptanz der Großprädatoren Wolf, Luchs und Bär durch bestimmte Naturnutzergruppen im ländlichen Raum (zum Beispiel Weidetierhalter und Imker), mit deren Nutzungsinteressen die Großprädatoren aufgrund ihres Beuteschemas und ihrer Ernährungsweise in Konflikt geraten können und damit unmittelbar dem Schutz der genannten Arten, die sich gegenwärtig in Westeuropa nach langen Phasen intensiver Verfolgung durch den Menschen wieder ausbreiten. Ein Anspruch des Antragstellers auf Gewährung von Schadensausgleich besteht nicht. Die für die Schadensausgleichzahlung zuständige Behörde entscheidet aufgrund ihres pflichtgemäßen Ermessens im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel.
2. Gegenstand der Schadensausgleichzahlungen
Ausgeglichen werden folgende Schäden, sofern mit hinreichender Sicherheit festgestellt wird, dass die Schäden unmittelbar durch einen Wolf, Luchs oder Bär verursacht wurden:
2.1
Schäden an Tieren einschließlich Herdenschutz- und Hütehunden und Bienenvölkern, insbesondere durch deren Tötung, Verletzung oder Zerstörung,
2.2
Sonstige Sachschäden, die infolge des Übergriffs auf die Tiere entstehen, zum Beispiel an Schutzzäunen und sonstigen Schutzvorkehrungen oder Bienenhäusern und -wagen,
2.3
Tierarztkosten,
2.4
Arbeitskosten für die Suche nach vermissten Tieren.
3. Empfänger der Schadensausgleichzahlungen
Schadensausgleichzahlungen werden natürlichen Personen, Personengesellschaften und juristischen Personen gewährt. Soweit es sich bei der Zahlung um eine staatliche Beihilfe handelt, gilt ergänzend:
3.1
Das Unternehmen muss Waren des Anhanges I des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (ABl. C 326 vom 26.10.2012, S. 47) produzieren.
3.2
Die Schadensausgleichszahlungen dürfen Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne von Randnummer 33 Absatz 63 der Rahmenregelung der Europäischen Union für staatliche Beihilfen im Agrar- und Forstsektor und in ländlichen Gebieten (ABl. C 485 vom 21.12.2022, S. 1) nicht gewährt werden, es sei denn die finanziellen Schwierigkeiten wurden durch ein Schadensereignis nach Nummer 2 dieser Verwaltungsvorschrift verursacht.
3.3
Von Schadensausgleichszahlungen sind auch Unternehmen, die einer Rückforderungsanordnung aufgrund eines früheren Beschlusses der Kommission zur Feststellung der Unzulässigkeit einer Beihilfe und ihrer Unvereinbarkeit mit dem Binnenmarkt nicht nachgekommen sind, ausgeschlossen.
4. Voraussetzungen für Schadensausgleichzahlungen
Dem Grundsatz „Prävention vor Entschädigung“ folgend, setzt die Gewährung von Schadensausgleichzahlungen nach Maßgabe dieser Verwaltungsvorschrift voraus, dass der Zahlungsempfänger seine Tierbestände entsprechend den Vorgaben der guten fachlichen Praxis hält. Dazu müssen die Anforderungen des vorgegebenen Mindestschutzes zur Vermeidung von Übergriffen durch Wolf, Luchs und Bär (Anlage) erfüllt sein.
5. Höhe der Schadensausgleichzahlung
5.1
Den durch Bär, Luchs oder Wolf geschädigten Tierhaltern kann für Schäden
a)
nach Nummer 2.1 ein Ausgleich in Höhe von 100 Prozent des (errechneten) Schadens gewährt werden.
b)
nach Nummer 2.2 ein Ausgleich in Höhe von 100 Prozent des Schadens gewährt werden. Der Ausgleich darf nicht höher sein als die Reparaturkosten oder die durch das Schadensereignis verursachte Minderung des Marktwerts.
c)
nach Nummer 2.3 ein Ausgleich in Höhe von 80 Prozent der nachgewiesenen Kosten gewährt werden. Der Ausgleich darf den Marktwert der verletzten Tiere nicht übersteigen.
d)
nach Nummer 2.4 ein Ausgleich in Höhe von 80 Prozent der nachgewiesenen Kosten gewährt werden. Der Ausgleich darf den Marktwert der getöteten und verendeten Tiere nicht übersteigen.
5.2
Die Ermittlung und Berechnung des Schadens erfolgt dabei auf Grundlage eines landesweit einheitlichen Schemas. Die Schadensbewertung erfolgt durch das Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG). Der Ausgleichsbetrag ist um alle Kosten, die durch das Schadensereignis nicht entstanden sind und die der Empfänger der Schadenausgleichszahlung andernfalls hätte tragen müssen, sowie um etwaige Einnahmen aus dem Verkauf von Erzeugnissen aus den getöteten Tieren zu kürzen.
6. Verfahren
6.1
Schadensmeldung
Der durch einen Wolf, Luchs oder Bär geschädigte Tierhalter muss den eingetretenen Schaden nach seiner Entdeckung unverzüglich, spätestens aber vor Ablauf von 24 Stunden, beim LfULG melden, damit die Schadensursache mit hinreichender Gewissheit festgestellt werden kann. Das LfULG begutachtet den Schaden und erstellt ein Riss- und Schadensprotokoll einschließlich einer Beurteilung der Schutzmaßnahmen. Bei unklaren Riss- und Schadenssituationen kann die begutachtende Stelle weitere durch den Freistaat Sachsen geschulte und beauftragte Gutachter wie insbesondere die Landesuntersuchungsanstalt Sachsen in die Schadensverursacherfeststellung einbeziehen.
6.2
Ermittlung der Schadenshöhe
Das LfULG ermittelt anhand des Riss- und Schadensprotokolls die Schadenshöhe.
6.3
Antrag auf Schadensausgleich
Der Geschädigte beantragt den Schadensausgleich bei der Landesdirektion. Der Antrag ist spätestens sechs Monate nach der Schadensmeldung gemäß Nummer 6.1 zu stellen, ihm sind – soweit vorhanden – Zahlungsbelege beizufügen, die die Höhe des geltend gemachten Schadens belegen können. Die Landesdirektion leitet die Zahlungsbelege an das LfULG weiter und stellt nach Prüfung der Schadensberechnung des LfULG die Höhe des zu zahlenden Schadensausgleichs fest. Die Auszahlung wird durch die Landesdirektion veranlasst.
6.4
Aufbewahrungsfrist für Zahlungsbelege
Werden zur Ermittlung der Schadenshöhe Zahlungsbelege vorgelegt, sind diese zehn Jahre, gerechnet ab der Bekanntgabe des Schadensausgleichsbetrages, durch den Geschädigten aufzubewahren.
7. Transparenzpflicht
Handelt es sich bei der Zahlung um eine staatliche Beihilfe und übersteigen die bei einem Schadensfall gewährten Beihilfen den Betrag von 10 000 Euro, so werden die nach Randnummer 112 der Rahmenregelung der Europäischen Union für staatliche Beihilfen im Agrar- und Forstsektor und in ländlichen Gebieten erforderlichen Angaben veröffentlicht.
8. Inkrafttreten und Außerkrafttreten
Die Verwaltungsvorschrift tritt mit Wirkung vom 1. Juli 2023 in Kraft. Gleichzeitig tritt die
VwV Wolf
vom 21. August 2019 (SächsABl. S. 1288), zuletzt enthalten in der Verwaltungsvorschrift vom 7. Dezember 2021 (SächsABl. SDr. S. S 239), außer Kraft.
Dresden, den 28. Juni 2023
Der Staatsminister für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft Wolfram Günther
Anlage (zu Ziffer 4)
Vorgegebener Mindestschutz als Voraussetzung für Schadensausgleichszahlungen
1.
Vorgegebener Mindestschutz zur Vermeidung von Übergriffen durch einen Wolf
a)
auf Schafe und Ziegen
ist der Schutz der Schafe oder Ziegen durch bodennah abschließende stromführende Zäune (Elektronetzzäune oder stromführende Litzenzäune) von mindestens 90 Zentimeter Höhe und einer Mindestspannung von 2 000 Volt. Bei Litzenzäunen darf der Abstand von der untersten Litze zum Boden und zwischen den untersten drei Litzen maximal 20 Zentimeter betragen. Ab der vierten Litze kann der Abstand zwischen den Litzen auf maximal 30 Zentimeter erhöht werden.
b)
auf Gehegewild
ist der Schutz des Gehegewildes durch Drahtgeflechtzäune mit bodengleichem Abschluss (Spanndraht) von 120 Zentimeter Höhe.
Zäune (a. und b.) sind auch wasserseitig zu stellen. Beim Aufstellen der Zäune muss genügend Abstand zu Böschungen, angrenzenden höheren Ebenen (Heu-, Silageballen oder Ähnliches) eingehalten werden, um ein Einspringen in die Weide durch den Wolf zu verhindern.
2.
Vorgegebener Mindestschutz zur Vermeidung von Übergriffen durch einen Luchs
Die Vorgaben nach Nummer 1 finden entsprechende Anwendung. Beim Aufstellen der Zäune ist darüber hinaus darauf zu achten, dass das Überspringen der Zäune mit Hilfe zaunnaher Bäume (Kletterhilfen) nicht möglich ist.
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