Gemeinsame Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und des Sächsischen Staatsministeriums des Innern über die Anwendung des unmittelbaren Zwanges durch Polizeibeamte auf Anordnung des Staatsanwalts
Gemeinsame Verwaltungsvorschrift
des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz
und des Sächsischen Staatsministeriums des Innern
über die Anwendung des unmittelbaren Zwanges durch Polizeibeamte auf Anordnung des Staatsanwalts
Vom 26. Februar 2015
I. Gegenstand
Für die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch Polizeibeamte auf Anordnung des Staatsanwalts gelten die in der Anlage befindlichen bundeseinheitlichen Richtlinien.
II. Inkrafttreten
Diese Verwaltungsvorschrift tritt am 1. Mai 2015 in Kraft.
Dresden, den 26. Februar 2015
Der Staatsminister der Justiz
Sebastian Gemkow
Der Staatsminister des Innern
Markus Ulbig
Anlage (zu Ziffer I)
Gemeinsame Richtlinien
der Justizminister/-senatoren und der Innenminister/-senatoren des Bundes und der Länder
über die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch Polizeibeamte auf Anordnung des Staatsanwalts
A.
Im Hinblick auf die Verantwortung der Staatsanwaltschaft für das Ermittlungsverfahren und damit auch für die Vollständigkeit der Ermittlungen und ihre Rechtmäßigkeit umfasst die Leitungs- und Weisungsbefugnis des Staatsanwalts gegenüber der Polizei auch Anordnungen zur Anwendung unmittelbaren Zwanges.
Die Gefahrenabwehr ist Aufgabe der Polizei. In diesem Bereich besteht kein Raum für Anordnungen des Staatsanwalts.
B.
Für die Ausübung des Weisungsrechts zur Anwendung unmittelbaren Zwanges ergehen – unbeschadet der Vorschriften des § 161
StPO
, § 152
GVG
– folgende Richtlinien:
I.
Der Staatsanwalt richtet, solange nicht ein bestimmter Beamter mit der Bearbeitung des konkreten Falles befasst ist, Weisungen grundsätzlich an die zuständige Polizeidienststelle.
Sind in einem konkreten Fall mehrere Polizeibeamte unter einem weisungsbefugten Beamten eingesetzt (zum Beispiel Einsatzleitung, Sonderkommission), richtet der Staatsanwalt Weisungen grundsätzlich an den weisungsbefugten Beamten. Dieser gibt – unabhängig davon, ob er selbst zu dem Kreis der nach § 152
GVG
bezeichneten Beamten gehört – die Weisung an die ihm unterstellten Bediensteten weiter und veranlasst ihre Durchführung.
Ist eine polizeiliche Einsatzleitung gebildet, begibt sich der Staatsanwalt, der auf die Anwendung unmittelbaren Zwanges Einfluss nehmen will, grundsätzlich zur Einsatzleitung. Seine Weisungen soll er an den mit der Gesamtverantwortung betrauten Einsatzleiter richten. Besteht eine mehrstufige Einsatzleitung, hält sich der Staatsanwalt grundsätzlich bei der Gesamtleitung auf. Befindet er sich bei einem nachgeordneten Einsatzleiter, so wird er Weisungen nur im Rahmen der Befehlsgebung der übergeordneten Einsatzleitung und des Ermessensspielraums geben, der dem nachgeordneten Einsatzleiter eingeräumt ist.
II.
Zur Art und Weise der Ausübung des unmittelbaren Zwanges soll der Staatsanwalt nur allgemeine Weisungen erteilen und deren Ausführung der Polizei überlassen.
Konkrete Einzelweisungen zur Art und Weise der Ausübung unmittelbaren Zwanges soll der Staatsanwalt nur erteilen, wenn
1.
die Polizei darum nachsucht,
2.
es aus Rechtsgründen unerlässlich ist oder
3.
die Ausübung des unmittelbaren Zwanges Auswirkungen auf das weitere Ermittlungsverfahren hat.
Ob die Voraussetzungen zu Nummer 2 oder 3 gegeben sind, entscheidet der Staatsanwalt.
Die Erteilung konkreter Einzelweisungen setzt die genaue Kenntnis der jeweiligen Situation und der bestehenden Möglichkeiten für die Ausübung unmittelbaren Zwanges voraus. Dies bedingt in der Regel die Anwesenheit am Ort des Einsatzes oder der Einsatzleitung. Für konkrete Einzelweisungen zum Gebrauch von Schusswaffen ist die Anwesenheit am Ort des Einsatzes unerlässlich.
Bei konkreten Einzelweisungen soll der Staatsanwalt die besondere Sachkunde der Polizei berücksichtigen.
III.
Ergeben sich bei einem einheitlichen Lebenssachverhalt gleichzeitig und unmittelbar Aufgaben der Strafverfolgung und der Gefahrenabwehr, so sind die Staatsanwaltschaft und die Polizei zuständig, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Maßnahmen zu treffen.
In einem solchen Falle ist eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei in ganz besonderem Maße erforderlich. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit gebietet es, dass jede Stelle bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben auch die Belange der übrigen sich aus dem Lebenssachverhalt stellenden Aufgaben berücksichtigt. Schaltet sich die Staatsanwaltschaft ein, so werden der Staatsanwalt und die Polizei möglichst im Einvernehmen handeln.
Dies gilt auch dann, wenn die Situation die gleichzeitige angemessene Wahrnehmung beider Aufgaben nicht zulässt. In diesem Falle ist nach dem Grundsatz der Güter- und Pflichtenabwägung jeweils für die konkrete Lage zu entscheiden, ob die Strafverfolgung oder die Gefahrenabwehr das höherwertige Rechtsgut ist.
Erfordert die Lage unverzüglich eine Entscheidung über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und ist ein Einvernehmen darüber, welche Aufgabe in der konkreten Lage vorrangig vorzunehmen ist, – gegebenenfalls auch nach Einschaltung der vorgesetzten Dienststellen – nicht herzustellen, so entscheidet hierüber die Polizei.
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