Verwaltungsvorschrift der Sächsischen Staatsregierung zur präventiven und repressiven Korruptionsbekämpfung in der staatlichen Verwaltung des Freistaates Sachsen (VwV Anti-Korruption)
Verwaltungsvorschrift
der Sächsischen Staatsregierung
zur präventiven und repressiven Korruptionsbekämpfung in der staatlichen Verwaltung des Freistaates Sachsen
(VwV Anti-Korruption)
Vom 11. Dezember 2015
I. Anwendungsbereich
1.
Diese Verwaltungsvorschrift gilt für die Behörden und Einrichtungen des Freistaates Sachsen, nicht jedoch für den Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, den Rechnungshof, die Verwaltung des Landtags und den Sächsischen Datenschutzbeauftragten. Für die Gerichte und die Staatsanwaltschaften gilt die Verwaltungsvorschrift, soweit sie Verwaltungsaufgaben wahrnehmen.
2.
Die Anwendung dieser Verwaltungsvorschrift wird den der Aufsicht des Freistaates Sachsen unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie den Unternehmen mit öffentlicher Beteiligung empfohlen.
II. Definitionen
1.
Korruption/Systematische Korruption
a)
Korruption im Sinne dieser Verwaltungsvorschrift ist jeder Missbrauch einer amtlichen Funktion zugunsten eines Anderen zur Erlangung eines Vorteils für sich oder einen Dritten.
b)
Systematisch ist die Korruption, wenn sie sich längerfristig angelegter Beziehungsstrukturen bedient.
2.
Präventive Korruptionsbekämpfung
Hierunter fallen Maßnahmen, mit deren Hilfe Korruption oder eine diese fördernde Entwicklung verhindert werden sollen.
3.
Repressive Korruptionsbekämpfung
Hierunter fallen Maßnahmen, mit deren Hilfe Korruption aufgedeckt und verfolgt werden soll.
III. Korruptionsgefährdete Arbeitsplätze/Dienstposten
1.
Feststellung der korruptionsgefährdeten Arbeitsplätze/Dienstposten
a)
Die Behörden und Einrichtungen des Freistaates Sachsen sollen ihre korruptionsgefährdeten Arbeitsplätze/Dienstposten feststellen und zumindest die betroffenen Mitarbeiter in geeigneter Weise hierüber informieren.
b)
Als korruptionsgefährdet kommt ein Arbeitsplatz/Dienstposten in Betracht, wenn dort vertrauliche Informationen vorhanden sind oder Entscheidungen vorbereitet oder getroffen werden, die für einen Dritten einen materiellen oder immateriellen Vorteil darstellen oder einen Nachteil bedeuten können.
Weitere Ausführungen zur Feststellung korruptionsgefährdeter Arbeitsplätze/Dienstposten kann eine als Empfehlung zu verstehende Handreichung bieten, zu deren Erarbeitung das Staatsministerium des Innern ermächtigt wird.
2.
Durchführung von Gefährdungsanalysen
Die festgestellten korruptionsgefährdeten Arbeitsplätze/Dienstposten sollen einer Gefährdungsanalyse unterzogen werden, um den Grad der Korruptionsgefahr zu ermitteln und hieran anknüpfend zu bestimmen, ob weitere Maßnahmen zur präventiven Korruptionsbekämpfung erforderlich sind. Auch hierzu kann die unter Nummer 1 genannte Handreichung eine Hilfestellung bieten.
3.
Wiederholung der Gefährdungsanalysen
Die Gefährdungsanalyse soll spätestens nach fünf Jahren wiederholt werden, bei wesentlichen Organisations- oder Aufgabenveränderungen unmittelbar danach.
IV. Instrumente der Korruptionsbekämpfung
1.
Instrument zur präventiven Korruptionsbekämpfung
Jede Behördenleitung bestimmt für ihre Behörde eine Organisationeinheit (zum Beispiel die Innenrevision), die im Bereich der präventiven Korruptionsbekämpfung folgende Aufgaben wahrnimmt:
a)
Feststellen von korruptionsgefährdeten Arbeitsplätzen/Dienstposten nach Ziffer III Nummer 1,
b)
Durchführen von hierauf basierenden Gefährdungsanalysen nach Ziffer III Nummer 2,
c)
Unterbreiten von Vorschlägen für geeignete Präventionsmaßnahmen,
d)
Grundlagenarbeit (zum Beispiel Erstellen eines Konzeptes zur präventiven Korruptionsbekämpfung).
2.
Instrument zur repressiven Korruptionsbekämpfung
In jeder obersten Staatsbehörde wird von der Behördenleitung ein Behördenmitarbeiter als Ansprechpartner für Anti-Korruption (AAK) bestellt. Bei Bedarf kann ein Stellvertreter bestellt werden. Der AAK ist auch für die Behörden des nachgeordneten Bereichs zuständig, solange für diese keine eigenverantwortlich handelnden AAK bestellt sind. Ob auch in den nachgeordneten Behörden AAK eingerichtet werden, entscheidet die jeweilige oberste Staatsbehörde. Der AAK nimmt insbesondere folgende Aufgaben wahr:
a)
Er nimmt Hinweise von Mitarbeitern aus der Verwaltung entgegen, die einen Korruptionsverdacht in Bezug auf einen Behördenmitarbeiter seines Zuständigkeitsbereiches haben. Darüber hinaus nimmt er auch Hinweise von Personen außerhalb der Verwaltung entgegen, wenn die jeweilige oberste Staatsbehörde eine solche Festlegung getroffen hat.
b)
Er unterbreitet Vorschläge zur Durchführung interner Ermittlungen innerhalb seines Zuständigkeitsbereiches, wenn er Hinweise auf Korruption in der Behörde erlangt hat, und schlägt im Falle eines konkreten Korruptionsverdachtes Maßnahmen gegen Verdunkelung (zum Beispiel Entzug bestimmter laufender oder abgeschlossener Vorgänge, Sicherung des Arbeitsraums, der Aufzeichnungen mit dienstlichem Bezug oder der Arbeitsmittel) vor.
Weitere Angaben zur Person des AAK, seinen Aufgaben und Pflichten sollen in eine als Empfehlung zu verstehende Handreichung aufgenommen werden, zu deren Erarbeitung das Staatsministerium des Innern ermächtigt wird.
V. Maßnahmen der Korruptionsbekämpfung
1.
Maßnahmen der präventiven Korruptionsbekämpfung
Die Behörden und Einrichtungen sollen die nachfolgend dargestellten Maßnahmen durchführen. Dabei können sie sich auf einzelne Maßnahmen beschränken. Die Entscheidung hierüber ist zu dokumentieren und zu begründen.
a)
Sensibilisierung der Bediensteten
Im Zusammenhang mit der Ablegung des Diensteides oder der Einstellung sollen die Bediensteten über den Unrechtsgehalt, die dienst-, arbeits- und strafrechtlichen Folgen der Korruption sowie über die einschlägigen Regelungen zum Verbot der Annahme von Belohnungen, Geschenken und sonstigen Vorteilen belehrt werden. Dabei soll auf die Möglichkeit hingewiesen werden, dass sich Bedienstete ohne Einhaltung des Dienstweges an den AAK der Behörde wenden können, falls sie einen Korruptionsverdacht haben. Die Bediensteten sollen außerdem auf ihre Verpflichtung hingewiesen werden, sich von der einschlägigen Vorschriftensammlung im Landesweb und Intranet Kenntnis zu verschaffen; bei Bedarf sollen die Vorschriften dem Bediensteten ausgehändigt werden.
b)
Aus- und Fortbildung
Alle Bediensteten, die korruptionsgefährdete Arbeitsplätze/Dienstposten innehaben, sollen vorrangig das elektronische Lernprogramm zum Thema Antikorruption oder ausnahmsweise eine gleichwertige Fortbildungsveranstaltung absolvieren. Hiervon kann in begründeten Einzelfällen, wie zum Beispiel bei nachgewiesener Vorbildung, Abstand genommen werden. Ergänzend können die Bediensteten vom themenbezogenen Fortbildungsangebot der Akademie für öffentliche Verwaltung des Freistaates Sachsen durch die Teilnahme an Präsenzveranstaltungen Gebrauch machen und auf diese Weise an einem Erfahrungsaustausch mitwirken. Auch Bediensteten, die keine korruptionsgefährdeten Aufgaben wahrnehmen, soll die Teilnahme am elektronischen Lernprogramm nahe gelegt werden.
c)
Personalrotation
Systematischer Korruption kann auch durch Personalrotation vorgebeugt werden. Auf korruptionsgefährdeten Arbeitsplätzen/Dienstposten, die nach dem Ergebnis der Gefährdungsanalyse einen hohen Grad an Korruptionsgefahr aufweisen, soll die Verwendungszeit der Bediensteten fünf Jahre nicht überschreiten. Dem Wechsel des Arbeitsplatzes/Dienstpostens steht eine Änderung des Aufgabenzuschnittes gleich, mit der sichergestellt wird, dass sich die Zuständigkeit des Bediensteten in seinem neuen Aufgabenbereich auf einen anderen Personenkreis erstreckt. Die als hoch korruptionsgefährdet ermittelten Arbeitsplätze/Dienstposten werden der personalverwaltenden Stelle gemeldet. Diese weist gegenüber der betroffenen Organisationseinheit und deren Vorgesetzten auf die Verwendungszeiten hin. Allerdings können die Verwendungszeiten zum Beispiel bei Fehlen geeigneten Personals oder einer Stelle gleicher Wertigkeit verlängert werden. Die persönlichen Interessen der Bediensteten, insbesondere im Hinblick auf den Zeitpunkt der Rotation, sollen berücksichtigt werden.
Hilfestellung bei der Umsetzung der Rotation kann durch eine als Empfehlung zu verstehende Handreichung erfolgen, zu deren Erarbeitung das Staatsministerium des Innern ermächtigt wird.
d)
Allgemeine Vorgangskontrollen, Wahrnehmung der Dienst- und Fachaufsicht
Für korruptionsgefährdete Arbeitsplätze/Dienstposten sollen im Geschäftsablauf geeignete Maßnahmen zur Vorgangskontrolle vorgesehen werden, zum Beispiel Wiedervorlagen, Abschlussvermerke, stichprobenweise Überprüfung von Ermessensentscheidungen. Auf korruptionsgefährdeten Arbeitsplätzen/Dienstposten, die im Ergebnis der Gefährdungsanalyse einen hohen Grad an Korruptionsgefahr aufweisen, sollen verstärkte Kontrollen (zum Beispiel Stichproben gegebenenfalls auch durch die Aufsichtsbehörden) erfolgen.
e)
Mehraugenprinzip
Auf Arbeitsplätzen/Dienstposten, die nach dem Ergebnis der Gefährdungsanalyse mit einem hohen Grad an Korruptionsgefahr verbunden sind, soll die Anwendung des Mehraugenprinzips durch die Beteiligung mehrerer, in der Regel zwei, Bediensteter oder Organisationseinheiten im Wege der Mitprüfung sichergestellt werden.
f)
Arbeitsabläufe
Um korruptivem Zusammenwirken zwischen Bediensteten und Dritten vorzubeugen, sollen komplexere Vorgänge oder zeitlich weit auseinanderliegende Einzelmaßnahmen verschiedenen Organisationseinheiten oder verschiedenen Bearbeitern innerhalb einer Einheit zugeordnet werden, soweit dies fachlich und wirtschaftlich vertretbar ist. Eine durchgehende Trennung von Bedarfs-, Vergabe- und Abrechnungsstellen soll angestrebt werden. Organisatorische Maßnahmen, insbesondere Zuständigkeitsregelungen, sollen so getroffen werden, dass auf Arbeitsplätzen/Dienstposten mit der Gefahr einer systematischen Korruption diese Gefahr minimiert wird.
2.
Maßnahmen der repressiven Korruptionsbekämpfung
a)
Pflichten der Bediensteten
Bei einem konkreten Korruptionsverdacht, das heißt bei nicht nur auf Vermutungen gründenden Hinweisen auf mögliches korruptives Verhalten, haben die Bediensteten ihren Vorgesetzten zu informieren. Tatsachen, aus denen sich der Verdacht ergibt, dass Vorgesetzte in strafbare Handlungen verwickelt sind, sind den nächsthöheren Vorgesetzten oder einer vorgesetzten Dienststelle mitzuteilen. Die Mitteilung kann auch oder nur gegenüber dem für die Behörde des Bediensteten zuständigen AAK erfolgen.
b)
Pflichten der Vorgesetzten
Haben Vorgesetzte tatsachengestützte Hinweise auf korruptives Verhalten erlangt, so haben sie hiervon den Dienstvorgesetzten in Kenntnis zu setzen.
c)
Anzeige gegenüber der Strafverfolgungsbehörde
Der Dienstvorgesetzte hat, gegebenenfalls in Abstimmung mit der vorgesetzten Dienststelle, einen konkreten Korruptionsverdacht den Strafverfolgungsbehörden unverzüglich anzuzeigen. Außerdem sind nur in Abstimmung mit den Strafverfolgungsbehörden vorbeugende Maßnahmen gegen eine Verdunkelung einzuleiten, es sei denn, die Maßnahmen sind unaufschiebbar. Die Zuständigkeit für disziplinar- und arbeitsrechtliche Maßnahmen bleibt hiervon unberührt.
d)
Unterstützung der Ermittlungsarbeit der Strafverfolgungsbehörde
Die Dienststellen haben alles zu unterlassen, was die Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden gefährden könnte, insbesondere führen sie nach erfolgter Anzeige bei einer Strafverfolgungsbehörde ohne Abstimmung mit dieser keine eigenen, nicht förmlichen Verwaltungsermittlungen zur Aufklärung des angezeigten Sachverhaltes durch.
e)
Disziplinar- und arbeitsrechtliche Maßnahmen
Sind die jeweiligen rechtlichen Voraussetzungen erfüllt, so sind bei Beamten unverzüglich disziplinarrechtliche Maßnahmen zu treffen und bei Arbeitnehmern ist von arbeitsrechtlichen Sanktionsmaßnahmen Gebrauch zu machen.
f)
Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen
Ist ein Schaden eingetreten, sind Schadensersatzansprüche gegen Bedienstete und Dritte sorgfältig und umfassend zu prüfen und gegebenenfalls durchzusetzen.
In einer als Empfehlung zu verstehenden Handreichung, zu deren Erarbeitung das Staatsministerium des Innern ermächtigt wird, können weitere geeignete Verhaltensweisen zur präventiven und repressiven Korruptionsbekämpfung aufgezeigt werden.
VI. Förmliche Verpflichtung nichtbeamteter Personen
Wirken private Unternehmen, zum Beispiel Architektur- oder Ingenieurbüros, bei der Ausführung von Aufgaben der öffentlichen Hand mit, sind erforderlichenfalls die einzelnen Arbeitnehmer dieser Unternehmen nach dem
Verpflichtungsgesetz
vom 2. März 1974 (BGBl. I S. 469, 547), das durch § 1 Nummer 4 des Gesetzes vom 15. August 1974 (BGBl. I S. 1942) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Obliegenheiten aus dem Auftrag zu verpflichten (zum Muster einer Verpflichtungserklärung siehe Anlage). Das Gleiche gilt für Privatpersonen, die bei der Ausführung von Aufgaben der öffentlichen Hand mitwirken.
VII. Inkrafttreten
Diese Verwaltungsvorschrift tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft.
Dresden, den 11. Dezember 2015
Der Ministerpräsident
Stanislaw Tillich
Der Staatsminister des Innern
Markus Ulbig
Anlage
Feedback