Bauaufsicht; Sonderverfahren nach den Artikeln 16 und 17 der Bauproduktenrichtlinie
Bauaufsicht; Sonderverfahren nach den Artikeln 16 und 17 der Bauproduktenrichtlinie
RdErl. d. MS v. 9.9.1997 - 307-24 132/2-5.2 -
Vom 9. September 1997 (Nds. MBl. S. 1649)
- VORIS 21072 02 00 40 039 -
Abschnitt 1 Art16BpRLSv
1. Bauprodukte werden künftig innerhalb des europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) auf der Grundlage harmonisierter europäischer technischer Spezifikationen in Verkehr gebracht, frei gehandelt und verwendet. So sieht es die Richtlinie 89/106/EWG des Rates vom 21.12.1988 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Bauprodukte (ABl. EG 1989 Nr. L 40 S. 12) - Bauproduktenrichtlinie - (im folgenden: BPR) vor.
Diese Richtlinie ist in Deutschland durch das Bauproduktengesetz (BauPG) vom 10.8.1992 (BGBl. I S. 1495), zuletzt geändert durch § 16 des Gesetzes vom 22.4.1997 (BGBl. I S. 934) und in Niedersachsen durch die NBauO i. d. F. vom 13.7.1995 (Nds. GVBl. S. 199), geändert durch Artikel II des Gesetzes vom 28.5.1996 (Nds. GVBl. S. 252), in nationales Recht umgesetzt.
Unter harmonisierten europäischen technischen Spezifikationen werden im Rahmen der BPR und des BauPG verstanden:
Harmonisierte Normen (amtlich bekanntgemachte europäische Normen, die von den europäischen Normungsinstituten CEN und CENELEC auf Grund von Mandaten der Europäischen Kommission gemäß Artikel 7 Abs. 1 BPR erstellt wurden),
europäische technische Zulassungen (von Mitgliedsinstituten der europäischen Organisation für technische Zulassungen - EOTA - gemäß Artikel 8 bis 11 BPR erteilte technische Zulassungen),
anerkannte nationale Normen (amtlich bekanntgemachte nationale Normen, deren Eignung als Grundlage für die CE-Kennzeichnung nach dem Verfahren gemäß Artikel 4 Abs. 3 und Artikel 5 Abs. 2 BPR festgestellt worden ist und die somit harmonisierten Normen gleichgestellt sind).
Harmonisierte europäische technische Spezifikationen für Bauprodukte liegen bis heute noch nicht vor. Bislang bestehende, z. B. als DIN EN veröffentlichte europäische Normen sind keine harmonisierten Normen im Sinne der BPR.
Für die Zeit, in der solche harmonisierten europäischen technischen Spezifikationen noch nicht existieren, sieht die BPR vor, daß die jeweiligen nationalen Bestimmungen für Bauprodukte in jedem Mitgliedstaat weitergelten, daß jedoch diesbezügliche Prüfungen und Überwachungen auch in einem Mitgliedstaat, in dem ein Hersteller von Bauprodukten ansässig ist, durchgeführt werden können, wenn hierzu eine vom Mitgliedstaat des Herstellers für diesen Zweck anerkannte Stelle eingeschaltet wurde. Ein entsprechendes "Sonderverfahren" ist in den Artikeln 16 und 17 BPR festgelegt.
Hierfür haben Vertreter von Bund und Ländern die nachfolgenden Verfahrensregelungen erarbeitet.
Abschnitt 2 Art16BpRLSv
2. Das Sonderverfahren nach den Artikeln 16 und 17 BPR kann angewendet werden, wenn keine harmonisierte europäische technische Spezifikation (harmonisierte Norm, europäische technische Zulassung, anerkannte nationale Norm) für das fragliche Bauprodukt vorliegt.
In diesem Fall betrachtet der Bestimmungsmitgliedstaat auf Antrag im Einzelfall die Produkte, die bei den im Mitgliedstaat des Herstellers durchgeführten Versuchen und Überwachungen durch eine zugelassene Stelle für ordnungsgemäß befunden sind, als konform mit den geltenden nationalen Vorschriften, wenn diese Versuche und Überwachungen nach den im Bestimmungsmitgliedstaat geltenden oder als gleichwertig anerkannten Verfahren durchgeführt worden sind. Dies gilt auch für die sonstigen Vertragsstaaten des Abkommens über den EWR.
Die im folgenden genannte "zuständige Stelle" kann sein:
die nach Landesrecht zuständige Behörde,
die von der Landesregierung bestimmte Anerkennungsbehörde,
die zuständige Bundesbehörde oder
die von der zuständigen Bundesbehörde bestimmte Anerkennungsbehörde.
Es ist zwischen folgenden Fällen zu unterscheiden:
Fall 1: Ein in Deutschland hergestelltes Produkt soll in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) oder in einem sonstigen Vertragsstaat des Abkommens über den EWR (Bestimmungsmitgliedstaat) in Verkehr gebracht werden; die in dem anderen Staat ggf. vorgeschriebenen Prüfungen, Überwachungen und Bescheinigungen sollen von einer deutschen Stelle durchgeführt oder erteilt werden, die dafür zugelassen ist.
Ablauf des Verfahrens:
a)
Der Antragsteller (deutsche Prüf-, Überwachungs- oder Zertifizierungsstelle) wendet sich wegen der Benennung als zugelassene Stelle nach Artikel 16 BPR unter Angabe des Produktbereichs und der Art der vorgesehenen Tätigkeit der Stelle (Prüfung, Überwachung und Bescheinigung) an die nach Landesrecht zuständige oder von der Landesregierung bestimmte Stelle seines Sitzlandes. Diese unterrichtet das Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (BMBau), Postfach 20 50 01, 53170 Bonn, und das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt), Kolonnenstraße 30, 10829 Berlin. Für Bauprodukte, die in den Anwendungsbereich der NBauO fallen, wendet sich der Antragsteller an das MS. Anträge für Bauprodukte, die nicht in den Anwendungsbereich der NBauO fallen, sind bis auf weiteres ebenfalls an das MS zu richten.
b)
Das BMBau informiert den Bestimmungsmitgliedstaat über den Antrag und bittet um Angabe der für den entsprechenden Produktbereich geltenden materiellen Vorschriften (u.a. ausländische Kontaktstelle).
c)
Das BMBau gibt die vom Bestimmungsmitgliedstaat erhaltenen Informationen an die zuständige Stelle und an das DIBt weiter.
d)
Die zuständige Stelle prüft, ob der Antragsteller die erforderlichen Voraussetzungen für die Durchführung der entsprechenden Aufgaben erfüllt. Sie kann eine Gutachterin oder einen Gutachter (ggf. des Bestimmungsmitgliedstaates) auf Kosten des Antragstellers einschalten.
e)
Bei Erfüllung der Voraussetzungen und nach erfolgter Rücksprache mit dem Bestimmungsmitgliedstaat läßt die zuständige Stelle den Antragsteller für Prüfungen, Überwachungen und Bescheinigungen nach den Vorschriften des Bestimmungsmitgliedstaates für den entsprechenden Produktbereich zu und teilt dies dem BMBau und den zuständigen Behörden der anderen Länder mit.
f)
Das MS erkennt Antragsteller für Prüfungen, Überwachungen und Zertifizierungen von Bauprodukten, die im Anwendungsbereich der NBauO Verwendung finden, nach § 28c Abs. 3 NBauO an.
g)
Das BMBau unterrichtet den Bestimmungsmitgliedstaat über die Entscheidung.
h)
Das DIBt führt eine Liste der nach den Artikeln 16 und 17 BPR zugelassenen oder anerkannten deutschen Stellen unter Angabe der Produktbereiche und Bestimmungsmitgliedstaaten und gibt sie in angemessenen Zeitabständen bekannt.
Fall 2: Ein in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder einem sonstigen Vertragsstaat des Abkommens über den EWR (Exportstaat) hergestelltes Produkt soll in Deutschland in Verkehr gebracht werden; die in Deutschland vorgeschriebenen Prüfungen, Überwachungen und Bescheinigungen sollen im Exportstaat von einem ausländischen Antragsteller (ausländische Prüf-, Überwachungs- oder Zertifizierungsstelle) durchgeführt oder erteilt werden, den der Exportstaat hierfür zugelassen hat.
Ablauf des Verfahrens:
a)
Der ausländische Antragsteller wendet sich an die für die Zulassung nach den Artikeln 16 und 17 BPR zuständige Stelle des Exportstaates. Diese unterrichtet das BMBau über den Antrag unter Angabe des Produktbereichs und der Art der vorgesehenen Tätigkeit.
b)
Das BMBau informiert den Exportstaat in Abstimmung mit dem DIBt (stellvertretend für die Länder oder die eventuell zuständigen Bundesbehörden) über die Anforderungen an das betreffende Produkt nach den deutschen Vorschriften und die erforderlichen Prüfungen, Überwachungen und Bescheinigungen und bietet die Vermittlung gutachterlicher Hilfe auf Kosten des Antragstellers an.
c)
Das DIBt oder die zuständige Bundesbehörde prüft nach erfolgtem Informationsaustausch mit der zuständigen Stelle des Exportstaates, ob die Zulassung des ausländischen Antragstellers hinsichtlich der deutschen Vorschriften annehmbar ist.
d)
Das BMBau unterrichtet die zuständige Stelle des Exportstaates, daß von deutscher Seite gegen die vorgesehene Zulassung keine Bedenken bestehen, oder teilt ihr etwaige Bedenken mit.
e)
Die zuständige Stelle des Exportstaates unterrichtet das BMBau über ihre Entscheidung. Wenn die Entscheidung entgegen vorgebrachter Bedenken getroffen wurde, unterrichtet das BMBau entsprechend Artikel 16 Abs. 2 Satz 4 BPR die Europäische Kommission.
f)
Das BMBau informiert das DIBt oder die zuständigen Bundesbehörden über die Entscheidung des Exportstaates.
g)
Das DIBt unterrichtet die zuständigen Behörden der Länder und nimmt die zugelassene Stelle in eine Liste auf.
An die Bauaufsichtsbehörden
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