Zentralstelle Terrorismusbekämpfung
DE - Landesrecht Niedersachsen

Zentralstelle Terrorismusbekämpfung

Zentralstelle Terrorismusbekämpfung

AV d. MJ v. 20. 3. 2020 - 3262-403.165 -
Vom 20. März 2020 (Nds. MBl. S. 429) (1)
- VORIS 33210 -
Bezug: AV v. 20. 12. 2016 (Nds. MBl. 2017 S. 21, Nds. Rpfl. 2017 S. 67) - VORIS 33210 -
Redaktionelle InhaltsübersichtAbschnitt
Allgemeines1
Zuständigkeit2
Zusammenarbeit mit den Staatsschutzabteilungen3
Zusammenarbeit mit anderen Stellen4
Verfahren5
Schlussbestimmungen6
(1) Red. Anm.:
Nds. Rpfl. 2020 S. 154

Abschnitt 1 ZTAV - Allgemeines

Zur effektiven Verfolgung terroristischer Straftaten und zur wirksamen Bekämpfung akut auftretender terroristischer Gefährdungslagen wird bei der Generalstaatsanwaltschaft Celle eine landesweit zuständige Zentralstelle eingerichtet. Soweit ihre Zuständigkeit nicht bereits aus § 143 Abs. 1 GVG folgt, wird die Generalstaatsanwaltschaft Celle gemäß § 143 Abs. 4 und § 147 Nr. 2 GVG als zuständige Schwerpunktstaatsanwaltschaft für die Bezirke der drei niedersächsischen Oberlandesgerichte bestimmt.
Bezeichnung und Anschrift der Zentralstelle lauten:
Generalstaatsanwaltschaft Celle Zentralstelle Terrorismusbekämpfung Schloßplatz 2 29221 Celle.

Abschnitt 2 ZTAV - Zuständigkeit

2.1 Die Zentralstelle ist sachlich zuständig für die Bearbeitung aller in Niedersachsen anfallenden Ermittlungs- und Strafverfahren, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es sich um eine terroristisch motivierte Straftat handelt. Dies gilt insbesondere für
2.1.1 Straftaten nach
a)
§ 85 StGB (Verstoß gegen ein Vereinigungsverbot),
b)
§ 87 StGB (Agententätigkeit zu Sabotagezwecken),
c)
§ 88 StGB (Verfassungsfeindliche Sabotage),
d)
§ 89a StGB (Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat),
e)
§ 89b StGB (Aufnahme von Beziehungen zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat),
f)
§ 89c StGB (Terrorismusfinanzierung),
g)
§ 91 StGB (Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat),
h)
§ 111 StGB (Öffentliche Aufforderung zu Straftaten),
i)
§ 126 StGB (Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten),
j)
§ 129 StGB (Bildung krimineller Vereinigungen),
k)
§ 130 StGB (Volksverhetzung),
l)
§ 130a StGB (Anleitung zu Straftaten) und
m)
§ 131 StGB (Gewaltdarstellung),
wenn der konkrete Verdacht besteht, dass diese aufgrund terroristischer Motivation
oder aus terroristischen Strukturen, Organisationen, Vereinigungen oder deren Umfeld
heraus begangen wurden,
2.1.2 die Bearbeitung aller in Niedersachsen anfallenden Ermittlungs- und Strafverfahren
wegen des Verdachts von Straftaten nach
a)
dem SprengG,
b)
dem WaffG,
c)
dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen,
d)
dem AWG,
bei denen aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte im konkreten Fall eine terroristische Motivation erkennbar ist und Ermittlungen innerhalb oder im Umfeld terroristischer Strukturen notwendig werden und
2.1.3 die Verfolgung anderer als der in den Nummern 2.1.1 und 2.1.2 genannten Straftaten sowie von Ordnungswidrigkeiten, wenn sie Gegenstand desselben Verfahrens sind.
2.2 Soweit Anhaltspunkte für eine terroristische Motivation oder einen terroristischen Zusammenhang vorliegen, ist die Zentralstelle außerdem zuständig für
2.2.1 Verfahren, die Anlass zur Prüfung des Verdachts einer zur Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Celle im ersten Rechtszug (Staatsschutzsenat) gehörenden Straftat nach § 120 GVG geben, und ggf. deren Übersendung an den Generalbundesanwalt ( § 142a Abs. 1 Satz 3 GVG und Nummer 202 RiStBV) sowie für
2.2.2 Verfahren, die vom Generalbundesanwalt nach § 142a Abs. 2 oder 4 GVG (wieder) an die Generalstaatsanwaltschaft Celle abgegeben werden.
2.3 Deutet ein tatsächliches Geschehen auf eine mögliche terroristische Motivation hin (sog. "Anschlagsszenario"), prüft die Zentralstelle unverzüglich ihre Zuständigkeit. Sie erklärt ggf. die Übernahme der Ermittlungen, es sei denn, dass der Generalbundesanwalt seinerseits die Ermittlungen übernimmt. Bis dahin hat die nach § 143 Abs. 1 GVG berufene örtlich zuständige Staatsanwaltschaft alle erforderlichen Amtshandlungen vorzunehmen, insbesondere jene, bei denen Gefahr im Verzug besteht. Um eine zeitnahe Prüfung der Verfahrensübernahme zu ermöglichen, unterrichtet die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft die Zentralstelle und den Generalbundesanwalt unmittelbar.
2.4 Die Zentralstelle bleibt zuständig, wenn sich während des Verfahrens herausstellt, dass ein Tatverdacht nach den in den Nummern 2.1 und 2.2 genannten Straftaten nicht (mehr) besteht. Sie kann in diesen Fällen aber das Verfahren jederzeit an die nach § 143 Abs. 1 GVG zuständige Staatsanwaltschaft abgeben. Im Interesse einer zügigen und wirksamen Strafverfolgung soll sie von dieser Befugnis keinen Gebrauch machen, wenn der Abschluss des Verfahrens wegen Art und Umfang des noch bestehenden Tatverdachts vertretbar ist und die übernehmende Staatsanwaltschaft das Verfahren nur mit größerem Arbeitsaufwand zu Ende führen könnte.
2.5 Die Zentralstelle kann die jeweilige örtliche Staatsanwaltschaft um einzelne Amtshandlungen ersuchen, wenn der erforderliche Aufwand dadurch insgesamt wesentlich geringer wird oder größere Ortsnähe es angebracht erscheinen lässt (z.B. Eilmaßnahmen, Sitzungsvertretungen). Die Zentralstelle beteiligt die jeweilige Generalstaatsanwaltschaft nachrichtlich.
2.6 Im Bereich ihrer Zuständigkeit gemäß den Nummern 2.1 bis 2.2.2 nimmt die Zentralstelle auch die Aufgaben der Vollstreckungsbehörde wahr ( § 143 Abs. 4 GVG , §§ 451 ff. StPO , §§ 46 und 91 OWiG ) und erledigt die ein- und ausgehenden Rechtshilfeersuchen.

Abschnitt 3 ZTAV - Zusammenarbeit mit den Staatsschutzabteilungen

3.1 Die Staatsschutzabteilungen bei den Staatsanwaltschaften Braunschweig, Lüneburg und Oldenburg (Oldenburg) arbeiten eng mit der Zentralstelle zusammen. Hierzu benennen die Staatsanwaltschaften Braunschweig, Lüneburg und Oldenburg (Oldenburg) jeweils eine Dezernentin oder einen Dezernenten ihrer Staatsschutzabteilung als ständige Ansprechpartnerin oder ständigen Ansprechpartner für die Zentralstelle.
Die gegenüber dem Generalbundesanwalt benannten Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für die Terrorismusbekämpfung bei den Generalstaatsanwaltschaften in Braunschweig und Oldenburg (Oldenburg)nehmen diese Funktion auch gegenüber der Zentralstelle wahr.
Die Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner unterstützen die Zentralstelle in allen Verfahren, die örtlich in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, insbesondere durch Einbringen der örtlichen Sach- und Fachkunde.
3.2 Die Zentralstelle und die Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner halten gemeinsame
Dienstbesprechungen ab.
3.3 Die Dezernentinnen und Dezernenten der Zentralstelle sowie die Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner bilden sich regelmäßig gemeinsam fort, zu diesem Zweck werden von der Zentralstelle landesweite Schulungen ausgerichtet.

Abschnitt 4 ZTAV - Zusammenarbeit mit anderen Stellen

4.1 Die Zentralstelle ist Ansprechpartnerin des LKA für Ermittlungen im Vorfeld terroristisch motivierter Straftaten sowie für alle in den Zuständigkeitsbereich der Zentralstelle fallenden Sachverhalte. Sie überprüft und bewertet die seitens des LKA übermittelten Erkenntnisse und Informationen zu Personen, die in Niedersachsen als islamistische Gefährderinnen und Gefährder eingestuft sind, darauf, ob zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für verfolgbare Straftaten vorliegen. Dabei wirkt die Zentralstelle in Abstimmung mit den Generalstaatsanwaltschaften in Braunschweig und Oldenburg (Oldenburg) auf die Führung von Sammelverfahren hin, wenn der Verdacht mehrerer Straftaten besteht, eine Straftat den Bezirk mehrerer Staatsanwaltschaften berührt, ein Zusammenhang mit einer Straftat im Bezirk einer anderen Staatsanwaltschaft besteht und eine Zuständigkeit der Zentralstelle nicht gegeben ist. Ist ihre Zuständigkeit nach Nummer 2.1 begründet, übernimmt die Zentralstelle die Verfahren.
4.2 Über den Rahmen der Fortbildung und des Erfahrungsaustausches hinaus hält die Zentralstelle Kontakt zu den mit der Bekämpfung und der Verfolgung des Terrorismus befassten Dienststellen auf Bundes- und Landesebene, insbesondere zum LKA, zum Bundeskriminalamt, zum Generalbundesanwalt und zu den Verfassungsschutzbehörden. Sie teilt ihre dabei gewonnenen Erkenntnisse den Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern bei den Staatsanwaltschaften Braunschweig, Lüneburg und Oldenburg (Oldenburg) sowie bei den Generalstaatsanwaltschaften in Braunschweig und Oldenburg mit.

Abschnitt 5 ZTAV - Verfahren

5.1 Geht eine Anzeige bei einer anderen Staatsanwaltschaft ein oder leitet diese von Amts wegen ein Ermittlungsverfahren wegen einer der in den Nummern 2.1 und 2.2 genannten Straftaten ein, so informiert sie - unter nachrichtlicher Beteiligung der ggf. für sie zuständigen Generalstaatsanwaltschaft in Braunschweig oder Oldenburg (Oldenburg) - die Zentralstelle unverzüglich und übersendet ggf. ergänzend die Vorgänge, damit die Zentralstelle eine Übernahme prüfen kann. Zugleich unterrichtet sie bei Übernahme durch die Zentralstelle die für sie zuständige Staatsanwaltschaft (Staatsschutzabteilung) in Braunschweig, Lüneburg oder Oldenburg (Oldenburg) von dem Verfahren und der Abgabe. Ebenso verfährt sie mit Vorgängen, die ihr gemäß § 69 OWiG von der Verwaltungsbehörde vorgelegt werden. Unaufschiebbare Maßnahmen veranlasst die örtliche Staatsanwaltschaft im Einvernehmen mit der Zentralstelle.
5.2 Die Akten- und Registerführung obliegt der Zentralstelle.
5.3 Ist Anklage nicht beim Oberlandesgericht Celle, sondern bei einem anderen niedersächsischen Gericht zu erheben, leitet die Zentralstelle ihre Anklage - ggf. unter nachrichtlicher Beteiligung der vorgesetzten Generalstaatsanwaltschaft in Braunschweig oder Oldenburg (Oldenburg) - über die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft dem Gericht zu.
Die Zentralstelle übernimmt grundsätzlich die Sitzungsvertretung. Sie prüft, ob eine Unterstützung durch die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft in Form einer gemeinsamen Sitzungsvertretung sachgerecht ist und ersucht diese um die Wahrnehmung der Sitzungsvertretung, wenn dies im Einzelfall angemessen ist.
In den Fällen des § 75 OWiG entscheidet die Zentralstelle darüber, ob die Staatsanwaltschaft an der Hauptverhandlung teilnimmt.

Abschnitt 6 ZTAV - Schlussbestimmungen

Diese AV tritt am 1. 5. 2020 in Kraft. Die Bezugs-AV tritt mit Ablauf des 30. 4. 2020 außer Kraft.
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