Richtlinie über die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei bei der Verfolgung der Organisierten Kriminalität
Richtlinie über die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei bei der Verfolgung der Organisierten Kriminalität
Gem. RdErl. d. MJ u. d. MI v. 20. 5. 2016 - 23.2-12334/4 -
Vom 20. Mai 2016 (Nds. MBl. S. 665) (1)
- VORIS 21021 -
Bezug: Gem. RdErl. v. 16. 7. 2008 (Nds. MBl. S. 825, Nds. Rpfl. S. 270) - VORIS 21021 -
Redaktionelle Inhaltsübersicht | Abschnitt |
---|---|
Grundsätzliches | 1 |
Begriff, Erscheinungsformen und Indikatoren der Organisierten Kriminalität | 2 |
Grundlagen der Zusammenarbeit | 3 |
Zusammenarbeit bei der Verfahrensbearbeitung | 4 |
Verfahrensübergreifende Zusammenarbeit | 5 |
Initiativermittlungen | 6 |
Zusammenarbeit mit den Justizvollzugsanstalten | 7 |
Zusammenarbeit mit anderen Behörden | 8 |
Schutz der Ermittlungen | 9 |
Gemeinsames Lagebild von Polizei und Staatsanwaltschaft über die OK in Niedersachsen | 10 |
Schlussbestimmungen | 11 |
Generelle Indikatoren zur Erkennung OK-relevanter Sachverhalte | Anlage 1 |
Hinweise zur praktischen Anwendung der Definition "Organisierte Kriminalität" | Anlage 2 |
(1) Red. Anm.:
Nds. Rpfl. Nr. 8/2016 S. 256
Abschnitt 1 OK-RdErl - Grundsätzliches
1.1 Die Verfolgung der Organisierten Kriminalität (im Folgenden: OK) ist ein wichtiges Anliegen der Allgemeinheit. Es ist eine zentrale Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden, dieser Erscheinungsform der Kriminalität wirksam und mit Nachdruck zu begegnen.
1.2 Aufklärungserfolge können nur erreicht werden, wenn Staatsanwaltschaft und Polizei im einzelnen Verfahren und verfahrensübergreifend besonders eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten; dies setzt eine möglichst frühzeitige gegenseitige Unterrichtung voraus.
1.3 Notwendig ist auch die Zusammenarbeit mit anderen Stellen, insbesondere den Justizvollzugsanstalten, den Finanz- und Zollbehörden, den Ordnungsbehörden (z. B. Ausländer- oder Gewerbeämter) sowie den Dienststellen der Arbeitsverwaltung.
Abschnitt 2 OK-RdErl - Begriff, Erscheinungsformen und Indikatoren der Organisierten Kriminalität
2.1 OK ist die von Gewinn- oder Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig
a)
unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen,
b)
unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel oder
c)
unter Einflussnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft
zusammenwirken. Der Begriff umfasst nicht Straftaten des Terrorismus.
2.2 Die Erscheinungsformen der OK sind vielgestaltig. Neben strukturierten, hierarchisch aufgebauten Organisationsformen (häufig zusätzlich abgestützt durch ethnische Solidarität und Abschottung, Sprache, Sitten, sozialen und familiären Hintergrund) finden sich - auf der Basis eines Systems persönlicher und geschäftlicher kriminell nutzbarer Verbindungen - Straftäterverflechtungen mit unterschiedlichem Bindungsgrad der Personen untereinander, deren konkrete Ausformung durch die jeweiligen kriminellen Interessen bestimmt wird.
2.3 OK kann insbesondere in folgenden Kriminalitätsbereichen auftreten:
Rauschgifthandel und -schmuggel,
Waffenhandel und -schmuggel,
Kriminalität im Zusammenhang mit dem Nachtleben (vor allem Zuhälterei, Prostitution, Menschenhandel, illegales Glücks- und Falschspiel),
Schutzgelderpressung,
Cybercrime,
unerlaubte Arbeitsvermittlung und Beschäftigung,
illegale Einschleusung von Ausländerinnen und Ausländern,
Warenzeichenfälschung (Markenpiraterie),
Kapitalanlagebetrug,
Subventionsbetrug und Eingangsabgabenhinterziehung,
Fälschung und Missbrauch unbarer Zahlungsmittel,
Herstellung und Verbreitung von Falschgeld,
Verschiebung insbesondere hochwertiger Kraftfahrzeuge und von Lkw-, Container- und
Schiffsladungen,
Betrug zum Nachteil von Versicherungen,
Einbruchsdiebstahl in Wohnungen mit zentraler Beuteverwertung,
Arznei- und Lebensmittelgesetzverstöße,
Geldwäsche.
Neben diesen Kriminalitätsbereichen zeichnen sich Ansätze von OK auch auf den Gebieten der Umweltkriminalität wie der illegalen Entsorgung von Sonderabfall und verbotenem Handel mit gefährlichen Abfällen sowie des illegalen Technologietransfers ab.
2.4 Indikatoren, die einzeln oder in unterschiedlicher Verknüpfung Anlass geben können, einen Sachverhalt der OK zuzurechnen, sind in der Anlage 1 genannt. Die Aufzählung ist nicht abschließend und nicht auf spezielle Deliktsbereiche abgestellt. In Zweifelsfällen stellen die einander zugeordneten Strafverfolgungsbehörden umgehend Einvernehmen darüber her, ob sie einen Sachverhalt als OK bewerten.
2.5 In Niedersachsen werden von der Polizei schwerpunktmäßig Kriminalitätsphänomene in Strukturen folgender Bereiche der OK bekämpft:
Russisch-Eurasische Kriminalität (REOK); die hierunter fallenden Täterinnen und Täter treten deliktisch vor allem in Bereichen wie dem organisierten Laden- und Einbruchsdiebstahl sowie im Bereich der Rauschgiftkriminalität in Erscheinung;
Clankriminalität; hierunter fallen durch ethnische Zugehörigkeit geprägte Gruppierungen oder Familienstrukturen, welche sich durch ein hohes kriminelles Potenzial und häufig praktizierter, rechtsstaatlich problematischer Paralleljustiz (Einsetzen von Familienoberhäuptern, Clanältesten als "Schlichter", den staatlichen Strafverfolgungsanspruch konterkarierend) kennzeichnen;
Rockerkriminalität; Schwerpunkte der sogenannten Outlaw Motorcycle Gangs (OMCG's) liegen vor allem in den Bereichen Gewalt- und Waffendelikte, Betäubungsmittelkriminalität, Erpressung, Milieukriminalität und Menschenhandel. Auch die OMCG's zeichnen sich durch Abschottung und Nicht-Akzeptanz rechtsstaatlicher Prinzipien aus;
Cybercrime; in diesem höchst dynamischen Kriminalitätsphänomen sind zunehmend Strukturen der OK festzustellen, sodass dieser Bereich ab 2015 in das bundesweite polizeiliche Erhebungsraster zur OK-Lagebilderstellung aufgenommen wurde.
Abschnitt 3 OK-RdErl - Grundlagen der Zusammenarbeit
3.1 Organisation
Die zügige und wirksame Verfolgung der OK setzt eine aufeinander abgestimmte Organisation der Strafverfolgungsbehörden voraus. Ein identischer Aufbau ist nicht erforderlich.
3.2 Örtliche und überörtliche Stellen der Staatsanwaltschaft
3.2.1 Bei jeder Staatsanwaltschaft wird eine Abteilungsleiterin, ein Abteilungsleiter, eine Staatsanwältin oder Staatsanwalt bestellt, die oder der die Aufgabe hat, in ständiger und enger Zusammenarbeit mit den zuständigen Polizeidienststellen die Entwicklung der OK zu beobachten, zu analysieren und Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden zu planen und zu koordinieren (Ansprechpartnerin, Ansprechpartner, OK-Beauftragte oder OK-Beauftragter).
3.2.2 Der Abteilung oder dem Sachgebiet der Ansprechpartnerin, des Ansprechpartners oder der oder des OK-Beauftragten soll die Bearbeitung aller Verfahren zugewiesen werden, denen OK zugrunde liegt. Soweit besondere Zuständigkeiten bestehen (z. B. für die Rauschgift- oder Wirtschaftskriminalität), können diese hiervon ausgenommen werden.
3.2.3 Bei der Generalstaatsanwältin oder dem Generalstaatsanwalt werden die verfahrensübergreifenden Aufgaben der Ansprechpartnerin, des Ansprechpartners oder der oder des OK-Beauftragten für den Bezirk der Generalstaatsanwaltschaft einer Koordinatorin oder einem Koordinator übertragen. Die Koordinatorin oder der Koordinator sorgt auch dafür, dass über die Führung von Sammelverfahren umgehend entschieden wird. Sie oder er hat ferner die Aufgabe, den Erfahrungs- und Informationsaustausch auf überörtlicher Ebene zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei sowie mit den sonst in den Nummern 1.2 und 1.3 genannten Behörden vorzubereiten und durchzuführen. Nummer 3.2.2 gilt sinngemäß.
3.2.4 Die Generalstaatsanwältin oder der Generalstaatsanwalt prüft in geeigneten Fällen, ob bestimmte Verfahren für den Bezirk mehrerer Staatsanwaltschaften einer Staatsanwaltschaft zuzuweisen sind ( §§ 143 und 145 GVG ).
3.2.5 Die "Zentrale Stelle Organisierte Kriminalität und Korruption" (im Folgenden: ZOK) bei der Generalstaatsanwaltschaft Celle ist in Niedersachsen als Ansprechstelle beratend für Dienststellen, die mit der Verfolgung oder Aufdeckung von OK oder korruptiver Verhaltensweisen befasst sind, tätig. Sie klärt in diesem Bereich bei überörtlichen Ermittlungskomplexen Zuständigkeitsfragen, berät in Fragen der justiziellen Zusammenarbeit und Rechtshilfe, betreibt Fortbildung und Schulung, erfasst zentral die bei den niedersächsischen Staatsanwaltschaften geführten Verfahren mit Bezug zur OK und zur Korruptionskriminalität und erstattet dem MJ jährlich Erfahrungsberichte zur OK und zur Korruption.
3.3 Örtliche und überörtliche Stellen der Polizei
3.3.1 Zur Aufdeckung und Verfolgung der OK werden beim Bundeskriminalamt, den Landeskriminalämtern sowie in den Flächenstaaten im örtlichen oder regionalen Bereich an Brennpunkten der OK Spezialdienststellen eingerichtet oder ausgebaut, die insbesondere deliktsübergreifend und täterorientiert ermitteln.
In Niedersachsen sind Spezialdienststellen oder Organisationseinheiten zur Bekämpfung der OK beim Landeskriminalamt (Abteilung 3) und bei den Polizeidirektionen (Zentrale Kriminalinspektionen) flächendeckend eingerichtet.
Daneben können auch andere Fachdienststellen oder Organisationseinheiten der Polizei OK, insbesondere Fälle der deliktstreuen OK, bearbeiten. Besondere Organisationseinheiten zur Bekämpfung der OK sollen hier nur in Ausnahmefällen eingerichtet werden.
3.3.2 Die polizeilichen Ermittlungen einschließlich operativer Maßnahmen obliegen vorrangig den örtlichen oder regionalen Spezialdienststellen in enger Abstimmung mit der für das jeweilige Verfahren zuständigen Staatsanwaltschaft.
Zu ihren Aufgaben gehören ferner
a)
das Zusammenführen OK-relevanter Erkenntnisse,
b)
die Mitwirkung an der Erstellung des Kriminalitätslagebildes "Organisierte Kriminalität" für das Land,
c)
der Informationsaustausch
mit der Staatsanwaltschaft,
mit den OK bearbeitenden Polizeidienststellen des Landes,
anlassbezogen mit anderen Polizeidienststellen,
mit dem Landeskriminalamt,
mit anderen Behörden und Stellen.
3.3.3 Das Landeskriminalamt wertet zentral den OK-Bereich betreffende Informationen aus und verknüpft sie mit eigenen und länderübergreifenden Erkenntnissen. Im Rahmen seiner Zuständigkeit führt es die Ermittlungen selbst oder veranlasst ihre Durchführung durch andere Dienststellen. Für den Informationsaustausch gilt Nummer 3.3.2 entsprechend.
3.3.4 Das Bundeskriminalamt wertet zentral OK-relevante Informationen aus und verknüpft sie mit Erkenntnissen aus eigenen Verfahren und aus dem internationalen Bereich. Es führt im Rahmen seiner originären oder auftragsabhängigen Zuständigkeit die kriminalpolizeilichen Ermittlungen selbst oder weist sie im Einvernehmen mit den zuständigen Stellen einem Land zu.
Die Koordinierungsstelle Organisierte Kriminalität (KOST-OK) des Bundeskriminalamtes nimmt zentrale Aufgaben im Bereich der Informationsauswertung auf nationaler und internationaler Ebene wahr. Sie koordiniert die Arbeit nationaler und internationaler OK-Bekämpfungsstellen und fungiert im Übrigen als zentrale Ansprechpartnerin im europäischen und internationalen Kontext. Gleichzeitig obliegt dem Bundeskriminalamt die Durchführung von Auswerteprojekten mit dem Ziel der operativen Umsetzung im Rahmen von gemeinsamen Ermittlungsverfahren bei Bundes- und Länderdienststellen in priorisierten Feldern deliktsübergreifender OK.
3.4 Sonstige Stellen der Staatsanwaltschaft und Polizei
Die Bekämpfung der OK ist eine Aufgabe nicht nur der in den Nummern 3.2 und 3.3 aufgeführten Dienststellen sowie Beamtinnen und Beamten. Vielmehr sind alle Angehörigen der Strafverfolgungsbehörden gehalten, auf Anzeichen für OK zu achten.
3.4.1 Im Bereich der Staatsanwaltschaft ist sicherzustellen, dass sich die Beamtinnen und Beamten an die besonderen Sachbearbeiterinnen, Sachbearbeiter, Dezernentinnen oder Dezernenten wenden und, wenn die Sachbearbeitung konzentriert ist, die Verfahren abgeben können.
3.4.2 Im Bereich der Polizei sind entsprechende Erkenntnisse an die zur Bekämpfung der OK eingerichteten Spezialdienststellen oder Organisationseinheiten weiterzuleiten.
Abschnitt 4 OK-RdErl - Zusammenarbeit bei der Verfahrensbearbeitung
4.1 Vorrangiges Ziel der Ermittlungen muss es sein, in den Kernbereich der kriminellen Organisation einzudringen und die im Hintergrund agierenden hauptverantwortlichen Straftäterinnen und Straftäter zu erkennen, zu überführen und zur Aburteilung zu bringen sowie ihnen konsequent die kriminell erlangten Gewinne zu entziehen. Dies kann sowohl verfahrensintegriert als auch verfahrensunabhängig, beispielsweise im Rahmen des Geldwäsche-Bekämpfungsansatzes, erfolgen.
4.2 Die Staatsanwältin oder der Staatsanwalt schaltet sich schon zu Beginn der Ermittlungen in die unmittelbare Fallaufklärung ein. Zur Gewährleistung einer effektiven und effizienten Ermittlungsführung sind in enger Zusammenarbeit zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei die wesentlichen Schritte zur Zielerreichung (Nummer 4.1) möglichst frühzeitig und einvernehmlich festzulegen. Auf dieser Grundlage erstellt die mit der Durchführung der Ermittlungen beauftragte Polizeidienststelle regelmäßig eine Ermittlungskonzeption, in der die konkreten Ermittlungsziele, wesentliche Verfahrensschritte und Ermittlungsmaßnahmen sowie der verplanbare Personal-, Ressourcen- und Zeitbedarf dargestellt und auch die Schwerpunkte der durchzuführenden Finanzermittlungen definiert werden. Die Ermittlungskonzeption ist mit der Staatsanwaltschaft abzustimmen und im Rahmen regelmäßiger oder anlassbezogener Besprechungen zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei entsprechend der festgestellten Ermittlungsergebnisse fortzuschreiben.
Die Sachleitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft bleibt unberührt.
4.2.1 Der Grundsatz, dass Ermittlungen straff und beschleunigt zu führen sind, gilt auch im Verfahren wegen OK. Das vorrangige Ermittlungsziel ist aber im Auge zu behalten, auch wenn dies länger dauernde Ermittlungen erfordert.
4.2.2 Im Interesse des vorrangigen Ermittlungsziels sind die Mittel zur Begrenzung des Verfahrensstoffes ( §§ 153 ff. StPO ) möglichst frühzeitig zu nutzen, ohne die Zielsetzung der Vermögensabschöpfung zu vernachlässigen. Dies gilt besonders auch im Hinblick auf das Hauptverfahren, das sich auf die wesentlichen Vorwürfe konzentrieren sollte.
4.2.3 Die Abfolge der Ermittlungshandlungen wird in erster Linie von dem vorrangigen Ermittlungsziel bestimmt. Einzelne Maßnahmen können vorläufig zurückgestellt werden, wenn ihre Vornahme die Erreichung dieses Zieles gefährden würde. Dies gilt nicht, wenn sofortige Maßnahmen wegen der Schwere der Tat oder aus Gründen der Gefahrenabwehr geboten sind.
4.2.4 Erfordert die Erledigung von Verfahren gegen Randtäterinnen und Randtäter der kriminellen Organisation oder sonstige Nebenbeteiligte noch weitere Ermittlungen, so darf der schnelle Abschluss dieser Verfahren dem vorrangigen Ermittlungsziel nicht übergeordnet werden.
Bei der gebotenen Abwägung ist den Ermittlungen gegen die verantwortlichen Haupttäterinnen und Haupttäter sowie regelmäßig den mit der Verwertung der Beute bzw. den mit Geldwäschehandlungen befassten Täterinnen oder Tätern der Vorzug zu geben; die übrigen Verfahren sind vorübergehend zurückzustellen.
4.3 In Verfahren wegen OK soll möglichst die Staatsanwältin oder der Staatsanwalt die Anklage vertreten, die oder der die Ermittlungen geleitet hat.
4.4 Für die Zusammenarbeit bei der Inanspruchnahme von Informantinnen oder Informanten, bei dem Einsatz von V-Personen und verdeckten Ermittlerinnen oder verdeckten Ermittlern sowie beim Zeugenschutz gelten die hierfür erlassenen Richtlinien.
4.5 Für die Zusammenarbeit im Rahmen von Initiativermittlungen gilt Nummer 6.
Abschnitt 5 OK-RdErl - Verfahrensübergreifende Zusammenarbeit
5.1 Die verfahrensübergreifende Zusammenarbeit zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei hat zum Ziel, dass beide Behörden einen vertieften und gleichen Erkenntnisstand über die Erscheinungsformen der OK und die spezifischen Probleme einschlägiger Verfahren gewinnen, gemeinsam fortentwickeln und bei den jeweiligen Einzelmaßnahmen zugrunde legen.
Die verfahrensübergreifende Zusammenarbeit dient auch der Verständigung über die örtliche und zeitliche Steuerung der Ermittlungskapazitäten von Staatsanwaltschaft und Polizei durch Bildung von Schwerpunkten entsprechend dem jeweiligen Lagebild.
5.2 Die Staatsanwaltschaft und die Polizei vereinbaren regelmäßige Dienstbesprechungen, bei denen insbesondere erörtert werden
Lage, voraussichtliche Entwicklung und Maßnahmen zur Bekämpfung der OK in ihrem Bereich,
Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem Ablauf von Ermittlungs- und gerichtlichen Verfahren, auch Auswirkungen von Fehlern in der Ermittlungstätigkeit,
Erkenntnisse und Erfahrungen aus der Anwendung verdeckter Ermittlungsmethoden und aus dem Zeugenschutz, einschließlich der Sicherung der gebotenen Geheimhaltung,
Erkenntnisse und Erfahrungen aus Maßnahmen zur Gewinnabschöpfung,
örtliche Praxis der internationalen Rechtshilfe und sonstigen Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden,
allgemeine Fragen der Zusammenarbeit,
Öffentlichkeitsarbeit.
Die Besprechungen sollen einmal jährlich, bei Bedarf auch häufiger, stattfinden. Dem Zoll- und dem Steuerfahndungsdienst soll Gelegenheit zur Teilnahme gegeben werden. Über die Hinzuziehung anderer Behörden entscheiden die beteiligten Stellen. Über das Ergebnis der Besprechungen ist den jeweils vorgesetzten Behörden zu berichten.
5.3 Die Besprechungen können auch auf der Ebene der Generalstaatsanwältinnen oder Generalstaatsanwälte vereinbart werden.
5.4 Gemeinsame Informations- und Fortbildungsveranstaltungen sind vorzusehen. Dabei sollte den entsprechenden Stellen des Königreichs der Niederlande und der angrenzenden Bundesländer Gelegenheit zur Teilnahme gegeben werden.
5.5 Die Hospitation von Beamtinnen und Beamten der Staatsanwaltschaft und der Polizei bei der jeweils anderen Behörde ist zu ermöglichen.
Abschnitt 6 OK-RdErl - Initiativermittlungen
6.1 OK wird nur selten von sich aus offenbar. Strafanzeigen in diesem Bereich werden häufig nicht erstattet, u. a. weil die Zeuginnen oder Zeugen Angst haben. Die Aufklärung und wirksame Verfolgung der OK setzt daher voraus, dass Staatsanwaltschaft und Polizei von sich aus im Rahmen ihrer gesetzlichen Befugnisse Informationen gewinnen oder bereits erhobene Informationen zusammenführen, um Ansätze zu weiteren Ermittlungen zu erhalten (Initiativermittlungen).
6.2 Liegt ein Sachverhalt vor, bei dem nach kriminalistischer Erfahrung die wenn auch
geringe Wahrscheinlichkeit besteht, dass eine verfolgbare Straftat begangen worden
ist, besteht ein Anfangsverdacht ( § 152 Abs. 2 StPO ). Dieser löst die Strafverfolgungspflicht aus. Es ist nicht notwendig, dass sich der Verdacht gegen eine bestimmte Person richtet.
Bleibt nach Prüfung der vorliegenden Anhaltspunkte unklar, ob ein Anfangsverdacht besteht, und sind Ansätze für weitere Nachforschungen vorhanden, so können die Strafverfolgungsbehörden diesen nachgehen. In solchen Fällen besteht keine gesetzliche Verfolgungspflicht. Ziel ist allein die Klärung, ob ein Anfangsverdacht besteht. Strafprozessuale Zwangs- und Eingriffsbefugnisse stehen den Strafverfolgungsbehörden in diesem Stadium nicht zu.
Ob und inwieweit die Strafverfolgungsbehörden sich in diesen Fällen um weitere Aufklärung bemühen, richtet sich nach Verhältnismäßigkeitserwägungen; wegen der besonderen Gefährlichkeit der OK werden sie ihre Aufklärungsmöglichkeiten bei Anhaltspunkten für solche Straftaten in der Regel ausschöpfen.
6.3 Die Befugnisse der Polizei zu Initiativermittlungen im Rahmen der Gefahrenabwehr
richten sich nach den Polizeigesetzen, in Niedersachsen nach dem in Niedersachsen
geltenden Gefahrenabwehrrecht.
6.4 Bei Initiativermittlungen liegen häufig die Elemente der Strafverfolgung und der Gefahrenabwehr in Gemengelage vor oder gehen im Verlauf eines Verdichtungs- und Erkenntnisprozesses ineinander über. Staatsanwaltschaft und Polizei arbeiten auch in diesem Bereich eng zusammen. Für die Zusammenarbeit gelten die Nummern 4 und 5 sinngemäß mit den Maßgaben, dass
das Ziel der Initiativermittlungen die Klärung des Anfangsverdachts oder der Gefahrenlage ist,
der Staatsanwältin oder dem Staatsanwalt in Fällen der Gefahrenabwehr eine Leitungsbefugnis nicht zusteht,
das Ergebnis der Initiativermittlungen mit den Vorgängen unverzüglich der Staatsanwaltschaft vorzulegen ist, sobald die Initiativermittlungen Anhaltspunkte für verfolgbare Straftaten ( § 152 Abs. 2 StPO ) ergeben haben. Die Vorlage hat auch dann zu erfolgen, wenn aus polizeilicher Sicht unklar ist, ob Anhaltspunkte für verfolgbare Straftaten vorliegen.
6.5 Die Zusammenarbeit obliegt auf der Seite der Staatsanwaltschaft der Behörde, die für die Durchführung des Ermittlungsverfahrens zuständig wäre. In Zweifelsfällen entscheidet die nächst höhere Behörde. Bei einzuleitenden Initiativermittlungen, die den Zuständigkeitsbereich einer Staatsanwaltschaft überschreiten, unterrichten die betroffenen Staatsanwaltschaften zeitnah die Generalstaatsanwaltschaft Celle - ZOK -.
Abschnitt 7 OK-RdErl - Zusammenarbeit mit den Justizvollzugsanstalten
7.1 Die von der OK ausgehenden Gefahren sind auch bei Vollzugsentscheidungen zu berücksichtigen.
7.2 Die Justizvollzugsanstalten sind über
Verbindungen einer oder eines Untersuchungs- oder Strafgefangenen zur OK,
Erscheinungsformen und Entwicklung der OK
zu informieren, soweit es für Vollzugsentscheidungen erheblich sein kann und Belange der Strafverfolgung nicht entgegenstehen.
7.3 Die Information über die Gefangene oder den Gefangenen muss möglichst bei der Einlieferung erfolgen. Anderenfalls ist sie nachzuholen. Sie obliegt der Staatsanwaltschaft, in Eilfällen der Polizei.
7.4 Den Vollzugsbehörden soll Gelegenheit gegeben werden, an den in den Nummern 5.3 und 5.4 genannten Veranstaltungen teilzunehmen; bei Bedarf sind sie auch zu den Besprechungen nach Nummer 5.2 hinzuzuziehen.
7.5 Die Justizvollzugsanstalt unterrichtet die Staatsanwaltschaft, in Eilfällen die Polizei, über Erkenntnisse, die für die Verfolgung der OK von Bedeutung sein können.
7.6 Ansprechpartnerin oder Ansprechpartner in der Justizvollzugsanstalt ist die Anstaltsleiterin
oder der Anstaltsleiter.
Abschnitt 8 OK-RdErl - Zusammenarbeit mit anderen Behörden
8.1 Zoll- und Finanzbehörden
8.1.1 Soweit Staatsanwaltschaft oder Polizei bei ihren Ermittlungen im Bereich der OK Anhaltspunkte für
Hinterziehung von Eingangsabgaben oder Verbrauchsteuern, z. B. Gold- oder Alkoholschmuggel,
Straftaten i. S. des § 37 Abs. 1 MOG , z. B. Subventionsbetrug im Zusammenhang mit Fleisch oder Getreide,
Straftaten nach dem AWG , z. B. illegaler Technologietransfer oder nach dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen mit Auslandsbezug,
Zuwiderhandlungen gegen Verbote und Beschränkungen des grenzüberschreitenden Warenverkehrs, z. B. Rauschgift- oder Waffenschmuggel, Warenzeichenfälschungen
feststellen, ist der Zollfahndungsdienst zu unterrichten (vgl. §§ 403 , 116 AO , § 42 AWG). Dies kann entweder über das Zollkriminalamt - Zentrales Zollfahndungsamt - oder das örtliche Zollfahndungsamt erfolgen.
Gewinnt der Zollfahndungsdienst im Rahmen seiner Ermittlungen Anhaltspunkte, die auf das Vorliegen von OK hindeuten und für dessen Aufklärung die Polizei oder Staatsanwaltschaft zuständig ist, so unterrichtet er die zuständigen Strafverfolgungsbehörden. Handelt es sich bei den Ermittlungen des Zollfahndungsdienstes um Ermittlungen wegen einer Zoll- oder Verbrauchsteuerstraftat, so ist das Steuergeheimnis zu beachten. Es ist dann im Einzelfall zu prüfen, ob das Steuergeheimnis durchbrochen werden kann.
8.1.2 Soweit Staatsanwaltschaft oder Polizei bei ihren Ermittlungen im Bereich der OK Anhaltspunkte für Steuerstraftaten feststellen, ist der Steuerfahndungsdienst zu unterrichten (vgl. §§ 403 , 116 AO ).
Gewinnt der Steuerfahndungsdienst im Rahmen seiner steuerstrafrechtlichen Ermittlungen Anhaltspunkte, die auf das Vorliegen von OK hindeuten und für dessen Aufklärung die Polizei oder Staatsanwaltschaft zuständig ist, so unterrichtet er die zuständigen Strafverfolgungsbehörden, wenn das Steuergeheimnis dem nicht entgegensteht. Dies ist im Einzelfall zu prüfen. Satz 2 gilt entsprechend für die Bußgeld- und Strafsachenstellen der Finanzämter.
8.1.3 Gewinnt die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (im Folgenden: FKS) bei der Durchführung von verdachtsunabhängigen Prüfungen gemäß § 2 SchwarzArbG Anhaltspunkte für strafrechtlich relevante Sachverhalte, insbesondere für Straftaten, die auf Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung ( § 232 ff. StGB ) oder zur Ausbeutung der Arbeitskraft ( § 233 ff. StGB ) hinweisen, informiert sie unverzüglich in geeigneter Form die Staatsanwaltschaft oder Polizei. Die Staatsanwaltschaft und Polizei arbeiten in diesen Fällen in enger Abstimmung mit der FKS.
8.2 Bundespolizei
Die Zusammenarbeit der Polizei Niedersachsen mit der Bundespolizei richtet sich im Rahmen des geltenden Rechts nach der Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium des Innern und dem MI über die Bildung eines gemeinsamen Sicherheitskooperationssystems zwischen ihren Polizeien vom 26. 4. 1999 (PolNBl. S. 146).
8.3 Andere Behörden
Die OK kann mit strafrechtlichen Mitteln allein nicht mit Erfolg bekämpft werden. Die von ihr ausgehenden Gefahren sind auch bei den Entscheidungen der Ordnungsbehörden (vgl. Nummer 1.3) und sonstiger Verwaltungsbehörden zu berücksichtigen. Die Verwaltungsbehörden können ferner zur Aufklärung der OK beitragen, indem sie relevante Erkenntnisse z. B. über unerlaubte Arbeitsvermittlung und Beschäftigung, illegale Einschleusung von Ausländerinnen und Ausländern, Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung oder Ausbeutung der Arbeitskraft, oder Verstöße nach dem Geldwäschegesetz den Strafverfolgungsbehörden mitteilen.
8.4 Verfahrensübergreifende Zusammenarbeit
Für die verfahrensübergreifende Zusammenarbeit kann sich die Einrichtung von Gesprächskreisen auf örtlicher und überörtlicher Ebene durch die Ansprechpartnerinnen, Ansprechpartner, OK-Beauftragten, Koordinatorinnen und Koordinatoren (Nummer 3.2) sowie mit den für die Finanzermittlungen spezialisierten Staatsanwältinnen, Staatsanwälten, Ermittlungspersonen und Geldwäschebeauftragten empfehlen.
Abschnitt 9 OK-RdErl - Schutz der Ermittlungen
Dem Schutz der Ermittlungen kommt in Verfahren wegen OK besonders hohe Bedeutung zu. Ihm muss durch Ermittlungsbehörden und Justizvollzugsanstalten Rechnung getragen werden.
Um das vorrangige Ermittlungsziel (vgl. Nummer 4.1) nicht zu gefährden, ist sicherzustellen, dass
ausschließlich unmittelbar an den Ermittlungen Beteiligte Kenntnis von Maßnahmen der verdeckten Informationsgewinnung erlangen und
in den mit der Bekämpfung der OK befassten Dienststellen oder Organisationseinheiten alle Voraussetzungen für den Schutz der Ermittlungen gegeben sind.
Die Rechte der Verteidigung bleiben unberührt.
Abschnitt 10 OK-RdErl - Gemeinsames Lagebild von Polizei und Staatsanwaltschaft über die OK in Niedersachsen
10.1 Allgemeines
Das Lagebild "Organisierte Kriminalität in Niedersachsen" (im Folgenden: Lagebild OK) soll den Zustand und die Erscheinungsformen der OK in Niedersachsen in dem jeweiligen Berichtsjahr möglichst umfassend und verlässlich beschreiben, bewerten und Entwicklungstendenzen aufzeigen. Es soll damit
den Strafverfolgungsbehörden die Grundlage für eine realistische, möglichst übereinstimmende Lageeinschätzung des Gefahrenpotenzials und des Umfangs der OK liefern,
Rückschlüsse auf polizeiliche und justizielle Aufgabenstellungen, Bekämpfungsmaßnahmen und -ziele ermöglichen,
die Strafverfolgungsbehörden in die Lage versetzen, strategische Entscheidungen zur Optimierung der zielgerichteten OK-Bekämpfung zu treffen,
die Entscheidung über Schwerpunkte und Prioritäten erleichtern,
Empfehlungen an die politische Ebene und den Gesetzgeber geben,
eine möglichst effiziente Steuerung der Ressourcen zur Bekämpfung der OK ermöglichen und
eine Überprüfung der Effektivität justizieller und polizeilicher Maßnahmen gewährleisten.
Zur Erreichung dieser Zwecke ist das Lagebild OK als ein Produkt der strategischen Auswertung ständig weiterzuentwickeln und den Erscheinungsformen der OK und den Notwendigkeiten einer effektiven Bekämpfung im nationalen und internationalen Zusammenhang anzupassen. Zu einer weiteren Verbesserung der Lagedarstellung ist es erforderlich, die justiziellen und die polizeilichen Daten und Erkenntnisse zusammenzuführen, um so die Erkenntnisgrundlagen über die OK in Niedersachsen zu verbreitern.
10.2 Verfahren zur Erstellung des gemeinsamen Lagebildes
10.2.1 Grundlage des Lagebildes sind die in Niedersachsen bearbeiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren mit OK-Relevanz. Die OK-Relevanz wird anhand der Definition "Organisierte Kriminalität" der Gemeinsamen Arbeitsgruppe "Justiz/Polizei" aus dem Jahr 1990 i. V. m. den Anlagen 1 und 2 festgestellt.
10.2.2 Gelangt die Polizei im Rahmen ihrer Ermittlungen zu dem Ergebnis, dass der zugrunde liegende Sachverhalt der OK zuzurechnen ist, so nimmt sie darüber eine Abstimmung mit der zuständigen Staatsanwaltschaft vor. Auf polizeilicher Seite ist daran in jedem Fall die Leiterin oder der Leiter der Zentralen Kriminalinspektion oder des zuständigen Dezernates der Abteilung 3 des Landeskriminalamtes zu beteiligen, deren oder dessen Entscheidung für die Polizei auf dieser Ebene maßgeblich ist.
10.2.3 Stimmen Polizei und Staatsanwaltschaft in der Bewertung der OK-Relevanz des Sachverhalts überein, so dokumentieren sie dies und geben dem gesamten Verfahrenskomplex einen Namen, der während der weiteren Verfahrensdauer beibehalten wird und der leichteren Zuordnung in späteren Verfahrensstadien dient.
10.2.4 Bestehen zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft bezüglich der OK-Relevanz unterschiedliche Auffassungen, die auf dieser Ebene nicht ausgeräumt werden können, so wird die Entscheidung darüber auf der Ebene des Landeskriminalamtes und der Generalstaatsanwaltschaft Celle - ZOK - herbeigeführt.
10.2.5 Die Polizei erhebt und meldet dem Landeskriminalamt die Lage unter Verwendung des bundeseinheitlich vorgegebenen Rasters und unter Beachtung der darüber hinaus auf Landesebene bestehenden Regelungen. Näheres regelt das Landeskriminalamt im Rahmen seiner Richtlinienkompetenz.
10.2.6 Die Staatsanwaltschaften berichten zeitnah der Generalstaatsanwaltschaft Celle - ZOK - zu Eingang und Abschluss von OK-Verfahren (siehe Nummer 10.2.3). Maßgeblicher Inhalt dieser Berichte sind die spezifisch justiziellen Erkenntnisse, über die die Polizei nicht verfügt sowie neue, von den bisherigen polizeilichen Informationen abweichende Erkenntnisse, z. B. über die Effektivität der angewandten Ermittlungsmethoden, den Verlauf des gerichtlichen Verfahrens, die Herkunft und Verbindungen der Haupttäterinnen und Haupttäter, Vermögensabschöpfungen, Rechtshilfe oder Besonderheiten im Strafvollzug.
Die Erfassung der justiziellen Daten wird im Einzelnen von der Generalstaatsanwaltschaft Celle - ZOK - geregelt.
10.2.7 Das Landeskriminalamt stellt sicher, dass die Daten aus OK-Verfahrenskomplexen des Bundeskriminalamtes, der Bundespolizei und des Zolls, soweit sie in Niedersachsen geführt werden, in das Lagebild einfließen. Die Generalstaatsanwaltschaft Celle - ZOK - informiert das Landeskriminalamt über diejenigen eingeleiteten OK-Verfahrenskomplexe der niedersächsischen Staatsanwaltschaften, an denen die niedersächsische Polizei nicht beteiligt ist.
10.2.8 Meldeschluss für die zu berücksichtigenden Verfahren ist jeweils der 15. Dezember.
Die Lagemeldungen der Polizei und der Staatsanwaltschaften werden durch das Landeskriminalamt und die Generalstaatsanwaltschaft Celle - ZOK - zusammengefasst und zu Beginn des Folgejahres gemeinsam bewertet. Sie entscheiden einvernehmlich, ob die gemeldeten Verfahrenskomplexe in das Lagebild OK aufgenommen werden.
10.2.9 Das Landeskriminalamt und die Generalstaatsanwaltschaft Celle - ZOK - erstellen auf der Grundlage dieser Bewertung den polizeilichen und den justiziellen Teil des gemeinsamen Lagebildes OK und legen ihn zum 15. Mai des jeweiligen Folgejahres dem MI und dem MJ vor. Sie berichten über die dabei gemachten Erfahrungen und die für erforderlich erachteten Änderungen in der Erfassung.
10.2.10 Das Landeskriminalamt teilt davon unabhängig dem Bundeskriminalamt die Daten mit, die zur Erstellung des Bundeslagebildes OK erforderlich sind.
10.2.11 Die Unterrichtung des LT, der Öffentlichkeit und der anderen Länder über das gemeinsame Lagebild OK erfolgt einvernehmlich durch das MI und das MJ.
10.2.12 Das Landeskriminalamt versendet das Lagebild an die Landeskriminalämter der anderen Länder, das Bundeskriminalamt, den Zoll und die Bundespolizei. Die Generalstaatsanwaltschaft Celle - ZOK - leitet das Lagebild bundesweit an alle übrigen Generalstaatsanwaltschaften weiter.
Abschnitt 11 OK-RdErl - Schlussbestimmungen
Dieser Gem. RdErl. tritt am 1. 6. 2016 in Kraft. Der Bezugserlass tritt mit Ablauf des 31. 5. 2016 außer Kraft.
An die Polizeidirektionen das Landeskriminalamt Niedersachsen die Polizeiakademie Niedersachsen
Anlage 1 OK-RdErl - Generelle Indikatoren zur Erkennung OK-relevanter Sachverhalte *)
1. Vorbereitung und Planung der Tat
präzise Planung,
Anpassung an Markterfordernisse durch Ausnützen von Marktlücken, Erkundungen von Bedürfnissen und Ähnliches,
Arbeit auf Bestellung,
hohe Investitionen, z. B. durch Vorfinanzierung aus nicht erkennbaren Quellen,
Verschaffung und Nutzung legaler Einflusssphären,
Vorhalten von Ruheräumen im Ausland.
2. Ausführung der Tat
präzise und qualifizierte Tatdurchführung,
Verwendung verhältnismäßig teurer oder schwierig einzusetzender wissenschaftlicher Mittel und Erkenntnisse,
Tätigwerden von Spezialistinnen oder Spezialisten (auch aus dem Ausland),
arbeitsteiliges Zusammenwirken,
Einsatz von polizeilich "unbelasteten" Personen,
Konstruktion schwer durchschaubarer Firmengeflechte.
3. Finanzgebaren
Einsatz von Geldmitteln ungeklärter Herkunft im Zusammenhang mit Investitionen,
überwiegendes Nutzen von virtuellen Währungen als Bezahlsystem (bei gleichzeitigem Einsatz entsprechender Mixingsysteme),
Inkaufnahme von Verlusten bei Gewerbebetrieben,
Diskrepanz zwischen dem Einsatz finanzieller Mittel und dem zu erwartenden Gewinn,
Auffälligkeiten bei Geldanlagen, z. B. beim Kauf von Immobilien oder sonstigen Sachwerten, die in keinem Verhältnis zum Einkommen stehen.
4. Verwertung der Beute
Rückfluss in den legalen Wirtschaftskreislauf,
Veräußerung im Rahmen eigener (legaler) Wirtschaftstätigkeiten,
Maßnahmen der Geldwäsche.
5. Konspiratives Täterverhalten
Gegenobservation,
Abschottung,
Decknamen,
Codierung in Sprache und Schrift,
Verwendung modernster technischer Mittel zur Umgehung polizeilicher Überwachungsmaßnahmen.
6. Täterverbindungen oder Tatzusammenhänge
überregional,
national,
international.
7. Gruppenstruktur
hierarchischer Aufbau,
ein nicht ohne weiteres erklärbares Abhängigkeits- oder Autoritätsverhältnis zwischen mehreren Tatverdächtigen,
internes Sanktionssystem.
8. Hilfe für Gruppenmitglieder
Fluchtunterstützung,
Beauftragung bestimmter Anwältinnen oder Anwälte und deren Honorierung durch Dritte,
Aufwendung größerer Barmittel im Rahmen der Verteidigung,
hohe Kautionsangebote,
Bedrohung und Einschüchterung von Verfahrensbeteiligten,
Unauffindbarkeit von zuvor verfügbaren Zeuginnen und Zeugen,
ängstliches Schweigen von Betroffenen,
überraschendes Benennen von Entlastungszeuginnen und Entlastungszeugen,
Betreuung in der Untersuchungshaft oder Strafhaft,
Versorgung von Angehörigen,
Wiederaufnahme nach der Haftentlassung.
9. Korrumpierung
Einbeziehung in das soziale Umfeld der Täterinnen und Täter,
Herbeiführen von Abhängigkeiten (z. B. durch Sex, verbotenes Glücksspiel, Zins- und Kreditwucher),
Zahlung von Bestechungsgeldern, Überlassung von Ferienwohnungen, Luxusfahrzeugen usw.
10. Monopolisierungsbestrebungen
"Übernahme" von Geschäftsbetrieben und Teilhaberschaften,
Führung von Geschäftsbetrieben durch Strohleute,
Kontrolle bestimmter Geschäftszweige,
"Schutzgewährung" gegen Entgelt.
11. Öffentlichkeitsarbeit
gesteuerte oder tendenziöse Veröffentlichungen, die von einem bestimmten Tatverdacht ablenken,
systematischer Versuch der Ausnutzung gesellschaftlicher Einrichtungen (z. B. durch auffälliges Mäzenatentum).
*)
Generelle Indikatoren sind allgemein kennzeichnende Merkmale. Spezielle Indikatoren werden unter Einbeziehung zusätzlicher Erkenntnisse zu deliktspezifischen Handlungsformen und Gruppenstrukturen erarbeitet.
Fußnoten | |
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*) | Generelle Indikatoren sind allgemein kennzeichnende Merkmale. Spezielle Indikatoren werden unter Einbeziehung zusätzlicher Erkenntnisse zu deliktspezifischen Handlungsformen und Gruppenstrukturen erarbeitet. |
Anlage 2 OK-RdErl - Hinweise zur praktischen Anwendung der Definition "Organisierte Kriminalität"
Vorbemerkung
Die Definition der Organisierten Kriminalität (im Folgenden: OK) soll der Anwenderin oder dem Anwender der Richtlinie über die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei bei der Verfolgung der OK eine Hilfestellung bei der sachgerechten und möglichst eindeutigen Bewertung geben, ob Straftatenkomplexe und Verhaltensweisen Verdächtiger der OK zuzuordnen sind.
Die Folgen einer solchen Zuordnung können vielfältig sein, z. B.
Begründung von Zuständigkeiten von Fachdienststellen zur Strafverfolgung,
Begründung der Anwendung besonderer Eingriffsmaßnahmen,
Einbeziehung der Informationen in zentrale Auswertungssysteme (Intelligence-Systeme),
Erfüllung besonderer Informations- und Meldepflichten einschließlich internationalem Nachrichtenaustausch,
Erfassung in gesonderten Lagebildern.
Die nachfolgenden Ausführungen richten sich vor allem an die in den Strafverfolgungsbehörden mit der Bekämpfung der OK befassten Bediensteten, um auf der Grundlage angenäherter Lageeinschätzungen zu einer einheitlichen Bekämpfung der OK zu gelangen.
1. Definition "OK"
1.1 OK ist die von Gewinn- oder Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig
a)
unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen,
b)
unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel oder
c)
unter Einflussnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft
zusammenwirken.
Der Begriff umfasst nicht Straftaten des Terrorismus.
1.2 Aufbau der Definition
Die Definition OK umfasst strafrechtliche, soziologische, psychologische und ökonomische Elemente. Sie stellt keinen materiell-strafrechtlichen Normenbegriff dar. Sie ist in zwei Teile gegliedert: die generellen und speziellen Merkmale der Alternativen der Nummer 1.1 Buchst. a bis c.
1.2.1 Generelle Merkmale
Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind,
Gewinn- oder Machtstreben,
auf längere oder unbestimmte Dauer,
Arbeitsteiligkeit,
Zusammenwirken von mehr als zwei Beteiligten,
planmäßige Begehung.
1.2.2 Spezielle Merkmale
Erst die speziellen Merkmale der Alternativen der Nummer 1.1 Buchst. a bis c qualifizieren organisiertes kriminelles Verhalten zu OK. Im Verhältnis zueinander können diese Merkmale einzeln oder kumulativ gegeben sein.
Für die Bestimmung "OK" ist nicht erforderlich, dass beide Merkmalsgruppen sachlich und zeitlich in einem zur Bewertung anstehenden Sachverhalt zusammenfallen. Eine einzelne noch fehlende Merkmalsgruppe kann sich auch aus anderen, zeitlich zurückliegenden Feststellungen der Strafverfolgungsbehörden herleiten lassen. Wesentlich ist, dass der im Einzelfall angestrebte Tatzweck erreicht und/oder der Fortbestand und die Wirksamkeit der Organisation gesichert werden sollen. Darin liegt die besondere Gefährlichkeit der OK; die kriminalpolitische Zielsetzung besteht darin, mit adäquaten Bekämpfungsmaßnahmen die Etablierung und Verfestigung der kriminellen Strukturen in Teilbereichen der Gesellschaft zu unterbinden.
1.3 Anwendungsfälle
1.3.1 Grundsätzlich unproblematisch ist die Anwendung der Definition auf Sachverhalte, bei denen die Ermittlungen ganz oder weitgehend abgeschlossen sind. Um OK zu bejahen, müssen die generellen Merkmale gegeben sein und zumindest die speziellen Merkmale einer der Fallgruppen der Nummer 1.1 Buchst. a bis c vorliegen.
Bei der Untersuchung der speziellen Merkmale kann sich als unproblematisch erweisen, dass solche bereits Tatbestandsmerkmale der Straftatbestände darstellen. In eine Überprüfung dieser Merkmale ist im Einzelnen nicht erneut einzutreten:
Wird nämlich bei der Beurteilung der zugrunde liegenden Straftaten die Nutzung geschäftsähnlicher Strukturen, z. B. von Betrieben oder Unternehmen bei wirtschaftskriminellem Verhalten, oder die Gewaltanwendung, z. B. bei der Durchführung einer Raubtat, festgestellt, so reichen diese tatbestandlichen Verhaltensweisen allein nicht aus, auch gleichzeitig die speziellen Merkmale für OK zu bejahen. Hierzu sind zusätzliche Feststellungen zu OK-typischen Verhaltensweisen i. S. der speziellen Merkmale der Nummer 1.1 Buchst. a bis c erforderlich. Sind diese Verhaltensweisen nicht feststellbar, so werden selbst schwerwiegende Straftaten nicht zur OK; es handelt sich zwar um geplant vorbereitete und durchgeführte Straftaten, aber nicht um OK i. S. der Definition.
1.3.2 Problematisch sind diejenigen Sachverhalte, bei denen deutliche Hinweise auf OK-Hintergründe (noch) nicht erkennbar sind.
Es gibt z. B. im Diebstahlsbereich eine Fülle von Delikten, die für sich allein keine OK abbilden. Dennoch können diese Taten, z. B. bezogen auf eine organisierte Verwertung der erlangten Güter, durchaus einen gemeinsamen OK-Hintergrund haben. Zur Beschreibung des "Tatbildes" sind dann alle aus der Auswertungstätigkeit resultierenden Informationen zusammenzufassen und die personenbezogenen Informationen zusätzlich aufzubereiten.
Beim personen- oder gruppenbezogenen Ansatz liegen zur Tatzeit regelmäßig noch keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte (i. S. des § 152 Abs. 2 StPO ) vor, sodass die generellen Merkmale zunächst zu verneinen sind. Ungeachtet dessen weisen die personenbezogenen Erkenntnisse auf OK hin.
2. Begriffsmerkmale der Definition "OK"
2.1 Generelle Merkmale
2.1.1 Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind
Unter dem Begriff der Straftat von erheblicher Bedeutung sind solche Straftaten zu verstehen, die den Rechtsfrieden empfindlich stören und geeignet sind, das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung nachdrücklich zu beeinträchtigen.
Dabei kann es sich auch um Straftaten handeln, die von der Öffentlichkeit nicht augenfällig wahrgenommen werden können, dem gegenüber aber einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden für die Allgemeinheit verursachen und deshalb auch eine wesentliche Bedrohung darstellen.
2.1.2 Gewinn- und Machtstreben
Gewinnstreben ist das planvolle Verhalten zur Erlangung wesentlicher materieller Vorteile.
Machtstreben ist umfassend zu verstehen (wirtschaftlich und sozial). Es setzt Aktivitäten voraus, die die Erlangung von Einflusspositionen gegenüber Dritten oder eigenen Gefolgsleuten zum Ziel haben. Auch Monopolisierungsbestrebungen können hierunter fallen. Zu diesem Zweck werden auch Straftaten begangen, die keine unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteile erbringen.
Weiterhin werden Anstrengungen unternommen, gesellschaftliche Anerkennung und Einfluss zu erlangen. Dies wird im Bereich der Milieukriminalität der Großstädte besonders deutlich.
2.1.3 Auf längere oder unbestimmte Dauer
Dieses zeitliche Merkmal schließt diejenigen Verhaltensweisen aus, bei denen die Beteiligten nur im Einzelfall oder für einen kurzfristigen Zeitraum zusammenwirken. Es ist erfüllt, wenn Serientaten, Tatzusammenhänge, verfestigte Informations- oder Kommunikationsstrukturen, Abrechnungsmodalitäten (Beuteverteilung) o. Ä. festgestellt werden und Tatsachen die Annahme begründen, dass dieses durch die Absichten der Beteiligten, z. B. in Form von Bekundungen oder konkludenten Verhalten, getragen ist.
2.1.4 Arbeitsteiligkeit
Die Arbeitsteiligkeit bemisst sich nach dem erkennbaren Grad der Aufgabenteilung bei der Verwirklichung der Straftatbestände.
Wegen der Planmäßigkeit und Spezialisierung bei der OK können Täterinnen und Täter - insbesondere wenn sie einer höheren Ebene angehören - vielfach (lediglich) steuernd auf die Tatverwirklichung Einfluss nehmen, ohne selbst unmittelbar an der Tat beteiligt oder am Tatort anwesend zu sein.
2.1.5 Zusammenwirken von mehr als zwei Beteiligten
Voraussetzung ist das Zusammenwirken von mindestens drei Personen, die aus einer gemeinsamen Zielsetzung heraus handeln. Zusammenwirken ist das koordinierte Entfalten von Tätigkeiten (auch in der Form der Unterlassung), die Tatvorhaben und Ziele der Organisation fördern.
Die Grundlagen ergeben sich aus einem gemeinschaftlichen Plan, der die arbeitsteiligen
Elemente der Straftatenbegehung umfasst.
2.1.6 Planmäßige Begehung
Die planmäßige Begehung umfasst die Tatphasen mit ihren Elementen der
Tatverabredung,
Tatvorbereitung,
Tatdurchführung,
Absatzplanung oder Beuteverwertung,
Tatsicherung.
Dieses Merkmal zielt auf die "Perfektionierung und Professionalisierung der Begehensweisen" ab und dient somit dem Erfolg im Verhältnis zu den eingesetzten Mitteln auf der Grundlage der Arbeitsteiligkeit und Spezialisierung. Bei Tatbeteiligten im Hintergrund kommt es darauf an nachzuweisen, dass die intellektuelle oder wirtschaftliche (Mit-)Beherrschung des Tatgeschehens notwendige Voraussetzung für die Begehung der Tat ist.
2.2 Spezielle Merkmale der Alternativen der Nummer 1.1 Buchst. a bis c
2.2.1 Zu Nummer 1.1 Buchst. a: Unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen
Aus der (Mit-)Nutzung vorhandener, überwiegend legaler gewerblicher Strukturen durch kriminelle Organisation ergibt sich eine Verflechtung illegalen und legalen Wirtschaftslebens. Sie stellt einen zentralen Aspekt der OK dar.
Da Beschaffungs- oder Verwertungshandlungen, in großen Dimensionen angelegt, nicht ohne weiteres geheim zu halten sind, werden sie oft dadurch getarnt, dass sie mit legalen Geschäftsvorgängen durchgeführt werden. Die Tatausübung muss mit Vorgängen tatsächlicher oder vorgetäuschter wirtschaftlicher Betätigung einhergehen.
Durch dieses Verhalten werden (auch ohne weitere strafrechtlich relevante Handlungen) Situationen geschaffen, die die Aufklärung des Sachverhalts erheblich beeinträchtigen. Insbesondere führt es zu gravierenden Vertrauensverlusten in die auf Treu und Glauben basierenden Wirtschaftsabläufe. Die OK-Täterinnen oder OK-Täter stellen auf Dauer vor allem auf die Maximierung und Sicherung ihrer Profite ab; insoweit bedeutet dies auch die Erweiterung der kriminellen Aktionsmöglichkeiten. Hierunter sind auch die Verschleierung der kriminellen Handlungen oder Interessen oder der Missbrauch besonderer Befugnisse oder Erlaubnisse (z. B. Lizenzen) zu verstehen.
Damit kommt es nicht darauf an, ob die Täterinnen oder Täter diese Strukturen eigens hierfür geschaffen haben oder sich nur solcher bedienen.
Eine wesentliche zeitliche oder quantitative oder qualitative Begleitkomponente muss z. B. dann bejaht werden, wenn Straftäterinnen oder Straftäter sich der Möglichkeiten moderner Infrastrukturen o. Ä. bedienen, um "erfolgreicher" zu handeln, weil mengenmäßig keine Begrenzungen zu sehen und Nachweise beim Massenverkehr nur unter erschwerten Bedingungen zu führen sind.
Soweit tatbestandliche Verhaltensweisen zugrunde liegender Straftaten der Wirtschaftskriminalität mit den speziellen Merkmalen der Alternative der Nummer 1.1 Buchst. a übereinstimmen, können diese allein nicht für die "Qualifizierung" als OK herangezogen werden. Hierzu sind darüber hinausgehende Feststellungen zu den Alternativen der Nummer 1.1 Buchst. b oder c erforderlich, wie sie nachfolgend in den Nummern 2.2.2 und 2.2.3 erläutert sind.
2.2.2 Zu Nummer 1.1 Buchst. b: Unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel
Wenn die Gewaltanwendung Tatbestandsmerkmal einer Straftat ist, z. B. bei Angriffen gegen Leib und Leben, die persönliche Freiheit oder die Freiheit der Willensentschließung, ist dieses konstitutives Merkmal und erfüllt für sich allein die qualifizierende Alternative nicht. Der Gewaltbegriff ist weitergehend zu prüfen, wenn unabhängig von der Gewaltanwendung bei der Verwirklichung des Straftatbestandes diese zugleich oder als selbständiges Teilziel
in ihrer Wirkung auf die Allgemeinheit,
mit bestimmbarer Auswirkung auf weitere potenzielle Opfer oder
auf die Aufrechterhaltung der "inneren Ordnung der Organisation"
gerichtet ist.
Bei den weitergehenden Prüfungen ist sowohl die Tätervorstellung und -absicht zugrunde zu legen wie auch die objektiv feststellbare Wirkung auf die Betroffenen. Die Verhaltensweisen gemäß Alternative der Nummer 1.1 Buchst. b - gleichgültig in welcher Form angewendet, auch vordergründig positiv erscheinende Verhaltensweisen - müssen aus der Sicht der Betroffenen als Zwang verstanden werden.
Einschüchterung und Gewalt sind zur Durchsetzung und Sicherung der Machtansprüche gängige Mittel, wenngleich sich mit zunehmendem Organisationsgrad die Anwendung immer subtilerer Machtmittel beobachten lässt.
Fehlende tatsächliche Gewaltanwendung ist deshalb kein Hinweis auf das Nichtvorhandensein von OK. Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass bei ausgereiften, in ihrer Struktur verfestigten Organisationen Gewalt nur selten offenkundig wird, da subtilere Formen von Pressionen ausreichen. Allein das Wissen um die im Extremfall unausweichliche, konsequente und in aller Härte durchgeführte Gewaltanwendung reicht aus, um Organisationsmitglieder, Opfer, Zeuginnen und Zeugen gefügig zu machen.
Hier sind sowohl die interne Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel (innerhalb der Organisationsstruktur) als auch die externe (gegenüber Dritter) zu subsumieren.
2.2.3 Zu Nummer 1.1 Buchst. c: Einflussnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft
Führungspersonen der OK sind bestrebt, innerhalb ihres "Herrschaftsbereichs" und oft auch in der Gesellschaft Anerkennung zu finden. Soziale Integration bietet nach außen hin die beste Gewähr, "Geschäfte" ungestört und - bei Bedarf - mit Unterstützung der so gewonnenen "Freundinnen" und "Freunde" erfolgreich abzuwickeln. Zu diesem Zweck werden gesellschaftliche Anlässe gesucht (oder selbst geschaffen), bei denen Kontakte zu Personen des öffentlichen Lebens - sei es aus dem Bereich der Politik, der Verwaltung, der Wirtschaft oder der Medien - hergestellt werden könne. Ob und wie diese Beziehungen einmal für die illegalen Zwecke genutzt werden können, ob durch wie auch immer geartete Formen der Bestechung, der Erpressung oder sonstiger Beeinflussung die Betroffenen zur Mithilfe "bewegt" werden, steht zunächst nicht im Vordergrund.
Einflussnahme ist das Einwirken auf Entscheidungsprozesse in den genannten Bereichen. Diese können sich in begünstigenden Handlungen oder Unterlassungen darstellen, die insgesamt im Interesse der Straftäterinnen und Straftäter liegen. Eine Einflussnahme kann auch in kollusivem Verhalten bestehen.
Zur Abgrenzung der verfassungsrechtlich erwünschten oder der legitimen Formen der Beeinflussung von Entscheidungsträgern ist es zusätzlich erforderlich, dass der verwerfliche Charakter der Einflussnahme - entweder in den Mitteln oder in den Zielsetzungen - festgestellt wird. Indizien für das Vorliegen verwerflicher Einflussnahme können u. a. sein
Bedrohungen, Nötigungen, Erpressung oder Anwendung von Gewalt sowie
Bestechung oder Schaffung von Abhängigkeitsverhältnissen.
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