Vertrag zwischen den Kantonen St.Gallen und Appenzell A.Rh. betreffend die Gründung ... (751.212)
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Vertrag zwischen den Kantonen St.Gallen und Appenzell A.Rh. betreffend die Gründung einer Gesellschaft «St. Gallisch-Appenzellische Kraftwerke AG»

Vertrag zwischen den Kantonen St.Gallen und Appenzell A.Rh. betreffend die Gründung einer Gesellschaft «St. Gallisch-Appenzellische Kraftwerke AG» vom 28./29. August 1914 1)
Art. 1
1 Die beiden Kantone St. Gallen und Appenzell A.Rh. gründen auf den
1. Dezember 1914 unter der Firma «St. Gallisch-Appenzellische Kraftwerke» eine Aktiengesellschaft mit Hauptsitz in St. Gallen und Zweigniederlassung in Herisau; sie ist nach kaufmännischen Grundsätzen, unter Berücksichti- gung angemessener Verzinsung und Abschreibung, zu betreiben.
2 Diese Gesellschaft übernimmt auf den Gründungstag die Aktiven und Passiven samt allen Rechten und Pflichten: a) des Elektrizitätswerkes des Kantons St. Gallen in St. Gallen, b) des Elektrizitätswerkes Kubel in Herisau samt allen Wasserrechtskon- zessionen der Kantone Appenzell A.Rh. und I.Rh. und St. Gallen, c) der Binnenkanalwerke, gemäss den nachstehend festgelegten Grundsätzen und Bedingungen.

Art. 2 Die St. Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke übernehmen:

— — — — — — — — — — — — aGS II/211
1) Vom Grossen Rat des Kantons St. Gallen genehmigt am 15. September 1914. Vom Kantonsrat Appenzell A.Rh. genehmigt am 18. September 1914.
I. Das Elektrizitätswerk des Kantons St. Gallen wie folgt:
1. Der Übernahmepreis ist der per 30. November 1913 ausgewiesene Buchwert und beträgt ....................... Fr. 5 981 339.41 zuzüglich ein an den Fiskus des Kantons St. Gallen auf den 1. Dez. 1914 als teilweise Rückvergütung an die im Kantonswerk bis zum 30. Nov. 1913 ge- machten ausserordentlichen Rücklagen in bar zu bezahlender Betrag von ........................................... Fr. 450 000.00 Fr. 6 431 339.41
2. Das Kantonswerk führt, betreibt und unterhält seine Anlagen bis zum 30. November 1914 in bisheriger Weise auf eigene Rechnung.
3. Die St. Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke übernehmen die sämtlichen Anlagen des Kantonswerkes auf den 1. Dezember 1914 in demjenigen Zustand, in welchem sie sich in diesem Zeitpunkt befinden, ohne jegli- che Nachwährschaft des Kantonswerkes und des Kantons St. Gallen.
4. Der Kanton St. Gallen ist verpflichtet, das Elektrizitätswerk des Kantons St. Gallen auf den 30. November 1914 aufzulösen und diese Firma im Handelsregister innert gesetzlicher Frist löschen zu lassen. II. Das Elektrizitätswerk Kubel AG wie folgt:
1. Der Übernahmepreis ist der per 30. November 1913 ausgewiesene Buchwert und beträgt Fr. 12 322 185.39.
2. Das Elektrizitätswerk Kubel führt, betreibt und unterhält seine Anlagen bis zum 30. November 1914 in bisheriger Weise auf eigene Rechnung.
3. Die St. Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke übernehmen die sämtlichen Anlagen des Elektrizitätswerkes Kubel auf den 1. Dezember 1914 in demjenigen Zustand, in welchem sie sich in diesem Zeitpunkt befinden, ohne jegliche Nachwährschaft seitens des Kubelwerkes und des Kan- tons St. Gallen.
4. Die Aktionäre des Elektrizitätswerkes Kubel, d.h. die Kantone St. Gallen und Appenzell A.Rh., verpflichten sich, die Aktiengesellschaft «Elektrizi- tätswerk Kubel» per 30. November 1914 in Liquidation treten und innert gesetzlicher Frist im Handelsregister löschen zu lassen. III. Die Binnenkanalwerke wie folgt:
1. Der Übernahmepreis für die hydro-elektrischen Anlagen samt Inven- tar und Verteilungsanlagen beträgt Val. 30. November 1914 Franken
1 000 000.–.
2. Der Kanton St. Gallen führt, betreibt und unterhält die Binnenkanalwerke bis zum 30. November 1914 in bisheriger Weise auf eigene Rechnung.
3. Die Binnenkanalunternehmung besorgt den Unterhalt des Binnenkanals auf eigene Rechnung. Die St. Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke zah- len dagegen an diese Kosten einen vom Kanton St. Gallen noch festzu- setzenden jährlichen Beitrag.
4. Die St. Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke übernehmen die sämtlichen Anlagen der Binnenkanalwerke auf den 1. Dezember 1914 in demjenigen Zustand, in welchem sie sich in diesem Zeitpunkt befinden, ohne jegli- che Nachwährschaft seitens des Kantons St. Gallen.
Art. 3
1 Das Elektrizitätswerk Kubel hat seine Bilanz per 30. November 1914 nach den Vorschriften des bestehenden Statuts und den bisherigen Grundsätzen abzuschliessen.
2 Das Elektrizitätswerk des Kantons St. Gallen ist verpflichtet, seine per
30. November 1914 abzuschliessende Bilanz nach folgenden Grundsätzen aufzustellen:
3 Die Bilanzstellung erfolgt nach den Vorschriften des schweizerischen Obligationenrechtes (Art. 656 1) ) und nach den Grundsätzen einer soliden Geschäftsführung.
4 Es sind pro Bilanzjahr, 1. Dezember 1913 bis 30. November 1914, abzu- schreiben: a) auf den Konti Werkzeugmaschinen, Werkzeug, Apparate, Uten- silien, Mobilien ............................................................................ 10 % b) auf den Konti zu amortisierende Verwendungen, Installations- materialien und Finanzierungskosten .......................................... 20 % c) auf den Konti Bau- und Betriebsmaterialien, inkl. Kohlen ........... 5 %
5 Ausserdem ist ein Amortisations- und ein Erneuerungsfonds zu bilden und es ist der Erstere mit 1
1 /
2 % und der Letztere mit 1 % des Anlagewertes (Übernahmswert nach Art. 2, I, 1 hievor, plus allfällige Zugänge, minus allfäl- lige Abgänge, pro Bilanzjahr 1913/14) zu dotieren.
6 Von dem nach Abzug aller Unkosten, einschliesslich der Entschädigung an die Aufsichtsbehörden, Passivzinsen, Abschreibungen und Verluste ver- bleibenden Reingewinn werden zunächst dem ordentlichen Reservefonds
5 % zugewiesen.
7 Ein dann allfällig noch verbleibender Überschuss ist dem Fiskus des Kan- tons St. Gallen Val. 1. Dezember 1914 in bar zu vergüten. — — — — — — — — — — — —
1) Heute Art. 957 ff. OR
Art. 4
1 Der Kanton Appenzell A.Rh. und der Kanton St. Gallen sind verpflichtet, die von ihnen dem Elektrizitätswerk Kubel für die Ausnutzung der Wasser- kräfte an der Sitter und Urnäsch erteilten Konzessionen vom 20. Juli 1897 und 23./27. Februar 1899 1) , resp. vom 13. Juni 1897 und 10. Mai 1907, bis zum 1. Dezember 1964 zu verlängern und durch Nachträge den Bestim- mungen dieses Vertrages anzupassen 2) .
2 Im Falle über die Ausstellung obiger Konzessionsnachträge Streitig-keiten entstehen sollten, so ist darüber der Entscheid der eidgenössischen Kom- mission für elektrische Anlagen anzurufen und von den Parteien deren Urteil als rechtsgültig anzuerkennen.
3 Der Kanton St. Gallen verpflichtet sich, der St. Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke AG zur Ausnutzung der drei vorhandenen Gefällstufen am Rheintalischen Binnenkanal eine Wasserrechtskonzession zu den gleichen materiellen Bedingungen zu erteilen, wie sie in den gemäss Abs. 1 hievor für die Sitter und Urnäsch erteilten Konzessionen und Nachträgen enthalten sind.

Art. 5 Nach Ablauf der Wasserrechtskonzessionen (Art. 4) sind die beiden Kantone

zu deren Wiedererteilung verpflichtet
1)2)
. Die näheren Bedingungen der Er- neuerung sind streitigenfalls vom Bundesrat festzusetzen, sofern nicht von der künftigen Gesetzgebung eine andere Instanz hiefür angewiesen wird.

Art. 6 Die Kantone St. Gallen und Appenzell A.Rh. verpflichten sich gegenseitig:

a) selbständig keine Elektrizitätswerke zu bauen oder zu erwerben und sich an keiner Unternehmung zu beteiligen, welche den Zweck haben könnte, im Stromabsatzgebiet der St. Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke elekt- rische Energie zu verteilen; b) selbständig keine Strombezugsverträge mit fremden Werken abzu- schliessen. — — — — — — — — — — — —
1) aGS II/213 und 214; aufgehoben durch die Wasserrechtskonzession vom 9. Juni
1969 für die St. Gallisch-Appenzellische Kraftwerke AG (bGS 751.224)
2) Vgl. Regierungsratsbeschluss vom 8. Februar 1915 betreffend Übertragung, Ver- längerung und Abänderung der der Elektrizitätswerk Kubel AG erteilten Konzessio- nen (aGS II/215). Heute aufgehoben durch die Wasserrechtskonzession vom 9. Juni
1969 für die St. Gallisch-Appenzellische Kraftwerke AG (bGS 751.224)
Art. 7
1 Das für die Gründung der St. Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke per
1. Dezember 1914 zu beschaffende Kapital beträgt Fr. 19 500 000.– und soll gedeckt werden durch: a) die Ausgabe von Obligationen im Nominalbetrage von ........................................................................... Fr. 11 000 000.– b) die Ausgabe von Aktien im Betrage von vorläufig .... Fr. 8 500 000.– Von diesen Titeln haben die beiden Kantone zu übernehmen:
1. der Kanton St. Gallen:
86 % der Obligationen .............................................. Fr. 9 460 000.–
86 % der Aktien ........................................................ Fr. 7 310 000.–
2. der Kanton Appenzell A.Rh.:
14 % der Obligationen .............................................. Fr. 1 540 000.–
14 % der Aktien ........................................................ Fr. 1 190 000.–
2 Werden das Aktien- oder das Obligationenkapital erhöht, so überneh-men die Vertragskantone die neuen Aktien oder Obligationen nach dem gleichen Verhältnis, d.h. St. Gallen 86 % und Appenzell A.Rh. 14 %.
3 Als Gründer und als Zeichner der Obligationen und der Aktien kommen lediglich die beiden Kantone St. Gallen und Appenzell A.Rh. resp. deren fiskalische Anstalten (Staatskasse, Kantonalbank) in Betracht. Der Kanton St. Gallen ist verpflichtet, aus der Obligationen-Emission einen Betrag von Fr. 4 250 000.– zum Zinsfuss von 4
1 /
4 % mit einer Laufzeit bis Ende Juni
1917 zu zeichnen.
4 Die Obligationen dürfen beliebig weiterbegeben werden. Eine Übertra- gung der Aktien an Dritte ist den Kantonen bzw. den erwähnten Anstalten nur in folgenden Fällen gestattet: a) die interne Weiterbegebung unter den Aktionären selbst, sei es von Kan- ton zu Kanton oder zwischen den betreffenden Anstalten jeden Kantons unter sich. Wenn infolge einer solchen Verschiebung des Aktienbesitzes einer der beiden Kantone vorübergehend oder dauernd aufhört, Aktionär zu sein, so bleibt er im Übrigen an diesen Vertrag trotzdem gebunden; b) die Abtretung der Pflichtaktien an die Verwaltungsräte. Bei Ablegung des Verwaltungsratsmandates sind die Pflichtaktien dem früheren Eigentü- mer zurückzugeben.
Art. 8
1 Der Verwaltungsrat besteht aus 9, der Verwaltungsratsausschuss aus 3 Mitgliedern.
2 Der Kanton St. Gallen ist im Verwaltungsrat durch 7 und im Ausschuss durch 2 Mitglieder, der Kanton Appenzell A.Rh. im Erstern durch 2 und im Letzteren durch 1 Mitglied vertreten.
3 Der Präsident des Verwaltungsrates und des Ausschusses wird von der Generalversammlung gewählt.
4 Die Vertreter jedes Kantons in der Verwaltung werden von ihren Regie- rungen in Vorschlag gebracht. Die Aktionäre sind verpflichtet, an der Ge- neralversammlung für die vorgeschlagenen Mitglieder zu stimmen.
Art. 9
1 Der Normalpreis für Kraft und Licht aus dem Elektrizitätswerk Kubel soll für gleichwertige Abnehmer unter annähernd gleichen Verhältnissen im Kubelgebiet in beiden Kantonen derselbe sein. Unter «Kubelgebiet» sind die dem heutigen Kubelwerk gehörenden Anlagen verstanden, wie sie in dem dem Geschäftsbericht pro 30. November 1914 beigehefteten Leitungsplan aufgeführt sind.
2 Die St. Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke sind verpflichtet, bis spätes- tens in 12 Jahren die Normalpreise für ihre Stromabgabe in ihrem gesamten Versorgungsgebiete unter gleichen Verhältnissen gleichzustellen.
3 Die Energieabgabe bleibt im Allgemeinen auf das Gebiet des jeweils erstell- ten Leitungsnetzes beschränkt. Interessenten, die sich nicht im Bereiche dieses Netzes befinden, können in der Regel nur dann angeschlossen wer- den, wenn den St.Gallisch-Appenzellischen Kraftwerken die Rendite der für den Anschluss erforderlichen Anlagen gesichert ist.

Art. 10 Dieser Vertrag ist von der konstituierenden Generalversammlung der

St. Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke unverändert anzuerkennen und es sind die grundsätzlichen Bestimmungen desselben in die neuen Gesell- schaftsstatuten aufzunehmen. Diese Bestimmungen begründen für die Kon- trahenten wohlerworbene, durch Mehrheitsbeschluss nicht abzuändernde Rechte.

Art. 11 Alle Streitigkeiten zwischen der Gesellschaft einerseits und ihren Organen

oder einzelnen Aktionären anderseits oder zwischen den Gesellschaftsor- ganen unter sich oder zwischen diesen und einzelnen Aktionären und ferner Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung dieses Vertrages sind durch das Schweizerische Bundesgericht im Sinne des Art. 52 Ziff. 1 des
Organisationsgesetzes betreffend die Bundesrechtspflege vom 6. Oktober
1911 1) zu entscheiden. Vorbehalten bleibt Art. 4 Abs. 2.
Art. 12
1 Vorstehender Vertrag wird von den Regierungen der Kantone St.Gallen und Appenzell A.Rh. unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch die zu- ständigen Grossen Räte unterzeichnet. Diese Genehmigung muss bis spä- testens den 30. September 1914 erfolgen.
2 Sollte der vorstehende Vertrag vom einen oder andern der beiden Kanto- ne bis zum vorerwähnten Termin nicht genehmigt und auch keine Verlän- gerung desselben vereinbart werden, so fällt der Vertrag nach Ablauf des Termins ohne weiteres dahin. — — — — — — — — — — — —
1) Heute Art. 116 des BG vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundes- rechtspflege (SR 173.110)
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