Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesr... (0.360.136.1)
CH - Schweizer Bundesrecht

Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über die grenzüberschreitende polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit (Schweizerisch-deutscher Polizeivertrag)

(Schweizerisch-deutscher Polizeivertrag) Abgeschlossen am 5. April 2022 Ratifikationsurkunden ausgetauscht am 27. März 2024 In Kraft getreten am 1. Mai 2024 (Stand am 1. Mai 2024)

Kapitel I Abstimmung in grundsätzlichen Sicherheitsfragen

Art. 1 Gemeinsame Sicherheitsinteressen
Die Vertragsstaaten unterrichten einander über die Schwerpunkte ihrer Kriminalitätsbekämpfung, über ihre Strategien zur Gefahrenabwehr sowie über bedeutsame Vorhaben auf dem polizeilichen Gebiet mit Auswirkungen auf die Belange des anderen Vertragsstaates. Sie tragen bei der Erarbeitung polizeilicher Konzepte und der Durchführung polizeilicher Massnahmen den gemeinsamen Sicherheitsinteressen angemessen Rechnung. Ist ein Vertragsstaat der Auffassung, dass der andere Vertragsstaat bestimmte Schritte zur Gewährleistung der gemeinsamen Sicherheit ergreifen sollte, kann er dazu einen Vorschlag unterbreiten.
Art. 2 Lageanalysen
Die Vertragsstaaten streben einen möglichst einheitlichen Informationsstand über die polizeiliche Sicherheitslage an. Zu diesem Zweck tauschen sie periodisch und anlassbezogen Informationen und Lagebilder aus und können gemeinsame Analysen erstellen.

Kapitel II Allgemeine Zusammenarbeit der Polizeibehörden

Art. 3 Gefahrenabwehr und Kriminalitätsbekämpfung
Die Vertragsstaaten verstärken die Zusammenarbeit bei der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung sowie bei der Kriminalitätsbekämpfung und handeln dabei unter Berücksichtigung der Sicherheitsinteressen des anderen Vertragsstaates.
Art. 4 Zusammenarbeit auf Ersuchen
(1)  Die Behörden von Polizei, Bundespolizei sowie die mit grenzpolizeilichen Aufgaben betrauten Einheiten des Bundesamts für Zoll und Grenzsicherheit (im Folgenden als «Polizeibehörden» bezeichnet) in den Vertragsstaaten leisten einander im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung sowie zur Verhütung und Verfolgung von Straftaten Hilfe, sofern ein Ersuchen oder dessen Erledigung nach nationalem Recht nicht den Justizbehörden vorbehalten ist. Ist die ersuchte Behörde für die Erledigung nicht zuständig, leitet sie das Ersuchen an die zuständige Behörde weiter.
(2)  Ersuchen nach Absatz 1 um Hilfe zur Verhütung und Verfolgung von Straftaten und die Antworten werden grundsätzlich zwischen den nationalen Zentralstellen der Vertragsstaaten übermittelt und auf demselben Weg zurückgesandt. Eine Übermittlung und Beantwortung von Ersuchen unmittelbar zwischen den zuständigen Polizeibehörden der Vertragsstaaten kann erfolgen, soweit:
1. sich der grenzüberschreitende Dienstverkehr auf Straftaten bezieht, bei denen der Schwerpunkt der Tat und ihrer Verfolgung in den Grenzgebieten nach Artikel 5 liegt;
2. die Ersuchen nicht rechtzeitig über den Geschäftsweg zwischen den nationalen Zentralstellen gestellt werden können; oder
3. eine direkte Zusammenarbeit aufgrund von tat- oder täterinnen- beziehungsweise täterbezogenen Zusammenhängen im Rahmen abgrenzbarer Fallgestaltungen zweckmässig ist und dazu das Einvernehmen der jeweiligen nationalen Zentralstellen vorliegt.
(3)  Ersuchen um Hilfe zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung werden unmittelbar zwischen den zuständigen Polizeibehörden der Vertragsstaaten übermittelt und beantwortet. Für die Verhütung von Straftaten gilt Absatz 2.
(4)  Ersuchen nach den Absätzen 1 bis 3 können insbesondere betreffen:
1. Feststellungen von Halterinnen und Haltern sowie Ermittlungen von Fahrerinnen und Fahrern bei Strassen‑, Wasser- und Luftfahrzeugen;
2. Anfragen nach Führerscheinen, Schifffahrtspatenten und vergleichbaren Berechtigungen;
3. Aufenthalts- und Wohnsitzfeststellungen, Aufenthaltsberechtigungen;
4. Anschlussinhaberinnen und Anschlussinhabern sowie Nutzerinnen und Nutzer von Telekommunikations- und Datennetzen;
5. Identitätsfeststellungen;
6. Informationen über die Herkunft von Sachen, beispielsweise Waffen, Kraftfahrzeugen und Wasserfahrzeugen (Verkaufsweganfragen);
7. Abstimmung von und Einleitung erster Fahndungsmassnahmen;
8. Informationen bei grenzüberschreitenden Observationsmassnahmen und kontrollierten Lieferungen;
9. Informationen bei grenzüberschreitender Nacheile;
10. Polizeiliche Befragungen und Vernehmungen¹;
11. Feststellung der Aussagebereitschaft einer Zeugin oder eines Zeugen oder der Bereitschaft einer oder eines Beschuldigten, sich zu einer Sache zu äussern, jeweils zur Vorbereitung eines Rechtshilfeersuchens;
12. Spurenabklärungen;
13. Erkenntnisse aus polizeilichen Abklärungen und Unterlagen sowie aus Datensystemen, Registern und sonstigen Sammlungen insbesondere auch zu Daten von Passagierinnen und Passagieren nach Massgabe des innerstaatlichen Rechts;
14. Unterstützung bei der Durchführung von Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach nationalem Recht, soweit dies zur Beurteilung von Sicherheitsrisiken hinsichtlich des Zugangs zu Sicherheitsbereichen von Flughäfen und anderer kritischer Infrastrukturen oder zur Erbringung erlaubnispflichtiger Tätigkeiten im Bewachungsgewerbe erforderlich ist. Der dafür nötige Informationsaustausch erfolgt soweit als möglich unmittelbar zwischen den für die jeweilige Art der Zuverlässigkeitsüberprüfung zuständigen Behörden.
(5)  Die Polizeibehörden können ferner einander Ersuchen im Auftrag der zuständigen Justizbehörden stellen und nach Absatz 2 übermitteln und beantworten.
(6)  Die Unterrichtung der nationalen Zentralstellen über ein- und ausgehende direkte Ersuchen erfolgt nach Massgabe des innerstaatlichen Rechts.
¹ In der Schweizerischen Eidgenossenschaft kann die Polizei Einvernahmen von Zeuginnen und Zeugen nur im Auftrag der zuständigen Justizbehörden durchführen.
Art. 5 Grenzgebiete
Als Grenzgebiete gelten:
– in der Bundesrepublik Deutschland: das Land Baden-Württemberg und der Freistaat Bayern;
– in der Schweizerischen Eidgenossenschaft: die Kantone Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Aargau, Schaffhausen, Zürich, Thurgau und St. Gallen.
Art. 6 Zentralstellen
Nationale Zentralstellen im Sinne dieses Vertrages sind in der Bundesrepublik Deutschland das Bundeskriminalamt sowie in der Schweizerischen Eidgenossenschaft das Bundesamt für Polizei fedpol.
Art. 7 Ausschreibung von Personen zur Festnahme mit dem Ziel der Auslieferung
(1)  Das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Polizei fedpol übermitteln einander im Auftrag der Justizbehörden Ersuchen um Ausschreibungen zur Festnahme mit dem Ziel der Auslieferung in einem geschützten elektronischen Nachrichtenübermittlungssystem. Ein Ersuchen um Ausschreibung nach diesem Absatz ist einem Ersuchen um vorläufige Festnahme im Sinne des Artikels 16 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957² gleichgestellt. Die in Satz 1 genannten Zentralstellen der Vertragsstaaten sind berechtigt, den übrigen Polizeibehörden im automatisierten Verfahren den Zugriff auf die so erlangten Daten zu dem in Satz 1 genannten Zweck zu ermöglichen.
(2)  Es werden ausschliesslich Daten zur Verfügung gestellt, die für den in Absatz 1 vorgesehenen Zweck erforderlich sind. Der ausschreibende Vertragsstaat prüft, ob die Bedeutung des Falles eine Übermittlung rechtfertigt.
(3)  Es werden höchstens die folgenden Angaben mitgeteilt:
1. Name und Vorname, gegebenenfalls Aliasname;
2. erster Buchstabe des zweiten Vornamens;
3. Geburtsort und -datum, bei Übermittlungen aus der Schweizerischen Eidgenossenschaft kann statt des Geburtsortes der Bürgerort angegeben werden;
4. Geschlecht;
5. Staatsangehörigkeit;
6. besondere unveränderliche physische Merkmale;
7. der personenbezogene Hinweis «bewaffnet»;
8. der personenbezogene Hinweis «gewalttätig»;
9. Ausschreibungsgrund;
10. zu ergreifende Massnahmen.
(4)  Der ersuchende Vertragsstaat teilt dem ersuchten Vertragsstaat zugleich folgende, für den zugrundeliegenden Sachverhalt wesentliche Informationen mit:
1. die um die Festnahme ersuchende Behörde;
2. das Bestehen eines Haftbefehls oder einer Urkunde mit gleicher Rechtswirkung oder eines rechtskräftigen Urteils;
3. die Art und die rechtliche Würdigung der strafbaren Handlung;
4. die Beschreibung der Umstände, unter denen die Straftat begangen wurde, einschliesslich der Zeit, des Orts und der Art der Täterschaft;
5. soweit möglich die Folgen der Straftat.
Auf der Grundlage dieser Informationen kann der ersuchte Vertragsstaat in der Regel binnen 24 Stunden die Ausschreibung überprüfen und so lange auf den Vollzug der begehrten Massnahme in seinem Hoheitsgebiet verzichten. Wird als Ergebnis dieser Prüfung auf den Vollzug der begehrten Massnahme endgültig verzichtet, ist dies dem ersuchenden Vertragsstaat unter Angabe von Gründen mitzuteilen.
(5)  Ersucht ein Vertragsstaat auf Veranlassung einer Justizbehörde wegen besonderer Eilbedürftigkeit um eine Sofortfahndung, nimmt der ersuchte Vertragsstaat die Prüfung sofort vor und trifft die notwendigen Vorkehrungen, damit die begehrte Massnahme für den Fall, dass die Ausschreibung gebilligt wird, unverzüglich vollzogen werden kann.
(6)  Ist eine Festnahme wegen einer noch nicht abgeschlossenen Prüfung oder wegen einer ablehnenden Entscheidung des ersuchten Vertragsstaates ausnahmsweise nicht möglich, ist die Ausschreibung von diesem, soweit nach innerstaatlichem Recht zulässig, als Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung zu behandeln.
(7)  Der ersuchte Vertragsstaat trifft die aufgrund des Ersuchens um Ausschreibung begehrten Massnahmen auf der Grundlage der geltenden Auslieferungsübereinkommen und nach Massgabe des nationalen Rechts. Unbeschadet der Möglichkeit, die Betroffene oder den Betroffenen nach Massgabe des nationalen Rechts festzunehmen, ist er nicht verpflichtet, die Massnahmen zu vollziehen, wenn eine eigene Staatsangehörige oder ein eigener Staatsangehöriger betroffen ist.
(8)  Sofern der ersuchte Vertragsstaat eine Ausschreibung für nicht vereinbar hält mit seinem nationalen Recht, mit internationalen Verpflichtungen oder wesentlichen nationalen Interessen, ist er berechtigt, die mit der Ausschreibung begehrten Massnahmen in seinem Hoheitsgebiet nicht zu vollziehen. Hierüber ist der andere Vertragsstaat unter Angabe von Gründen zu unterrichten.
² SR 0.353.1
Art. 8 Austausch von Fahrzeugdaten sowie Daten von Halterinnen und Haltern
(1)  Daten von Halterinnen und Haltern sowie Fahrzeugdaten aus zentralen Fahrzeugregistern dürfen von den Vertragsstaaten übermittelt werden, soweit dies:
1. für Verwaltungsmassnahmen auf dem Gebiet des Strassenverkehrs;
2. zur Überwachung des Versicherungsschutzes im Rahmen der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung;
3. zur Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des Strassenverkehrs;
4. zur Verfolgung von Straftaten, die im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr oder sonst mit Kraftfahrzeugen, Anhängern, Kennzeichen oder Fahrzeugpapieren, Fahrerlaubnissen oder Führerscheinen stehen; oder
5. zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist.
(2)  Der Datenaustausch kann anlassbezogen im automatisierten Anfrage- und Auskunftsverfahren und im nichtautomatisierten Verfahren erfolgen. Für den Austausch im automatisierten Verfahren werden nach Möglichkeit bestehende Softwareanwendungen genutzt. Der automatisierte Austausch erfolgt über die als nationale Kontaktstellen fungierenden zentralen Fahrzeugregisterbehörden.
(3)  Ersuchende Stellen sind Polizei-, Justiz- und Verwaltungsbehörden im Rahmen ihrer jeweiligen Aufgabenwahrnehmung, sofern sie nach nationalem Recht für die Durchführung der in Absatz 1 Nummern 1 bis 5 genannten Aufgaben zuständig sind. Für Anfragen sind das vollständige Kennzeichen oder die Fahrzeugidentifikationsnummer sowie der massgebliche Bezugszeitpunkt zu verwenden. Das Ersuchen erfolgt nach Massgabe des nationalen Rechts des abrufenden Vertragsstaates.
(4)  Die Vertragsstaaten übermitteln für die Erledigung von Ersuchen folgende bei ihnen bereits gespeicherte Daten:
1. Daten von Halterinnen und Haltern: a) bei natürlichen Personen: Familienname, Vornamen, Ordens- und Künstlername, Geburtsname, Tag der Geburt, Geburtsort, Geschlecht und Anschrift,
b) bei juristischen Personen und Behörden: Name oder Bezeichnung sowie Adresse,
c) bei Vereinigungen: benannte Vertreterin oder benannter Vertreter mit den Angaben zur natürlichen Person oder zur juristischen Person;
2. Fahrzeugdaten: a) Kennzeichen, die Antriebsart, die Herstellerin oder der Hersteller des Fahrzeugs und die Fahrzeugidentifizierungsnummer,
b) Fahrzeugtyp, Marke und Modell,
c) der Tag des Ablaufs der Gültigkeit befristet zugeteilter Kennzeichen,
d) Betriebszeitraum bei Saisonkennzeichen oder Kurzzeitkennzeichen sowie
e) Hinweise auf Diebstahl oder sonstiges Abhandenkommen des Fahrzeugs oder des Kennzeichens.
(5)  Werden die Daten für Verfahren nach Absatz 1 Nummer 3 und 4 übermittelt, dürfen diese verwendet werden, um der Halterin oder dem Halter die Möglichkeit einzuräumen, die Geldbusse zu akzeptieren; im Übrigen nur, um die fahrzeuglenkende Person zu ermitteln.
(6)  Die nach Artikel 38 Nummer 3 protokollierten Daten dürfen nur für Zwecke der Datenschutzkontrolle, insbesondere der Kontrolle der Rechtmässigkeit und Richtigkeit der Übermittlungen verwendet werden. Sie sind in geeigneter Weise gegen zweckfremde Verwendung und gegen sonstigen Missbrauch zu schützen und spätestens nach sechs Monaten zu löschen. In entsprechender Anwendung des Satzes 1 stellt der empfangende Vertragsstaat sicher, dass auch die Übermittlung an oder der automatisierte Abruf durch die örtlich zuständige Behörde von der zentralen Registerbehörde protokolliert wird.
Art. 9 Gegenseitige Anerkennung von Fahrzeugkennzeichen und Zulassungsscheinen
Die Vertragsstaaten erkennen gegenseitig Fahrzeugkennzeichen und Zulassungsscheine besonders zugelassener Fahrzeuge des jeweils anderen Vertragsstaates für eine zeitweilige Teilnahme im Strassenverkehr auf dem eigenen Hoheitsgebiet an. Einzelheiten regelt eine Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur der Bundesrepublik Deutschland und dem Bundesamt für Strassen (ASTRA) der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Artikel 61 bleibt unberührt.
Art. 10 Polizeiliche Hilfe bei Gefahr im Verzug
(1)  In Fällen, in denen das Ersuchen nicht rechtzeitig über die zuständigen Justizbehörden gestellt werden kann, ohne den Erfolg der Massnahme zu gefährden, können Ersuchen zur Spuren- und Beweissicherung einschliesslich der Durchführung von körperlichen Untersuchungen sowie Durchsuchungen von Personen, Hausdurchsuchungen sowie Beschlagnahme von Beweisunterlagen von den zuständigen Polizeibehörden unmittelbar an die Polizeibehörden im anderen Vertragsstaat gerichtet werden. Artikel 4 Absatz 2 gilt entsprechend.
(2)  Die zuständigen Justizbehörden im ersuchenden und im ersuchten Staat sind unverzüglich unter Angabe der Gründe für die Eilbedürftigkeit zu unterrichten.
(3)  Die Übermittlung der Ergebnisse der durchgeführten Massnahme an den ersuchenden Staat bedarf eines förmlichen Rechtshilfeersuchens der Justizbehörden. Ist die Übermittlung der Ergebnisse der durchgeführten Massnahme dringlich im Sinne von Absatz 1 Satz 1, kann die ersuchte Polizeibehörde die Ergebnisse nach Einwilligung der zuständigen Justizbehörde unmittelbar an die Polizeibehörde im ersuchenden Vertragsstaat übermitteln.
Art. 11 Informationsübermittlung ohne Ersuchen
Die Polizeibehörden der Vertragsstaaten können einander anlassbezogen ohne Ersuchen Informationen mitteilen, die für die Empfängerin oder den Empfänger zur Unterstützung bei der Abwehr von konkreten Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder zur Verhütung und Verfolgung von Straftaten erforderlich erscheinen. Die Empfängerin oder der Empfänger ist verpflichtet, die Erforderlichkeit der übermittelten Daten zu überprüfen und nicht erforderliche Daten zu vernichten oder an die übermittelnde Stelle zurück zu übermitteln. Für die Durchführung des Informationsaustausches gilt Artikel 4 Absätze 2, 3 und 6 entsprechend. Die Zuständigkeit von Justizbehörden bleibt unberührt.
Art. 12 Zustellung von gerichtlichen und anderen behördlichen Schriftstücken
(1)  Die zuständigen Stellen eines Vertragsstaates können im Rahmen der Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, für die im anderen Vertragsstaat die Leistung von Rechtshilfe zulässig ist, gerichtliche und andere behördliche Schriftstücke unmittelbar durch die Post an Personen übersenden, die sich auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten.
(2)  Schriftstücke oder zumindest deren wesentliche Passagen werden in der am Zustellungsort der Empfängerin oder des Empfängers gesprochenen Amtssprache oder in der von der Empfängerin oder vom Empfänger gesprochenen Amtssprache der Vertragsstaaten abgefasst oder in eine dieser Amtssprachen übersetzt.
(3)  Die Artikel 8, 9 und 12 des Europäischen Übereinkommens vom 20. April 1959³ über die Rechtshilfe in Strafsachen gelten entsprechend für den Fall, dass die Vorladung durch die Post zugestellt worden ist.
³ SR 0.351.1
Art. 13 Aus- und Fortbildung
Die Polizeibehörden der Vertragsstaaten arbeiten bei der Aus- und Fortbildung zusammen, indem sie insbesondere:
1. Lehrpläne für die Aus- und Fortbildung austauschen und die wechselseitige Übernahme von Aus- und Fortbildungsinhalten erwägen;
2. gemeinsame Aus- und Fortbildungsseminare, grenzüberschreitende Übungen sowie Übungen mit Grenzbezug durchführen;
3. Vertreterinnen und Vertreter des anderen Vertragsstaates zu Hospitationen oder als Beobachterinnen und Beobachter zu Übungsveranstaltungen und besonderen Einsätzen einladen;
4. Vertreterinnen und Vertretern des anderen Vertragsstaates die Teilnahme an geeigneten Fortbildungslehrgängen ermöglichen.

Kapitel III Besondere Formen der Zusammenarbeit

Art. 14 Observation zur Strafverfolgung oder Strafvollstreckung
(1)  Beamtinnen und Beamte sowie sonstige Bedienstete (im Folgenden als «Beamtinnen und Beamte» bezeichnet) der Polizeibehörden des einen Vertragsstaates sind befugt, eine Observation im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen einer im ersuchten Staat auslieferungsfähigen Straftat auf dessen Hoheitsgebiet fortzusetzen, wenn dieser der grenzüberschreitenden Observation auf der Grundlage eines zuvor gestellten Ersuchens zugestimmt hat. Gleiches gilt für eine Observation mit dem Ziel der Sicherstellung der Strafvollstreckung. Die Zustimmung kann mit Auflagen verbunden werden. Auf Verlangen ist die Observation an Beamtinnen und Beamte des Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet die Observation stattfindet, zu übergeben. Das Ersuchen nach Satz 1 ist an die durch jeden der Vertragsstaaten bezeichnete Behörde zu richten, die befugt ist, die erbetene Zustimmung zu erteilen oder zu übermitteln. Die erteilte Zustimmung gilt jeweils für das gesamte Hoheitsgebiet. Die Grenze darf auch ausserhalb zugelassener Grenzübergänge und festgesetzter Verkehrsstunden überschritten werden.
(2)  Kann wegen besonderer Dringlichkeit eine vorherige Zustimmung des anderen Vertragsstaates nicht beantragt werden, darf eine Observation fortgesetzt werden. Das Ersuchen wird unverzüglich nachgereicht. Die Observation ist einzustellen, sobald der Vertragsstaat, auf dessen Hoheitsgebiet die Observation stattfindet, dies verlangt oder wenn die Zustimmung nicht acht Stunden nach Grenzübertritt vorliegt.
(3)  Die Observation nach den Absätzen 1 und 2 ist ausschliesslich unter den nachstehenden allgemeinen Voraussetzungen zulässig:
1. Die observierenden Beamtinnen und Beamten sind an die Bestimmungen dieses Artikels und das Recht des Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet sie auftreten, gebunden; sie haben die Anordnungen der örtlich zuständigen Behörden zu befolgen.
2. Bei der Durchführung einer grenzüberschreitenden Observation unterliegen Beamtinnen und Beamte des einen Vertragsstaates denselben verkehrsrechtlichen Bestimmungen wie die Beamtinnen und Beamten des Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet die Observation fortgesetzt wird. Die Vertragsstaaten unterrichten einander über die jeweils geltende Rechtslage.
3. Vorbehaltlich der Fälle des Absatzes 2 ist während der Observation ein Dokument mitzuführen, aus dem sich ergibt, dass die Zustimmung erteilt worden ist.
4. Die observierenden Beamtinnen und Beamten müssen in der Lage sein, jederzeit ihre amtliche Funktion nachzuweisen.
5. Das Betreten von Wohnungen und öffentlich nicht zugänglichen Grundstücken ist nicht zulässig. Der Öffentlichkeit zugängliche Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume dürfen während ihrer jeweiligen Öffnungszeiten betreten werden.
6. Über jede Observation wird den Behörden des Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet die Observation stattgefunden hat, Bericht erstattet. Dabei kann das persönliche Erscheinen der observierenden Beamtinnen und Beamten gefordert werden.
7. Die Behörden des Vertragsstaates, aus dessen Hoheitsgebiet die observierenden Beamtinnen und Beamten kommen, unterstützen auf Ersuchen die nachträglichen Ermittlungen, einschliesslich gerichtlicher Verfahren des Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet observiert wurde.
8. Zur Unterstützung der grenzüberschreitenden Observation erforderliche technische Mittel dürfen eingesetzt werden, soweit dies nach dem Recht des Vertragsstaates zulässig ist, auf dessen Hoheitsgebiet die Observation fortgesetzt wird.
9. Wird die observierte Person auf frischer Tat bei der Begehung von oder der Teilnahme an einer im ersuchten Vertragsstaat auslieferungsfähigen Straftat betroffen oder verfolgt, dürfen observierende Beamtinnen und Beamte, die unter der Leitung des ersuchten Vertragsstaates tätig sind, die Person festhalten. Die festgehaltene Person darf im Hinblick auf ihre Vorführung vor die örtlichen Behörden lediglich einer Sicherheitsdurchsuchung unterzogen werden. Es dürfen ihr während der Beförderung Handfesseln angelegt werden. Die von der verfolgten Person mitgeführten Gegenstände dürfen bis zum Eintreffen der örtlich zuständigen Behörde vorläufig sichergestellt werden.
(4)  Das Ersuchen nach Absatz 1 oder 2 ist zu richten:
– in der Bundesrepublik Deutschland an diejenige Staatsanwaltschaft, in deren Zuständigkeitsbereich der Grenzübertritt voraussichtlich erfolgen soll;
– in der Schweizerischen Eidgenossenschaft an die Strafverfolgungsbehörden des Bundes oder an die Strafverfolgungsbehörden des Kantons, auf dessen Gebiet der Grenzübertritt voraussichtlich erfolgen soll.
Die Übermittlung kann auch über die nationalen Zentralstellen oder über die einsatzführenden Polizeibehörden erfolgen. In den Fällen, in denen das Ersuchen nicht über die nationalen Zentralstellen übermittelt wird, erhalten sie gleichzeitig eine Kopie des Ersuchens.
(5)  Jeder Grenzübertritt ist noch während der Observation unverzüglich je nach Ort des Grenzübertritts an folgende Behörde zu melden:
– in der Bundesrepublik Deutschland an das Landeskriminalamt Baden-Württemberg oder das Bayerische Landeskriminalamt;
– in der Schweizerischen Eidgenossenschaft an die nationale Zentralstelle.
Art. 15 Observation zur Verhinderung von Straftaten
(1)  Soweit es das jeweilige innerstaatliche Recht zulässt, sind Beamtinnen und Beamte der Polizeibehörden des einen Vertragsstaates befugt, eine Observation zur Verhinderung von auslieferungsfähigen Straftaten auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates fortzusetzen, wenn dieser der grenzüberschreitenden Observation auf Grundlage eines zuvor gestellten Ersuchens zugestimmt hat. Die Zustimmung kann mit Auflagen verbunden werden. Die observierenden Beamtinnen und Beamten haben den ersuchten Vertragsstaat bei Grenzübertritt an die Behörde nach Artikel 14 Absatz 5 unverzüglich von dem erfolgten Grenzübertritt zu informieren. Auf Verlangen ist die Observation an Beamtinnen und Beamte des Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet die Observation stattfindet, zu übergeben.
(2)  Das Ersuchen nach Absatz 1 ist zu richten:
– in der Bundesrepublik Deutschland an das jeweilige Landeskriminalamt in Baden-Württemberg oder Bayern;
– in der Schweizerischen Eidgenossenschaft an die Strafverfolgungsbehörden nach Artikel 14 Absatz 4.
Die nationalen Zentralstellen erhalten gleichzeitig eine Kopie des Ersuchens.
(3)  Die Observation darf auch dann grenzüberschreitend fortgesetzt werden, wenn die vorherige Zustimmung des anderen Vertragsstaates wegen besonderer Dringlichkeit nicht rechtzeitig beantragt werden kann oder die zuständigen Behörden nicht rechtzeitig in der Lage sind, die Observation oder deren Leitung zu übernehmen. Die observierenden Beamtinnen und Beamten nehmen umgehend, im Regelfall bereits vor Grenzübertritt, Kontakt mit der zuständigen Behörde nach Artikel 14 Absatz 5 des ersuchten Vertragsstaates auf. Ein Ersuchen nach Absatz 1, in dem auch die Gründe dargelegt werden, die den Grenzübertritt ohne vorherige Zustimmung rechtfertigen, ist unverzüglich nachzureichen. Die nationalen Zentralstellen erhalten zugleich eine Kopie des Ersuchens. Die Observation ist einzustellen, sobald der Vertragsstaat, auf dessen Hoheitsgebiet die Observation stattfindet, aufgrund der Mitteilung nach Satz 2 oder des Ersuchens nach Satz 3 dies verlangt oder wenn die Zustimmung nicht acht Stunden nach Grenzübertritt vorliegt.
(4)  Die Grenze darf auch ausserhalb zugelassener Grenzübergänge und festgelegter Verkehrsstunden überschritten werden. Artikel 14 Absatz 3 gilt entsprechend.
(5)  Observationen nach dieser Vorschrift sind auf die Grenzgebiete nach Artikel 5 beschränkt, sofern sie nicht unter Leitung des ersuchten Staates fortgesetzt werden.
Art. 16 Nacheile
(1)  Beamtinnen und Beamte der Polizeibehörden eines Vertragsstaates, die in ihrem Land eine Person verfolgen, die:
1. auf frischer Tat bei der Begehung von oder der Teilnahme an einer auslieferungsfähigen Straftat betroffen oder verfolgt wird;
2. aus Untersuchungshaft, der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, der Sicherungsverwahrung, Strafhaft oder amtlichem Gewahrsam geflohen ist;
3. sich einer Grenzkontrolle oder innerhalb eines Gebietes von 80 Kilometern entlang der Grenze einer polizeilichen Kontrolle entzieht;
sind befugt, die Verfolgung auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates ohne dessen vorherige Zustimmung fortzusetzen, wenn die zuständigen Behörden des anderen Vertragsstaates wegen der besonderen Dringlichkeit der Angelegenheit nicht zuvor unterrichtet werden konnten oder nicht rechtzeitig zur Stelle sind, um die Verfolgung zu übernehmen. Die nacheilenden Beamtinnen und Beamten nehmen unverzüglich, im Regelfall bereits vor dem Grenzübertritt, Kontakt mit der zuständigen Behörde des Vertragsstaates auf. Die Verfolgung ist einzustellen, sobald der Vertragsstaat, auf dessen Hoheitsgebiet die Verfolgung stattfinden soll, dies verlangt. Auf Ersuchen der nacheilenden Beamtinnen und Beamten ergreifen die örtlich zuständigen Behörden die betroffene Person, um ihre Identität festzustellen oder die Festnahme vorzunehmen.
(2)  Wird die Einstellung der Verfolgung nicht verlangt und können die örtlichen Behörden nicht rechtzeitig herangezogen werden, dürfen die nacheilenden Beamtinnen und Beamten die Person festhalten, bis die Beamtinnen und Beamten des anderen Vertragsstaates, die unverzüglich zu unterrichten sind, die Identitätsfeststellung oder die Festnahme vornehmen.
(3)  Die in den Absätzen 1 und 2 vorgesehene Nacheile wird ohne räumliche oder zeitliche Begrenzung ausgeübt. Artikel 14 Absatz 1 Satz 6 gilt entsprechend.
(4)  Die Nacheile darf nur unter folgenden allgemeinen Voraussetzungen ausgeübt werden:
1. Die nacheilenden Beamtinnen und Beamten sind an die Bestimmungen dieses Artikels und das Recht des Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet sie auftreten, gebunden; sie haben die Anordnungen der örtlich zuständigen Behörden zu befolgen.
2. Die nacheilenden Beamtinnen und Beamten müssen als solche eindeutig erkennbar sein, entweder durch eine Uniform, eine Armbinde oder durch an dem Fahrzeug angebrachte Zusatzeinrichtungen; das Tragen von Zivilkleidung unter Benutzung eines getarnten Polizeifahrzeugs ohne die vorgenannte Kennzeichnung ist nicht zulässig.
3. Die nach Absatz 2 ergriffene Person darf im Hinblick auf ihre Vorführung vor die örtlichen Behörden lediglich einer Sicherheitsdurchsuchung unterzogen werden. Es dürfen ihr während der Beförderung Handfesseln angelegt werden. Die von der verfolgten Person mitgeführten Gegenstände dürfen bis zum Eintreffen der örtlich zuständigen Beamtinnen und Beamten vorläufig sichergestellt werden.
4. Die nacheilenden Beamtinnen und Beamten melden sich nach jedem Einschreiten nach den Absätzen 1 und 2 unverzüglich bei den örtlich zuständigen Behörden des anderen Vertragsstaates und erstatten Bericht. Auf Ersuchen dieser Behörden sind sie verpflichtet, sich bis zur Klärung des Sachverhalts vor Ort bereitzuhalten. Gleiches gilt auch, wenn die verfolgte Person nicht festgenommen werden konnte.
5. Artikel 14 Absatz 3 Nummern 2 sowie 4 bis 8 gelten entsprechend.
(5)  Die Person, die nach Absatz 2 durch die örtlich zuständigen Behörden festgenommen wurde, kann ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit zum Zwecke der Vernehmung festgehalten werden. Die einschlägigen Bestimmungen des nationalen Rechts finden sinngemäss Anwendung. Hat die Person nicht die Staatsangehörigkeit des Vertragsstaates, in dessen Hoheitsgebiet sie aufgegriffen wurde, wird sie spätestens sechs Stunden nach ihrer Ergreifung freigelassen, wobei die Stunden zwischen Mitternacht und neun Uhr nicht mitzählen, es sei denn, die örtlich zuständigen Behörden erhalten vor Ablauf dieser Frist ein Ersuchen um vorläufige Festnahme zum Zwecke der Auslieferung. Unberührt bleiben nationale Regelungen, die aus anderen Gründen die Anordnung von Haft oder eine vorläufige Festnahme ermöglichen.
(6)  In Fällen von übergeordneter Bedeutung oder wenn die Nacheile über das Grenzgebiet nach Artikel 5 hinausgegangen ist, sind die nationalen Zentralstellen über die erfolgte Nacheile unverzüglich zu unterrichten.
Art. 17 Verdeckte Ermittlungen zur Aufklärung von Straftaten
(1)  Auf der Grundlage eines zuvor gestellten Ersuchens des einen Vertragsstaates kann der andere Vertragsstaat dem Einsatz von Beamtinnen und Beamten des ersuchenden Vertragsstaates zur Aufklärung von Straftaten unter einer ihnen verliehenen veränderten Identität (verdeckte Ermittlerinnen und Ermittler) auf dem Hoheitsgebiet des ersuchten Vertragsstaates zustimmen, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine auslieferungsfähige Straftat vorliegt, für die nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht der Einsatz verdeckter Ermittlerinnen und Ermittler zugelassen ist. Die erteilte Zustimmung gilt jeweils für das gesamte Hoheitsgebiet. Der ersuchende Vertragsstaat stellt das Ersuchen nur dann, wenn die Aufklärung des Sachverhalts ohne die geplanten Ermittlungsmassnahmen aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Artikel 14 Absatz 1 Satz 6 gilt entsprechend.
(2)  Die Ermittlungen im ersuchten Vertragsstaat beschränken sich auf einzelne, zeitlich begrenzte Einsätze. Die Vorbereitung der Einsätze erfolgt in enger Abstimmung zwischen den beteiligten Behörden des ersuchten und ersuchenden Vertragsstaates. Die Leitung der Einsätze obliegt einer Beamtin oder einem Beamten des ersuchten Staates; das Handeln der Beamtinnen und Beamten des ersuchenden Staates ist dem einsatzführenden Staat zuzurechnen. Der ersuchte Vertragsstaat kann jederzeit die Beendigung der Ermittlungen verlangen.
(3)  Die Voraussetzungen des Einsatzes verdeckter Ermittlerinnen und Ermittler, die Bedingungen unter denen er stattfindet sowie die Massgaben für die Verwendung der Ermittlungsergebnisse werden von dem ersuchten Vertragsstaat unter Beachtung seiner innerstaatlichen Rechtsvorschriften festgelegt. Der ersuchende Vertragsstaat wird von dem ersuchten Vertragsstaat hierüber unterrichtet.
(4)  Der ersuchte Vertragsstaat leistet die notwendige personelle und technische Unterstützung. Von dem ersuchten Vertragsstaat werden alle erforderlichen Massnahmen ergriffen, um die Beamtinnen und Beamten des ersuchenden Vertragsstaates während ihres Einsatzes im ersuchten Vertragsstaat zu schützen.
(5)  Kann wegen besonderer Dringlichkeit eine vorherige Zustimmung des anderen Vertragsstaates nicht beantragt werden und liegen die rechtlichen Voraussetzungen für den Einsatz verdeckter Ermittlerinnen und Ermittler im anderen Vertragsstaat vor, sind verdeckte Ermittlerinnen und Ermittler ausnahmsweise ohne vorherige Zustimmung befugt, auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates tätig zu werden, soweit andernfalls die Gefahr droht, dass die veränderte Identität aufgedeckt würde. Der Einsatz ist unverzüglich der in Absatz 6 bezeichneten Behörde des anderen Vertragsstaates anzuzeigen. Ein Ersuchen, in dem auch die Gründe dargelegt werden, die einen Einsatz ohne vorherige Zustimmung rechtfertigen, ist unverzüglich nachzureichen. Das Tätigwerden der verdeckten Ermittlerin oder des verdeckten Ermittlers hat sich in diesen Fällen auf das zur Aufrechterhaltung der Legende unumgänglich notwendige Mass zu beschränken.
(6)  Das Ersuchen ist an die nationale Zentralstelle oder unter gleichzeitiger Unterrichtung der nationalen Zentralstelle an die zuständige Bewilligungsbehörde zu richten. In den Fällen, in denen sich die verdeckten Ermittlungen in der Bundesrepublik Deutschland voraussichtlich auf die Grenzgebiete nach Artikel 5 beschränken werden, ist das Ersuchen in Kopie zusätzlich an die jeweils zuständigen Landeskriminalämter Baden-Württemberg und Bayern bei gleichzeitiger Unterrichtung der nationalen Zentralstelle zu richten.
(7)  Über die Durchführung und die Ergebnisse des Einsatzes verdeckter Ermittlerinnen und Ermittler werden die zuständigen Behörden des Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet der Einsatz erfolgte, unverzüglich mündlich und zeitnah schriftlich unterrichtet.
(8)  Die Vertragsstaaten können einander verdeckte Ermittlerinnen und Ermittler zur Verfügung stellen, die im Auftrag und unter Leitung der zuständigen Behörde des jeweils anderen Vertragsstaates tätig werden.
Art. 18 Verdeckte Ermittlungen zur Verhinderung von Straftaten
(1)  Soweit es das jeweilige innerstaatliche Recht zulässt, können verdeckte Ermittlungen zur Verhinderung von auslieferungsfähigen Straftaten auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates fortgesetzt werden, wenn dieser der grenzüberschreitenden verdeckten Ermittlung auf der Grundlage eines zuvor an die in Absatz 2 genannten Behörden gestellten Ersuchens zugestimmt hat.
(2)  Das Ersuchen ist in der Schweizerischen Eidgenossenschaft an die Strafverfolgungsbehörden nach Artikel 14 Absatz 4, in der Bundesrepublik Deutschland unter gleichzeitiger Benachrichtigung des Bundeskriminalamtes an das Landeskriminalamt zu richten, auf dessen Gebiet die grenzüberschreitende verdeckte Ermittlung beginnt.
(3)  Artikel 17 Absatz 1 Satz 3 und 4, Absätze 2 bis 5, 7 und 8 gelten entsprechend.
Art. 19 Kontrollierte Lieferung
(1)  Auf Antrag des ersuchenden Vertragsstaates kann der ersuchte Vertragsstaat die kontrollierte Einfuhr in sein Hoheitsgebiet, die kontrollierte Durchfuhr oder die kontrollierte Ausfuhr, insbesondere bei unerlaubtem Handel mit Betäubungsmitteln, Waffen, Waffenteilen, Munition, Explosivstoffen, pyrotechnischen Gegenständen, Vorläuferstoffen, Arzneimitteln, Tier- und Pflanzenarten, ihren Teilen oder aus ihnen gewonnenen Erzeugnissen, Abfällen, Falschgeld, Diebesgut und Hehlerware, ge- oder verfälschten oder missbräuchlich verwendeten Reisedokumenten sowie bei Geldwäsche⁴, gestatten, wenn nach Ansicht des ersuchenden Vertragsstaates auf andere Weise die Ermittlung von Hinterleuten und anderen Tatbeteiligten oder die Aufdeckung von Verteilerwegen aussichtslos oder wesentlich erschwert würde. Artikel 14 Absatz 1 Satz 5 und 6 gelten entsprechend. Die kontrollierte Lieferung kann nach Absprache zwischen den Vertragsstaaten abgefangen und derart zur Weiterbeförderung freigegeben werden, dass sie unangetastet bleibt, entfernt oder ganz oder teilweise ersetzt wird. Wenn von der Ware ein nicht vertretbares Risiko für die am Transport beteiligten Personen oder für die Allgemeinheit ausgeht, wird die kontrollierte Lieferung vom ersuchten Vertragsstaat beschränkt oder abgelehnt.
(2)  Der ersuchte Vertragsstaat übernimmt die Kontrolle der Lieferung beim Grenzübertritt oder an einem vereinbarten Übergabepunkt, um eine Kontrollunterbrechung zu vermeiden. Er stellt im weiteren Verlauf des Transportes dessen ständige Überwachung in der Form sicher, dass er zu jeder Zeit die Möglichkeit des Zugriffs auf die Täterinnen oder die Täter oder die Waren hat. Beamtinnen und Beamte des ersuchenden Vertragsstaates können in Absprache mit dem ersuchten Vertragsstaat die kontrollierte Lieferung nach der Übernahme zusammen mit den übernehmenden Beamtinnen und Beamten des ersuchten Vertragsstaates weiter begleiten. Sie sind hierbei an die Bestimmungen dieses Artikels und das Recht des ersuchten Vertragsstaates gebunden; sie haben die Anordnungen der Beamtinnen und Beamten des ersuchten Vertragsstaates zu befolgen.
(3)  Ersuchen um kontrollierte Lieferungen, die in einem Drittstaat beginnen oder fortgesetzt werden, wird nur stattgegeben, wenn die Erfüllung der Voraussetzungen nach Absatz 2 Satz 1 und 2 auch vom Drittstaat gewährleistet ist.
(4)  Artikel 14 Absatz 3 Nummern 1, 2, 4, 5, 7, 8 und 9 gelten entsprechend.
(5)  Es gelten die Zuständigkeitsregeln des Artikels 14 Absatz 4. Ersuchen um kontrollierte Ausfuhr sind zu richten:
– in der Bundesrepublik Deutschland an die Staatsanwaltschaft, in deren Bezirk der Transport beginnt oder die zuerst hiervon Kenntnis erlangt;
– in der Schweizerischen Eidgenossenschaft an die Strafverfolgungsbehörden des Bundes oder des Kantons, auf dessen Gebiet der Transport beginnt.
Die Übermittlung kann auch über die nationalen Zentralstellen oder über die einsatzführenden Polizeibehörden erfolgen. In den Fällen, in denen das Ersuchen nicht über die nationalen Zentralstellen vermittelt wird, erhalten sie gleichzeitig eine Kopie des Ersuchens.
⁴ Schweizerische Eidgenossenschaft: Geldwäscherei.
Art. 20 Schutz von Zeuginnen und Zeugen sowie Opfern
(1)  Die Polizeibehörden der Vertragsstaaten arbeiten beim Schutz von Zeuginnen und Zeugen und deren Angehörigen sowie Opfern (im Folgenden als »zu schützende Personen» bezeichnet) nach Massgabe des internationalen und nationalen Rechts zusammen.
(2)  Die Zusammenarbeit umfasst insbesondere den Austausch von Informationen sowie die Übernahme von zu schützenden Personen einschliesslich der Hilfeleistung bei deren Transport.
(3)  Eine gesonderte Durchführungsvereinbarung in jedem Einzelfall regelt die Modalitäten der Zusammenarbeit bei der Übernahme von zu schützenden Personen.
(4)  Die zu schützenden Personen, die beim ersuchenden Vertragsstaat im Zeugenschutzprogramm⁵ aufgenommen sind, werden nicht in das Zeugenschutzprogramm des ersuchten Vertragsstaates aufgenommen. Bei der Durchführung der Zusammenarbeit im Zusammenhang mit dem Schutz dieser Personen findet die Rechtsordnung des ersuchten Vertragsstaates entsprechend Anwendung.
(5)  Der ersuchende Vertragsstaat trägt für die zu schützenden Personen, sofern erforderlich, die Lebenshaltungskosten und die Kosten der anderen Massnahmen, um deren Durchführung dieser Vertragsstaat ersucht hat. Der ersuchte Vertragsstaat trägt die Kosten für Personal- und Sachaufwand zum Schutz dieser Personen.
(6)  Der ersuchte Vertragsstaat kann bei Vorliegen schwerwiegender Gründe nach vorheriger Information des ersuchenden Vertragsstaates die Zusammenarbeit beenden. Der ersuchende Vertragsstaat hat in solchen Fällen die Verpflichtung, die zu schützenden Personen zurückzunehmen.
⁵ Bundesrepublik Deutschland: Zeugenschutz.
Art. 21 Gemeinsame Einsatzformen
(1)  Zur Intensivierung der Zusammenarbeit können die zuständigen Polizeibehörden der Vertragsstaaten gemeinsame Streifen, gemeinsam besetzte Kontroll-, Auswertungs- und Observationsgruppen und sonstige gemeinsame Einsatzformen zur Verhütung und Verfolgung von Straftaten und zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, einschliesslich der illegalen Migration, bilden, in denen Beamtinnen und Beamte bei Einsätzen auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates mitwirken.
(2)  Dabei können Beamtinnen und Beamte eines Vertragsstaates durch die Polizeibehörden des anderen Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet der Einsatz stattfindet, mit polizeilichen Vollzugsaufgaben einschliesslich der Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse betraut werden.
(3)  Die Betrauung setzt voraus, dass zwischen den Polizeibehörden der beteiligten Vertragsstaaten zuvor Einvernehmen hergestellt wird.
(4)  Die nach den Absätzen 2 und 3 betrauten Beamtinnen und Beamten dürfen nur unter der Leitung der einsatzführenden Stelle des anderen Vertragsstaates hoheitlich tätig werden. Sie sind dabei an das internationale Recht sowie das Recht jenes Vertragsstaates gebunden, auf dessen Hoheitsgebiet die Beamtinnen und Beamten tätig werden. Die Massnahmen der Beamtinnen und Beamten werden demjenigen Vertragsstaat zugerechnet, in welchem sie hoheitlich tätig werden.
Art. 22 Austausch von Beamtinnen und Beamten ohne Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse
Bei vergleichbarer Aufgabenstellung und entsprechender Zuständigkeit können die Polizeibehörden in den Grenzgebieten nach Artikel 5, deren nachgeordnete Dienststellen und zugehörige Einsatzkräfte des einen Vertragsstaates mit den entsprechenden Polizeibehörden des anderen Vertragsstaates eine besondere Kooperation betreiben. Sie besteht ausser in regelmässigen Kontakten vor allem darin, dass Beamtinnen und Beamte des einen Vertragsstaates im anderen Vertragsstaat für einen bestimmten Zeitraum und für Angelegenheiten von grenzüberschreitender Art tätig werden, ohne dabei selbst hoheitlich zu handeln.
Art. 23 Austausch von Beamtinnen und Beamten mit Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse
(1)  Zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung sowie zur Verhütung und Verfolgung von Straftaten können Beamtinnen und Beamte der Polizeibehörden des einen Vertragsstaates den zuständigen Stellen des anderen Vertragsstaates zur Wahrnehmung polizeilicher Vollzugsaufgaben einschliesslich hoheitlicher Befugnisse unterstellt werden, um die Behörden bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu unterstützen.
(2)  Die Unterstellung setzt voraus, dass zwischen den zuständigen Stellen beider Vertragsstaaten Einvernehmen hergestellt wird.
(3)  Die nach Absatz 1 unterstellten Beamtinnen und Beamten dürfen nur unter der Leitung der einsatzführenden Stelle und in der Regel in Anwesenheit von Beamtinnen und Beamten des anderen Vertragsstaates hoheitlich tätig werden. Das Handeln der unterstellten Beamtinnen und Beamten ist dem einsatzführenden Staat zuzurechnen.
Art. 24 Entsendung von Verbindungsbeamtinnen und Verbindungsbeamten
(1)  Ein Vertragsstaat kann mit Zustimmung des anderen Vertragsstaates zu dessen Polizeibehörden Verbindungsbeamtinnen und Verbindungsbeamte entsenden.
(2)  Die Verbindungsbeamtinnen und Verbindungsbeamten werden ohne selbständige Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse unterstützend und beratend tätig. Sie erteilen Informationen und erledigen ihre Aufträge im Rahmen der ihnen von den Polizeibehörden der beteiligten Vertragsstaaten erteilten Kompetenzen.
(3)  In einen dritten Staat entsandte Verbindungsbeamtinnen und Verbindungsbeamte können im gegenseitigen Einvernehmen und unter der Voraussetzung der Zustimmung des dritten Staates auch die Interessen des anderen Vertragsstaates wahrnehmen.
Art. 25 Grenzüberschreitende Fahndungsaktionen
Die Polizeibehörden der Vertragsstaaten beteiligen sich jeweils auf ihrem Hoheitsgebiet an grenzüberschreitenden Fahndungsaktionen, wie zum Beispiel Alarm- und Ringalarmfahndungen nach flüchtigen Straftäterinnen und Straftätern. In Fällen von überregionaler Bedeutung sind die nationalen Zentralstellen zu beteiligen.
Art. 26 Zusammenarbeit in Gemeinsamen Zentren und Verbindungsbüros
(1)  Auf dem Hoheitsgebiet des einen oder des anderen Vertragsstaates können in den Grenzgebieten nach Artikel 5 Gemeinsame Zentren für den Informationsaustausch und die Unterstützung der in den Grenzgebieten zuständigen Polizeibehörden beider Vertragsstaaten eingerichtet werden.
(2)  In den Gemeinsamen Zentren arbeiten Beamtinnen und Beamte der Polizeibehörden beider Vertragsstaaten im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten räumlich unmittelbar zusammen, um in Angelegenheiten, die die Grenzgebiete betreffen – unbeschadet des Dienstverkehrs und des Informationsaustausches über die nationalen Zentralstellen –, Informationen auszutauschen, zu analysieren und weiterzuleiten sowie bei der Koordinierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit nach diesem Vertrag unterstützend mitzuwirken.
(3)  Die Unterstützungsfunktion kann auch die Vorbereitung und Mitwirkung bei der Überstellung von Personen auf der Grundlage der zwischen den Vertragsstaaten geltenden Übereinkünfte umfassen.
(4)  Den Gemeinsamen Zentren obliegt nicht die selbständige Durchführung operativer Einsätze. Die Beamtinnen und Beamten in den Gemeinsamen Zentren unterstehen der Weisungs- und Disziplinargewalt ihrer jeweiligen nationalen Behörden.
(5)  In den Gemeinsamen Zentren können die Beamtinnen und Beamten der Polizeibehörden auch über die Aufgaben nach den Absätzen 1 bis 3 hinausgehende, nicht operative Tätigkeiten mit Wirkung für die sie entsendenden Behörden ausüben.
(6)  Anzahl und Sitz der Gemeinsamen Zentren sowie die Modalitäten der Zusammenarbeit und die gleichmässige Verteilung der Kosten werden in einer gesonderten Vereinbarung geregelt.
(7)  Beamtinnen und Beamte der Polizeibehörden können sich an Gemeinsamen Zentren der Vertragsstaaten, die diese mit einem gemeinsamen Nachbarstaat in den Grenzgebieten betreiben, beteiligen, wenn und soweit dieser Nachbarstaat einer solchen Beteiligung zustimmt. Die Modalitäten der Zusammenarbeit und die Verteilung der Kosten werden zwischen allen beteiligten Staaten geregelt.
(8)  Zur Unterstützung der grenzpolizeilichen Zusammenarbeit können die zuständigen Behörden Grenzpolizeiliche Verbindungsbüros errichten. Die Absätze 1 bis 7 gelten entsprechend.
Art. 27 Zusammenarbeit in gemeinsam besetzten operativen Dienststellen
(1)  Auf dem Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten können in den Grenzgebieten nach Artikel 5 gemeinsam besetzte operative Dienststellen dauerhaft oder für einen befristeten Zeitraum eingerichtet werden.
(2)  In den gemeinsam besetzten operativen Dienststellen arbeiten Beamtinnen und Beamte der Polizeibehörden beider Vertragsstaaten räumlich und operativ unmittelbar zusammen, um Massnahmen zur Intensivierung der operativen Zusammenarbeit, insbesondere im Sinne der Artikel 21 bis 23 sowie 25, durchzuführen.
(3)  Informationen über Angelegenheiten, die die Zusammenarbeit in den gemeinsam besetzten operativen Dienststellen betreffen, können unmittelbar ausgetauscht, analysiert und weitergeleitet werden. Der Dienstverkehr und der Informationsaustausch zwischen den nationalen Zentralstellen und innerhalb der gemeinsamen Zentren bleiben unberührt.
(4)  In den gemeinsam besetzten operativen Dienststellen können die Beamtinnen und Beamten der Polizeibehörden auch über die Aufgaben nach Absatz 2 hinausgehende, nicht operative Tätigkeiten mit Wirkung für die sie entsendenden Behörden ausüben.
(5)  Artikel 26 Absatz 4 Satz 2 und Absatz 6 gelten entsprechend.
Art. 28 Hilfeleistung bei Grossereignissen, Katastrophen und schweren Unglücksfällen
(1)  Die zuständigen Polizeibehörden beider Vertragsstaaten unterstützen sich im Rahmen des nationalen Rechts gegenseitig bei Massenveranstaltungen und ähnlichen Grossereignissen, Katastrophen sowie schweren Unglücksfällen und bei Beeinträchtigungen im Zusammenhang mit kritischen Infrastrukturen, indem sie:
1. sich gegenseitig so zeitig wie möglich über entsprechende Ereignisse mit grenzüberschreitenden Auswirkungen und Erkenntnissen darüber unterrichten;
2. bei Lagen mit grenzüberschreitenden Auswirkungen die auf ihrem Hoheitsgebiet erforderlichen polizeilichen Massnahmen vornehmen und koordinieren;
3. auf Ersuchen des Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet die Lage eintritt, soweit möglich, durch Entsendung von Spezialistinnen und Spezialisten und Beraterinnen und Beratern sowie Bereitstellung von Einsatzmitteln Hilfe leisten;
4. den Erfahrungsaustausch auf technisch-taktischer Ebene fördern.
(2)  In den Fällen von Absatz 1 Nummer 3 kann die Grenze bei besonderer Dringlichkeit auch ausserhalb der zugelassenen Grenzübergangsstellen und festgesetzter Verkehrsstunden überschritten werden. Artikel 14 Absatz 2 gilt entsprechend.
(3)  Das Abkommen vom 28. November 1984⁶ zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen bleibt unberührt.
⁶ SR 0.131.313.6
Art. 29 Massnahmen bei unmittelbarer Gefahr
(1)  Beamtinnen und Beamte der Polizeibehörden eines Vertragsstaates dürfen zur Abwehr einer gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden Gefahr für Leib oder Leben oder zum Schutz wesentlicher Sachwerte oder zur Sicherung von Beweismitteln zwecks Ermittlung strafbaren Verhaltens, die sie bei der Gelegenheit ihrer Aufgabenwahrnehmung feststellen, ohne vorherige Zustimmung des anderen Vertragsstaates im grenznahen Bereich oder im Auftrag des anderen Vertragsstaates im grenznahen Bereich im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates vorläufige Massnahmen treffen.
(2)  Eine gegenwärtige oder unmittelbar drohende Gefahr im Sinne des Absatzes 1 liegt dann vor, wenn bei einem Abwarten auf das Einschreiten von Beamtinnen und Beamten des anderen Vertragsstaates die Verwirklichung der Gefahr oder der Verlust der Beweismittel droht.
(3)  Die einschreitenden Beamtinnen und Beamten haben die nach Absatz 5 zuständigen Polizeibehörden des anderen Vertragsstaates unverzüglich zu unterrichten. Diese bestätigen die Unterrichtung und haben unverzüglich die notwendigen Massnahmen zu treffen, die zur Abwehr der Gefahr und zur Übernahme der Lage erforderlich sind. Die einschreitenden Beamtinnen und Beamten dürfen im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates nur so lange tätig sein, bis dieser die notwendigen Massnahmen zur Abwehr der Gefahr ergriffen hat. Die einschreitenden Beamtinnen und Beamten sind an die Weisungen des anderen Vertragsstaates gebunden.
(4)  Die einschreitenden Beamtinnen und Beamten sind an die Bestimmungen dieses Artikels und an das Recht des Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet sie tätig werden, gebunden. Die Massnahmen der einschreitenden Beamtinnen und Beamten werden dem anderen Vertragsstaat zugerechnet.
(5)  Die Mitteilung erfolgt:
– in der Bundesrepublik Deutschland beim Polizeipräsidium des Grenzgebietes nach Artikel 5, in dessen Zuständigkeit der Übertritt voraussichtlich stattfindet;
– in der Schweizerischen Eidgenossenschaft beim Kommando der Polizeibehörde des Grenzgebietes nach Artikel 5, wo der Übertritt voraussichtlich stattfindet.
Art. 30 Grenzüberschreitende Massnahmen im Eisenbahn- und Schiffsverkehr
(1)  Im grenzüberschreitenden öffentlichen Eisenbahnverkehr sind Beamtinnen und Beamte der Polizeibehörden befugt, zum Zwecke der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, einschliesslich der Bekämpfung der illegalen Migration, eine auf dem eigenen Hoheitsgebiet in einem Reisezug begonnene Amtshandlung bis zum ersten fahrplanmässigen Halt auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates nach ihrem nationalen Recht fortzuführen.
(2)  Wenn die Massnahme bis zum ersten fahrplanmässigen Halt auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates nicht abgeschlossen werden kann, verlassen die Beamtinnen und Beamten den Zug. Sie sind befugt, die von der Massnahme betroffene Person aus dem Zug auf den Bahnhof mitzunehmen, um die Massnahme am Bahnhof abzuschliessen. Sofern aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls ausnahmsweise ein Verbleib im Zug notwendig erscheint, kann die Massnahme dort fortgesetzt werden. Die Beamtinnen und Beamten können ermächtigt werden, beim letzten fahrplanmässigen Halt des Reisezugs auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates zuzusteigen, um die Möglichkeit zu erhalten, Massnahmen zum Zweck der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ab der Grenze durchzuführen.
(3)  Für Absatz 1 und 2 gelten die Bestimmungen des Artikels 29 Absatz 3 entsprechend.
(4)  Die Beamtinnen und Beamten sind dabei unter den Voraussetzungen des Artikels 16 Absatz 1 oder zum Zwecke der Verhütung oder Verfolgung einer nach dem nationalen Recht des anderen Vertragsstaates auf dessen Hoheitsgebiet versuchten oder begangenen strafbaren Handlung befugt, eine Person auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates bis zum Eintreffen der Beamtinnen und Beamten des anderen Vertragsstaates, festzuhalten. Artikel 16 Absatz 4 Nummern 3 und 5 gilt entsprechend.
(5)  Die Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend für den Personenschiffsverkehr.
Art. 31 Einsatz von Luft- und Wasserfahrzeugen
(1)  Im Rahmen grenzüberschreitender Einsätze dürfen auch Wasserfahrzeuge sowie nach Abstimmung der zuständigen Polizeibehörden auch bemannte und unbemannte Luftfahrzeuge eingesetzt werden.
(2)  Bei grenzüberschreitenden Einsätzen unterliegen Beamtinnen und Beamte der Polizeibehörden denselben luft- und wasserverkehrsrechtlichen Bestimmungen wie die Beamtinnen und Beamten des Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet der Einsatz fortgesetzt wird. Die Vertragsstaaten unterrichten einander über die jeweils geltende Rechtslage.
Art. 32 Übergabe von Personen
(1)  Die Übergabe von Personen zwischen den Vertragsstaaten kann an der Staatsgrenze oder an geeigneten Örtlichkeiten in Grenznähe oder auf Flughäfen stattfinden, wenn die zuständigen Polizeibehörden jenes Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet die Übergabe stattfinden soll, dieser Übergabe im Einzelfall zustimmen. Die Übergabe hat an Orten stattzufinden, an denen entsprechende Einrichtungen für eine sichere Übergabe bestehen. Die Polizeibehörden der Vertragsstaaten informieren einander über die auf ihrem Hoheitsgebiet gelegenen und zur Übergabe von Personen geeigneten Örtlichkeiten und Einrichtungen.
(2)  Für die Beförderung der Personen von der Staatsgrenze zum Übergabeort auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates oder vom Übergabeort auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates bis zur Staatsgrenze gilt Artikel 34 sinngemäss.
Art. 33 Dokumentenberaterinnen und Dokumentenberater
(1)  Die Vertragsstaaten arbeiten bei der Entsendung von Dokumentenberaterinnen und Dokumentenberatern zusammen.
(2)  Diese Zusammenarbeit umfasst insbesondere:
1. die abgestimmte Entsendung von Dokumentenberaterinnen und Dokumentenberatern in Staaten, die als Ausgangs- oder Transitstaaten illegaler Migration eingestuft werden;
2. die gegenseitige Unterstützung bei den Kontrolltätigkeiten;
3. die regelmässige Information über Erkenntnisse zur illegalen Migration, die aus der Tätigkeit ihrer Dokumentenberaterinnen und Dokumentenberater gewonnen wurden;
4. die gemeinsam vereinbarte unbegrenzte oder zeitlich begrenzte Koordination konkreter Massnahmen durch einen Vertragsstaat;
5. die Betreuung und Nachbereitung von Beratungs- und Schulungsmassnahmen; sowie
6. den regelmässigen Erfahrungsaustausch zum Einsatz von Dokumentenberaterinnen und Dokumentenberatern und gemeinsame Ausbildungsmassnahmen für Dokumentenberaterinnen und Dokumentenberater.
(3)  Die Aufgaben der Dokumentenberaterinnen und Dokumentenberater beinhalten:
1. die Beratung und Schulung der Auslandsvertretungen der Vertragsstaaten in Pass- und Visaangelegenheiten, insbesondere beim Erkennen von gefälschten Dokumenten, Missbrauch von Dokumenten und illegaler Migration;
2. die Beratung und Schulung von Beförderungsunternehmen in Angelegenheiten des Pass-, Grenzkontroll- sowie Fremdenwesens;
3. die Beratung und Schulung der für die grenzpolizeilichen Kontrollen zuständigen Polizeibehörden und Einrichtungen des Gastlandes in Angelegenheiten des Pass-, Grenzkontroll- sowie Fremdenwesens.
Art. 34 Beförderung von Personen
(1)  Hat ein Vertragsstaat aufgrund eines Ersuchens des anderen Vertragsstaates die Beförderung für eine Person, deren Freiheit durch behördliche Massnahmen eingeschränkt oder entzogen wurde, durch, aus oder in sein Hoheitsgebiet nach seinem innerstaatlichen Recht bewilligt, vereinbaren die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten ihre Modalitäten. Verpflichtungen zur Einholung einer Beförderungsbewilligung durch die Justizbehörden der Vertragsstaaten bleiben unberührt.
(2)  Die Beförderung wird grundsätzlich durch die zuständige Behörde des Vertragsstaates erledigt, durch den die Beförderung veranlasst wird. Die begleitenden Beamtinnen und Beamten dürfen auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet die Beförderung durchgeführt wird, in Übereinstimmung mit dessen innerstaatlichem Recht nur die Amtshandlungen vornehmen, die mit der Beförderung der Person zusammenhängen, einschliesslich des Festhaltens der beförderten Person sowie der Eigensicherung. Zu diesem Zweck sind alle erforderlichen Massnahmen zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorzunehmen und ist, falls erforderlich, auch die Anwendung von Zwangsmitteln zulässig. Die begleitenden Beamtinnen und Beamten melden unverzüglich alle Zwischenfälle, zu denen es auf dem Hoheitsgebiet des ersuchten Vertragsstaates kommt, den zuständigen Behörden.
(3)  Der Vertragsstaat, auf dessen Hoheitsgebiet die Beförderung durchgeführt wird, kann abweichend von Absatz 2 die Beförderung auf sein Verlangen entweder selbst oder selbst in Begleitung des ersuchenden Vertragsstaates durchführen.
(4)  Von der beabsichtigten Beförderung ist die zuständige Polizeibehörde des anderen Vertragsstaates rechtzeitig unter Angabe der Zeit, der Beförderungsstrecke und des gewählten Verkehrsmittels sowie der Personalien der zu befördernden Person und der begleitenden Beamtinnen und Beamten zu verständigen.
(5)  Die Beförderung hat auf der geeignetsten Strecke und ohne unnötigen Aufenthalt zu erfolgen.
(6)  Im Falle des Entkommens der beförderten Person sind die begleitenden Beamtinnen und Beamten des ersuchenden Staates verpflichtet, diese sofort zu verfolgen und die Behörde des ersuchten Vertragsstaates sowie, wenn möglich, die nächste erreichbare Polizeidienststelle dieses Vertragsstaates sofort zu informieren. Die durchgeführte Verfolgung endet spätestens ab dem Zeitpunkt, an dem die Verfolgung von den Beamtinnen und Beamten des ersuchten Vertragsstaates übernommen wird. Die Verfolgung ist einzustellen, sobald die Behörde des ersuchten Vertragsstaates dies verlangt. Für die Durchführung der Verfolgung gelten die Bestimmungen des Artikels 16 entsprechend.
(7)  In Fällen, bei denen die Beförderung keine erhöhte Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, ist es bei Einhaltung der allgemeinen Beförderungsbedingungen zulässig, die Beförderung mit dem Zug, auf dem Wasser- oder Luftweg durchzuführen. Bei Beförderungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist das Beförderungsunternehmen im Voraus zu verständigen.
(8)  Die beförderten Personen benötigen weder ein Reisedokument noch ein Visum.
(9)  Beförderungen im Sinne dieses Artikels sind insbesondere:
1. die Durchbeförderung von Zeuginnen und Zeugen zur Vernehmung, zur Gegenüberstellung oder zur Einnahme eines Augenscheins;
2. die Durchbeförderung zur Vollstreckung einer Strafe oder einer sonstigen Sanktion;
3. die Durchbeförderung im Rahmen einer Rückführungsmassnahme auf dem Landweg zu einem auf dem Hoheitsgebiet des ersuchten Vertragsstaates liegenden internationalen Flughafens;
4. Beförderungen von Zeuginnen und Zeugen zur Vernehmung, zur Gegenüberstellung oder zur Einnahme eines Augenscheins aus dem eigenen Hoheitsgebiet in das Hoheitsgebiet des ersuchten Vertragsstaates oder aus dem Hoheitsgebiet des ersuchten Vertragsstaates in das eigene Hoheitsgebiet; sowie
5. Beförderungen zur Vollstreckung einer Strafe oder zur Vollstreckung einer sonstigen Sanktion aus dem eigenen Hoheitsgebiet in das Hoheitsgebiet des ersuchten Vertragsstaates oder aus dem Hoheitsgebiet des ersuchten Vertragsstaates in das eigene Hoheitsgebiet.
Nummer 3 (Luftweg) gilt nicht für die Durchbeförderung im Rahmen einer Rückführungsmassnahme nach Satz 1.
Art. 35 Durchfahrt
Beamtinnen und Beamte der Polizeibehörden im Dienst dürfen das Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates mit den dienstlich zugelassenen Einsatzmitteln durchfahren, um einen Einsatz- oder Arbeitsort im Hoheitsgebiet ihres Vertragsstaates bestmöglich zu erreichen. Über die Durchfahrt mit Warnsignal sind unverzüglich, wenn möglich noch vor dem Grenzübertritt, die zuständigen Polizeibehörden des anderen Vertragsstaates zu unterrichten.
Art. 36 Errichtung und Nutzung von Grenzkontrollstellen bei vorübergehender Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen
(1)  Im Falle der vorübergehenden Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen durch einen oder beide Vertragsstaaten können Grenzkontrollstellen an den Binnengrenzen auch auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates neu errichtet oder bereits bestehende genutzt werden, soweit die zuständigen Polizeibehörden des anderen Vertragsstaates dem zustimmen. Die Beamtinnen und Beamten der Polizeibehörden können dabei ihre Befugnisse, die Durchführung der Grenzkontrollen betreffend, auf dem Gebiet des anderen Staates ausüben.
(2)  Die Zustimmung kann mit Auflagen versehen werden. Der Vertragsstaat, auf dessen Gebiet die Grenzkontrollen durchgeführt werden, kann eigenständig über die Mitwirkung seiner eigenen Polizeibehörden bestimmen.
(3)  Die Massnahme ist auf Verlangen des Vertragsstaates, auf dessen Gebiet die Grenzkontrollen durchgeführt werden, einzustellen.
(4)  Die Einzelheiten können in einer Durchführungsvereinbarung nach Artikel 61 geregelt werden.

Kapitel IV Datenschutz

Art. 37 Zweckbindung und Verwertungsbeschränkung
(1)  Die Verarbeitung der aufgrund dieses Vertrages übermittelten Daten ist nur für den im Vertrag bezeichneten Zweck zulässig, für den die Daten übermittelt worden sind, und zu den durch die übermittelnde Stelle im Einzelfall vorgegebenen Bedingungen.
(2)  Ermittlungsergebnisse, die im Rahmen eines vorab genehmigten Einsatzes im anderen Vertragsstaat gewonnen wurden, dürfen für einen anderen als den genehmigten Zweck nur verwendet werden, wenn die zuständigen Behörden des anderen Vertragsstaats dem zugestimmt haben.
(3)  Die Verwertung von Ermittlungsergebnissen, die im Zuge einer nach diesem Vertrag ohne vorherige Zustimmung durchgeführten Massnahme gewonnen wurden, ist nur in dem Umfang möglich, dem die zuständigen Behörden des anderen Vertragsstaates auf Ersuchen hin zugestimmt haben. Dies gilt auch, wenn diese Massnahme oder der Einsatz nach Absatz 2 auf Verlangen des anderen Vertragsstaates beendet wurde.
(4)  Die Verarbeitung der aufgrund dieses Vertrages übermittelten Daten ist darüber hinaus zulässig:
1. für Zwecke, für die die Daten ebenfalls nach diesem Vertrag übermittelt werden dürften;
2. zur Verhütung und Verfolgung von auslieferungsfähigen Straftaten; sowie
3. zur Abwehr von erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere wenn die Verarbeitung notwendig ist, um das Leben oder die körperliche Unversehrtheit der betroffenen Person oder einer dritten Person zu schützen;
wenn und soweit die Verarbeitung zu diesem Zweck erforderlich und verhältnismässig ist. Dabei sind auch die nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht geltenden Übermittlungsverbote zu beachten.
Art. 38 Zusätzliche Bestimmungen
Zusätzlich zu den jeweils in den Vertragsstaaten geltenden Rechtsvorschriften sind die nachfolgenden Bestimmungen zu beachten:
1. Die Empfängerin oder der Empfänger unterrichtet die übermittelnde Stelle auf Ersuchen über die Verarbeitung der übermittelten Daten und über die dadurch erzielten Ergebnisse.
2. Soweit das für die übermittelnde Stelle geltende innerstaatliche Recht in Bezug auf die übermittelten personenbezogenen Daten besondere Löschungsfristen vorsieht, weist die übermittelnde Stelle die Empfängerin oder den Empfänger darauf hin. Unabhängig von diesen Fristen sind die übermittelten personenbezogenen Daten zu löschen, sobald sie für den Zweck, für den sie übermittelt worden sind, nicht mehr erforderlich sind oder es sich herausstellt, dass sie sich auf unbeteiligte Dritte beziehen.
3. Die übermittelnde und die empfangende Stelle sind verpflichtet, die Übermittlung und den Empfang von personenbezogenen Daten aktenkundig zu machen. Erfolgt die Übermittlung von personenbezogenen Daten aus Dateisystemen, kann die Übermittlung auch in dem Dateisystem, in der die personenbezogenen Daten gespeichert sind, kenntlich gemacht werden.
Art. 39 Datenverarbeitung auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates
(1)  Die Regelungen dieses Kapitels gelten auch für personenbezogene Daten, die durch grenzüberschreitende Tätigkeit auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates erhoben worden sind. Dabei sind die besonderen Bedingungen, die vom ersuchten Vertragsstaat im Zusammenhang mit der grenzüberschreitenden Massnahme gestellt werden, zu beachten.
(2)  Beamtinnen und Beamten, die auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates tätig werden, darf durch diesen Vertragsstaat nur unter Leitung eines seiner Beamtinnen und Beamten der Zugriff auf personenbezogene amtliche Dateisysteme gewährt werden.

Kapitel V Rechtsverhältnisse bei Amtshandlungen im anderen Vertragsstaat

Art. 40 Einreise und Aufenthalt
Beamtinnen und Beamte der Polizeibehörden, die nach diesem Vertrag im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates tätig werden, benötigen einen gültigen, mit einem Lichtbild versehenen Dienstausweis.
Art. 41 Uniformen, dienstlich zugelassene Einsatzmittel und der Gebrauch von Schusswaffen
(1)  Werden Beamtinnen und Beamte der Polizeibehörden nach diesem Vertrag im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates tätig, sind sie befugt, Uniform zu tragen und ihre dienstlich zugelassenen Einsatzmittel mitzuführen insbesondere Waffen und Munition. Dies gilt nicht, wenn der andere Vertragsstaat mitteilt, dass er dies nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zulässt.
(2)  Gleiches gilt für die Teilnahme an Ehrungen oder Präsentationen oder vergleichbaren repräsentativen Anlässen.
(3)  Ein Gebrauch von Schusswaffen durch Beamtinnen und Beamte eines Vertragsstaates auf dem Gebiet des anderen Vertragsstaates ist nur zulässig, wenn:
1. die Beamtinnen und Beamten einer Spezialeinheit angehören, die der entsendende Vertragsstaat für derartige Fälle benannt hat; und
2. die örtlich zuständige Einsatzleitung des Vertragsstaates, auf dessen Gebiet der Einsatz erfolgt, den Schusswaffengebrauch anordnet.
Ansonsten ist der Gebrauch von Schusswaffen durch Beamtinnen und Beamte eines Vertragsstaates auf dem Gebiet des anderen Vertragsstaates nur zulässig im Fall der Notwehr einschliesslich der Notwehrhilfe. Die Zulässigkeit des Gebrauchs der Schusswaffen nach Satz 1 und 2 richtet sich im Übrigen nach dem Recht des Vertragsstaates, auf dessen Hoheitsgebiet er stattfindet.
Art. 42 Fürsorge und Dienstverhältnisse
(1)  Die Vertragsstaaten sind gegenüber den entsandten Beamtinnen und Beamten bei der Ausübung des Dienstes zu gleichem Schutz und Beistand verpflichtet wie gegenüber den eigenen Beamtinnen und Beamten.
(2)  Die Beamtinnen und Beamten des anderen Vertragsstaates bleiben in dienstrechtlicher, insbesondere in disziplinarrechtlicher sowie in haftungsrechtlicher Hinsicht den in ihrem Staat geltenden Vorschriften unterworfen.
Art. 43 Haftung
(1)  Die Vertragsstaaten verzichten wechselseitig auf alle Entschädigungsansprüche wegen des Verlustes oder der Beschädigung von Vermögenswerten, die ihnen oder anderen Verwaltungsorganen gehören, wenn der Schaden von einer Beamtin oder einem Beamten einer Polizeibehörde bei der Erfüllung von Aufgaben im Zusammenhang mit der Durchführung dieses Vertrages verursacht worden ist.
(2)  Die Vertragsstaaten verzichten wechselseitig auf alle Entschädigungsansprüche wegen der Verletzung oder wegen des Todes einer Beamtin oder eines Beamten einer Polizeibehörde, wenn der Schaden bei der Erfüllung von Aufgaben im Zusammenhang mit der Durchführung dieses Vertrages verursacht worden ist. Ersatzansprüche der Beamtin oder des Beamten beziehungsweise ihrer oder seiner Hinterbliebenen bleiben hiervon unberührt.
(3)  Wird durch eine Beamtin oder einen Beamten einer Polizeibehörde des einen Vertragsstaates bei der Erfüllung von Aufgaben im Zusammenhang mit der Durchführung dieses Vertrages auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates einer dritten Person Schaden zugefügt, haftet für den Schaden der Vertragsstaat, auf dessen Hoheitsgebiet der Schaden eingetreten ist, nach Massgabe der Vorschriften, die im Fall eines durch eine oder einen eigenen sachlich und örtlich zuständige Beamtin oder zuständigen Beamten verursachten Schadens Anwendung finden würde.
(4)  Der Vertragsstaat, dessen Beamtinnen und Beamte den Schaden auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates verursacht haben, erstattet diesem anderen Vertragsstaat den Gesamtbetrag des Schadenersatzes, den dieser an die Geschädigten oder ihre Rechtsnachfolger geleistet hat. Eine direkte Haftung der schadensverursachenden Beamtinnen und Beamten eines Vertragsstaates gegenüber dem anderen Vertragsstaat ist ausgeschlossen.
(5)  Die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten arbeiten eng zusammen, um die Erledigung von Schadenersatzansprüchen zu erleichtern. Sie tauschen insbesondere alle ihnen zugänglichen Informationen über Schadensfälle im Sinne dieses Artikels aus.
(6)  Die Absätze 1 und 2 finden keine Anwendung, wenn der Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt worden ist.
Art. 44 Rechtsstellung der Beamtinnen und Beamten im Bereich des Strafrechts
(1)  Die Beamtinnen und Beamten, die nach diesem Vertrag auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates tätig werden, sind in Bezug auf Straftaten, die sie begehen oder die ihnen gegenüber begangen werden, den Beamtinnen und Beamten des anderen Vertragsstaates gleichgestellt.
(2)  Der Vertragsstaat, für den die Beamtinnen und Beamten des anderen Vertragsstaates nach diesem Vertrag und auf dessen Hoheitsgebiet tätig werden, trägt dafür Sorge, dass bei einer gerichtlichen Überprüfung des Handelns der Beamtinnen und Beamten des anderen Vertragsstaates ein Rechtsbeistand gestellt wird. Für die Kosten kommt der Vertragsstaat auf, dessen Beamtinnen und Beamte den Rechtsbeistand in Anspruch nehmen. Dieser Absatz findet keine Anwendung, wenn die Beamtinnen und Beamten vorsätzlich gehandelt haben.

Kapitel VI Zusammenarbeit zur Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften des Strassenverkehrs

Art. 45 Begriffsbestimmungen
(1)  Eine Zuwiderhandlung gegen Vorschriften des Strassenverkehrs im Sinne dieses Kapitels ist eine Verhaltensweise, die als Straftat oder als Verstoss gegen Ordnungsvorschriften des Strassenverkehrs betrachtet wird, einschliesslich der Verstösse gegen Vorschriften über Lenk- und Ruhezeiten und der Vorschriften über die Beförderung gefährlicher Güter.
(2)  Als Geldforderungen gelten:
1. die einer natürlichen oder juristischen Person auferlegte Verpflichtung zur Zahlung eines Geldbetrags wegen einer Zuwiderhandlung nach Absatz 1 (Geldstrafen und Geldbussen);
2. die neben einer Geldstrafe oder Geldbusse nach Nummer 1 auferlegten Verfahrenskosten.
Art. 46 Ermittlungen von Halterinnen und Haltern sowie lenkenden Personen
(1)  Die Ermittlung der Fahrzeughalterin oder des Fahrzeughalters erfolgt nach Massgabe des Artikels 8.
(2)  Die zuständigen Behörden eines Vertragsstaates ermitteln auf Ersuchen der zuständigen Behörden des anderen Vertragsstaates die Identität der fahrzeuglenkenden Person, der eine Zuwiderhandlung gegen Vorschriften des Strassenverkehrs vorgeworfen wird, befragen diese zum Sachverhalt und übermitteln die Erkenntnisse an die ersuchende Behörde.
(3)  Die Ermittlung der Lenkerin oder des Lenkers nach diesem Artikel erfolgt nur, wenn die zu erwartende Geldforderung mindestens 60 Euro in der Bundesrepublik Deutschland oder 70 Schweizer Franken in der Schweizerischen Eidgenossenschaft beträgt und Massnahmen des ersuchenden Vertragsstaates zur Ermittlung der fahrzeuglenkenden Person ergebnislos verlaufen sind.
Art. 47 Übersendung und Inhalt amtlicher Schriftstücke
(1)  Amtliche Schriftstücke im Sinne dieses Kapitels dürfen von den zuständigen Behörden direkt an die Zustellungsempfängerin oder den Zustellungsempfänger übermittelt werden; Artikel 12 Absatz 2 findet Anwendung.
(2)  Amtliche Schriftstücke, die zugestellt werden und aufgrund derer einer betroffenen natürlichen oder juristischen Person die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt wird, müssen insbesondere folgende Informationen enthalten:
1. Art, Ort, Datum und Zeitpunkt der Zuwiderhandlung sowie die Art ihrer Feststellung (Beweismittel);
2. Kennzeichen und – wenn möglich – Typ, Marke und Modell des Motorfahrzeugs, mit dem die Zuwiderhandlung begangen wurde oder in Ermangelung dieser Informationen, jede andere Information, die zur Identifizierung des Fahrzeugs beitragen könnte;
3. Höhe der Geldforderung, die verhängt werden kann oder die tatsächlich verhängte Geldforderung unter Angabe der Zahlungsfrist und der Zahlungsmodalitäten;
4. die Möglichkeit, zur Entlastung dienende Umstände anzugeben, die Frist, innerhalb derer diese Umstände mitgeteilt werden müssen sowie die Modalitäten dieser Mitteilung;
5. die Rechtsmittel, die gegen die Entscheidungen eingelegt werden können, die Frist, innerhalb derer diese eingelegt werden müssen, die einschlägigen Modalitäten und nähere Angaben zu der Behörde, bei der diese Rechtsmittel eingelegt werden müssen.
(3)  Die amtlichen Schriftstücke können nur dann durch Vermittlung der zuständigen Behörden des ersuchten Vertragsstaates übersandt werden, wenn:
1. die Anschrift der Empfängerin oder des Empfängers unbekannt oder nicht genau bekannt ist;
2. nach den Verfahrensvorschriften des ersuchenden Vertragsstaates eine postalische Zustellung der Urkunde an die Empfängerin oder den Empfänger nicht ausreicht, sondern eine abweichende Zustellungsform verlangt wird;
3. eine Zustellung auf dem Postweg nicht möglich war; oder
4. der ersuchende Vertragsstaat berechtigte Gründe für die Annahme hat, dass der Postweg nicht zum Ziel führen wird oder ungeeignet ist.
Art. 48 Voraussetzungen des Vollstreckungshilfeersuchens
(1)  Auf Ersuchen leisten die Vertragsstaaten einander Vollstreckungshilfe bei Entscheidungen, mit denen das zuständige Gericht oder die zuständige Behörde eines Vertragsstaates eine Zuwiderhandlung gegen Strassenverkehrsvorschriften feststellt und deswegen gegen eine natürliche oder eine juristische Person eine Sanktion verhängt. Folgende Voraussetzungen müssen dabei erfüllt sein:
1. Die verhängte Geldforderung beträgt mindestens 70 Euro oder 80 Schweizer Franken;
2. der betroffenen Person wurde rechtliches Gehör gewährt;
3. gegen die Entscheidung konnten Rechtsmittel eingelegt werden;
4. das Ersuchen beschränkt sich auf die Vollstreckung eines Geldbetrages;
5. die Entscheidung ist nach dem geltenden Recht des ersuchenden Vertragsstaates vollstreckbar und nicht verjährt;
6. die betroffene natürliche Person hat im Hoheitsgebiet des ersuchten Vertragsstaates ihren Wohnsitz oder Aufenthalt; für juristische Personen ist auf den Sitz abzustellen;
7. die Geldforderung wurde nicht bereits gezahlt oder beigetrieben. Im Falle einer Zahlung im ersuchenden Vertragsstaat nach Übermittlung des Vollstreckungshilfeersuchens veranlasst dieser unverzüglich die Rücknahme des Ersuchens.
(2)  Als Folge eines Ersuchens um Vollstreckungshilfe kann der ersuchende Vertragsstaat das Vollstreckungsverfahren erst wiederaufnehmen, wenn der ersuchte Vertragsstaat ihm mitgeteilt hat, dass das Ersuchen abgelehnt worden oder es ihm nicht möglich ist, die Vollstreckung vorzunehmen, oder das Ersuchen zurückgenommen wurde.
(3)  Die für die Vollstreckung zuständigen Behörden der Vertragsstaaten übermitteln einander Ersuchen und alle sich daraus ergebenden Mitteilungen direkt. Dies gilt auch, wenn es sich um die Entscheidung eines Gerichts handelt. Dem Ersuchen werden eine Kopie der Entscheidung sowie eine Erklärung der ersuchenden Behörde beigelegt, die bestätigt, dass die Voraussetzungen nach Absatz 1 Nummern 1 bis 7 erfüllt sind. Der ersuchende Vertragsstaat kann weitere Mitteilungen beilegen, die im Hinblick auf die Übernahme der Vollstreckung dienlich sind, insbesondere Informationen zu besonderen Umständen der Zuwiderhandlung, wie die Begehungsart, die bei der Festsetzung der Geldforderung berücksichtigt wurde sowie den Wortlaut der angewandten Rechtsvorschriften.
(4)  Vollstreckungshilfe wird nicht gewährt bei:
1. einer Entscheidung, die eine Freiheitsstrafe als Hauptstrafe vorsieht;
2. Zuwiderhandlungen gegen Strassenverkehrsvorschriften, die mit Straftaten zusammentreffen, die sich nicht nur auf den Bereich des Strassenverkehrs beziehen, es sei denn, die Zuwiderhandlungen gegen die Strassenverkehrsvorschriften werden gesondert oder ausschliesslich verfolgt.
Art. 49 Ablehnungsgründe, Mitteilungspflicht, Umfang und Beendigung der Vollstreckung
(1)  Die Erledigung des Ersuchens um Vollstreckung kann verweigert werden, wenn:
1. die der Entscheidung zugrundeliegende Zuwiderhandlung nach dem nationalen Recht des ersuchten Vertragsstaates nicht geahndet werden kann;
2. die Erledigung des Ersuchens gegen den Grundsatz «ne bis in idem» verstösst;
3. das Recht des ersuchten Vertragsstaates eine Immunität vorsieht, welche die Vollstreckung unmöglich macht;
4. Vollstreckungsverjährung nach dem Recht des ersuchten Vertragsstaates eingetreten ist;
5. die betroffene Person in dem Verfahren im ersuchenden Vertragsstaat keine Gelegenheit hatte einzuwenden, für die der Entscheidung zugrundeliegende Handlung nicht verantwortlich zu sein, und sie dies im Vollstreckungshilfeverfahren gegenüber der zuständigen Behörde geltend macht;
6. die zugrundeliegende Entscheidung in einem schriftlichen Verfahren ergangen ist und die betroffene Person beziehungsweise eine oder ein nach dem Recht des ersuchenden Vertragsstaates befugte Vertreterin oder befugter Vertreter nicht über das Recht zur Anfechtung und über die Fristen gemäss dem Recht des ersuchenden Vertragsstaates belehrt worden ist;
7. oder eine Entscheidung eine natürliche Person betrifft, die nach dem nationalen Recht des ersuchten Vertragsstaates aufgrund ihres Alters zur Zeit der Tat, die der Entscheidung zugrunde liegt, strafrechtlich nicht belangt werden könnte.
(2)  Wird einem Ersuchen nicht entsprochen, muss der ersuchende Vertragsstaat unterrichtet werden. Dabei sind die Gründe der Ablehnung anzugeben.
(3)  Steht der Zusammenarbeit ein behebbares Hindernis entgegen, ist dem ersuchenden Vertragsstaat Gelegenheit zu geben, sein Ersuchen zu ergänzen.
(4)  Bereits vollstreckte Teile einer Geldforderung sind nicht zu vollstrecken; solche Teile sind bei Übermittlung des Ersuchens der Höhe nach anzugeben. Der ersuchte Vertragsstaat beendet die Vollstreckung, sobald er von dem ersuchenden Vertragsstaat von Umständen in Kenntnis gesetzt wurde, aufgrund derer die Vollstreckbarkeit gehemmt wird oder erlischt. Der ersuchende Vertragsstaat unterrichtet den ersuchten Vertragsstaat unverzüglich über den Eintritt solcher Umstände. Der voraussichtliche Eintritt der Vollstreckungsverjährung soll dem ersuchten Vertragsstaat bei Übermittlung des Ersuchens bereits mitgeteilt werden.
Art. 50 Vollstreckung und Umrechnung
(1)  Entscheidungen werden von den zuständigen Behörden des ersuchten Vertragsstaates nach Massgabe dessen innerstaatlichen Rechts und in dessen Währung vollstreckt. Für die Umrechnung massgebend ist der zum Zeitpunkt der Entscheidung geltende amtliche Devisenkurs. Stellt sich bei der Umrechnung heraus, dass die verhängte Geldstrafe oder Geldbusse das Höchstmass der nach dem Recht des ersuchten Vertragsstaates für eine Zuwiderhandlung derselben Art gegen Strassenverkehrsvorschriften angedrohten Geldstrafe oder Geldbusse überschreitet, wird die Vollstreckung der Geldstrafe oder Geldbusse auf dieses Höchstmass beschränkt.
(2)  Die Vollstreckung einer Entscheidung richtet sich nach dem Recht des ersuchten Vertragsstaates, wobei die Umwandlung der Geldforderung in eine Ersatzfreiheitsstrafe vom ersuchenden Vertragsstaat ausgeschlossen werden kann.
Art. 51 Ertrag der Vollstreckung und Kosten
Die Kosten von Massnahmen nach diesem Kapitel werden dem ersuchenden Vertragsstaat nicht in Rechnung gestellt. Der Erlös aus der Vollstreckung der Geldforderung verbleibt im ersuchten Vertragsstaat.
Art. 52 Zuständige Stellen
Die Vertragsstaaten benennen bei Hinterlegung der Ratifikationsurkunden die für die Umsetzung dieses Kapitels zuständigen Stellen. Diese Benennungen können jederzeit im diplomatischen Wege abgeändert werden.
Art. 53 Stichtagsregelung
Die Vorschriften von Kapitel VI finden Anwendung auf Geldforderungen wegen Zuwiderhandlungen, die ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vertrages begangen wurden.
Art. 54 Durchführungsvereinbarung für verwaltungsmässige und technische Zusammenarbeit
Die verwaltungsmässige und technische Zusammenarbeit kann in einer Durchführungsvereinbarung nach Massgabe des Artikels 61 geregelt werden. In einer solchen Vereinbarung zur Zusammenarbeit nach Kapitel VI des Vertrages können auch die Nutzung von Formularen sowie die Eröffnung und die notwendigen Modalitäten des elektronischen Rechtsverkehrs vorgesehen werden.
Art. 55 Konsultation zu Kapitel VI
Die Vertragsstaaten tauschen sich in regelmässigen Abständen oder anlassbezogen über das Kapitel VI und dessen praktische Anwendung und Wirkweise aus.

Kapitel VII Durchführungs- und Schlussbestimmungen

Art. 56 Ausnahmeregelung
Ist ein Vertragsstaat der Ansicht, dass die Erfüllung eines Ersuchens oder die Durchführung einer Kooperationsmassnahme geeignet ist, die eigenen Hoheitsrechte zu beeinträchtigen oder die eigene Sicherheit oder andere wesentliche Interessen zu gefährden, teilt er dem anderen Vertragsstaat mit, dass er die Zusammenarbeit insoweit ganz oder teilweise verweigern oder von bestimmten Bedingungen abhängig machen müsse. Unabhängig davon ist ein Einsatz einzustellen, sobald der Vertragsstaat, auf dessen Hoheitsgebiet der Einsatz erfolgt, dies verlangt.
Art. 57 Anwendung und Fortentwicklung des Vertrages
Jeder Vertragsstaat kann die Zusammenkunft von Expertinnen und Experten beider Staaten verlangen, um Fragen im Zusammenhang mit der Anwendung dieses Vertrages einer Lösung zuzuführen und Vorschläge zur Fortentwicklung der Zusammenarbeit zu unterbreiten.
Art. 58 Einbeziehung der Zollbehörden
(1)  Wo das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit oder die Deutsche Zollverwaltung Ermittlungen bei der Verfolgung von Verstössen gegen Vorschriften des grenzüberschreitenden Warenverkehrs führen, gelten die Vorschriften der:
– Artikel 4 (Zusammenarbeit auf Ersuchen);
– Artikel 8 (Austausch von Fahrzeugdaten sowie Daten von Halterinnen und Haltern);
– Artikel 10 (Polizeiliche Hilfe bei Gefahr im Verzug);
– Artikel 11 (Informationsübermittlung ohne Ersuchen);
– Artikel 14 (Observation zur Strafverfolgung oder Strafvollstreckung);
– Artikel 15 (Observation zur Verhinderung von Straftaten);
– Artikel 16 (Nacheile);
– Artikel 17 (Verdeckte Ermittlungen zur Aufklärung von Straftaten);
– Artikel 19 (Kontrollierte Lieferung);
– Artikel 21 (Gemeinsame Einsatzformen);
– Artikel 22 (Austausch von Beamtinnen und Beamten ohne Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse);
– Artikel 23 (Austausch von Beamtinnen und Beamten mit Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse);
– Artikel 25 (Grenzüberschreitende Fahndungsaktionen);
– Artikel 26 (Zusammenarbeit in Gemeinsamen Zentren und Verbindungsbüros);
– Artikel 27 (Zusammenarbeit in gemeinsam besetzten operativen Dienststellen); und
– Artikel 32 (Übergabe von Personen);
sowie die Bestimmungen der Kapitel IV und V entsprechend.
Andere Vorschriften, die die internationale Amts- oder Rechtshilfe regeln, bleiben unberührt.
(2)  Soweit die zuständigen Beamtinnen und Beamten der Zollbehörden der Deutschen Zollverwaltung grenzpolizeiliche Aufgaben wahrnehmen, gelten die Vorschriften der:
– Artikel 4 (Zusammenarbeit auf Ersuchen);
– Artikel 8 (Austausch von Fahrzeugdaten sowie Daten von Halterinnen und Haltern);
– Artikel 10 (Polizeiliche Hilfe bei Gefahr im Verzug);
– Artikel 11 (Informationsübermittlung ohne Ersuchen);
– Artikel 16 (Nacheile);
– Artikel 21 (Gemeinsame Einsatzformen); und
– Artikel 25 Absatz 2 (Grenzüberschreitende Fahndungsaktionen);
sowie die Bestimmungen der Kapitel IV und V entsprechend.
Gleiches gilt, soweit die zuständigen Beamtinnen und Beamten der Zollverwaltung der Bundesrepublik Deutschland Aufgaben im Zusammenhang mit Verstössen gegen Verbote und Beschränkungen des grenzüberschreitenden Warenverkehrs sowie Geldwäsche⁷ wahrnehmen. Die Verbote und Beschränkungen betreffen insbesondere die Bereiche des unerlaubten Verkehrs mit Betäubungsmitteln, Arznei- und Dopingmitteln sowie Wirkstoffen, Waffen, Sprengstoffen, Abfällen, radioaktiven und nuklearen Materialien, Waren und Technologien von strategischer Bedeutung und anderen Rüstungsgütern sowie mit pornographischen Erzeugnissen. Zuständige Beamtinnen und Beamte sind die als Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft bestellten Beamtinnen und Beamten der Zollverwaltung.
(3)  Hinsichtlich der Aus- und Fortbildung gilt für die Deutsche Zollverwaltung und das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit Artikel 13 entsprechend.
(4)  Artikel 6 gilt mit der Massgabe, dass nationale Zentralstellen im Sinne dieses Vertrages für den Bereich der Zollzusammenarbeit in der Bundesrepublik Deutschland das Zollkriminalamt und in der Schweizerischen Eidgenossenschaft das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit ist.
(5)  Zuständige Stellen im Sinne des Artikel 12 können auch solche der Deutschen Zollverwaltung und des Bundesamtes für Zoll und Grenzsicherheit sein.
⁷ Schweiz: Geldwäscherei.
Art. 59 Kosten
Jeder Vertragsstaat trägt die seinen Behörden aus der Anwendung dieses Vertrages entstehenden Kosten selbst, soweit diese Kosten nicht aufgrund von Massnahmen nach Artikel 28 entstehen. In diesem Fall finden die Vorschriften des Abkommens vom 28. November 1984⁸ zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen direkt oder sinngemäss Anwendung.
⁸ SR 0.131.313.6
Art. 60 Verkehrssprache
Der Verkehr zwischen den Behörden der Vertragsstaaten nach diesem Vertrag wird in deutscher Sprache geführt. Die Behörden der französisch- und italienischsprachigen Kantone der Schweizerischen Eidgenossenschaft können Ersuchen auch in französischer oder italienischer Sprache beantworten.
Art. 61 Durchführungsvereinbarungen
Die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten können auf der Grundlage und im Rahmen dieses Vertrages Vereinbarungen treffen, welche die verwaltungsmässige und technische Durchführung sowie die Weiterentwicklung der Zusammenarbeit insbesondere im Grenzgebiet regelt. Dies gilt auch für die Zusammenarbeit der Zollbehörden insofern der Vertrag nach Artikel 58 anwendbar ist.
Art. 62 Verhältnis zu anderen Regelungen
(1)  Durch diesen Vertrag werden die Vorschriften über die Amts- und Rechtshilfe und sonstige in zweiseitigen oder mehrseitigen Übereinkünften enthaltenen Verpflichtungen der Vertragsstaaten ergänzt.
(2)  Die Regelungen des Vertrages vom 23. November 1964⁹ zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über die Einbeziehung der Gemeinde Büsingen am Hochrhein in das schweizerische Zollgebiet in der Fassung des Abkommens zur Änderung des Vertrages vom 19. März 1997 (Büsingen-Vertrag) bleiben grundsätzlich unberührt. Die sich aus dem Büsingen-Vertrag ergebenden Einschränkungen gelten nicht für Massnahmen nach dem vorliegenden Vertrag.
(3)  Die Zusammenarbeit nach diesem Abkommen erfolgt auf der Grundlage des jeweils geltenden innerstaatlichen Rechts der Parteien sowie nach Massgabe der Regeln und Vorschriften des internationalen Rechts, insbesondere im Bereich der internationalen Polizeizusammenarbeit zwischen den zuständigen Polizeibehörden und den verantwortlichen Stellen.
(4)  Dieser Vertrag lässt internationale Verpflichtungen der Vertragsstaaten unberührt, insbesondere die Regelung des Schengen- und Dublin-Besitzstandes und deren Weiterentwicklungen, soweit diese für die Vertragsstaaten anwendbar sind.
⁹ SR 0.631.112.136
Art. 63 Änderungen von Behördenbezeichnungen und Gebietskörperschaften
(1)  Die Vertragsstaaten zeigen einander Änderungen in der Bezeichnung der in diesem Vertrag genannten Behörden und Gebietskörperschaften durch Verbalnote an.
(2)  Die Vertragsstaaten können durch Notenwechsel Änderungen der Grenzgebiete nach Artikel 5 vereinbaren.
(3)  Verbalnoten nach Absatz 1 und Notenwechsel nach Absatz 2 werden in den Vertragsstaaten amtlich veröffentlicht.
Art. 64 Inkraftsetzung, Kündigung
(1)  Dieser Vertrag bedarf der Ratifikation. Die Ratifikationsurkunden werden so bald wie möglich ausgetauscht. Der Vertrag tritt am ersten Tag des zweiten Monats nach Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft.
(2)  Dieser Vertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen. Er kann von jedem Vertragsstaat auf diplomatischem Wege schriftlich gekündigt werden, er tritt sechs Monate nach Erhalt der Kündigung ausser Kraft.
(3)  Die Registrierung des Vertrags beim Generalsekretariat der Vereinten Nationen nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen¹⁰ wird von deutscher Seite wahrgenommen.
(4)  Mit Inkrafttreten dieses Vertrages tritt der Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über die grenzüberschreitende polizeiliche und justitielle Zusammenarbeit vom 27. April 1999¹¹ ausser Kraft.
Geschehen zu Berlin am 5. April 2022 in zwei Urschriften, beide in deutscher Sprache.

Für die
Schweizerische Eidgenossenschaft:

Karin Keller-Sutter

Für die
Bundesrepublik Deutschland:

Nancy Faeser

Günter Sautter

¹⁰ SR 0.120
¹¹ [ AS 2003 1026 ]
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