Gesetz über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (109)
CH - BL

Gesetz über die Rechte von Menschen mit Behinderungen

Gesetz über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Behindertenrechtegesetz BL, BRG BL) Vom 26. Januar 2023 (Stand 1. Januar 2024) Der Landrat des Kantons Basel-Landschaft, gestützt auf § 63 Abs. 1 der Verfassung des Kantons Basel-Landschaft vom
17. Mai 1984
1 ) und Art. 8 Abs. 2 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
2 ) , beschliesst:
3 )
1 Allgemeine Bestimmungen

§ 1 Zweck

1 Dieses Gesetz hat zum Zweck, die Rechte von Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen zu verwirklichen und ihnen dadurch ein selbstbe - stimmtes und selbstverantwortetes Leben zu ermöglichen.
2 Es schützt Menschen mit Behinderungen insbesondere davor, in der Aus - übung ihrer Grund- und Menschenrechte, wie sie im Völkerrecht, in der Bun - desverfassung und in der Kantonsverfassung verankert sind, aufgrund ihrer Behinderung benachteiligt zu werden.

§ 2 Gegenstand

1 Dieses Gesetz enthält die grundlegenden Bestimmungen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und des Verfahrens zu deren Durchsetzung sowie Bestimmungen zur Umsetzung.
2 Es wird von der übrigen kantonalen Gesetzgebung für die jeweiligen Lebens - bereiche mit spezifischen Bestimmungen ergänzt und konkretisiert. Diese sind im Sinne des vorliegenden Gesetzes auszulegen.
1) SGS 100
2) SR 101
3) Vom Landrat mit 4/5-Mehr beschlossen. Beschluss des Landrats gemäss --> § 59 Landratsgesetz (SGS 131) publiziert mit der --> Amtsblattmeldung vom 6. März 2023 . Referendumsfrist unbenützt abgelaufen am 2. Mai 2023. Beschluss des Landrats gemäss --> § 63 GpR (SGS 120) mit Verfügung der Landeskanzlei vom 3. Mai 2023 (publiziert mit der -- > Amtsblattmeldung vom 4. Mai 2023 ) für rechtskräftig erklärt. * Änderungstabellen am Schluss des Erlasses GS 2023.088
3 Die Bestimmungen der Abschnitte 2 und 3 dieses Gesetzes finden dann un - mittelbar Anwendung, wenn die übrige kantonale Gesetzgebung einen weniger weitgehenden Schutz von Menschen mit Behinderungen gewährleistet.
4 Die Gemeinden konkretisieren die Umsetzung dieses Gesetzes für ihren Au - tonomiebereich in einem Reglement.

§ 3 Begriffe

1 Zu den «Menschen mit Behinderungen» im Sinne dieses Gesetzes zählen Menschen, die langfristige körperliche, geistige, psychische oder Sinnesbeein - trächtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrie - ren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesell - schaft hindern können.
2 Eine «Benachteiligung» bedeutet eine rechtliche oder tatsächliche Ungleich - behandlung eines Menschen aufgrund einer Behinderung oder die Unterlas - sung einer solchen, welche zu seiner Schlechterstellung führt.
3 Eine Benachteiligung kann auch darin liegen, dass die zur ihrer Verhinde - rung, Beseitigung oder Verringerung erforderlichen angemessenen Massnah - men nicht getroffen werden.
2 Materielle Grundsätze

§ 4 Benachteiligungsverbot

1 Der Kanton, die Gemeinden, die Träger staatlicher Aufgaben und die Anbieter öffentlich zugänglicher Leistungen dürfen Menschen aufgrund ihrer Behinde - rung oder aufgrund der Behinderung einer Person, zu der sie in einem Nähe - verhältnis stehen, nicht benachteiligen.
2 Sie treffen angemessene Massnahmen, um Benachteiligungen von Men - schen mit Behinderungen zu verhindern, zu beseitigen oder zu verringern.
3 Sie berücksichtigen die besonderen Risiken der Benachteiligung, denen Kin - der, ältere Menschen und jene Menschen mit Behinderungen ausgesetzt sind, die einer weiteren, von § 7 Abs. 2 der Verfassung des Kantons Basel-Land - schaft
4 ) besonders geschützten Gruppe zugehören.

§ 5 Fördermassnahmen

1 Kanton und Gemeinden fördern die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen, insbesondere in der Arbeit, der Bildung, der Kultur, dem Wohnen, bei der Kommunikation, der Mobilität, der Gesundheit und der Freizeit.
4) SGS 100 * Änderungstabellen am Schluss des Erlasses GS 2023.088
2 Fördermassnahmen zugunsten von Menschen mit Behinderungen sind so auszugestalten, dass diesen eine möglichst selbstbestimmte und selbstverant - wortete Lebensführung ermöglicht wird.
3 Menschen mit Behinderungen sind an der Ausgestaltung von Fördermass - nahmen zu beteiligen.

§ 6 Zugänglichkeit und Kommunikation

1 Der Kanton, die Gemeinden, die Träger öffentlicher Aufgaben und die Anbie - ter öffentlich zugänglicher Leistungen treffen angemessene Massnahmen, um ihre Leistungen für Menschen mit Behinderungen zugänglich zu machen und damit deren Benachteiligung zu verhindern, zu beseitigen oder zu verringern. Sie berücksichtigen dabei die Kultur der Gehörlosen.
2 Sie kommunizieren mit Menschen mit Behinderungen in einer für diese ver - ständlichen Art und Weise.
3 Auf Verlangen von Menschen mit Behinderungen stellt der Kanton für seine Leistungen die im konkreten Fall notwendigen Hilfestellungen, wie etwa Über - setzung in Gebärdensprache, Unterlagen in leichter Sprache oder mündliche Erklärungen, zur Verfügung.
4 Der Kanton publiziert und kommuniziert digitale Informationen und Dienstleis - tungen für Menschen mit einer Hör- bzw. Sehbehinderung sowie mit kognitiven bzw. motorischen Behinderungen in der Regel barrierefrei.
5 Der Regierungsrat regelt die Standards.

§ 7 Verhältnismässigkeit

1 Öffentliche und private Interessen, welche den in diesem Gesetz sowie in der Spezialgesetzgebung verankerten Rechten entgegenstehen, können deren Einschränkung so weit rechtfertigen, als sie die Interessen an der tatsächlichen Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen überwiegen.
2 Bei der Beurteilung der Verhältnismässigkeit einer Einschränkung nach Abs. 1 sind insbesondere die folgenden öffentlichen Interessen zu berücksichti - gen:
a. der Umweltschutz;
b. der Natur-, Heimat- und Denkmalschutz;
c. die Verkehrs- und Betriebssicherheit.
3 Auf Seiten des Kantons, der Gemeinden, der Träger öffentlicher Aufgaben und der Anbieter öffentlich zugänglicher Leistungen sind insbesondere die fol - genden Interessen zu berücksichtigen:
a. der wirtschaftliche Aufwand, insbesondere die finanzielle Belastung und Zumutbarkeit;
b. der Aufwand für zusätzliche betriebliche Abläufe;
c. die Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit. * Änderungstabellen am Schluss des Erlasses GS 2023.088
4 Auf Seiten der Menschen mit Behinderungen sind insbesondere die folgen - den Interessen zu berücksichtigen:
a. die Art und die Bedeutung des in Frage stehenden Anspruchs;
b. die Schwere bzw. Dauer ihrer Betroffenheit;
c. die Verfügbarkeit vergleichbarer Ausweichmöglichkeiten;
d. die Anzahl der potenziell betroffenen Menschen mit Behinderungen.
3 Rechtsansprüche und Verfahren

§ 8 Rechtsansprüche

1 Wer von einer Benachteiligung durch den Kanton, die Gemeinden, die Träger öffentlicher Aufgaben oder die Anbieter öffentlich zugänglicher Leistungen betroffen ist oder eine Organisation nach § 10 darstellt, kann dem Gericht oder der Verwaltungsbehörde beantragen:
a. eine drohende Benachteiligung zu unterlassen;
b. eine bestehende Benachteiligung zu beseitigen oder zu verringern;
c. eine Benachteiligung festzustellen.
2 Gegen private Anbieter öffentlich zugänglicher Leistungen besteht der An - spruch nur, soweit das Recht ihnen eine Verpflichtung auferlegt.
3 Ist der Anspruch mit verhältnismässigen Massnahmen nicht umsetzbar, wer - den angemessene Ersatzmassnahmen angeordnet. Sind keine solche möglich, wird die Benachteiligung festgestellt.

§ 9 Beweislast

1 In Verfahren nach kantonalem Recht wird eine Benachteiligung vermutet, wenn sie von einer Partei glaubhaft gemacht wird.

§ 10 Klage- und Beschwerderecht von Behindertenorganisationen

1 Organisationen mit Schwerpunkt im Bereich der Behindertenselbsthilfe, die eine ideelle Zielsetzung verfolgen und seit mindestens 5 Jahren in der Schweiz tätig sind, können die Rechtsansprüche nach diesem Gesetz und den behin - dertenrechtlichen Bestimmungen der übrigen kantonalen Gesetzgebung selb - ständig geltend machen, sofern die geltend gemachte Benachteiligung schwer wiegt.
2 Der Regierungsrat bezeichnet die klage- und beschwerdeberechtigten Orga - nisationen. * Änderungstabellen am Schluss des Erlasses GS 2023.088

§ 11 Rechtsweg

1 Der Rechtsweg richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen über die Rechtspflege beziehungsweise nach den anwendbaren besonderen Verfah - rensbestimmungen.
4 Umsetzung

§ 12 Schwerpunkte

1 Der Regierungsrat legt periodisch die Schwerpunkte des Kantons zur Ver - wirklichung der Rechte von Menschen mit Behinderungen fest.

§ 13 Anlaufstelle

1 Der Kanton führt eine Anlaufstelle für die Rechte von Menschen mit Behinde - rungen. Er kann sie auf der Grundlage eines Staatsvertrags gemeinsam mit anderen Kantonen führen.
2 Der Regierungsrat bestimmt die administrative Zuordnung der Anlaufstelle. Er weist sie keiner Verwaltungseinheit zu, die selber schwergewichtig und unmit - telbar Aufgaben mit engem Bezug zu Menschen mit Behinderungen wahr - nimmt.
3 Der Regierungsrat ernennt die Leiterin oder den Leiter der Anlaufstelle.

§ 14 Aufgaben der Anlaufstelle

1 Die Anlaufstelle für die Rechte von Menschen mit Behinderungen hat folgen - de Aufgaben:
a. Sie ist die Kontaktstelle in der kantonalen Verwaltung für Anliegen zur Be - hindertengleichstellung.
b. Sie überwacht und koordiniert die Umsetzung dieses Gesetzes und der übrigen behindertenrechtlichen Bestimmungen von Bund und Kanton und berät die dafür zuständigen Stellen der kantonalen Verwaltung.
c. Sie pflegt den Austausch mit anderen Gemeinwesen sowie mit Menschen mit Behinderungen und ihren Organisationen über Angelegenheiten der Rechte von Menschen mit Behinderungen.
d. Sie bereitet in Zusammenarbeit mit den zuständigen Verwaltungseinhei - ten die Schwerpunkte des Kantons zur Verwirklichung der Rechte von Menschen mit Behinderungen zuhanden des Regierungsrats vor. Diese werden in der Langfristplanung und dem Aufgaben- und Finanzplan ab - gebildet.
e. Sie fördert in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft das Bewusstsein für die Rechte von Menschen mit Behinderungen. * Änderungstabellen am Schluss des Erlasses GS 2023.088
f. Sie erstattet dem Regierungsrat periodisch Bericht über ihre Tätigkeit und unterbreitet ihm ihre Empfehlungen. Der Bericht wird veröffentlicht.

§ 15 Einbezug der Anlaufstelle durch den Kanton

1 Die Dienststellen der kantonalen Verwaltung orientieren die Anlaufstelle früh - zeitig über Projekte der Rechtsetzung und weitere Verwaltungshandlungen von erheblicher Bedeutung für die Rechte von Menschen mit Behinderungen.
2 Die Anlaufstelle kann zu diesen Aufgaben Empfehlungen abgeben.
3 Sie ist Vernehmlassungsadressatin in den Rechtsetzungsverfahren des Kantons.

§ 16 Einbezug der Anlaufstelle durch die Gemeinden

1 Die Gemeinden orientieren die Anlaufstelle frühzeitig über Projekte der Rechtsetzung und weitere Verwaltungshandlungen von erheblicher Bedeutung für die Rechte von Menschen mit Behinderungen.
2 Die Anlaufstelle kann auf Nachfrage Empfehlungen zu diesen abgeben. Wei - terführende Beratungen sind kostenpflichtig. * Änderungstabellen am Schluss des Erlasses GS 2023.088
Änderungstabelle - Nach Beschluss Beschluss Inkraft seit Element Wirkung Publiziert mit
26.01.2023 01.01.2024 Erlass Erstfassung GS 2023.088 * Änderungstabellen am Schluss des Erlasses GS 2023.088
Änderungstabelle - Nach Artikel Element Beschluss Inkraft seit Wirkung Publiziert mit Erlass 26.01.2023 01.01.2024 Erstfassung GS 2023.088 * Änderungstabellen am Schluss des Erlasses GS 2023.088
1/1 Erlasstitel Gesetz über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Be- hindertenrechtegesetz BL, BRG BL ) SGS -Nr. 109 GS -Nr. 2023.088 Erlassdatum 26.01.2023 (202 2/461 , Kantonale Verfassungsinitiative «Für eine kan- tonale Behindertengleichstellung»; Gegenvorschlag für ein Gesetz des Kantons Basel -Landschaft über die Rechte von Menschen mit Be- hinderungen (Behindertenrechtegesetz BL, BRG BL) ) In Kraft seit 01.01.2024 > Startseite Gesetzessammlungen des Kantons Basel -Landschaft Hinweise : - Die Links in der Spalte «Datum» führen zum jeweiligen Landratsprotokoll der 2. Le- sung. - Die Links unter «GS -Nr.» und «In Kraft seit» führen zu den entsprechenden Doku- menten in der chronologischen und in der systematischen Gesetzessammlung. - Die Links unter «Dazugehörige Landratsvorlage/Bemerkungen» führen zu den Land- ratsvorlagen (mit der Übersicht zu den Doku menten und Beschlüssen) und allfälligen weiteren Informationen (z. B. Abstimmungsresultate). - Weitere Informationen zum Landrat finden sich unter «Landrat / Parlament ». Weitere Informationen zu den Gesetzessammlungen finden sich unter «Gesetzes- sammlung». Änderungen / Ergänzungen / Aufhebungen (chronologisch absteigend) Datum GS -Nr. In Kraft seit Dazugehörige Landratsvorlage/ Bemerkungen
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