Bundesgesetz über den Schutz der Kulturgüter bei bewaffneten Konflikten, bei Katastrophen und in Notlagen (KGSG)
(KGSG) vom 20. Juni 2014 (Stand am 1. Januar 2016)
Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,
gestützt auf Artikel 61 Absätze 1 und 2 der Bundesverfassung¹, in Ausführung des Haager Abkommens vom 14. Mai 1954² für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten (Abkommen), der Ausführungsbestimmungen vom 14. Mai 1954³ des Haager Abkommens für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten (Haager Ausführungsbestimmungen), des Haager Protokolls vom 14. Mai 1954⁴ über den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten (Erstes Protokoll) und des Zweiten Protokolls vom 26. März 1999⁵ zum Haager Abkommen von 1954 für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten (Zweites Protokoll), nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 13. November 2013⁶,
beschliesst:
¹ SR 101 ² SR 0.520.3 ³ SR 0.520.31 ⁴ SR 0.520.32 ⁵ SR 0.520.33 ⁶ BBl 2013 8987
1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 Gegenstand
Dieses Gesetz regelt:
a. die Massnahmen zum Schutz von Kulturgütern bei bewaffneten Konflikten, bei Katastrophen und in Notlagen;
b. die Aufgaben und die Zusammenarbeit von Bund und Kantonen im Bereich Kulturgüterschutz bei bewaffneten Konflikten, bei Katastrophen und in Notlagen.
Art. 2 Begriffe
In diesem Gesetz gelten als:
a. Kulturgüter : Güter, Gebäude und Orte nach Artikel 1 des Abkommens;
b. Kulturgüterschutzräume : geschützte Depotstandorte für die wichtigsten Bestände von Sammlungen und Archiven der Kulturgüter von nationaler Bedeutung;
c. Bergungsort : geschützte Räumlichkeit, die der Bund zur vorübergehenden treuhänderischen Aufbewahrung von beweglichen Kulturgütern, die ein Teil des kulturellen Erbes eines Staates sind und in ihrem Eigentümer- oder Besitzerstaat akut gefährdet sind, zur Verfügung stellt.
2. Abschnitt: Aufgaben und Zusammenarbeit im Bereich Kulturgüterschutz
Art. 3 Aufgaben des Bundes
¹ Der Bund bereitet die Schutzmassnahmen für Kulturgüter, die sein Eigentum oder ihm anvertraut sind, vor und führt sie durch. Er kann vorbereitende Massnahmen von gesamtschweizerischem Interesse koordinieren.
² Er unterhält Kontakte auf nationaler und auf internationaler Ebene im Bereich des Kulturgüterschutzes.
³ Er kann Massnahmen für den Schutz von Kulturgütern, deren Erhaltung im staatspolitischen Interesse der Schweiz liegt, sowie zur Durchführung des Abkommens und des Zweiten Protokolls vorschreiben.
⁴ Er kann die Kantone bei der Erstellung von Sicherstellungsdokumentationen und fotografischen Sicherheitskopien unterstützen.
⁵ Der Bundesrat regelt die Einteilung der Kulturgüter in Kategorien und legt dafür die Kriterien fest.
Art. 4 Aufgaben des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS) hat zur Sicherung der Kulturgüter folgende Aufgaben:
a. Es berät und unterstützt die Bundesbehörden in Fragen des Kulturgüterschutzes und koordiniert die Arbeiten.
b. Es berät die kantonalen Behörden in Fragen des Kulturgüterschutzes und unterstützt sie bei der Vorbereitung und Durchführung der in ihre Zuständigkeit fallenden Massnahmen.
c. Es informiert und berät Dritte in Fragen des Kulturgüterschutzes.
d. Es führt ein Kulturgüterschutzinventar mit Objekten von nationaler und regionaler Bedeutung (KGS-Inventar), legt es dem Bundesrat zur Genehmigung vor und veröffentlicht es.
e. Es führt das geografische Informationssystem des Kulturgüterschutzes nach der Geoinformationsgesetzgebung⁷.
f. Es nimmt die Koordinationsaufgaben für die Gesuche um Erlangung des Status des Sonderschutzes (Art. 7) oder des verstärkten Schutzes (Art. 8) wahr.
g. Es bildet das Kader des Zivilschutzes, das für den Kulturgüterschutz zuständig ist, aus.
h. Es kann Personal kultureller Institutionen im Bereich des Kulturgüterschutzes ausbilden; der Bundesrat kann für die Ausbildung Mindestanforderungen vorsehen.
⁷ SR 510.62 , 510.620 , 510.620.1
Art. 5 Aufgaben der Kantone
¹ Jeder Kanton bezeichnet eine für die Sicherung der Kulturgüter zuständige Stelle.
² Die Kantone bezeichnen die auf ihrem Gebiet liegenden Kulturgüter, die im Fall eines bewaffneten Konfliktes, einer Katastrophe oder einer Notlage geschützt werden müssen. Befinden sich Kulturgüter nicht im Eigentum des Bundes oder des Kantons, so wird ihre Bezeichnung sowie die Vorbereitung und Durchführung der Schutzmassnahmen den Eigentümerinnen und Eigentümern mitgeteilt.
³ Sie erstellen von ihren besonders schutzwürdigen Kulturgütern Sicherstellungsdokumentationen und fotografische Sicherheitskopien.
⁴ Sie planen Notfallmassnahmen zum Schutz gegen Feuer, Gebäudeeinsturz, Wasser, Erdbeben, Murgänge und weitere spezifische Gefahren.
⁵ Sie bilden Kulturgüterschutzspezialistinnen und -spezialisten des Zivilschutzes aus.
⁶ Sie können Kulturgüterschutzräume bereitstellen.
⁷ Sie können Personal kultureller Institutionen im Bereich des Kulturgüterschutzes ausbilden.
3. Abschnitt: Massnahmen zum Schutz von Kulturgütern
Art. 6
¹ Der Schutz der Kulturgüter umfasst deren Sicherung nach Artikel 5 des Zweiten Protokolls und deren Respektierung nach Artikel 6 des Zweiten Protokolls.
² Die zuständigen Behörden treffen alle zivilen Schutzmassnahmen materieller oder organisatorischer Art, die geeignet sind, schädigende Auswirkungen eines bewaffneten Konfliktes, einer Katastrophe oder einer Notlage auf Kulturgüter zu verhindern oder zu mildern.
4. Abschnitt: Schutzkategorien
Art. 7 Sonderschutz
¹ Der Bundesrat kann in Zusammenarbeit mit dem betroffenen Kanton für ein Kulturgut von nationaler Bedeutung bei der Unesco ein Gesuch um Erlangung des Sonderschutzes nach den Artikeln 8–11 des Abkommens einreichen.
² Das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport stellt im Einvernehmen mit dem Eidgenössischen Departement des Innern dem Bundesrat den Antrag auf Einreichung des Gesuchs.
Art. 8 Verstärkter Schutz
¹ Der Bundesrat kann in Zusammenarbeit mit dem betroffenen Kanton für ein Kulturgut von nationaler Bedeutung bei der Unesco ein Gesuch um Erlangung des verstärkten Schutzes nach den Artikeln 10–14 des Zweiten Protokolls einreichen.
² Das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport stellt im Einvernehmen mit dem Eidgenössischen Departement des Innern dem Bundesrat den Antrag auf Einreichung des Gesuchs.
5. Abschnitt: Kennzeichen Kulturgüterschild
Art. 9 Kennzeichen
¹ Das Kennzeichen des Abkommens besteht aus einem mit der Spitze nach unten zeigenden Schild in Ultramarinblau und Weiss (der Schild wird aus einem ultramarinblauen Quadrat, dessen eine Ecke die Spitze des Schildes darstellt, und einem oberhalb des Quadrats angeordneten ultramarinblauen Dreieck gebildet, wobei der verbleibende Raum auf beiden Seiten von je einem weissen Dreieck ausgefüllt wird).
[Bild bitte in Originalquelle ansehen]
² Der Bundesrat legt die technischen Vorgaben für die Herstellung des Kennzeichens fest.
Art. 10 Verwendung des Kennzeichens
¹ Kulturgüter von nationaler Bedeutung werden mit einem einzelnen Schild gekennzeichnet.
² Kulturgüter, die unter Sonderschutz stehen, werden mit drei Schilden in folgender Anordnung gekennzeichnet:
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³ Kulturgüter, die unter verstärktem Schutz stehen, werden mit mindestens einem Schild gekennzeichnet.
⁴ Im Übrigen richtet sich die Verwendung des Kennzeichens nach Artikel 17 des Abkommens.
Art. 11 Kennzeichnung
¹ Die Kennzeichen sind auf Anordnung des Bundesrates bei einem Aufgebot der Armee oder des Zivilschutzes im Hinblick auf einen bewaffneten Konflikt anzubringen.
² Die Kantone können die auf ihrem Gebiet befindlichen Kulturgüter von nationaler Bedeutung bereits in Friedenszeiten kennzeichnen.
6. Abschnitt: Bergungsort
Art. 12
¹ Sind Kulturgüter durch bewaffnete Konflikte, Katastrophen und Notlagen bedroht, so kann der Bund einen Bergungsort nach Artikel 2 Buchstabe c zur Verfügung stellen, wenn die treuhänderische Aufbewahrung der Kulturgüter unter der Schirmherrschaft der Unesco steht.
² Der Bundesrat kann hierzu Staatsverträge abschliessen. Diese regeln:
a. die Modalitäten und Voraussetzungen für den Transport der Kulturgüter;
b. den Schutz, die Aufbewahrung und den Unterhalt der Kulturgüter;
c. den Zugang zu den Kulturgütern;
d. die Modalitäten und Voraussetzungen für Ausstellungen mit Kulturgütern und für Studien zu Kulturgütern;
e. die Dauer der Aufbewahrung;
f. die Modalitäten und Voraussetzungen für die Rückgabe der Kulturgüter an den Herkunftsstaat;
g. die Übernahme von Kosten für den Transport, die Versicherung, die Aufbewahrung und den Unterhalt der Kulturgüter;
h. die Versicherung der Kulturgüter;
i. die Haftung für die Kulturgüter;
j. das anwendbare Recht;
k. den Gerichtsstand.
³ Solange sich die Kulturgüter in der Schweiz befinden, können Dritte keine Rechtsansprüche geltend machen.
7. Abschnitt: Finanzierung
Art. 13 Kostentragung
Der Bund trägt die Kosten:
a. für die Erfüllung seiner eigenen Aufgaben nach den Artikeln 3 und 4;
b. die ihm aus der Mitwirkung als Schutzmacht, aus der Beteiligung an der internationalen Aufsicht von Kulturgütertransporten und aus der Erfüllung internationaler Kontrollaufgaben nach dem Abkommen erwachsen;
c. für die Besoldungen und Ausgaben des Generalkommissärs für Kulturgut, der Inspektorinnen und Inspektoren, der Sachverständigen und der Delegierten der Schutzmächte nach Artikel 10 der Haager Ausführungsbestimmungen.
Art. 14 ⁸
⁸ Aufgehoben durch Ziff. I 1 des BG vom 19. Juni 2015 über das Konsolidierungs- und Aufgabenüberprüfungspaket 2014, mit Wirkung seit 1. Jan. 2016 ( AS 2015 4747 ; BBl 2013 823 , 2014 8345 ).
Art. 15 Verfahren
¹ Der Bund gewährt nur Beiträge, wenn die Restfinanzierung sichergestellt ist.
² Bei der Beitragsfestsetzung werden die kostenmässigen Vorteile angerechnet, die mit der Durchführung der Schutzmassnahmen voraussichtlich verbunden sind.
³ Nimmt das BABS bei der Beitragszusicherung Kürzungen vor, verweigert es die Beiträge oder nimmt es bei der Revision von Abrechnungen Kürzungen vor, so muss es dies begründen. Gegen den Entscheid kann innerhalb von 30 Tagen nach Eröffnung Einsprache erhoben werden.
⁴ Der Bundesrat regelt die Voraussetzungen für die Gewährung, die Verweigerung und die Kürzung der Beiträge sowie die Auszahlungsmodalitäten.
8. Abschnitt: Strafbestimmungen
Art. 16 Missbrauch des Kennzeichens
Wer, um den völkerrechtlichen Schutz oder einen andern Vorteil zu erwirken, vorsätzlich und unrechtmässig das Kennzeichen oder das Wort «Kulturgüterschild» oder irgendein anderes damit verwechselbares Kennzeichen oder Wort verwendet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Art. 17 Missbrauch des Kennzeichens für kommerzielle Zwecke
¹ Wer vorsätzlich und unrechtmässig das Kennzeichen oder das Wort «Kulturgüterschild» oder irgendein anderes damit verwechselbares Kennzeichen oder Wort auf Geschäftsschildern, Geschäftspapieren, Waren oder ihren Verpackungen anbringt oder so gekennzeichnete Waren verkauft, feilhält oder sonst in Verkehr bringt, wird mit Busse bestraft.
² Handelt die Täterin oder der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Busse bis zu 5000 Franken.
Art. 18 Störung und Hinderung von Schutzmassnahmen
¹ Wer die Durchführung der vom BABS angeordneten Massnahmen stört oder hindert oder unrechtmässig die zur Kennzeichnung geschützter Kulturgüter angebrachten Schilde entfernt oder unkenntlich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
² Handelt die Täterin oder der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen.
Art. 19 Strafverfolgung nach anderen Gesetzen
Die Strafverfolgung nach anderen Gesetzen bleibt vorbehalten.
Art. 20 Strafverfolgung
Die Verfolgung und Beurteilung strafbarer Handlungen ist Sache der Kantone.
9. Abschnitt: Schlussbestimmungen
Art. 21 Vollzug
¹ Der Bundesrat erlässt die Ausführungsbestimmungen.
² Der Vollzug ist Aufgabe der Kantone, soweit dieses Gesetz ihn nicht den Bundesbehörden zuweist.
Art. 22 Aufhebung eines andern Erlasses
Das Bundesgesetz vom 6. Oktober 1966⁹ über den Schutz der Kulturgüter bei bewaffneten Konflikten wird aufgehoben.
⁹ [ AS 1968 1025 , 1991 857 Anhang Ziff. 11, 2007 5779 Ziff. II 9, 2008 3437 Ziff. II 24, 2011 5891 Ziff. II 2]
Art. 23 Änderung eines andern Erlasses
…¹⁰
¹⁰ Die Änderung kann unter AS 2014 3545 konsultiert werden.
Art. 24 Referendum und Inkrafttreten
¹ Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.
² Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.
Inkrafttreten: 1. Januar 2015¹¹
¹¹ BRB vom 20. Juni 2014
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