Reglement über die Archivführung der erst- und oberinstanzlichen Zivil-, Straf und Ju... (162.16)
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Reglement über die Archivführung der erst- und oberinstanzlichen Zivil-, Straf und Jugendgerichtsbehörden

1 162.16 Reglement über die Archivführung der erst- und oberinstanzlichen Zivil-, Straf und Jugendgerichtsbehörden (ArchR ZSJ) vom 29.11.2010 (Stand 01.01.2016) Das Obergericht des Kantons Bern, gestützt auf Artikel 12 Absatz 1 des Gesetzes vom 31. März 2009 über die Ar chivierung (ArchG) 1 ) , beschliesst:
1 Allgemeines

Art. 1

Geltungsbereich
1 Dieses Reglement regelt die Aufbewahrung von Unterlagen des Obergerichts, des kantonalen Zwangsmassnahmengerichts soweit Strafsachen betreffend, des Wirtschaftsstrafgerichts, des Jugendgerichts, der Regionalgerichte, der re gionalen Zwangsmassnahmengerichte sowie der regionalen Schlichtungsbe hörden.
2 Die Aufbewahrung von Daten des Personalrechts richtet sich nach der Perso nalgesetzgebung.

Art. 2

Begriffe
1 Unterlagen sind aufgezeichnete Informationen, unabhängig vom Datenträger, sowie alle Hilfsmittel und ergänzenden Daten, die für das Verständnis der In formationen und deren Nutzung nötig sind.
2 Datenträger sind alle Materialien, die für die Speicherung oder Wiedergabe von Daten in analoger und digitaler Form Verwendung finden.
3 Findmittel sind Hilfsmittel, die zum Auffinden, zur Benützung und zum Ver ständnis von Unterlagen notwendig sind, wie physische oder elektronische Ver zeichnisse, Register, Karteien, Listen und Ordnungsübersichten. Sie beinhalten die folgenden Zusatzinformationen über primäre Daten: a Struktur (Gliederung, Layout, Format usw.),
1) BSG 108.1 * Änderungstabellen am Schluss des Erlasses
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162.16 2 b Verarbeitungskontext (Personen, beteiligte Stellen, Ausgabegeräte, Trans aktionen usw.), c Angaben zum Inhalt.
4 Unterlagen aus elektronischen Systemen sind: a Unterlagen, die als Zwischen-, Neben- oder Endprodukte elektronischer Verarbeitungsprozesse erzeugt werden und in digitaler oder analoger Form vorliegen, b Unterlagen, die ausschliesslich in digitaler Form zugänglich und nur mit tels elektronischer Hilfsmittel lesbar sind (digitale Unterlagen).
2 Aufbewahrung und Sicherung der Unterlagen

Art. 3

Aufbewahrungspflicht
1 Die Behörden gemäss Artikel 1 Absatz 1 bewahren ihre Verfahrensakten voll ständig auf und sammeln, ordnen und bewahren ihre übrigen Unterlagen so weit auf, dass die wesentlichen Abläufe und Ergebnisse ihrer Geschäftstätigkeit jederzeit nachvollzogen und nachgewiesen werden können.

Art. 4

Archivwürdigkeit
1 Unterlagen sind archivwürdig, wenn sie von dauerndem Wert sind a für die Rechtsprechung, b für die Dokumentierung der Tätigkeit und der Organisation der Behörden, c für das Verständnis der Gegenwart und der Geschichte oder d für die Wissenschaft und für die Forschung.
2 Unterlagen, für welche die dauernde Aufbewahrung vorgeschrieben ist, gelten als archivwürdig.
3 Unterlagen, für die eine Archivierungsfrist besteht, gelten grundsätzlich nicht als archivwürdig, es sei denn, sie würden im konkreten Fall als archivwürdig bewertet.

Art. 5

Archivpläne
1 Jede Behörde gemäss Artikel 1 Absatz 1 erstellt einen Archivplan ihrer Abla gen und führt diesen nach. Sie legt ihre Unterlagen nach dieser Ordnung ab.
2 In den Archivplänen werden festgehalten: a die Systematik für die Ordnung der Unterlagen, b die Vorschriften für die Verwaltung der Unterlagen, c die Aufbewahrungsfristen,
3 162.16 d ein Vorschlag zur Bewertung der Archivwürdigkeit im Hinblick auf die Übernahme der Akten durch das Staatsarchiv.
3 Die Systematik der Ordnung der Unterlagen soll möglichst einfach, eindeutig und sachgerecht sein.

Art. 6

Koordination mit dem Staatsarchiv
1 Die Behörden gemäss Artikel 1 Absatz 1 sprechen sich bei der Anlage der Ar chivpläne und Findmittel mit dem Staatsarchiv ab, so dass diese später im Staatsarchiv unverändert aufgenommen und für das Auffinden der zugehörigen Unterlagen weiterverwendet werden können.

Art. 7

Registratur und Sicherung
1 Bei der Erstellung, Verwaltung und Aufbewahrung ihrer Unterlagen stellen die Behörden gemäss Artikel 1 Absatz 1 sicher, dass a alterungsbeständige Informationsträger, Beschreib- und Schreibstoffe so wie sonstige Hilfsmittel verwendet werden, die Gewähr für eine ausrei chende Lebensdauer bieten, die mindestens den jeweiligen Aufbewah rungsfristen entspricht, b die Archivräume abschliessbar sind und die Unterlagen vor schädlichen Einwirkungen, insbesondere durch Feuer, Staub, Feuchtigkeit und Son nenbestrahlung geschützt werden, c Unbefugte keinen Zugriff auf Unterlagen haben.
2 Jede Behörde gemäss Artikel 1 Absatz 1 bezeichnet eine für die Registratur führung verantwortliche Person.
3 Die verantwortliche Person ist Ansprechstelle für alle Belange der Archivfüh rung.
3 Aufbewahrungsfristen

Art. 8

Beginn der Archivierung
1 Die Archivierung der Verfahrensakten in Zivil- und Strafsachen erfolgt nach Abschluss des Verfahrens. Als abgeschlossen gilt ein Verfahren nach Eintritt der formellen Rechtskraft.
2 Die Archivierung von anderen Unterlagen, die vorübergehend oder dauernd als erhaltenswert gelten, erfolgt nach Abschluss des betreffenden Geschäfts.

Art. 9

* ...
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Art. 10

Akten der Gerichtsverwaltung
1 Die Akten der Gerichtsverwaltung sind während zehn Jahren nach Abschluss des Geschäfts aufzubewahren. Sie müssen dem Staatsarchiv nicht angeboten werden.
2 Unterlagen zu den Anwaltsprüfungen sind fünf Jahre aufzubewahren.
3 Verfügungen, Beschlüsse und Protokolle sind zusätzlich in physisch oder elektronisch angelegten Sammlungen dauernd aufzubewahren.

Art. 11

Verfahrensakten des Obergerichts
1 Die Verfahrensakten des Obergerichts werden während zehn Jahren ab Ein tritt der Rechtskraft aufbewahrt. Anschliessend werden sie dem Staatsarchiv zur dauernden Aufbewahrung abgeliefert.

Art. 12

Verfahrensakten der erstinstanzlichen Zivilgerichte
1 Für die Verfahrensakten der erstinstanzlichen Zivilgerichte gelten folgende Fristen: a Schlichtungsverfahren: 1 Einigung, Klagebewilligung, Urteilsvorschlag: 5 Jahre 2 Entscheid: 10 Jahre b ordentliches Verfahren: 1 wenn berufungsfähig grundsätzlich: 30 Jahre 2 bäuerliche Sanierungen: 40 Jahre 3 familienrechtliche Angelegenheiten: 50 Jahre 4 nicht berufungsfähig: 10 Jahre c vereinfachtes Verfahren: 10 Jahre d summarisches Verfahren: 1 grundsätzlich: 10 Jahre 2 Rückzug im Konkursverfahren: 2 Jahre 3 Arrestbewilligungen: 2 Jahre 4 Nachlassverträge: 40 Jahre 5 gerichtliches Verbot: dauernd e Rogate: 10 Jahre

Art. 13

Verfahrensakten der erstinstanzlichen Strafgerichte
1 Für die Verfahrensakten der erstinstanzlichen Strafgerichte gelten folgende Fristen: a Akten Einzelgericht: 30 Jahre b Akten Kollegialgericht: 50 Jahre
5 162.16 c Akten Jugendgericht: 1 bis zum vollendeten 30. Lebensjahr 2 Übergangstäter, wenn Massnahme oder Strafe nach StGB: Frist ge mäss Erwachsenengericht (30/50 Jahre) d Akten regionales und kantonales Zwangsmassnahmengericht: 10 Jahre e Rogate: 10 Jahre

Art. 13a

* Dauerhafte Aufbewahrung
1 Geschäftskontrollen sind in physischer oder elektronischer Form dauerhaft aufzubewahren.
2 Urteile und prozesserledigende Entscheide des Obergerichts einschliesslich der Begründungen sind in einer Urteilssammlung dauernd aufzubewahren.
3 Die erstinstanzlichen Gerichte und die Schlichtungsbehörden führen eine Urteilssammlung, in der alle begründeten Urteile abgelegt werden. Bei denjeni gen Urteilen, die im Rahmen eines summarischen Verfahrens gemäss den Arti keln 248 ff. der Schweizerischen Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) 1 ) ergehen, kann auf die separate Ablage und dau erhafte Aufbewahrung verzichtet werden.
4 Die Form der Aufbewahrung richtet sich nach den Vorgaben des Staatsar chivs des Kantons Bern.
4 Anbietepflicht und Ablieferung

Art. 14

Akten des Obergerichts
1 Das Obergericht liefert dem Staatsarchiv sämtliche seiner gemäss Artikel 11 und 13a aufzubewahrenden Unterlagen nach Ablauf von zehn Jahren ab Ein tritt der Rechtskraft zur dauernden Aufbewahrung ab. *
2 Das Staatsarchiv vernichtet keine Unterlagen ohne das Einverständnis des Obergerichts.

Art. 15

Akten der erstinstanzlichen Gerichte und der Schlichtungsbehör den
1 Die erstinstanzlichen Zivil- und Strafgerichte und die Schlichtungsbehörden bieten dem Staatsarchiv sämtliche ihrer gemäss Artikel 12, 13 und 13a aufzu bewahrenden Unterlagen nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist an. Dauernd auf bewahrungspflichtige Unterlagen werden zehn Jahre nach Eintritt der Rechtskraft angeboten. *
1) SR 272
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2 Die erstinstanzlichen Zivil-, Straf- und Jugendgerichtsbehörden und die Schlichtungsbehörden schlagen dem Staatsarchiv vor, welche Unterlagen sie als archivwürdig erachten und welche vernichtet werden können. Unterlagen dürfen nicht ohne Zustimmung des Staatsarchivs vernichtet werden.
3 Sie bereiten die Unterlagen so auf, dass diese durch das Staatsarchiv ohne zusätzlichen Aufwand im Hinblick auf ihre Archivwürdigkeit bewertet werden können.
4 Das Staatsarchiv bewertet die Unterlagen und entscheidet über deren Archiv würdigkeit unter Berücksichtigung der Vorschläge der anbietenden Behörde.
5 Es vernichtet keine Unterlagen ohne Zustimmung der anbietenden Behörde.
6 Betreffend Einzelheiten der Anbietepflicht sprechen sich die anbietenden Be hörden mit dem Staatsarchiv ab.

Art. 16

Unterlagen aus elektronischen Systemen
1 Für die Bewertung von Unterlagen aus elektronischen Systemen ziehen die Behörden gemäss Artikel 1 Absatz 1 das Staatsarchiv bereits bei der Planung neuer Systeme bei. Das Staatsarchiv ist in angemessener Form am entspre chenden Projekt zu beteiligen.
2 Dem Staatsarchiv ist Zugang zu allen Systemen zu gewähren, deren Daten der Anbietepflicht unterliegen und die auf ihre Archivwürdigkeit geprüft werden müssen, insbesondere zu den betreffenden Projekt-, System- und Anwen dungsdokumentationen, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Der Zugang im Abrufverfahren ist ausgeschlossen.
3 Werden Unterlagen aus elektronischen Systemen, die der Anbietepflicht un terliegen, vollumfänglich und unter Wahrung ihrer Verlässlichkeit in analoger Form (auf Papier oder Mikrofilm) aufbewahrt, kann die verantwortliche Ge richtsbehörde von der Anbietepflicht der im System enthaltenen Daten befreit werden.

Art. 17

Ablieferung
1 Dem Staatsarchiv sind mit den Unterlagen auch die zugehörigen Findmittel sowie allfällige weitere Hilfsmittel zur Ablieferung anzubieten.
2 Den Ablieferungen ist ein Verzeichnis der abgelieferten Unterlagen beizule gen, das folgende Informationen enthält: a Inhalt der Unterlagen in knapper Form, b Hinweis auf Personendaten.
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3 Die Gerichtsbehörden sind für die Überführung des Archivguts verantwortlich.
4 Sie lassen sich vom Staatsarchiv jede Ablieferung mit einem Ablieferungsbe richt quittieren.
5 Betreffend Einzelheiten der Ablieferung sprechen sich die Gerichtsbehörden mit dem Staatsarchiv ab.
5 Übergangs- und Schlussbestimmungen

Art. 18

Übergangsbestimmungen
1 Für die Archivierung der Verfahrensakten, die bis zum 31. Dezember 2010 bei den erst- und oberinstanzlichen Gerichtsbehörden in Zivil- und Strafsachen so wie den Untersuchungsrichterämtern entstanden sind, bleiben die Bestimmun gen der Verordnung vom 6. August 1943 über die Bezirksarchive und die dazu gehörigen Weisungen der Aufsichtskammer des Obergerichts des Kantons Bern vom 28. August 2009 anwendbar.
2 Für die Archivierung der Verfahrensakten, die bis zum 31. Dezember 2010 bei den Jugendgerichten entstanden sind, bleiben die Archivbestimmungen der Verordnung vom 20. Dezember 2006 über die Jugendrechtspflege (Jugend rechtspflegeverordnung, JRPV) 1 ) anwendbar.

Art. 19

Inkrafttreten
1 Dieses Reglement tritt am 1. Januar 2011 in Kraft.
2 Es wird in die Bernische Amtliche Gesetzessammlung aufgenommen. Bern, 29. November 2010 Im Namen des Obergerichts Der Präsident: Trenkel Der Generalsekretär: Kohler
1) BSG 322.111
162.16 8 Änderungstabelle - nach Beschluss Beschluss Inkrafttreten Element Änderung BAG-Fundstelle
29.11.2010 01.01.2011 Erlass Erstfassung 11-75
20.11.2015 01.01.2016

Art. 9

aufgehoben 16-005
20.11.2015 01.01.2016

Art. 13a

eingefügt 16-005
20.11.2015 01.01.2016

Art. 14 Abs. 1

geändert 16-005
20.11.2015 01.01.2016

Art. 15 Abs. 1

geändert 16-005
9 162.16 Änderungstabelle - nach Artikel Element Beschluss Inkrafttreten Änderung BAG-Fundstelle Erlass 29.11.2010 01.01.2011 Erstfassung 11-75

Art. 9

20.11.2015 01.01.2016 aufgehoben 16-005

Art. 13a

20.11.2015 01.01.2016 eingefügt 16-005

Art. 14 Abs. 1

20.11.2015 01.01.2016 geändert 16-005

Art. 15 Abs. 1

20.11.2015 01.01.2016 geändert 16-005
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