Einführungsgesetz zur Schweizerischen Jugendstrafprozessordnung
Einführungsgesetz zur Schweizerischen Jugendstrafprozessordnung (EGJStPO) vom 12.11.2009 (Stand 01.01.2018) Der Grosse Rat des Kantons Wallis eingesehen die Schweizerische Jugendstrafprozessordnung; eingesehen den Artikel 123 Absatz 2 der Bundesverfassung; eingesehen die Artikel 31 und 42 Absatz 1 und 2 der Kantonsverfassung; auf Antrag des Staatsrates, verordnet:
1 Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 Gegenstand
1 Unter Vorbehalt der Bestimmungen des Bundesrechts regelt das vorlie - gende Gesetz die Zuständigkeit der Behörden, die mit der Verfolgung und Beurteilung der von Jugendlichen begangenen, im Bundesrecht vorgesehe - nen Straftaten beauftragt sind.
2 Es beinhaltet zudem die ergänzenden kantonalrechtlichen Bestimmungen zur Schweizerischen Jugendstrafprozessordnung.
3 Ausserdem bezeichnet das vorliegende Gesetz die Behörden, die für die von Jugendlichen begangenen Übertretungen kantonaler und kommunaler Vorschriften zuständig sind, und bestimmt das Verfahren für deren Verfol - gung und Beurteilung.
4 Die kantonale Spezialgesetzgebung bleibt vorbehalten. * Änderungstabellen am Schluss des Erlasses
Art. 2 Analoge Anwendung der Schweizerischen Strafprozessord -
nung
1 Untersteht das Verfahren der Schweizerischen Strafprozessordnung, ist deren Einführungsgesetz in gleichem Masse anwendbar.
2 Jugendstrafbehörden
2.1 Der Jugendrichter
Art. 3 Untersuchungsbehörde
1 Für die Untersuchung der von Jugendlichen begangenen Straftaten ist der Jugendrichter zuständig.
2 Stellt der Jugendrichter im Laufe eines Verfahrens fest, dass eine strafba - re Handlung von einem Kind unter zehn Jahren begangen worden ist, hat er dessen gesetzliche Vertreter zu benachrichtigen. Liegen Anzeichen dafür vor, dass das Kind besonderer Hilfe bedarf, hat er ebenfalls die Vormund - schaftsbehörde des Wohnortes oder das Jugendschutzamt zu benachrichti - gen.
3 Bei Übertretungen kantonaler Spezialgesetze bleibt die Zuständigkeit des Polizeigerichts und der Verwaltungsbehörde vorbehalten.
Art. 4 Zuständigkeit
1 Der Jugendrichter ist zudem zuständig für die Anordnung: a) der Zwangsmassnahmen, die nach Schweizerischer Strafprozessord - nung von der Staatsanwaltschaft angeordnet werden können; b) * der Untersuchungshaft gemäss den einschlägigen Bestimmungen der Schweizerischen Jugendstrafprozessordnung; dazu verfügt er über geeignete Einrichtungen, namentlich über die Abteilung für Untersu - chungshaft in Pramont, die von der Dienststelle, die für Straf- und Massnahmenvollzug zuständig ist, als öffentlich-rechtliche Anstalt ge - leitet wird, oder, insoweit die Voraussetzungen erfüllt sind, über die hierzu geschaffene Konkordatseinrichtung; c) der vorsorglichen Schutzmassnahmen gemäss den Artikeln 12 bis 15 des Bundesgesetzes über das Jugendstrafrecht; d) der Beobachtung gemäss Artikel 9 des Bundesgesetzes über das Ju - gendstrafrecht.
2 Durch Strafbefehl beurteilt er in erster Instanz jene Straftaten, die gemäss Bundesrecht nicht in die Zuständigkeit des Jugendgerichts fallen.
3 Er beurteilt im Berufungsverfahren die Strafentscheide der Verwaltung ge - gen Jugendliche.
4 In Abweichung von Artikel 15 Absatz 3 Buchstabe a des Einführungsge - setzes zur Schweizerischen Strafprozessordnung ist der Jugendrichter zu - ständig für das Genehmigen, Ausführen oder Ausführenlassen von Verfah - renshandlungen, welche durch die Behörden eines anderen Kantons oder durch die Eidgenossenschaft angeordnet oder verlangt worden sind, wenn diese Handlungen ausschliesslich ein eröffnetes Strafverfahren gegen einen oder mehrere im Kanton wohnhafte oder ansässige Minderjährige betreffen.
5 Der Jugendrichter ist Vollstreckungsbehörde im Sinne des Bundesgeset - zes über die internationale Rechtshilfe bei Verfahren gegen einen Jugendli - chen. Er überwacht die Rückführung der Personen unter 18 Jahren und leitet das Vollstreckungsverfahren ausländischer Urteile gegen einen Ju - gendlichen.
Art. 5 Anklageerhebung
1 Stellt der Jugendrichter fest, dass die Sache im Sinne der Schweizeri - schen Jugendstrafprozessordnung in die Zuständigkeit des Jugendgerichts fällt, und ist er der Ansicht, dass die Untersuchung bald abgeschlossen werden kann, benachrichtigt er schriftlich: a) die Parteien; b) die Jugendstaatsanwaltschaft, der er eine Kopie der Akten übermit - telt.
2 Gleichzeitig setzt er den Parteien und der Jugendstaatsanwaltschaft eine Frist zum Einreichen der Beweisanträge.
3 Der Jugendrichter kann einen Beweisantrag nur dann abweisen, wenn darin die Beweisabnahme von Tatsachen verlangt wird, die unerheblich, no - torisch, der Jugendstrafbehörde schon bekannt oder bereits zur Genüge bewiesen sind. Er fällt seinen Entscheid schriftlich und mit einer kurzen Be - gründung und vermerkt dies in den Akten. Die abgewiesenen Beweisanträ - ge können vor dem Jugendgericht erneut gestellt werden.
4 Der Jugendrichter erlässt anschliessend einen Überweisungsentscheid und übermittelt die allenfalls vervollständigten Akten der Jugendstaatsan - waltschaft.
5 Die Entscheide über den Abschluss der Untersuchung und über die Ab - weisung von Beweisanträgen sowie der Überweisungsentscheid können nicht angefochten werden.
2.2 Jugendstaatsanwaltschaft
Art. 6 Zuständigkeit
1 Die Jugendstaatsanwaltschaft: a) erhebt die Anklage vor dem Jugendgericht; b) kann an den Verhandlungen vor dem Jugendgericht und vor dem Berufungsgericht teilnehmen; sie ist zur Teilnahme verpflichtet, wenn das Gericht es verlangt; c) kann gegen den Strafbefehl des Jugendrichters einsprechen; d) kann gegen die Urteile des Jugendgerichts Berufung einreichen; e) vertritt die Anklage vor dem Berufungsgericht.
2 Die Organisation der Jugendstaatsanwaltschaft wird im Gesetz über die Rechtspflege festgelegt.
2.3 Gerichte
Art. 7 Jugendgericht
1 Die Urteilszuständigkeit des Jugendgerichts wird in der Schweizerischen Jugendstrafprozessordnung festgelegt.
2 Die Organisation des Jugendgerichts wird im Gesetz über die Rechtspfle - ge geregelt.
Art. 8 Beschwerdebehörde und Berufungsgericht in Jugendstrafsa -
chen
1 Die Beschwerdebehörde in Jugendstrafsachen ist ein Richter des Kantonsgerichts.
2 Das Berufungsgericht in Jugendstrafsachen ist ein Hof des Kantonsge - richts.
3 Die Mitglieder der Beschwerdebehörde dürfen in der gleichen Strafsache nicht im Berufungsgericht Einsitz nehmen.
2.4 Zuständige Behörden bei Übertretungen
Art. 9 Zuständige Behörden
1 Der Jugendrichter erkennt in erster Instanz: a) die Übertretungen des Bundesrechts; b) die Übertretungen kantonalen Rechts, unter Vorbehalt der Zuständig - keiten, die durch die Spezialgesetzgebung der Verwaltungsbehörde oder dem Polizeigericht zugeteilt werden.
2 Das Polizeigericht ist für die Übertretungen des Gemeinderechts zustän - dig, unter Vorbehalt der Zuständigkeiten, die durch die Spezialgesetzge - bung dem Gemeinderat oder der Gemeindeverwaltung zugeteilt werden.
3 Das Polizeigericht und die Verwaltungsbehörden teilen dem Jugendrichter die Entscheide mit, die gegen Jugendliche ausgesprochen werden. In ihren Entscheiden beachten die zuständigen Behörden die Grundsätze, die das Verfahren gegen Jugendliche bestimmen.
4 Der Jugendrichter ist im Übrigen zuständig für: a) die Einsprache gegen den Strafbefehl; b) die Berufung gegen die Strafenscheide der Verwaltungsbehörden.
Art. 10 Verfahren bei Übertretungen kantonalen und kommunalen
Rechts
1 Bei Übertretungen von Kantons- oder Gemeinderecht wird das Verfahren bestimmt: a) durch analoge Anwendung der Schweizerischen Jugendstrafprozess - ordnung vor einer Gerichtsinstanz; b) durch das Gesetz über das Verwaltungsverfahren und die Verwal - tungsrechtspflege vor einer Verwaltungsbehörde sowie vor der Beru - fungsbehörde im Falle einer Berufung gegen einen administrativen Strafentscheid.
3 Mediation
Art. 11 * Leistungsauftrag
1 Das für die Sicherheit zuständige Departement kann, auf Vorschlag des Jugendgerichts, mittels Leistungsauftrag einen oder mehrere Mediatoren oder eine Organisation, die auf Mediatoren zurückgreift, beauftragen, die im Bundesrecht vorgesehene Mediation durchzuführen.
2 Das Mediationsverfahren ist unentgeltlich.
Art. 12 Mediationsverfahren
1 Halten es der Jugendrichter oder das Gericht für angebracht, ein Mediati - onsverfahren einzuleiten, benachrichtigt der Jugendrichter beziehungswei - se die Verfahrensleitung die Parteien über ihre Rechte in diesem Verfah - rensabschnitt, über die Freiwilligkeit und die Tragweite ihrer Schritte und über die möglichen Auswirkungen ihrer Entscheidung auf das Hauptverfah - ren.
2 Das Mediationsverfahren wird mit der Übermittlung der Akten an den Me - diator eröffnet, dem eine angemessene Frist zur Erledigung seiner Aufgabe eingeräumt wird. Dabei berücksichtigt der Richter oder die Verfahrenslei - tung die Verjährungsfristen der Strafverfolgung. Das Strafverfahren, das für die Dauer der Mediation ausgesetzt wird, bleibt in den Händen des Rich - ters.
3 Das Mediationsverfahren bezweckt die aktive Suche nach einer Lösung zwischen den Parteien. Die Rechte des Jugendlichen als Beschuldigter im Strafverfahren bleiben gewahrt. Das Opfer behält die Vorrechte, die ihm im ordentlichen Strafverfahren zuerkannt werden.
4 Der Mediator ist an das Berufsgeheimnis gebunden und seine Akten kön - nen nicht behändigt werden. Das Verfahren ist vertraulich; unabhängig von seinem Ausgang können die vor dem Mediator gemachten Aussagen vor der Strafverfolgungsbehörde nicht geltend gemacht werden.
5 Mündet das Mediationsverfahren in eine gegenseitige Einigung, ist deren Wortlaut in einem Originaldokument schriftlich festzuhalten. Die Einigung beinhaltet namentlich die Regelung der Zivilansprüche und den Verzicht auf die Rechtsmittel. Die Einigung wird von den Parteien sowie von mindestens einem der gesetzlichen Vertreter des ins Recht gefassten Jugendlichen un - terschrieben. Jeder der betroffenen Parteien wird eine Kopie ausgehändigt.
6 Führt die Mediation zu einer Einigung, erlässt die zuständige Behörde einen Einstellungsentscheid, sobald ihr der Mediator schriftlich bestätigt hat, dass die Einigung eingehalten wurde oder wahrscheinlich eingehalten werden wird. Kommt es nicht zu einer Einigung oder halten eine oder beide Parteien die erfolgte Abmachung nicht ein, so stellt der Mediator den Miss - erfolg des Verfahrens fest.
7 In Bezug auf das eingeleitete Mediationsverfahren kann kein Rechtsmittel ergriffen werden.
4 Verschiedenes, Übergangs- und Schlussbestimmungen
Art. 13 Verhaftung
1 In der Regel sind die Haft- und Vorführungsbefehle von Beamten in Zivil - kleidung auszuführen.
Art. 14 Abänderung geltenden Rechts
1 Das Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht vom 14. September 2006 wird abgeändert.
2 Das Gesetz über die Rechtspflege vom 11. Februar 2009 wird abgeän - dert.
3 Das Gesetz über die unentgeltliche Rechtspflege vom 11. Februar 2009 wird abgeändert.
Art. 15 Übergangsbestimmungen
1 Die Übergangsbestimmungen der Schweizerischen Jugendstrafprozess - ordnung sind analog für die Strafverfolgung und das Urteil bei Übertretun - gen kantonalen Rechts sowie für den Vollzug der Urteile anwendbar.
Art. 16 Schlussbestimmungen
1 Alle dem vorliegenden Gesetz zuwiderlaufenden Bestimmungen werden aufgehoben, namentlich jene, welche die Strafverfolgung und das Urteil ei - ner Übertretung von Bundesrecht einer Verwaltungsbehörde übertragen.
2 Das vorliegende Gesetz ist dem fakultativen Referendum unterstellt.
3 Der Staatsrat wird mit dem Vollzug des vorliegenden Gesetzes beauftragt und legt die Vollzugsbestimmungen der Verordnungen fest, die der Bundes - rat zur Anwendung der Schweizerischen Jugendstrafprozessordnung er - lässt. T1 Übergangsbestimmung der Ändergung vom 15.11.2013 *
Art. T1-1 *
1 Das vorliegende Gesetz kommt bei Mediationsverfahren in Zivilsachen zur Anwendung, die von den Bestimmungen der Schweizerischen Zivilprozess - ordnung oder von jenen der ehemaligen Kantonalen Zivilprozessordnung geleitet werden.
2 Das vorliegende Gesetz kommt bei Mediationsverfahren jugendstrafrecht - licher Fälle, die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits hängig sind, nicht zur Anwendung.
Änderungstabelle - Nach Beschluss Beschluss Inkrafttreten Element Änderung Quelle Publikation
12.11.2009 01.01.2011 Erlass Erstfassung BO/Abl. 49/2009,
26/2010
15.11.2013 01.06.2014 Art. 11 totalrevidiert BO/Abl. 51/2013,
14/2014
15.11.2013 01.06.2014 Titel T1 eingefügt BO/Abl. 51/2013,
14/2014
15.11.2013 01.06.2014 Art. T1-1 eingefügt BO/Abl. 51/2013,
14/2014
12.05.2016 01.01.2018 Art. 4 Abs. 1, b) geändert BO/Abl. 24/2016,
40/2017
Änderungstabelle - Nach Artikel Element Beschluss Inkrafttreten Änderung Quelle Publikation Erlass 12.11.2009 01.01.2011 Erstfassung BO/Abl. 49/2009,
26/2010
Art. 4 Abs. 1, b) 12.05.2016 01.01.2018 geändert BO/Abl. 24/2016,
40/2017
Art. 11 15.11.2013 01.06.2014 totalrevidiert BO/Abl. 51/2013,
14/2014 Titel T1 15.11.2013 01.06.2014 eingefügt BO/Abl. 51/2013,
14/2014
Art. T1-1 15.11.2013 01.06.2014 eingefügt BO/Abl. 51/2013,
14/2014
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