Weisung zum öffentlichen Beschaffungswesen (720.111)
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Weisung zum öffentlichen Beschaffungswesen

Weisung zum öffentlichen Beschaffungswesen (WöB) vom 22. Februar 2022 (Stand 1. April 2022)

§ 1 Geltungsbereich

1 Diese Weisung regelt die Zuständigkeiten und Verfahrensabläufe für die von der Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB)
1 ) und dem Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (GöB)
2 ) erfassten Beschaffun - gen der Zentralverwaltung und der unselbstständigen kantonalen Anstalten.

§ 2 Regierungsrat

1 Der Regierungsrat genehmigt vorgängig Entscheide über die freihändige Vergabe, den Zuschlag, den Widerruf des Zuschlags oder den Abbruch des Verfahrens bei Aufträgen mit einem Auftragswert über Fr. 100'000.
2 Wird ein Wettbewerbsverfahren im Sinne von Art. 22 IVöB durchgeführt, be - stimmt er das Wettbewerbsprogramm, das unabhängige Expertengremium und die Moderation des Verfahrens.
3 Er entscheidet auf Antrag der Departemente oder der Staatskanzlei über den Aus - schluss von Anbietern oder Subunternehmern von künftigen öffentlichen Aufträgen, die Auferlegung einer Busse oder das Aussprechen einer Verwarnung gemäss

Art. 45 Abs. 1 IVöB.

§ 3 Departemente und Staatskanzlei

1 Die Departemente und die Staatskanzlei entscheiden in ihren Aufgabenbereichen:
1. über die freihändige Vergabe, den Zuschlag, den Widerruf des Zuschlags oder den Abbruch des Verfahrens bei Aufträgen mit einem Auftragswert über Fr. 50'000
2. über den Ausschluss vom Vergabeverfahren bei Aufträgen mit einem Auf - tragswert über Fr. 50'000
3. im Wettbewerbsverfahren unabhängig vom Auftragswert auf Antrag des un - abhängigen Expertengremiums über die Selektion und den Zuschlag sowie über den Widerruf des Zuschlags oder den Abbruch des Verfahrens
2 Die Departemente und die Staatskanzlei können die Verfügungsberechtigung ihrer Ämter und Anstalten ganz oder teilweise beschränken.
1) RB 720.3
2) RB 720.1

§ 4 Ämter und unselbstständige kantonale Anstalten

1 Die Ämter und unselbstständigen kantonalen Anstalten sind in ihren Aufgabenbe - reichen zuständig für die übrigen für die Durchführung der Vergabeverfahren erfor - derlichen Handlungen und Entscheide, soweit IVöB, GöB, Verordnung zum Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (VöB)
1 ) oder diese Weisung keine anderen Zuständigkeiten festlegen.

§ 5 Umsetzung des Wirtschaftlichkeitsgebots und Ständige Liste

1 Ab einem Auftragswert von Fr. 50'000 sind auch im freihändigen Verfahren nach Möglichkeit drei Angebote einzuholen.
2 Aufträge über Bauleistungen oder der Baubranche nahestehende Dienstleistungen dürfen ab einem Auftragswert von Fr. 50'000 nur an Anbieterinnen oder Anbieter vergeben werden, die über ein gültiges Zertifikat gemäss § 1 Abs. 2 VöB verfügen oder die Belege gemäss § 2 Abs. 2 VöB beigebracht haben.

§ 6 Ablauforganisation

1 Im Einladungsverfahren sowie im offenen oder selektiven Verfahren müssen na - mentlich folgende Handlungen von mindestens zwei Mitarbeiterinnen oder Mitar - beitern vorgenommen werden:
1. Erstellung der Ausschreibungsunterlagen
2. Angebotsöffnung
3. Prüfung der Angebote
4. Bereinigung der Angebote
5. Bewertung der Angebote
2 Im freihändigen Verfahren müssen ab einem Auftragswert von Fr. 50'000 nament - lich folgende Handlungen von mindestens zwei Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern vorgenommen werden:
1. Anfrage zur Einreichung eines Angebots
2. Entscheid über Auftragsvergabe
3 Verträge über vergebene Aufträge sind in der Regel in Schriftform abzuschliessen. Ab einem Auftragswert von Fr. 10'000 ist die Schriftform zwingend.

§ 7 Massnahmen gegen Interessenkonflikte und Korruption

1 Vorgesetzte weisen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die an Vergabeverfahren mitwirken, im Rahmen der jährlichen Mitarbeiterbeurteilung unter Verweis auf die - se Weisung darauf hin, wie sie Interessenkonflikte und Korruption wirksam vermei - den.
1) RB 720.11
2 Die Vergabestellen sorgen dafür, dass an Vergabeverfahren mit Auftragswerten von über Fr. 10'000:
1. nur Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitwirken, welche die Unbefangenheits - erklärung gemäss Anhang 1 unterzeichnet haben
2. nur vom Kanton beauftragte Dritte mitwirken, die vor der Einleitung des Ver - gabeverfahrens die Unbefangenheitserklärung gemäss Anhang 1 unterzeichnet haben
3 Die unterzeichneten Unbefangenheitserklärungen müssen aufbewahrt werden (Art. 49 Abs. 2 IVöB).

§ 8 Fachstelle öffentliches Beschaffungswesen

1 Die Fachstelle ist zuständig für:
1. die Beratung der Vergabestellen beim Ausschluss von Anbietern oder Subun - ternehmern von künftigen öffentlichen Aufträgen, bei der Auferlegung einer Busse oder dem Aussprechen einer Verwarnung gemäss Art. 45 Abs. 1 IVöB
2. die Mitteilung an die Wettbewerbskommission bei Verdacht auf unzulässige Wettbewerbsabreden gemäss Art. 45 Abs. 2 IVöB
3. die Erstellung der Dokumentationen über freihändig vergebene Aufträge ge - mäss Art. 21 Abs. 3 IVöB bei Beschaffungen im Staatsvertragsbereich
4. die Erstellung der Protokolle über die Öffnung der Angebote gemäss Art. 37 Abs. 2 IVöB bei Beschaffungen im Staatsvertragsbereich
5. die Erteilung von Zugriffsrechten auf die von Bund und Kantonen betriebene Internetplattform für öffentliche Beschaffungen und die Freischaltung der ein - zelnen Publikationen
2 Ihr sind rechtzeitig zum Visum vorzulegen:
1. der Publikationstext und die Ausschreibungsunterlagen für die Ausschreibung im offenen oder selektiven Verfahren
2. das Wettbewerbsprogramm bei Durchführung eines Wettbewerbsverfahrens
3. die Entscheide über den Zuschlag, den Widerruf des Zuschlags und den Ab - bruch des Verfahrens
4. die Entscheide über den Ausschluss vom Vergabeverfahren
5. freihändige Vergaben in Anwendung von Art. 21 Abs. 2 IVöB über dem massgeblichen Schwellenwert
3 Sie kann einzelne Stellen ganz oder teilweise von der Visumspflicht befreien, so - fern Gewähr für eine vorschriftsgemässe Durchführung der Vergabeverfahren be - steht.

§ 9 Publikationen

1 Die Fachstelle bestimmt den Zeitpunkt der Publikation.
2 Sie kann Weisungen über die Mitwirkung der einzelnen Vergabestellen bei der Be - reitstellung der zu publizierenden Informationen und die Ablauforganisation erlas - sen.
3 Es erfolgt keine Publikation in den Medien.

§ 10 Sanktionen von Anbieterinnen oder Anbietern

1 Die Vergabestellen informieren die Fachstelle unverzüglich:
1. bei Verdacht auf unzulässige Wettbewerbsabreden
2. bei Hinweisen auf Sachverhalte, die den Ausschluss von Anbietern oder Su - bunternehmern von künftigen öffentlichen Aufträgen, die Auferlegung einer Busse oder das Aussprechen einer Verwarnung gemäss Art. 45 Abs. 1 IVöB zur Folge haben könnten
Änderungstabelle - Nach Paragraph Element Beschluss Inkrafttreten Änderung Amtsblatt Erlass 22.02.2022 01.04.2022 Erstfassung 8/2022
Anhang 1: Vorlage Unbefangenheitserklärung
1) Unbefangenheitserklärung einer/eines Beschaffenden (im Beschaffungsprojekt [Name Projekt ]) Bei meiner Tätigkeit im Rahmen eines Beschaffungsverfahrens vertrete ich aus- schliesslich die Interessen des Kantons Thu rgau. Sobald ich einen Ausstandsgrund feststelle, trete ich in den Ausstand. In einem Beschaffungsverfahren sind sämtliche Informationen, Unterlagen und Er- gebnisse vor, während und nach dem Vergabeverfahren vertraulich. Konkret heisst dies, dass diese Daten unberechtigten Dritten in keiner Art und Weise zugänglich gemacht und nicht aus den hierfür bestimmten Räumlichkeiten entfernt werden dür- fen. Zudem darf vor und während des Vergabeverfahrens kein Kontakt mit potentiellen Anbieterinnen oder Anbietern betr effend die fragliche Beschaffung stattfinden, der die Gleichbehandlung aller Anbietenden gefährden könnte. Die Nichteinhaltung der oben aufgeführten Punkte kann für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kantons eine Verletzung des Amtsgeheimnisses bzw. der Sorgfalts - und Treuepflicht und bei externen Beauftragten (z.B. Ingenieur) eine schwere Ver- tragsverletzung darstellen. Schadenersatzforderungen aus dem Verantwortlichkeitsgesetz (RB 170.3), die sich bei einer solchen Pflichtverletzung insbesondere aus den verwaltungsinternen Auf- wänden bei der ganzen oder teilweisen Wiederholung des Vergabeverfahrens erge- ben, bleiben vorbehalten. Ich bestätige, die obigen Ausführungen und Verpflichtungen sowie die nachstehen- den Auszüge aus den einschlägigen Rechtsgrundlagen zur Kenntnis genommen zu haben.
1 ) Worddokument abrufbar unter: https://dbu.tg.ch/public/upload/assets/127873/Vorlage_Unbefangenheitserkl%C3%A4rung_ Anhang_1_W%C3%B6B_f%C3%BCr_Website.doc?fp= 1 Ort und Datum: ______________________________________ Vorname und Name: ______________________________________ Organisationseinheit: ______________________________________
Auszüge aus der Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaf- fungswesen (IVöB; RB 720.3), dem Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege (VRG; RB 170.1), dem Gesetz über die Vera ntwortlichkeit (Verantwortlichkeitsge- setz; RB 170.3) und der Verordnung des Regierungsrates über die Rechtsstellung des Staatspersonals (RSV; RB 177.112) sowie dem schweizerischen Strafgesetz- buch (StGB; SR 311.0)

Art. 13 IVöB – Ausstand

1 Am Vergabeverfahr en dürfen auf Seiten des Auftraggebers oder eines Experten- gremiums keine Personen mitwirken, die: a) an einem Auftrag ein persönliches Interesse haben; b) mit einem Anbieter oder einem Mitglied eines seiner Organe durch Ehe oder eingetragene Partnerschaft verbunden sind oder eine faktische Lebensgemein- schaft führen; c) mit einem Anbieter oder einem Mitglied eines seiner Organe in gerader Linie oder bis zum dritten Grad in der Seitenlinie verwandt oder verschwägert sind; d) Vertreter eines Anbieters sind od er für einen Anbieter in der gleichen Sache tätig waren; oder e) aufgrund anderer Umstände die für die Durchführung öffentlicher Beschaffun- gen erforderliche Unabhängigkeit vermissen lassen.

§ 7 Abs. 1 VRG – Ausstand

1 Behörde nmitglieder und Personen, die v on Kanton oder Gemeinde gewählt, ange- stellt oder beauftragt sind, haben von Amtes wegen in Ausstand zu treten:
1. in eigenen Angelegenheiten, in denjenigen ihrer Ehegatten, Partner in eingetra- gener Partnerschaft, Verlobten, Verwandten und Verschwägerten bis und mit dem vierten Grad, ihrer Adoptiv -, Pflege - oder Stiefeltern sowie ihrer Adoptiv -, Pflege - oder Stiefkinder; der Ausstandsgrund der Verschwägerung besteht nach Auflösung der Ehe oder der e ingetragenen Partnerschaft fort
2. als gesetzlicher Vertreter, Beistand, Beirat, Beauftragter, Angestellter oder als Organ e ines am Verfahren Beteiligten
3. sofern sie in gleicher Sache in anderer amtlicher Stellung oder als Zeuge, Sach- verständiger oder bestellter Vertreter gehandelt oder Auftrag gegeben h aben
4. in Verfahren, in denen sie ein persönliches Interesse haben oder aus anderen Gründen befangen sind

§ 9 Verantwortlichkeitsgesetz – Haftung, Rückgriff

1 Die fehlbare Person haftet für den Schaden, den sie dem Staat durch vorsätzliche oder grobfahrlässige Pflichtverletzung zufügt.

§ 61 RSV – Treuepflicht

1 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben die ihnen übertragenen Aufgaben persön- lich zu erfüllen.
2 Sie sind zu treuer, sorgfältiger und wirtschaftlicher Arbeitsleistung verpflichtet. Dabei haben sie die I nteressen des Kantons zu wahren sowie alles zu unterlassen, was diese beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte.

§ 76 RSV – Amtsgeheimnis

1 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind zur Verschwiegenheit über dienstliche An- gelegenheiten verpflichtet, die ihrer Natur nach oder gemäss besonderer Vorschrift geheim zu halten sind.

§ 77 RSV – Ausstandspflicht

1 Die Ausstandspflicht der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter richtet sich, soweit keine anderen Erlasse anwendbar sind, nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege.

§ 78 RSV – Verbot zur Annahme von Geschenken und anderen Vorteilen

1 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist es untersagt, Geschenke oder andere Vortei- le, die im Zusammenhang mit ihrer Diensterfüllung stehen oder stehen könnte n, für sich oder andere Personen zu beanspruchen, anzunehmen oder sich versprechen zu lassen.

Art. 314 StGB – Ungetreue Amtsführung

Mitglieder einer Behörde oder Beamte, die bei einem Rechtsgeschäft die von ihnen zu wahrenden öffentlichen Interessen schädi gen, um sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, werden mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jah- ren oder mit Geldstrafe bestraft. Mit der Freiheitsstrafe ist eine Geldstrafe zu verbin- den.
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