Verordnung der Evangelischen Synode des Kantons Thurgau über Visitationen
Verordnung der Evangelischen Synode des Kantons Thurgau über Visitationen vom 26. November 2012 (Stand 1. August 2014)
1. Grundsatz und Ziele
§ 1 Grundsatz
1 Die Visitationen sind ein Mittel des Kirchenrates, seine Leitungs- und Aufsichts - aufgabe im Sinn von § 65 der Kirchenverfassung
1 )
.wahrzunehmen.
§ 2 Ziele
1 Der Kirchenrat verfolgt mit seiner Visitationstätigkeit insbesondere folgende Ziele:
1. Er macht sich ein Bild vom kirchlichen Leben in den Gemeinden und von der Arbeit der gewählten, angestellten, ehrenamtlichen und freiwilligen Mitarbei - tenden.
2. Er pflegt Kontakte zu den Personen, die in den Gemeinden Verantwortung tra - gen. Die Kontakte beinhalten namentlich die Möglichkeit, Anerkennung aus - zusprechen, zu ermutigen, Rückmeldung zu geben sowie auf Hilfsmöglichkei - ten und Fachstellen hinzuweisen.
3. Er nimmt Anregungen und Rückmeldungen von Seiten der Gemeinden im Blick auf die Tätigkeit der kantonalkirchlichen Behörden, Kommissionen und Dienststellen entgegen.
4. Er leistet Hilfestellung bei anstehenden Problemen.
5. Er verhindert Entwicklungen, die die Einheit der Kirche nach innen und aus - sen gefährden.
2. Visitationsarten
§ 3 Visitationsarten
1 Es werden folgende Visitationsarten unterschieden:
1. Kleine Visitation;
2. Fachbezogene Visitation;
3. Grosse Visitation.
1) RB 187.11
§ 4 Kleine Visitation
1 Die Kleine Visitation besteht aus 1 – 3 Besuchen einer Delegation des Kirchenrates bei der Kirchenvorsteherschaft. Sie dient insbesondere den Zielen gemäss Ziff. 1 bis Ziff. 3 von § 2 dieser Verordnung.
2 Die Delegation des Kirchenrates führt mit der Aufsichtskommission und den Ordi - nierten je getrennte Gespräche.
3 Der Kirchenrat kann die Kleinen Visitationen innerhalb eines Turnus unter ein Schwerpunktthema setzen.
4 Ein kurzer schriftlicher Bericht wird anschliessend an eine Kleine Visitation dem Präsidium von Kirchenvorsteherschaft und Aufsichtskommission sowie den Ordi - nierten zugestellt.
§ 5 Fachbezogene Visitation
1 Die Fachbezogene Visitation besteht aus einer Anzahl Besuchen von dazu beauf - tragten Fachleuten oder dem ressortverantwortlichen Mitglied des Kirchenrates. Ein schriftlicher Bericht wird anschliessend dem Kirchenvorsteherschaftspräsidium und den für das betreffende Ressort verantwortlichen Mitarbeitenden zugestellt.
§ 6 Grosse Visitation
1 Die Grosse Visitation wird von einer Delegation des Kirchenrates, gegebenenfalls unter Zuzug von Fachleuten oder des Dekans, vorgenommen. Sie dient insbesondere den Zielen gemäss § 2 Ziff. 4 und Ziff. 5 dieser Verordnung.
2 Im Rahmen einer Grossen Visitation können namentlich folgende Besuche durch - geführt beziehungsweise Dokumente eingefordert werden:
1. von den Gemeindeverantwortlichen im voraus auszufüllender ausführlicher Fragebogen;
2. Besuche einer Delegation des Kirchenrates in Gottesdiensten, kirchlichen Veranstaltungen und Kirchenvorsteherschaftssitzungen;
3. von der Delegation des Kirchenrates geleiteter öffentlicher Ausspracheanlass im Rahmen einer Veranstaltung der Kirchgemeinde;
4. Besuch einer Delegation des Kirchenrates in der Kirchgemeindeversammlung;
5. Je getrennte Gespräche einer Delegation des Kirchenrates mit den Ordinierten und mit der Aufsichtskommission;
6. Besuche von katechetischem Fachpersonal in Unterrichtsveranstaltungen;
7. Besuch im Archiv.
3 Anschliessend an eine Grosse Visitation wird ein ausführlicher Bericht dem Präsi - dium von Kirchenvorsteherschaft und Aufsichtskommission sowie den Ordinierten zugestellt.
3. Zuständige Stellen
§ 7 Grundsatz
1 Die Synode stellt durch Schaffung der nötigen Stellendotationen die für die Visita - tionstätigkeit erforderlichen personellen Ressourcen sicher.
§ 8 Kirchenratsmitglieder, Dekan, Fachbeauftragte
1 Der Kirchenrat entscheidet mit der Anordnung einer Visitation, welche seiner Mit - glieder für die jeweilige Visitation verantwortlich sind.
2 Der Kirchenrat entscheidet mit der Anordnung einer Visitation oder im Lauf der Visitation, ob der Dekan oder Fachbeauftragte in die Visitation einbezogen werden.
§ 9 Ombudsstelle
1 Unabhängig von Visitationen können Mitarbeitende in den Kirchgemeinden oder der Landeskirche sowie Behördemitglieder und Kirchbürger oder Kirchbürgerinnen bei Meinungsverschiedenheiten und grundsätzlichen Fragen die Dienste einer vom Kirchenrat bezeichneten Ombudsstelle in Anspruch nehmen.
2 Die Inhaber oder Inhaberinnen der Ombudsstelle werden von der Synode gewählt.
3 Die Synode erlässt für die Arbeit der Ombudsstelle eine Verordnung.
4. Verfahren
§ 10 Veranlassung
1 Der Kirchenrat setzt die Kleine Visitation aufgrund eines Turnus an, der innerhalb von längstens 6 Jahren alle Kirchgemeinden erfasst.
2 Der Kirchenrat setzt eine Fachvisitation oder Grosse Visitation aus eigener Veran - lassung oder aufgrund eines Begehrens einer Kirchenvorsteherschaft, einer Auf - sichtskommission oder ordinierter Mitarbeitender einer Kirchgemeinde an, sofern diese zuvor die Ombudsstelle oder das Dekanat aufgesucht haben.
§ 11 Ablauf, Bericht
1 Der Kirchenrat kündigt vor der Aufnahme der Visitationstätigkeit in einer Gemeinde dem Kirchenvorsteherschaftspräsidium das Vorhaben an unter Angabe der Art der bevorstehenden Visitation und der von Seiten des Kirchenrates involvier - ten Personen.
2 Bei Grossen Visitationen informiert die betreffende Kirchenvorsteherschaft in ih - rem offiziellen Publikationsorgan die Kirchgemeinde über die anstehende Visitation und die Möglichkeit für die Gemeindeglieder, mit Anliegen an die Delegation des Kirchenrates zu gelangen.
3 Im Rahmen der Visitation wird eine Traktandenliste erstellt, die durch die Kirchen - vorsteherschaft ergänzt werden kann.
4 Die Visitation ist mit dem Vorliegen des kirchenrätlichen Berichts und gegebenen - falls der Durchführung der angeordneten Massnahmen abgeschlossen.
§ 12 Information der Kirchgemeinde
1 Die Kirchenvorsteherschaft informiert die Kirchgemeinde in geeigneter Form und unter Wahrung des Persönlichkeitsschutzes über die Ergebnisse der Visitation.
§ 13 Summarischer Bericht
1 Einen summarisch verfassten Bericht über die im Rahmen seiner Visitationstätig - keit gemachten Erkenntnisse legt der Kirchenrat jeweils im Jahresbericht vor.
5. Vollzug
§ 14 Massnahmen
1 Zeigt sich anlässlich von Visitationen, dass grössere Probleme oder Konflikte be - stehen, die im Rahmen der Visitation nicht gelöst werden können, kann der Kirchen - rat namentlich folgende Massnahmen anordnen:
1. Empfehlung oder Anordnung von Supervision oder Mediation;
2. Beauftragung von Fachleuten mit einer längerfristigen Begleitung in dem Fachbereich, in dem sich die Probleme gezeigt haben;
3. Beauftragung des Dekans oder einer andern geeigneten Person zur Vermitt - lung in Konfliktfällen;
4. Verpflichtung zu periodischer Berichterstattung über die weitere Entwicklung im betreffenden Problembereich.
§ 15 Verfahren bei der Anordnung von Massnahmen
1 Beabsichtigt der Kirchenrat aufgrund von Erkenntnissen, die er im Rahmen der Vi - sitation gewonnen hat, aufsichtsrechtliche Massnahmen anzuordnen, unterbreitet er diese vor dem Entscheid den Betroffenen zur Stellungnahme und eröffnet den Ent - scheid in rekursfähiger Form.
§ 16 Kosten
1 Die Kosten für die im Rahmen der Visitation erfolgende Tätigkeit der Mitglieder des Kirchenrates und der vom Kirchenrat zugezogenen Fachleute trägt die Landes - kirche.
2 Die Kosten für die im Rahmen von Visitationen empfohlene oder angeordnete wei - tere Begleitung durch Fachleute über die Zeit der Visitation hinaus trägt die betref - fende Kirchgemeinde.
6. Übergangs- und Schlussbestimmungen
§ 17 Aufhebung bisherigen Rechts
1 Diese Verordnung ersetzt die Verordnung des Evangelischen Kirchenrates des Kantons Thurgau über die Visitationen in den Evangelischen Kirchgemeinden vom
6. Dezember 1972.
§ 18 Inkrafttreten
1 Diese Verordnung tritt auf einen vom Kirchenrat festzusetzenden Zeitpunkt in Kraft
1 )
.
1) Von der Synode genehmigt am 26. November 2012. Gemäss Beschluss des Kirchenrates vom 4. Dezember 2013 in Kraft gesetzt auf den 1. August 2014.
Änderungstabelle - Nach Paragraph Element Beschluss Inkrafttreten Änderung Amtsblatt Erlass 26.11.2012 01.08.2014 Erstfassung 12/2014
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