Einführungsgesetz zum Schweizerischen Strafrecht (311.1)
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Einführungsgesetz zum Schweizerischen Strafrecht

Einführungsgesetz zum Schweizerischen Strafrecht (EG StGB) vom 17. August 2005 (Stand 1. Januar 2022)
1. Einrichtungen für den Strafvollzug

§ 1 Allgemeines

1 Zum Vollzug von Strafen und Massnahmen und für die Durchführung von straf- und ausländerrechtlichen Freiheitsentzügen führt der Kanton
1. das Massnahmenzentrum für junge Erwachsene Kalchrain,
2. ein Kantonalgefängnis,
3. regionale Untersuchungsgefängnisse.
2 Der Grosse Rat entscheidet abschliessend über die Errichtung und den Umbau von Vollzugseinrichtungen.
3 Der Regierungsrat kann Verträge über den Straf- und Massnahmenvollzug und Freiheitsentzüge im Sinne von Abs. 1 in anderen geeigneten Einrichtungen ab - schliessen.

§ 2 Massnahmenzentrum für junge Erwachsene Kalchrain

1 Das Massnahmenzentrum für junge Erwachsene Kalchrain dient dem Vollzug von Massnahmen für junge Erwachsene sowie dem Vollzug von Schutzmassnahmen für Jugendliche. *

§ 3 Kantonalgefängnis

1 Das Kantonalgefängnis dient für:
1. kurze Freiheitsstrafen;
2. Untersuchungs- und Sicherheitshaft;
3. vorläufige Festnahmen und Polizeigewahrsam;
4. den ausnahmsweisen Vollzug von Disziplinarmassnahmen gegenüber Einge - wiesenen des Massnahmenzentrums für junge Erwachsene Kalchrain;
5. ausländerrechtliche Freiheitsentzüge.

§ 4 Regionale Untersuchungsgefängnisse

1 Die regionalen Untersuchungsgefängnisse dienen für:
1. Untersuchungs- und Sicherheitshaft;
2. vorläufige Festnahmen und Polizeigewahrsam;
3. den ausnahmsweisen Vollzug von Disziplinarmassnahmen gegenüber Einge - wiesenen des Massnahmenzentrums für junge Erwachsene Kalchrain.

§ 5 Bestimmung des Vollzugsortes

1 Das zuständige Departement bestimmt im Rahmen des Ostschweizerischen Straf - vollzugskonkordates
1 ) den Vollzugsort der von den Gerichten ausgesprochenen Stra - fen und Massnahmen für junge Erwachsene und Erwachsene.
2 Die Jugendanwaltschaft bestimmt den Vollzugsort der Strafen und Massnahmen für Jugendliche.

§ 6 Ausnahmen

1 Wenn wichtige Gründe vorliegen, ist das Departement ermächtigt, von den Bestim - mungen von § 2 bis § 5 abzuweichen.

§ 7 Finanzierung

1 Der Kanton trägt die Kosten für Bau, Umbau, Betrieb und Unterhalt der kantonalen Vollzugseinrichtungen, soweit sie nicht durch Bundesbeiträge gedeckt werden.

§ 8 Aufsicht

1 Der Regierungsrat erlässt die erforderlichen Ausführungsbestimmungen und sorgt dafür, dass die Strafen und Massnahmen sowie die übrigen Freiheitsentzüge nach den massgebenden Vorschriften vollzogen werden können. Er ist ermächtigt, im Rahmen des Bundesrechts neue Straf- und Massnahmenformen einzuführen.
2 Das Departement regelt die übrigen Vollzugsaufgaben, soweit nicht die Gerichte zuständig sind. Es beaufsichtigt die Vollzugseinrichtungen und erlässt die Hausord - nungen.
1) RB 341.1
2. Behörden des Straf- und Massnahmenvollzugs

§ 9 Richterin oder Richter

1 Für Entscheide im Bereich des Straf- und Massnahmenvollzugs, die das Bundes - recht der Richterin oder dem Richter vorbehält, ist diejenige Gerichtsinstanz zustän - dig, welche die rechtskräftige Strafe oder Massnahmen ausgesprochen hat.

§ 10 Staatsanwaltschaft

1 Die Staatsanwaltschaft ist zuständig für: *
1. die Bestimmung der Zahlungsfrist bei Geldstrafe oder Busse und deren Be - zug;
2. die Anordnung sofortiger Bezahlung oder Sicherheitsleistung;
3. * ...

§ 11 Departement

1 Das Departement trifft alle Entscheide im Bereich des Straf- und Massnahmenvoll - zugs, die keiner anderen Behörde vorbehalten sind. Es regelt die Bewährungshilfe und die soziale Betreuung.

§ 12 Jugendanwaltschaft

1 Die Jugendanwaltschaft ist Vollzugsbehörde im Bereich des Bundesgesetzes über das Jugendstrafrecht (JStG)
1 )
.
3. Durchführung des Vollzugs

§ 13 Meldepflicht

1 Nach Eintritt der Rechtskraft sind dem Departement unverzüglich alle Entscheide zuzustellen, die von ihm vollzogen oder die im Strafregister oder anderen Datenban - ken eingetragen oder gelöscht werden müssen.

§ 14 Vollzugsbeginn

1 Bei Freiheitsstrafen von über einem Jahr sowie bei freiheitsentziehenden Massnah - men ist der Vollzug nach Eintritt der Vollstreckbarkeit sofort, im Übrigen innert zweier Monate anzuordnen. Aus schwerwiegenden Gründen können Ausnahmen be - willigt werden.
1) SR 311.1
2 Das Departement kann zur Sicherung des Vollzugs vorsorgliche Massnahmen tref - fen und Haft anordnen.
3 Die Vorladung zum Strafantritt ist in der Regel schriftlich zuzustellen. Bei unbe - kanntem Aufenthalt ist die verurteilte Person polizeilich auszuschreiben.

§ 15 Haftung für Unfälle

1 Der Kanton hat für die Folgen von Unfällen aufzukommen, soweit sie durch den Vollzug bedingt und nicht vorsätzlich von der inhaftierten Person herbeigeführt wor - den sind. Bei grober Fahrlässigkeit der betroffenen Person kann die Entschädigung angemessen herabgesetzt oder abgelehnt werden.

§ 16 Verfall

1 Die von den Behörden des Kantons verhängten Bussen und eingezogenen Gegen - stände sowie Zuwendungen fallen dem Kanton zu.

§ 17 Kostgelder

1 Der Regierungsrat setzt die Kostgelder für die Unterbringung in kantonalen Voll - zugseinrichtungen fest, soweit nicht Bestimmungen des Ostschweizerischen Straf - vollzugskonkordates gelten.

§ 18 Kostenträger

1 Die Kosten des Vollzugs von Strafen, Massnahmen und ausländerrechtlichen Freiheitsentzügen trägt grundsätzlich der Kanton.

§ 19 Rückgriff

1 Für die Kosten des Straf- und Massnahmenvollzugs kann auf die verurteilte Person und weitere Personen nach Massgabe des Bundesrechts Rückgriff genommen wer - den.
2 Der Rückgriff auf ausserkantonale Gemeinwesen gemäss Bundesrecht und Kon - kordaten bleibt vorbehalten.
3 Das Departement beziehungsweise die Jugendanwaltschaft entscheidet im jeweili - gen Zuständigkeitsbereich über den Rückgriff.
4. Disziplinarwesen im Straf- und Massnahmenvollzug

§ 20 Zweck

1 Das Disziplinarwesen dient der Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit in den Vollzugseinrichtungen.

§ 21 Disziplinarvergehen

1 Disziplinarvergehen sind vorsätzliche oder grobfahrlässige Verletzungen der Vollzugsvorschriften, der Hausordnung oder anderer Regelungen der Vollzugsein - richtung sowie Verstösse gegen den Vollzugsplan.
2 Als Disziplinarvergehen gelten insbesondere:
1. Flucht, Fluchtversuch und Fluchthilfe;
2. Tätlichkeit oder Drohung gegen das Personal, Mitgefangene oder Drittperso - nen;
3. Arbeitsverweigerung und Aufwiegelung dazu sowie Nichtrückkehr von einer externen Beschäftigung;
4. Missbrauch des Urlaubs-, Ausgangs- oder Besuchsrechts;
5. unerlaubter Verkehr mit Personen ausserhalb der Vollzugseinrichtung;
6. Ein- und Ausführen, Herstellung, Besitz und Weitergabe von verbotenen Ge - genständen, insbesondere von Waffen oder waffenähnlichen Gegenständen oder von Schriftstücken und nicht bewilligtem Geld unter Umgehung der Kontrolle;
7. Mangelnde Sorgfalt im Umgang mit Tieren, Beschädigung von Gebäuden und Gegenständen oder Verschleuderung von Material;
8. Einführen, Besitz, Herstellung, Konsum von oder Handel mit Drogen oder Al - kohol sowie Missbrauch von Medikamenten;
9. ungebührliches Verhalten gegenüber dem Personal, Mitgefangenen oder Dritt - personen;
10. Missachtung von ausdrücklichen Anordnungen.
3 Die Anstiftung gilt als Disziplinarvergehen.

§ 22 Disziplinarmassnahmen

1 Disziplinarmassnahmen sind:
1. Verweis;
2. zeitweiser Entzug oder Beschränkung der Verfügung über Geldmittel;
3. zeitweiser Entzug oder Beschränkung von Freizeitbeschäftigungen, insbeson - dere der Benützung von Ton- und Bildwiedergabegeräten sowie der Teilnah - me an Veranstaltungen, Kursen oder an gemeinschaftlichen Aktivitäten;
4. zeitweiser Entzug oder Beschränkung der Aussenkontakte, insbesondere Be - suchs-, Ausgangs- und Urlaubssperre; vorbehalten bleibt der Verkehr mit Be - hörden und der Rechtsvertreterin oder dem Rechtsvertreter;
5. Zellen- oder Zimmereinschluss bis zu 14 Tagen;
6. Busse;
7. Arrest bis zu 20 Tagen.
2 Mehrere Disziplinarmassnahmen können miteinander verbunden werden.

§ 23 Disziplinarkompetenzen

1 Der Regierungsrat bezeichnet die mit Disziplinarbefugnissen ausgestatteten Stel - len.

§ 24 Disziplinarverfahren

1 Der Sachverhalt ist abzuklären, die betroffene Person anzuhören und über die Dis - ziplinarmassnahme ein schriftlicher Entscheid zu fällen.
2 Bei Dringlichkeit wird der Entscheid mündlich eröffnet und sobald als möglich schriftlich bestätigt.

§ 25 Rechtsmittel gegen Disziplinarmassnahem

1 Die von einer Disziplinarmassnahme betroffene Person kann innert 24 Stunden Re - kurs beim Departement und gegen Rekursentscheide des Departementes innert 24 Stunden Beschwerde beim Verwaltungsgericht erheben.
5. Kantonales Strafrecht
5.1. Allgemeine Bestimmungen

§ 26 Allgemeiner Teil des Strafgesetzbuches

1 Die allgemeinen Bestimmungen des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB)
1 ) finden auch Anwendung auf Tatbestände, die im kantonalen Recht mit Strafe be - droht sind, sofern die betreffenden Gesetze nicht selbst spezielle Bestimmungen auf - stellen.

§ 27 Übertretungen

1 Auf Übertretungen des kantonalen Strafrechts finden die Bestimmungen von

Art. 103 bis Art. 109 StGB Anwendung, soweit im Folgenden nichts Abweichendes

bestimmt wird.

§ 28 Fahrlässigkeit

1 Die nach kantonalem Recht unter Strafe gestellten Übertretungen sind strafbar, auch wenn sie fahrlässig begangen werden, sofern nicht ausdrücklich nur die vor - sätzliche Begehung mit Strafe bedroht ist.
1) SR 311.0

§ 29 Busse statt Haft

1 Wo in kantonalen Gesetzen Haft oder Busse angedroht wird, ist statt auf Haft auf Busse zu erkennen. Die betreffenden Straftatbestände gelten als Übertretungen.

§ 30 Ausschluss der Begnadigung

1 Bei Verurteilung wegen Übertretungen des kantonalen Rechts ist eine Begnadi - gung ausgeschlossen.
5.2. Übertretungsstraftatbestände

§ 31 Gefährdung durch Tiere

1 Wer ein Tier auf Menschen oder andere Tiere hetzt oder es bewusst vor Angriffen auf Menschen oder Tiere nicht abhält, oder wer durch Reizen, Scheumachen oder unbefugtes Befreien von Tieren eine Gefahr für Menschen, Tiere oder Sachen her - beiführt, wird mit Busse bestraft.

§ 32 Ausbeutung des Aberglaubens und der Leichtgläubigkeit

1 Wer gewerbsmässig den Aberglauben oder die Leichtgläubigkeit anderer durch Wahrsagen, Traumdeuten, Kartenlegen, Geisterbeschwören, Teufelsaustreibungen oder auf ähnliche Art und Weise ausbeutet, wird mit Busse bestraft.

§ 33 Ruhestörung

1 Wer durch Lärm oder sonstigen Unfug die Nachtruhe oder in einer Sitte und An - stand verletzenden Weise die öffentliche Ruhe und Ordnung zur Tageszeit stört, wird mit Busse bestraft.

§ 34 Unbefugtes Schiessen

1 Jedes unbefugte Schiessen in der Nähe von Wohnungen und Strassen wird mit Busse bestraft.

§ 35 Unerlaubte Selbsthilfe

1 Wer unter Umgehung amtlicher Hilfe eigenmächtige Handlungen vornimmt, um ein bestrittenes wirkliches oder vermeintliches Recht geltend zu machen, wird mit Busse bestraft.

§ 36 Beschädigung amtlicher Bekanntmachungen

1 Wer öffentlich angeschlagene amtliche Bekanntmachungen böswillig wegnimmt oder beschädigt, wird mit Busse bestraft.

§ 37 Verweigerung der Namensangabe

1 Wer Behörden oder Personen in amtlichen Funktionen, die sich gehörig ausweisen, auf berechtigte Aufforderung hin zur Person oder zum Wohnsitz Angaben verwei - gert oder darüber vorsätzlich unrichtige Angaben macht, wird mit Busse bestraft.

§ 37a * Missachtung einer polizeilichen Anordnung

1 Wer Anordnungen der Kantonspolizei missachtet, die sie im Rahmen ihrer Befug - nisse erlässt, wird mit Busse bestraft.

§ 38 * ...

§ 39 Vermummungsverbot

1 Wer sich bei bewilligungspflichtigen Versammlungen oder Kundgebungen auf öf - fentlichem Grund unkenntlich macht, wird mit Busse bestraft.
2 Auf die Durchsetzung des Verbotes kann nach Ermessen der Polizei verzichtet werden, wenn sonst die Eskalation der Situation befürchtet werden muss.
6. Übergangs- und Schlussbestimmungen

§ 40 Aufhebung bisherigen Rechtes

1 Das Gesetz betreffend die Einführung des Schweizerischen Strafgesetzbuches vom
21. Dezember 1940 wird aufgehoben.

§ 41 Inkrafttreten

1 Dieses Gesetz tritt auf einen durch den Regierungsrat zu bestimmenden Zeitpunkt in Kraft
1 )
.
1) In Kraft gesetzt auf den 1. Januar 2007.
Änderungstabelle - Nach Paragraph Element Beschluss Inkrafttreten Änderung Amtsblatt Erlass 17.08.2005 01.01.2007 Erstfassung ABl. 35/2005

§ 2 Abs. 1 24.03.2021 01.01.2022 geändert ABl. 13/2021

§ 10 Abs. 1 17.06.2009 01.01.2011 geändert ABl. 26/2009

§ 10 Abs. 1, 3. 24.03.2021 01.01.2022 aufgehoben ABl. 13/2021

§ 37a 24.03.2021 01.01.2022 eingefügt ABl. 13/2021

§ 38 24.03.2021 01.01.2022 aufgehoben ABl. 13/2021

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