Verordnung des Evangelischen Kirchenrates des Kantons Thurgau über die Aktenführung und Archivierung
Verordnung des Evangelischen Kirchenrates des Kantons Thurgau über die Aktenführung und Archivierung vom 7. Dezember 2018 (Stand 1. Januar 2019)
1. Allgemeine Bestimmungen
§ 1 Gegenstand und Geltungsbereich
1 Die Verordnung regelt den Umgang mit Unterlagen von deren Entstehung bis zur Archivierung oder bis zur Vernichtung. Sie definiert die Anforderungen an die Füh - rung des Archivs zum Zwecke der dauernden Überlieferung der Tätigkeit der Kirch - gemeinden und der Landeskirche. Diese Verordnung gilt für die Kirchgemeinden und die Landeskirche und deren Be - hörden, Kommissionen, Pfarrämter und Mitarbeiterschaft.
2 Öffentlich-rechtliche Körperschaften und privatrechtlich organisierte Vereine und Körperschaften, die Aufgaben der Kirchgemeinde oder der Landeskirche erfüllen, sorgen nach den Grundsätzen dieser Verordnung selbständig für die Aktenführung und Archivierung oder beauftragen die Kirchgemeinde oder die Landeskirche damit.
§ 2 Zweck der Aktenführung und Archivierung
1 Die Aktenführung und Archivierung dienen insbesondere:
1. der Rechtssicherheit
2. der Nachvollziehbarkeit des Handelns der kirchlichen Behörden und Verwal - tungen
3. der effizienten, verlässlichen und kontinuierlichen Verwaltungsführung
4. der dauerhaften, zuverlässigen und authentischen Überlieferung von Unterla - gen
5. der wissenschaftlichen und privaten Forschung
§ 3 Begriffe
1 Begriffe:
1. Aktenführung: Systematische Aufzeichnung von Geschäftsvorgängen und sachgerechte Verwaltung und Aufbewahrung der dabei entstehenden Unterla - gen, unabhängig vom Datenträger (auch Schriftgutverwaltung oder Records Management genannt).
2. Archiv: Archive sind öffentliche Einrichtungen, die den überlieferungswürdi - gen Teil der von Kirchgemeinden beziehungsweise der Landeskirche produ - zierten Unterlagen übernehmen und der interessierten Öffentlichkeit zugäng - lich machen.
3. Unterlagen: Alle geschäftsrelevanten Dokumente, die bei der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe erstellt oder empfangen und aufbewahrt werden, samt dazugehörigen Verzeichnisse und ergänzenden Daten, die für das Verständnis dieser Unterlagen und deren Nutzung notwendig sind. Unterlagen können auf Papier, elektronisch oder auf einem anderen Informationsträger vorliegen.
4. Geschäft: Die Bearbeitung der kirchlichen Aufgaben erfolgt in Form von Ge - schäften. Das einzelne Geschäft umfasst die dazugehörigen geschäftsrelevan - ten Unterlagen.
5. Dossier: Gesamtheit der geschäftsrelevanten Unterlagen zu einem Geschäft (auch Akte genannt).
2. Aktenführung
§ 4 Aktenführung
1 Die Kirchgemeinde beziehungsweise die Landeskirche führt ihre Unterlagen so, dass das Handeln der Behörden, Kommissionen und Mitarbeitenden nachvollziehbar und die Rechenschaftsfähigkeit gewährleistet ist.
2 Unterlagen müssen vollständig, verlässlich und verständlich sein. Sie müssen den Geschäftsvorgang glaubwürdig und zuverlässig wiedergeben.
§ 5 Archivtaugliche Informationsträger
1 Die Informationsträger sind so zu wählen, dass mit organisatorischen und techni - schen Massnahmen die Unterlagen vor unbefugten Veränderungen und Zugriffen geschützt werden können. Bei der Wahl des Informationsträgers werden die Anfor - derungen an die Archivierung berücksichtigt
§ 6 Schutz der Unterlagen
1 Unterlagen müssen vor Verlust und Beschädigung geschützt werden.
§ 7 Übernahme ins Archiv
1 Nicht mehr benötigte Unterlagen müssen nach Dossierabschluss in der Regel inner - halb von 10 Jahren dem Archiv zur Übernahme angeboten werden.
2 Die aktenführende Stelle vernichtet die vom Archiv als nicht überlieferungswürdig bewerteten Unterlagen.
§ 8 Vernichtung von Unterlagen
1 Ohne Zustimmung der mit der Archivführung beauftragten Person dürfen keine Unterlagen vernichtet werden.
§ 9 Verantwortlichkeit
1 Die Kirchenvorsteherschaft beziehungsweise der Kirchenrat bestimmt eine für die Aktenführung verantwortliche Person und legt deren Pflichten fest.
3. Führung der pfarramtlichen Register
§ 10 Verantwortlichkeit
1 In jeder Kirchgemeinde ist eine der Pfarrpersonen verantwortlich für die pfarramt - lichen Register.
§ 11 Formerfordernis
1 Die pfarramtlichen Register müssen in Buchform handschriftlich geführt oder peri - odisch ausgedruckt und archivtauglich gebunden werden.
§ 12 Arten der pfarramtlichen Register
1 Es werden folgende pfarramtliche Register geführt:
1. Taufregister: In diesem Register werden in der Reihenfolge des Vollzugs der Taufe die Namen aller in der Kirchgemeinde Getauften eingetragen. Kinder aus konfessionell gemischter Ehe sind mit einem entsprechenden Vermerk einzutragen.
2. Konfirmationsregister: Die Namen aller in der Kirchgemeinde Konfirmierten werden jährlich eingetragen.
3. Eheregister: Alle in der Kirchgemeinde vollzogenen Trauungen sind chrono - logisch einzutragen, unabhängig vom Wohnsitz der Brautleute.
4. Abdankungsregister (bisher Totenregister): In diesem Register werden alle in der Kirchgemeinde gehaltenen kirchlichen Abdankungen chronologisch ein - getragen.
2 Der Kirchenrat definiert die in den Registern zu erfassenden Angaben.
4. Archivierung
§ 13 Archiv
1 Die Landeskirche und jede Kirchgemeinde führen je ein eigenes Archiv.
§ 14 Archivumfang
1 Das Archiv umfasst sämtliche überlieferungswürdigen Unterlagen der Behörden, Kommissionen, Pfarrämter und Mitarbeitenden.
§ 15 Übernahme
1 Nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist übernimmt das Archiv die überlieferungs - würdigen Unterlagen zur dauernden Archivierung.
§ 16 Zu archivierende Unterlagen
1 Insbesondere werden nachfolgende Unterlagen archiviert:
1. Leitung
1.1. Abstimmungsbotschaften
1.2. Wahlprotokolle
1.3. Protokolle der Kirchgemeindeversammlung, der Kirchenvorsteher - schaft, der Aufsichtskommission und der weiteren Kommissionen und Leitungsgremien
1.4. Sitzungsbeilagen zu Kirchenvorsteherschafts-, Aufsichtskommissions- und weiteren Kommissions- und Leitungsgremiensitzungen
1.5. Jahresberichte der Kirchenvorsteherschaft, der Aufsichtskommission und weiterer Kommissionen und der Leitungsgremien
1.6. Rechtliche Grundlagen der Kirchgemeinde (Interne Weisungen und Reglemente)
1.7. Ressortpapiere, Unterlagen zur Organisation der Kirchgemeinde
1.8. Unterlagen zu Amtsübergaben und Visitationen
1.9. Unterlagen zu Aufnahmen und Austritten
1.10. Streit- und Rekursfälle
1.11. Publikationen und Druckschriften der Kirchgemeinde
2. Finanzen, Personal, Liegenschaften
2.1. Originaljahresrechnung der Kirchgemeinde inklusive Revisorenbe - richte und kirchenrätliche Genehmigung; Mitarbeiterdossiers (Perso - naldossiers)
2.2. Bauakten
2.3. Liegenschaftendossiers
3. Kirchliches Feiern, Seelsorge, Unterricht, Gemeindeleben (Kernaufgaben der Kirchgemeinde)
3.1. Pfarramtliche Register inklusive Segnungsurkunden
3.2. Auswahl an Predigten
3.3. Auswahl an Unterlagen zu Veranstaltungen und Angeboten
3.4. Auswahl an Fotografien und Bildern
4. Übrige Unterlagen, die für die dauernde Nachvollziehbarkeit des kirchge - meindlichen Handelns wichtig sind.
2 Für die Landeskirche gelten sinngemäss dieselben Grundsätze.
§ 17 Archivverzeichnis
1 Die archivierten Unterlagen werden in einem Archivverzeichnis verzeichnet.
§ 18 Übernahme privater Unterlagen
1 Die Archive können als Ergänzung Überlieferungsgut privater Herkunft überneh - men, sofern es für die Geschichte der Kirchgemeinde beziehungsweise der Landes - kirche von Bedeutung ist.
§ 19 Öffentliche Zugänglichkeit
1 Archivierte Unterlagen sind nach Ablauf der Schutzfristen im Rahmen der Benut - zerordnung öffentlich und unentgeltlich zugänglich.
§ 20 Schutzfristen
1 Die allgemeine Schutzfrist für Unterlagen beträgt 20 Jahre ab Dossierschluss.
2 Die Schutzfrist für Unterlagen mit besonders schützenswerten Personendaten be - trägt 100 Jahre ab Dossierschluss.
3 Unterlagen, die vor der Archivierung frei zugänglich waren, bleiben es auch da - nach.
4 Betroffene Personen haben Zugang zu ihren eigenen Daten oder können in die Be - kanntgabe ihrer eigenen Daten einwilligen.
5 Auf Gesuch kann die Kirchenvorsteherschaft beziehungsweise der Kirchenrat wäh - rend laufender Schutzfrist Einsicht in die Unterlagen gewähren, sofern die angeführ - ten Gründe die öffentlichen oder schützenswerten privaten Interessen überwiegen.
§ 21 Schutz des Archivs
1 Die Kirchgemeinde beziehungsweise die Landeskirche sorgt für die dauerhafte Er - haltung und Lesbarkeit des Archivguts.
2 Sie gewährleistet die Authentizität und Integrität des Archivguts.
§ 22 Verantwortlichkeit
1 Die Verantwortung für das Archiv trägt die Kirchenvorsteherschaft beziehungswei - se der Kirchenrat.
§ 23 Beauftragung für Archivführung
1 Die Kirchenvorsteherschaft beziehungsweise der Kirchenrat beauftragt eine Person mit der Archivführung.
2 Die Kirchenvorsteherschaft beziehungsweise der Kirchenrat kann einzelne Aufga - ben Dritten übertragen.
§ 24 Archivdepot bei Dritten
1 Die Kirchgemeinde beziehungsweise die Landeskirche kann ihre Archivalien bei Dritten deponieren und diese mit der Führung des Archivs beauftragen. Die Einzel - heiten sind in einem Dienstleistungsvertrag zu regeln. Das Archivdepot bleibt Eigentum der Kirchgemeinde.
2 Die Einrichtung eines Archivdepots einer Kirchgemeinde erfordert die Zustim - mung des Kirchenrats.
5. Aufgaben des Kirchenrates
§ 25 Beratung
1 Der Kirchenrat oder ein von ihm bezeichneter Dritter berät die Kirchgemeinden bei Fragen der Aktenführung und Archivierung.
§ 26 Visitation
1 Der Kirchenrat oder ein von ihm bezeichneter Dritter visitiert periodisch die Ak - ten- und Registerführung sowie die Archive der Kirchgemeinden.
6. Schlussbestimmungen
§ 27 Inkraftsetzung
1 Die Verordnung tritt am 1. Januar 2019 in Kraft und ersetzt die Verordnung über die Führung der pfarramtlichen Register und die Einrichtung und Verwaltung der Pfarrarchive in den Kirchgemeinden vom 6. Februar 1980.
Änderungstabelle - Nach Paragraph Element Beschluss Inkrafttreten Änderung Amtsblatt Erlass 07.12.2018 01.01.2019 Erstfassung 51/52 2018
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