Gesetz über die disziplinarische Verantwortlichkeit der Behördemitglieder und öffentlichen Angestellten
Gesetz über die disziplinarische Verantwortlichkeit der Behördemitglieder, Beamten und öffentlichen Angestellten (Disziplinargesetz) vom 28. März 1974 (Stand 1. Januar 2019) Der Grosse Rat des Kantons St.Gallen hat von der Botschaft des Regierungsrates vom 29. August 1972 1 Kenntnis genom - men und erlässt als Gesetz: 2 I. Geltungsbereich (1.)
Art. 1 * Grundsatz
1 Dieses Gesetz regelt die disziplinarische Verantwortlichkeit: a) der Magistratspersonen; b) der vom Volk, Kantonsrat, Kantonsgericht oder von einem Kreisgericht gewählten Mitglieder der Gerichte und anderer Justizbehörden; c) von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Kantons, soweit die besondere Gesetzgebung für diese anstelle der personalrechtlichen Massnahmen nach dem Personalgesetz vom 25. Januar 2011 3 die disziplinarische Verantwortlich - keit vorsieht; d) der Mitglieder der obersten Leitungsorgane von selbständigen öffentlich- rechtlichen Anstalten und Körperschaften. Vorbehalten bleiben besondere ge - setzliche Bestimmungen und zwischenstaatliche Vereinbarungen; e) der vom Volk gewählten Behördemitglieder der Gemeinden;
1 ABl 1972, 1396.
2 nGS 9, 569; nGS 16–53. Vom Grossen Rat erlassen am 13. Februar 1974; nach unbenützter Referendumsfrist rechtsgültig geworden am 28. März 1974; in Vollzug ab 1. Mai 1974.
3 sGS 143.1 .
f) der in einem Arbeitsverhältnis mit der Gemeinde, dem selbständigen öffent - lichrechtlichen Gemeindeunternehmen, der selbständigen öffentlich- rechtli - chen Kindes- und Erwachsenenschutzeinrichtung, dem Zweckverband oder dem Gemeindeverband stehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wenn das Reglement oder die Verbandsvereinbarung für diese die disziplinarische Verantwortlichkeit vorsieht.
Art. 2 * Ausnahmen
a) Kantonsrat
1 Auf die Mitglieder des Kantonsates findet dieses Gesetz keine Anwendung.
Art. 3 * b) abweichendes Recht
1 Dieses Gesetz findet keine Anwendung, soweit eidgenössische Erlasse und kanto - nale Gesetze 4 abweichende Vorschriften enthalten.
2 Abweichende Vorschriften kantonaler Verordnungen sind zulässig, soweit ein eidgenössischer Erlass oder ein kantonales Gesetz die Regelung der disziplinari - schen Verantwortlichkeit auf den Verordnungsweg verweist.
3 Den kantonalen Gesetzen gleichgestellt sind zwischenstaatliche Vereinbarungen mit Gesetzesrang. *
4 Die als öffentlich-rechtliche Körperschaft anerkannten Religionsgemeinschaf - ten können im Rahmen ihrer Autonomie 5 abweichende Vorschriften erlassen. * II. Disziplinarfehler und Disziplinarmassnahmen (2.)
Art. 4 Disziplinarfehler
1 Als Disziplinarfehler gelten: a) eine schuldhafte Verletzung der Amts- oder Dienstpflicht; b) ein schuldhaftes Verhalten ausser Amt oder Dienst, das mit dem Amt oder dem Dienst offensichtlich nicht vereinbar ist.
Art. 5 Disziplinarmassnahmen
1 Disziplinarmassnahmen sind: a) schriftlicher Verweis; b) Geldleistung bis Fr. 2000.–; c) Unterbrechung der periodischen Besoldungserhöhung;
4 Art. 51 bis 53 des Erziehungsgesetzes, sGS 211.1 (in Revision); Art. 17 Abs. 2 PG, sGS 451.1 ;
Art. 53 FSG, sGS 871.1 .
5 Art. 110 KV, sGS 111.1 .
d) Versetzung in eine tiefere Besoldungsklasse; e) Versetzung in das provisorische Dienstverhältnis auf bestimmte Zeit, längs - tens aber für die Dauer von zwei Jahren; f) Versetzung in ein anderes Amt oder in einen anderen Dienst; g) Einstellung im Amt oder im Dienst bis zu drei Monaten mit Entzug oder Kür - zung der Besoldung; h) Androhung der Entlassung; i) Entlassung aus dem Amt oder dem Dienst.
2 Mehrere Disziplinarmassnahmen können miteinander verbunden werden.
3 Andere Disziplinarmassnahmen sind nicht zulässig.
Art. 6 Beanstandung
1 Ist der Disziplinarfehler geringfügig, so tritt an die Stelle einer Disziplinarmass - nahme die schriftliche oder mündliche Beanstandung durch den unmittelbaren Vorgesetzten.
Art. 7 Ermessensgrundsatz
1 Ob ein Disziplinarfehler zu verfolgen ist und welche Disziplinarmassnahmen zu verhängen sind, wird nach pflichtgemässem Ermessen entschieden.
2 Im übrigen richtet sich die Art der Massnahme nach dem Verschulden, dem bis - herigen Verhalten und der dienstlichen Stellung des Fehlbaren sowie nach Um - fang und Bedeutung der verletzten oder gefährdeten Amts- oder Dienstinteressen.
Art. 8 Verwirkung
1 Ein Disziplinarfehler kann nur verfolgt werden, wenn die Disziplinarbehörde die Untersuchung innert drei Monaten anordnet, nachdem ihr der Disziplinarfehler und der Fehlbare bekanntgeworden sind.
Art. 9 Verjährung
a) der Verfolgung
1 Die Verfolgung eines Disziplinarfehlers verjährt innert zwei Jahren nach dessen Begehung. Die Verjährung wird durch jede Untersuchungshandlung oder Verfü - gung gegen den Fehlbaren und durch jedes Rechtsmittel unterbrochen. Mit jeder Unterbrechung beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.
2 Die Verfolgung des Disziplinarverfahrens verjährt trotz der Unterbrechung vier Jahre nach der Begehung.
3 Wird ein Strafverfahren eingeleitet, so gelten die strafrechtlichen Verjährungs - fristen 6 , wenn sie länger sind.
Art. 10 b) der Vollstreckung
1 Die Vollstreckung von Disziplinarmassnahmen verjährt in einem Jahr nach dem Eintritt der Rechtskraft.
2 Für die Vollstreckung von Geldleistungen beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre.
Art. 11 Zuweisung der Geldleistung
1 Die Geldleistung fällt dem Gemeinwesen zu, dessen Behörde die Disziplinar - massnahme angeordnet hat. III. Disziplinarrechtspflege (3.)
Art. 12 * Zuständigkeit zum Erlass von Disziplinarmassnahmen
1 Zum Erlass von Disziplinarmassnahmen ist die Disziplinarbehörde zuständig.
2 Disziplinarbehörde ist: a) * der Kantonsrat für die Mitglieder der Regierung, des Kantonsgerichtes, des Verwaltungsgerichtes, des Versicherungsgerichtes, der Anklagekammer und den Staatssekretär; b) die Regierung:
1. für die vom Volk oder Kantonsrat gewählten Behördemitglieder des Kantons und der Gemeinden;
2. für die Mitglieder der obersten Leitungsorgane von selbständigen öffent - lich-rechtlichen Anstalten und Körperschaften. Vorbehalten bleiben be - sondere gesetzliche Bestimmungen und zwischenstaatliche Vereinbarun - gen; c) das Kantonsgericht für die vom Volk, Kantonsrat, Kantonsgericht oder von einem Kreisgericht gewählten Mitglieder der Gerichte und anderer Justizbe - hörden. Es entscheidet eine Disziplinarkammer von fünf Mitgliedern; d) * das Verwaltungsgericht für die Mitglieder der Verwaltungsrekurskommission; e) die Anklagekammer für die Erste Staatsanwältin oder den Ersten Staatsanwalt, die Leitenden Staatsanwältinnen und Leitenden Staatsanwälte sowie die Leitende Jugendanwältin oder den Leitenden Jugendanwalt; f) die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber nach Art. 9 des Personalgesetzes vom
25. Januar 2011 7 in den übrigen Fällen.
6 Art. 97 ff. des Schweizerischen Strafgesetzbuchs vom 21. Dezember 1937, SR 311.0 .
7 sGS 143.1 .
Art. 13 * Disziplinarkommission
a) des Kantonsrates
1 Der Kantonsrat bestellt zur Untersuchung von Disziplinarfällen seines Diszipli - narbereiches und zur Antragstellung eine Disziplinarkommission aus seiner Mitte.
Art. 14 b) des Regierungsrates
1 Die Regierung wählt zur Untersuchung von Disziplinarfällen ihres Disziplinarbe - reiches eine Disziplinarkommission von fünf Mitgliedern.
2 In der Disziplinarkommission sollen das Personal, das Personalamt und die Gemeindebehörden vertreten sein. Es darf ihr kein Mitglied des Regierungsrates angehören. Den Personalverbänden steht für die Wahl des Personalvertreters das Vorschlagsrecht zu.
3 Der Vorsitzende darf nicht der öffentlichen Verwaltung angehören.
Art. 15 c) der übrigen Disziplinarbehörden
1 Die übrigen Disziplinarbehörden wählen eine ständige Kommission von fünf Mitgliedern oder setzen von Fall zu Fall eine Disziplinarkommission von drei Mit - gliedern ein. Art. 14 dieses Gesetzes wird sachgemäss angewendet.
Art. 16 Disziplinaruntersuchung
a) Anordnung
1 Die Disziplinaruntersuchung wird von der Disziplinarbehörde angeordnet.
2 Auf die Untersuchung kann im Einverständnis mit dem Fehlbaren verzichtet werden, wenn der Tatbestand unbestritten ist und als Disziplinarmassnahme nur ein Verweis in Frage kommt.
Art. 17 * b) Antrag
1 Ein Behördemitglied oder ein Angestellter kann die Einleitung einer Disziplinar - untersuchung gegen sich selbst beantragen.
2 Die Disziplinarkommission hat von sich aus die Anordnung einer Disziplinarun - tersuchung zu beantragen, wenn Anhaltspunkte bestehen, dass ein schwerwiegen - der Disziplinarfehler vorliegen könnte.
Art. 18 c) Untersuchungshandlungen
1 Die Untersuchungshandlungen werden in der Regel vom Vorsitzenden der Dis - ziplinarkommission durchgeführt.
2 Sie können einem andern Mitglied der Disziplinarkommission übertragen wer - den.
3 Auf Antrag der Disziplinarkommission kann die Disziplinarbehörde einen Aus - senstehenden mit den Untersuchungshandlungen betrauen.
Art. 19 d) Abschluss
1 Die Disziplinarkommission stellt nach Abschluss der Untersuchung der Diszipli - narbehörde einen begründeten Antrag.
2 Dem Betroffenen ist Gelegenheit zu geben, zum begründeten Antrag der Diszi - plinarkommission Stellung zu nehmen.
Art. 20 Aussetzung der Disziplinarmassnahmen
1 Wird im Lauf eines Disziplinarverfahrens wegen des gleichen Tatbestandes gegen den Betroffenen ein Strafverfahren eröffnet, 8 so können die Disziplinaruntersu - chung und die Verfügung einer Disziplinarmassnahme ausgesetzt werden.
Art. 21 Vorsorgliche Disziplinarmassnahme
1 Die Disziplinarbehörde kann die Versetzung des Betroffenen in ein anderes Amt oder in einen anderen Dienst oder die Einstellung im Amt oder im Dienst vor - sorglich verfügen, wenn sonst die Disziplinaruntersuchung wesentlich erschwert oder das Interesse des Amtes oder Dienstes erheblich geschädigt würde.
2 Dem vorsorglich Versetzten oder Eingestellten darf die Besoldung weder entzo - gen noch gekürzt werden.
Art. 22 Einstellung des Disziplinarverfahrens
1 Scheidet der Betroffene aus dem Amt oder dem Dienst aus, so wird das Diszipli - narverfahren eingestellt, wenn nicht wichtige öffentliche oder private Interessen entgegenstehen oder der Betroffene die Fortsetzung des Verfahrens verlangt. *
Art. 24 Ergänzendes Recht
1 Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, wird das Gesetz über die Verwal - tungsrechtspflege 9 sachgemäss angewendet.
8 Art. 10 Abs. 2, Art. 19 Abs. 2 und Art. 53 StP, sGS 962.1 .
9 sGS 951.1 .
IV. Schlussbestimmungen (4.)
Art. 25 10
Art. 26 11
Art. 27 12
Art. 28 13
Art. 29 14
Art. 30 15
Art. 31 Aufhebung bisherigen Rechts 16
Art. 32 Vollzugsbeginn
1 Die Regierung bestimmt, wann dieses Gesetz in Vollzug tritt. 17
10 Änderungen bisherigen Rechts werden nicht aufgeführt.
11 Änderungen bisherigen Rechts werden nicht aufgeführt.
12 Änderungen bisherigen Rechts werden nicht aufgeführt.
13 Änderungen bisherigen Rechts werden nicht aufgeführt.
14 Änderungen bisherigen Rechts werden nicht aufgeführt.
15 Änderungen bisherigen Rechts werden nicht aufgeführt.
16 Überholt durch Übertretungsstrafgesetz vom 13. Dezember 1984, sGS 921.1 .
17 In Vollzug ab 1. Mai 1974, ABl 1974, 432.
* Änderungstabelle - Nach Bestimmung Bestimmung Änderungstyp nGS-Fundstelle Erlassdatum Vollzugsbeginn Erlass Grunderlass 16–53 28.03.1974 01.05.1974
Art. 1 geändert 47–31 25.01.2011 keine Angabe
Art. 1 geändert 47–149 24.04.2012 01.01.2013
Art. 2 geändert 47–31 25.01.2011 keine Angabe
Art. 3 geändert 47–31 25.01.2011 keine Angabe
Art. 3, Abs. 3 geändert 2018-062 14.08.2018 01.01.2019
Art. 3, Abs. 4 geändert 2018-062 14.08.2018 01.01.2019
Art. 12 geändert 47–31 25.01.2011 keine Angabe
Art. 12, Abs. 2, a) geändert 2017-032 31.01.2017 01.06.2017
Art. 12, Abs. 2, d) geändert 2017-032 31.01.2017 01.06.2017
Art. 13 geändert 47–31 25.01.2011 keine Angabe
Art. 17 geändert 47–31 25.01.2011 keine Angabe
Art. 23 aufgehoben 44–52 01.06.2008 01.01.2011
* Änderungstabelle - Nach Erlassdatum Erlassdatum Vollzugsbeginn Bestimmung Änderungstyp nGS-Fundstelle
28.03.1974 01.05.1974 Erlass Grunderlass 16–53
01.06.2008 01.01.2011 Art. 23 aufgehoben 44–52
25.01.2011 keine Angabe Art. 1 geändert 47–31
25.01.2011 keine Angabe Art. 2 geändert 47–31
25.01.2011 keine Angabe Art. 3 geändert 47–31
25.01.2011 keine Angabe Art. 12 geändert 47–31
25.01.2011 keine Angabe Art. 13 geändert 47–31
25.01.2011 keine Angabe Art. 17 geändert 47–31
24.04.2012 01.01.2013 Art. 1 geändert 47–149
31.01.2017 01.06.2017 Art. 12, Abs. 2, a) geändert 2017-032
31.01.2017 01.06.2017 Art. 12, Abs. 2, d) geändert 2017-032
14.08.2018 01.01.2019 Art. 3, Abs. 3 geändert 2018-062
14.08.2018 01.01.2019 Art. 3, Abs. 4 geändert 2018-062
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