Gesetz über die öffentliche Krankenpflege (812.11)
CH - AR

Gesetz über die öffentliche Krankenpflege

I. Allgemeine Bestimmungen

Art. 1 Geltungsbereich

1 Dieses Gesetz regelt die öffentliche Krankenpflege.
2 Zur öffentlichen Krankenpflege gehören namentlich: a) die Gesundheitsvorsorge durch Aufklärung, Beratung und Hilfe zu fördern; b) Einrichtungen für Diagnostik, Therapie, Pflege, Betreuung und Rehabilita- tion bereitzustellen und zu unterstützen; c) die ärztliche Behandlung und den Transport von Patientinnen und Patien- ten in Notfällen sicherzustellen; d) spitalexterne Dienstleistungen sicherzustellen; e) die Aus- und Weiterbildung zu fördern.

Art. 2 Zweck

1 Die öffentlichen Krankenpflegedienste sind den Bedürfnissen der Bevölke- rung und der Entwicklung der medizinischen Wissenschaft anzupassen. Die finanziellen Möglichkeiten der öffentlichen Hand sind zu berücksichtigen.
2 Die Mittel für die öffentliche Krankenpflege sind zweckmässig und wirt- schaftlich einzusetzen.
3 Die privaten und öffentlichen Einrichtungen der Krankenpflege sind zu ko-
727 812.11 Gesetz über die öffentliche Krankenpflege (Krankenpflegegesetz) vom 12. März 2000 Die Stimmberechtigten des Kantons Appenzell A.Rh., gestützt auf Art. 48 der Kantonsverfassung 1) , beschliessen: Ausserrhodische Gesetzessammlung
1) bGS 111.1

Art. 3 Planung

Die kantonalen Behörden sorgen zusammen mit den Gemeinden und ande- r en Kantonen für eine gesamtheitliche und zweckmässige Planung der öf- fentlichen Krankenpflege.

Art. 4 Kantonale Organe

a) Kantonsrat Der Kantonsrat a) berät die Grundsätze der Planung; b) befindet über die Errichtung von Aus- und Weiterbildungsstätten; c) entscheidet über die finanzielle Beteiligung an den Spitex-Diensten.

Art. 5 b) Regierungsrat

1 Der Regierungsrat a) erarbeitet die Planung der öffentlichen Krankenpflege; b) erlässt die Verordnung über den Betrieb des Spitalverbundes AR und die Dienst- und Besoldungsvorschriften; c) legt den Leistungsauftrag und die Finanzierungsgrundsätze für den Spital- verbund AR fest; d) genehmigt die Tarife für den Spitalverbund AR; e) genehmigt den Businessplan 1) für den Spitalverbund AR; f) regelt die privatärztliche Tätigkeit an kantonalen Spitälern und bestimmt das Entgelt für die Benützung der Spitaleinrichtungen; g) schliesst Verträge mit öffentlichen und privaten Einrichtungen unter Vorbe- halt der Genehmigung allfälliger Investitionsbeiträge von über Fr. 500 000.–.
2 Der Regierungsrat wählt a) die Kommission für öffentliche Krankenpflege; b) den Spitalrat; c) die Geschäftsleitung des Spitalverbundes AR.

Art. 6 c) Gesundheitsdirektion

1 Die Gesundheitsdirektion vollzieht dieses Gesetz, soweit keine anderen Zu- ständigkeiten vorgesehen sind.
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1) Der Businessplan enthält insbesondere die Unternehmensstrategie, das Leistungs- angebot, die Führungs- und Betriebsorganisation sowie die Massnahmen- und die Finanzplanung.
2 Sie hat namentlich a) die öffentliche Krankenpflege zu überwachen; b) den Spitalverbund AR zu beaufsichtigen; c) die Vertretung des Kantons in den kantonal unterstützten Einrichtungen zu bezeichnen.

Art. 7 d) Kommission für öffentliche Krankenpflege

1 Die Kommission für öffentliche Krankenpflege besteht aus mindestens fünf Mitgliedern.
2 Die Kommission berät die Gesundheitsdirektion in grundsätzlichen Fragen der öffentlichen Krankenpflege.
3 Die Gesundheitsdirektorin oder der Gesundheitsdirektor präsidiert die Kommission.

Art. 8 e) Spitalrat

1 Der Spitalrat besteht aus mindestens drei Mitgliedern.
2 Der Spitalrat berät die Gesundheitsdirektion in grundsätzlichen Fragen der Spitalführung.
3 Die Gesundheitsdirektorin oder der Gesundheitsdirektor präsidiert den Spi- talrat. II. Spitäler

Art. 9 Kantonale Spitäler

1 Unter der Bezeichnung «Spitalverbund AR» führt der Kanton in Herisau und Heiden je ein Akutspital und in Herisau eine psychiatrische Klinik.
2 Die Akutspitäler dienen der Untersuchung sowie der Behandlung von akut Kranken und Verletzten und gewährleisten die stationäre medizinische Grund- versorgung der Bevölkerung.
3 Sie können nach Massgabe ihres Leistungsauftrages besondere, über die Grundversorgung hinausgehende Leistungen anbieten.
4 Sie können zudem zur Ergänzung des Angebots der freipraktizierenden Ärz- tinnen und Ärzte und zur Erfüllung ihres Ausbildungsauftrages ambulante Dienste führen.
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5 Die psychiatrische Klinik dient der Behandlung, Pflege, Betreuung und Re- habilitation von psychisch Kranken, psychisch und geistig Behinderten sowie psychiatrischen Alterspatientinnen und -patienten.
6 Der Klinik sind sozialpsychiatrische Dienste und Einrichtungen ange- schlossen.

Art. 10 Geschäftsleitung

1 Dem Spitalverbund AR steht eine Geschäftsleitung vor.
2 Ihr obliegt die Führung des Spitalverbundes. Sie setzt ihre Aufgaben im Rahmen des Leistungsauftrages, des Businessplanes und der zur Verfügung gestellten Mittel um.
3 Die Geschäftsleitung besteht aus mindestens fünf Mitgliedern.

Art. 11 Aufnahmepflicht

1 Die kantonalen Spitäler sind zur Aufnahme von Patientinnen und Patienten, die einer unaufschiebbaren Behandlung, Betreuung oder Pflege bedürfen, verpflichtet.
2 Über die Unaufschiebbarkeit entscheidet die ärztliche Leitung.

Art. 12 Rechte und Pflichten von Patientinnen und Patienten

a) Im Allgemeinen
1 Patientinnen und Patienten haben Anspruch auf Untersuchung, Behand- lung und Pflege nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft.
2 Ihre persönliche Freiheit und Privatsphäre sind zu achten, soweit die Um- stände es zulassen.
3 Der Kantonsrat erlässt die näheren Bestimmungen über die Rechte und Pflichten von Patientinnen und Patienten, namentlich über a) das Recht auf Selbstbestimmung und dessen Beschränkungen, insbe- sondere durch Zwangsbehandlung; b) die Mitwirkungspflichten; c) das Recht auf Auskunft und Akteneinsicht; d) das Beschwerderecht.
4 Soweit keine besonderen Vorschriften bestehen, sind die medizinisch-ethi- schen Richtlinien der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissen- schaften sinngemäss anwendbar.

Art. 13 b) Obduktion

1 An verstorbenen Spitalpatientinnen und -patienten kann im Interesse der Sicherung und Mehrung des ärztlichen Wissens eine Obduktion durchgeführt werden.
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2 Die Obduktion unterbleibt, wenn die oder der nächste Angehörige Ein- spruch erhebt oder die Patientin oder der Patient anders verfügt hat. Auf Ver- fügung der Gesundheitsdirektion findet sie auch in diesem Falle statt, wenn Ve rd acht auf eine übertragbare Krankheit besteht.
3 Die Bestimmungen der Strafprozessordnung
1) bleiben vorbehalten.

Art. 14 c) Organverpflanzung

1 Im Spital Verstorbenen können Gewebeteile oder Organe zur Verpflanzung entnommen werden, wenn es zur Rettung des Lebens einer Patientin oder eines Patienten unerlässlich ist.
2 Der Tod wird in diesem Falle durch eine Ärztin oder einen Arzt festgestellt, die weder an der Entnahme noch an der Verpflanzung beteiligt ist.
3 Die Entnahme unterbleibt, wenn die oder der nächste Angehörige Ein- spruch erhebt oder die Patientin oder der Patient anders verfügt hat.

Art. 15 d) Haftung

1 Für den Schaden, den das Spitalpersonal einer Patientin oder einem Patien- ten im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit widerrechtlich zufügt, haftet der Kanton.
2 Das kantonale Verantwortlichkeitsrecht
2) ist anwendbar.

Art. 16 Andere Spitäler

1 Der Regierungsrat kann mit öffentlichen oder privaten Spitälern Vereinba- rungen treffen, soweit die medizinische Versorgung der ausserrhodischen Be- völkerung nicht durch den Spitalverbund AR sichergestellt ist.
2 Der Kanton kann sich zu diesem Zweck an Spitälern beteiligen oder sie mit Beiträgen unterstützen.

Art. 17 Ausserordentliche Lagen

In ausserordentlichen Lagen kann der Regierungsrat über sämtliche im Kan- ton gelegenen Spitäler und Heime verfügen und diese im Rahmen ihres Auf- gabenkreises und ihrer Leistungsfähigkeit zur Aufnahme von Patientinnen und Patienten verpflichten.
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1) bGS 321.1
2) Vgl. Art. 262 ff. des Gesetzes über die Einführung des Schweizerischen Zivilgesetz- buches (EG zum ZGB); bGS 211.1
III. Pflegeheime

Art. 18 Grundsatz

1 Die Gemeinden stellen eine genügende Anzahl von Plätzen in Pflegeheimen bereit.
2 Massgebend sind die Grundsätze der kantonalen Planung.
3 Die Gemeinden betreiben die Pflegeheime selbst oder durch Bildung von Zweckverbänden, oder sie stellen die Plätze durch Vereinbarung mit anderen Körperschaften oder Privaten sicher.

Art. 19 Unterstützung durch den Kanton

a) Im Allgemeinen Der Kanton berät die Gemeinden und leistet Beiträge an Neu-, Um- und Er- weiterungsbauten von Pflegeheimen und Pflegeabteilungen.

Art. 20 b) Beiträge

1 Beiträge an Neu-, Um- und Erweiterungsbauten werden nur ausgerichtet, wenn a) das Betriebskonzept mit den Grundsätzen dieses Gesetzes und der kan- tonalen Planung übereinstimmt; b) eine Verpflichtung zur vorrangigen Aufnahme von Patientinnen und Pa- tienten aus dem Kanton, insbesondere bei deren Austritt aus kantonalen Spitälern, eingegangen wird; c) eine rationelle Betriebsführung und ein angemessener Kostendeckungs- grad zu erwarten sind.
2 Die Beiträge belaufen sich auf fünfzig Prozent der anerkannten Kosten. IV. Spitalexterne Kranken- und Gesundheitspflege

Art. 21 Grundsatz

1 Die Gemeinden stellen die Versorgung mit Diensten der spitalexternen Kranken- und Gesundheitspflege sicher.
2 Sie leisten Beiträge an die in der spitalexternen Kranken- und Gesund- heitspflege tätigen gemeinnützigen Institutionen.
3 Die Gemeinden betreiben Einrichtungen der spitalexternen Kranken- und Gesundheitspflege selbst, soweit ihre Bevölkerung nicht hinreichend durch andere Institutionen versorgt werden kann.
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Art. 22 Unterstützung durch den Kanton

1 Der Kanton unterstützt die Beratung der Gemeinden sowie der in der spital- externen Kranken- und Gesundheitspflege tätigen Institutionen und koordi- niert deren Tätigkeiten.
2 Er sorgt für genügende Möglichkeiten der Aus- und Weiterbildung und beteiligt sich an den Kosten.
3 Er leistet direkt oder durch Verträge mit den Krankenkassen Beiträge an die Gemeindekrankenpflege.
4 Er kann direkt oder durch Verträge mit Dritten Beiträge an die Hauspflege und andere unterstützende Bereiche der spitalexternen Kranken- und Ge- sundheitspflege leisten. V. Andere Einrichtungen

Art. 23 Besondere Angebote

Der Kanton kann weitere Einrichtungen für die Pflege, Rehabilitation und Wie- dereingliederung von Kranken und Behinderten mit Beiträgen unterstützen, wenn deren Leistungen durch den Kanton nicht oder nicht hinreichend an- geboten und von Kantonseinwohnerinnen und -einwohnern in Anspruch ge- nommen werden.

Art. 24 Aus- und Weiterbildung

1 Der Kanton sorgt für Möglichkeiten der Aus- und Weiterbildung von Pflege- personal und medizinischem Fach- und Hilfspersonal.
2 Er kann Aus- und Weiterbildungsstätten errichten und betreiben.
3 Er kann sich an solchen Einrichtungen beteiligen oder sie, wie auch andere Aus- und Weiterbildungsangebote, durch Beiträge unterstützen.

Art. 25 Einrichtungen der Gesundheitsvorsorge

1 Der Kanton und die Gemeinden unterstützen Einrichtungen, die sich der Gesundheitserziehung und der Verhütung von Krankheiten und Unfällen an- nehmen.
2 Die Gemeinden stellen die Beratung der Eltern von Säuglingen und Klein- kindern sicher. Vl. Finanzierung

Art. 26 Betriebsdefizite

Die Betriebsdefizite der kantonalen Einrichtungen und die Beiträge an andere öffentliche oder private Einrichtungen gehen zu Lasten des Kantons.
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Art. 27 Investitionen

1 Investitionen für kantonale Einrichtungen und Beiträge an Investitionen anderer Einrichtungen werden bewilligt a) bis zum Höchstbetrag von 500 000 Franken durch den Regierungsrat; b) im Betrag zwischen 500 000 und 4 000 000 Franken durch den Kantons- rat; c) im Betrag von über 4 000 000 Franken durch Volksabstimmung.
2 Der Regierungsrat passt die Höchstbeträge der Teuerungsentwicklung an.

Art. 28 Sonderfinanzierungen

1 Investitionen und Leistungen kantonaler Spitäler können mit anderen als staatlichen Geldern finanziert werden, wenn a) die finanzierten Leistungen und Investitionen nicht zum staatlichen Lei- stungsauftrag des Spitals gehören; b) die Ausscheidung der anfallenden Kosten sichergestellt ist; c) die Betriebsrechnung des Spitals dadurch nicht belastet wird.
2 Sonderfinanzierungen bedürfen der Zustimmung der Gesundheitsdirektion. Vll. Schlussbestimmungen

Art. 29 Aufhebung bisherigen Rechts

Das Gesetz vom 26. April 1992 über die öffentliche Krankenpflege 1) (Kran- kenpflegegesetz) wird aufgehoben.

Art. 30 Ergänzendes Recht

Der Kantonsrat kann im Rahmen dieses Gesetzes ergänzende Bestimmun- gen erlassen.

Art. 31 Inkrafttreten

Das Gesetz tritt mit der Annahme durch die Volksabstimmung 2) in Kraft.
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1) bGS 812.11 (lf. Nr. 395)
2) 12. März 2000
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