Verordnung über das Verfahren vor dem Einigungsamt als vertraglichem Schiedsgericht (813.400)
CH - BS

Verordnung über das Verfahren vor dem Einigungsamt als vertraglichem Schiedsgericht

Einigungsamt als vertragliches Schiedsgericht: Verordnung Verordnung über das Verfahren vor dem Einigungsamt als vertraglichem Schiedsgericht Vom 30. April 1940 (Stand 1. Januar 2009) Der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt, gestützt auf das Gesetz betreffend das ständige staatliche Einigungsamt vom 9. November 1911
1 ) , erlässt folgende Verordnung über das Verfahren vor dem Einigungsamt als vertraglichem Schiedsge - richt: I. Geltungsbereich

§ 1

1 Wo die Parteien eines Gesamtarbeitsvertrages dem ständigen staatlichen Einigungsamt die Aufgabe übertragen haben, bei den Vertragsfirmen die Kontrolle über die Einhaltung der eingegangenen Ver - pflichtungen auszuüben, wird diese Kontrolle gemäss den Vorschriften dieser Verordnung durchge - führt.
2 Ebenso sind die nachstehenden Vorschriften für die Entscheidungen massgebend, welche das Eini - gungsamt nach solchen Verträgen zu treffen hat, wenn bei der Kontrolle ein Verstoss gegen die einge - gangenen Verpflichtungen festgestellt worden ist.
3 Die Verfahrensvorschriften dieser Verordnung finden ferner auch Anwendung, falls eine Partei ge - gen die andere wegen eines solchen Verstosses beim Einigungsamte Klage erhebt. II. Kontrollverfahren

§ 2 1. Das Einigungsamt als Kontrollinstanz

1 Die dem Einigungsamt übertragene Kontrolle wird unter Leitung des Sekretärs von den Revisoren des Einigungsamtes durchgeführt. )
2 Die Kontrolltätigkeit wird vom Einigungsamt als Geschäftsleitung und insbesondere vom Vorsitzen - den beaufsichtigt.

§ 3 2. Durchführung des Kontrollverfahrens

1 Die Kontrolle bezieht sich auf die im Gesamtarbeitsvertrag vereinbarten Gegenstände, insbesondere die Einhaltung der vertraglichen Vorschriften und die Vertragsfähigkeit der beteiligten Vertragsfir - men. Die Revisoren haben sich dabei an die Auslegung der Gesamtarbeitsverträge zu halten, die durch die Entscheidungen des vertraglichen Schiedsgerichts festgestellt worden ist. Für ihr Verfahren gelten die Weisungen des Einigungsamtes. Ergeben sich Zweifel über die Vertragsauslegung, so holt das Se - kretariat des Einigungsamtes die notwendigen Erkundigungen bei anderen Behörden ein und setzt sich zur Erledigung dieser Fragen durch unmittelbare Verhandlungen der Parteien mit den Hauptkontra -
3 )
2 Wird die für die Kontrolle erforderliche Auskunft verweigert, so entscheidet das Einigungsamt über die Pflicht zur Zeugenaussage oder zur Vorlegung von Urkunden nach Vorschrift der §§ 18–20 des Gesetzes betreffend das ständige staatliche Einigungsamt vom 9. November 1911 und der Gesamtar - beitsverträge.
1) SG 813.300 .
2)

§ 2 Abs. 1 geändert durch RRB vom 6. 6. 2000 (wirksam seit 1. 7. 2000).

3)

§ 3 Abs. 1 geändert durch RRB vom 6. 6. 2000 (wirksam seit 1. 7. 2000).

1
Einigungsamt als vertragliches Schiedsgericht: Verordnung

§ 4 3. Abschluss des Kontrollverfahrens

1 Die Feststellungen der Kontrolle werden der kontrollierten Firma mitgeteilt; sie erhält Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen und die von ihr anerkannten Verfehlungen gegen den Gesamtarbeitsvertrag, insbesondere durch Nachzahlungen an das Einigungsamt zuhanden der geschädigten Arbeiter und durch Leistung eines angemessenen Beitrags an die Kosten des Kontrollverfahrens, wiedergutzuma - chen.
2 Das Sekretariat des Einigungsamtes berichtet hierauf über das Ergebnis der Kontrolle und über das Verhalten der kontrollierten Firma zur Kontrolle an das Einigungsamt als Geschäftsleitung.

§ 5 4. Erledigung ohne oder mit Schiedsgerichtsverfahren

1 Das Einigungsamt als Geschäftsleitung beschliesst, ob das Ergebnis der Kontrolle dem vertraglichen Schiedsgericht zur Entscheidung vorzulegen sei. Dies hat zu geschehen, wenn die kontrollierte Firma die festgestellten Verfehlungen nicht anerkennt oder wenn trotz deren Wiedergutmachung über die Verhängung einer Konventionalstrafe zu entscheiden ist. Bei unbedeutenden Verfehlungen, die von der Firma wiedergutgemacht worden sind, kann das Einigungsamt von der Einberufung des Schieds - gerichts Umgang nehmen.
2 Sein Beschluss wird der kontrollierten Firma sowie den Hauptkontrahenten des Gesamtarbeitsver - trags mitgeteilt.
3 Die Hauptkontrahenten des Gesamtarbeitsvertrags besitzen das Recht, eine Sitzung des Einigungs - amtes als vertragliches Schiedsgericht zu verlangen; das gleiche Recht steht der kontrollierten Firma zu. III. Schiedsrichter und Parteivertreter

§ 6 1. Ablehnung von Schiedsrichtern

1 Die Parteien können ein Mitglied des vertraglichen Schiedsgerichts ablehnen, wenn Gründe gegen dessen Unbefangenheit vorhanden sind.
2 Über Ablehnungen entscheidet, in Abwesenheit des Betreffenden, das vertragliche Schiedsgericht, wobei die Anwesenheit von drei Mitgliedern genügt.

§ 7 2. Parteivertreter ausserhalb des Schiedsgerichts

1 Als Parteivertreter ausserhalb des Schiedsgerichts im Sinne von § 15 des Gesetzes betreffend das ständige staatliche Einigungsamt vom 9. November 1911 werden zu den Sitzungen des Einigungsam - tes als vertragliches Schiedsgericht eingeladen die Vertreter der Hauptkontrahenten des betreffenden Gesamtarbeitsvertrags, nötigenfalls auch die Vertreter von Kontrahenten von Anschlussverträgen. IV. Vorladung
1 Die Vorladung der kontrollierten Firma zur Schiedsgerichtssitzung enthält die Bezeichnung des Ge - genstandes des Schiedsgerichtsverfahrens und die Aufforderung an sie, allfällige ergänzende Beweis - V. Eröffnung des Schiedsgerichtsverfahrens; Kontumazialverfahren
1 Zu Beginn der Schiedsgerichtsverhandlung stellt der Vorsitzende des Einigungsamtes die Persönlich - keit der Schiedsrichter, des Vertreters der kontrollierten Firma und der Vertreter der Hauptkontrahen -
2
Einigungsamt als vertragliches Schiedsgericht: Verordnung

§ 10 2. Kontumazialverfahren

1 Ist die kontrollierte Firma trotz Vorladung zur Schiedsgerichtsverhandlung nicht erschienen, so findet die Verhandlung aufgrund der vorhandenen Beweismittel trotzdem statt. VI. Durchführung des Schiedsgerichtsverfahrens

§ 11

4 )

1. Bericht über das Kontrollverfahren

1 Nach Eröffnung der Schiedsgerichtsverhandlung gibt der Vorsitzende dem Schiedsgericht und den Parteien Kenntnis vom Ergebnis des Kontrollverfahrens; zur Berichterstattung hierüber zieht er den Sekretär des Einigungsamtes und nötigenfalls die Revisoren bei. Die Beanstandungen sind einzeln zu bezeichnen.

§ 12 2. Vernehmung der kontrollierten Firma

1 Hierauf wird der Vertreter der kontrollierten Firma durch den Vorsitzenden über das Ergebnis der Kontrolle im ganzen und die einzelnen Beanstandungen einvernommen. Dabei ist zu jedem Punkte festzustellen, ob die Beanstandung anerkannt oder bestritten wird.

§ 13 3. Vernehmung der Zeugen und Sachverständigen

1 Nach der Vernehmung der kontrollierten Firma werden die Beweise aufgenommen. Zeugen und Sachverständige werden in der vom Vorsitzenden festgestellten Reihenfolge einzeln vorberufen und abgehört.
2 Das Schiedsgericht kann nach Anhörung des Vertreters der kontrollierten Firma und falls dieser nicht gewichtige Einwendungen erhoben hat, anordnen, dass dieser bei der Abhörung eines Zeugen nicht anwesend sein soll. Hinsichtlich der Sachverständigen kann der Vorsitzende verfügen, dass sie der Verhandlung von Anfang an beizuwohnen haben.

§ 14

5 )

4. Ergänzungsfragen

1 Die übrigen Mitglieder des Schiedsgerichts, die Vertreter der Hauptkontrahenten des Gesamtarbeits - vertrags sowie der Sekretär und die Revisoren des Einigungsamtes haben das Recht, Ergänzungsfra - gen an den Vertreter der kontrollierten Firma und an die Zeugen und Sachverständigen zu stellen.

§ 15

6 )

5. Ergänzung der Beweisaufnahme

1 Den Parteivertretern, den Schiedsrichtern sowie den beigezogenen Revisoren steht es frei, Anträge auf Ergänzung der Beweisaufnahme zu stellen.

§ 16 6. Schluss der Beweisaufnahme; Verzicht auf einzelne Beweisaufnahmen

1 Nach Aufnahme der sämtlichen Beweise beschliesst das Schiedsgericht darüber, ob das Beweisver - fahren abgeschlossen ist oder ob weitere Erhebungen vorgenommen werden sollen.
2 Der Vorsitzende oder das Schiedsgericht können jedoch von der Erhebung einzelner Beweise abse - hen, wenn sie sich durch die Verhandlung als überflüssig erwiesen haben.

§ 17 7. Parteivorträge

1 Nach Schluss des Beweisverfahrens erteilt der Vorsitzende das Wort an die Parteivertreter der Haupt - kontrahenten des Gesamtarbeitsvertrages zur Begründung ihrer Anträge.
2 Hierauf erteilt er dem Vertreter der kontrollierten Firma das Wort zur Stellungnahme zu den ihr vor - gehaltenen Verfehlungen gegen den Gesamtarbeitsvertrag.
3 Die Vertreter der Hauptkontrahenten des Gesamtarbeitsvertrags können eine Replik verlangen.
4)

§ 11 geändert durch RRB vom 6. 6. 2000 (wirksam seit 1. 7. 2000).

5)

§ 14 geändert durch RRB vom 6. 6. 2000 (wirksam seit 1. 7. 2000).

6)

§ 15 geändert durch RRB vom 6. 6. 2000 (wirksam seit 1. 7. 2000).

3
Einigungsamt als vertragliches Schiedsgericht: Verordnung
4 Das letzte Wort steht immer dem Vertreter der kontrollierten Firma zu. VII. Das Schiedsgerichtsurteil

§ 18 1. Beratung

1 Nach Schluss der Parteivorträge fällt das Schiedsgericht in geheimer Beratung sein Urteil.
2 Der Sekretär des Einigungsamtes hat beratende Stimme.
3 Beschlussfassung auf dem Zirkularwege ist bei Einverständnis aller Schiedsrichter zulässig, wenn die Schiedsgerichtsverhandlung durch Erhebungen des Sekretariats ergänzt werden musste.

§ 19 2. Schriftliche Urteilsbegründung

1 Die schriftliche Urteilsbegründung erfolgt durch den Sekretär des Einigungsamtes; sie wird der kontrollierten Firma, den Hauptkontrahenten des Gesamtarbeitsvertrags und anderen Staatsstellen, die ein begründetes Interesse an der Kenntnis des Schiedsspruchs haben, zugestellt. VIII. Das Beschwerdeverfahren

§ 20 1. Hinweis auf das Beschwerderecht

1 Von dem Beschwerderecht gemäss § 33 des Gesetzes betreffend das ständige staatliche Einigungs - amt vom 9. November 1911 ist der kontrollierten Firma und den Hauptkontrahenten des Gesamtar - beitsvertrages in der schriftlichen Urteilsbegründung Kenntnis zu geben.

§ 21

7 )

2. Durchführung des Beschwerdeverfahrens

1 Das Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt, an das die Beschwerde gemäss § 24 der Voll - ziehungsverordnung vom 10. Februar 1912 schriftlich einzureichen ist, holt bei einer Beschwerde ge - gen ein Urteil des vertraglichen Schiedsgerichts ausser der durch die Vollziehungsverordnung vorge - schriebenen Vernehmlassung des Einigungsamtes auch eine Vernehmlassung des Justiz-und Sicher - heitsdepartements zu den durch die Beschwerde aufgeworfenen rechtlichen Fragen ein und leitet hier - auf die Beschwerde mit Bericht und Antrag zur Entscheidung an den Regierungsrat weiter. Diese Verordnung ist zu publizieren; sie tritt sofort in Kraft und Wirksamkeit.
7)

§ 21 geändert durch § 3 Ziff. 105 der Zuständigkeitsverordnung vom 9. 12. 2008 (wirksam seit 1. 1. 2009, publiziert am 18. 3. 2009, SG

153.110).

4
Markierungen
Leseansicht