Abkommen betreffend die Beschiessung durch Seestreitkräfte in Kriegszeiten 2 (0.515.125)
CH - Schweizer Bundesrecht

Abkommen betreffend die Beschiessung durch Seestreitkräfte in Kriegszeiten 2

Abgeschlossen in Den Haag am 18. Oktober 1907 Von der Bundesversammlung genehmigt am 4. April 1910³ Schweizerische Ratifikationsurkunde hinterlegt am 12. Mai 1910 In Kraft getreten für die Schweiz am 11. Juli 1910 (Stand am 29. Oktober 2015) ¹ Übersetzung des französischen Orinigaltextes. ² Sogenanntes IX. Abkommen der Haager Friedenskonferenz von 1907. Die Schlussakte dieser Konferenz siehe in SR 0.193.212 am Schluss. ³ BS 11 229
Seine Majestät der Deutsche Kaiser, König von Preussen; der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika; der Präsident der Argentinischen Republik; Seine Majestät der Kaiser von Österreich, König von Böhmen usw., und Apostolischer König von Ungarn; Seine Majestät der König der Belgier; der Präsident der Republik Bolivien; der Präsident der Republik der Vereinigten Staaten von Brasilien; Seine Königliche Hoheit der Fürst von Bulgarien; der Präsident der Republik Chile; der Präsident der Republik Kolumbien; der einstweilige Gouverneur der Republik Kuba; Seine Majestät der König von Dänemark; der Präsident der Dominikanischen Republik; der Präsident der Republik Ecuador; der Präsident der Französischen Republik; Seine Majestät der König des Vereinigten Königreichs von Grossbritannien und Irland und der Britischen überseeischen Lande, Kaiser von Indien; Seine Majestät der König der Hellenen; der Präsident der Republik Guatemala; der Präsident der Republik Haiti; Seine Majestät der König von Italien; Seine Majestät der Kaiser von Japan; Seine Königliche Hoheit der Grossherzog von Luxemburg, Herzog zu Nassau; der Präsident der Vereinigten Staaten von Mexiko; Seine Königliche Hoheit der Fürst von Montenegro; Seine Majestät der König von Norwegen; der Präsident der Republik Panama; der Präsident der Republik Paraguay; Ihre Majestät die Königin der Niederlande; der Präsident der Republik Peru; Seine Kaiserliche Majestät der Schah von Persien; Seine Majestät der König von Portugal und Algarbien usw.; Seine Majestät der König von Rumänien; Seine Majestät der Kaiser aller Reussen; der Präsident der Republik Salvador; Seine Majestät der König von Serbien; Seine Majestät der König von Siam; Seine Majestät der König von Schweden; der Schweizerische Bundesrat; Seine Majestät der Kaiser der Osmanen; der Präsident des Orientalischen Freistaats Uruguay; der Präsident der Vereinigten Staaten von Venezuela,
von dem Bestreben beseelt, den von der ersten Friedenskonferenz in Ansehung der Beschiessung unverteidigter Häfen, Städte und Dörfer durch Seestreitkräfte ausgesprochenen Wunsch zu verwirklichen,
in der Erwägung, dass es von Wert ist, die Beschiessung durch Seestreitkräfte allgemeinen Bestimmungen, welche die Rechte der Einwohner gewährleisten und die Erhaltung der hauptsächlichsten Bauten sichern, zu unterwerfen, indem auf diese Kriegsunternehmung soweit wie möglich die Grundsätze des Reglements betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs von 1899⁴ ausgedehnt werden,
demgemäss von dem Wunsche ausgehend, den Interessen der Menschlichkeit zu dienen und die Härten und das Unheil des Krieges zu mildern,
haben beschlossen, zu diesem Zwecke ein Abkommen zu treffen, und haben demzufolge zu Ihren Bevollmächtigten ernannt:
(Es folgen die Namen der Bevollmächtigten)
welche, nachdem sie ihre Vollmachten hinterlegt und diese in guter und gehöriger Form befunden haben, über folgende Bestimmungen übereingekommen sind:
⁴ SR 0.515.111 am Schluss

I. Kapitel: Beschiessung unverteidigter Häfen, Städte, Dörfer, Wohnstätten oder Gebäude

Art. 1
Es ist untersagt, unverteidigte Häfen, Städte, Dörfer, Wohnstätten oder Gebäude durch Seestreitkräfte zu beschiessen.
Eine Ortschaft darf nicht aus dem Grunde allein beschossen werden, weil vor ihrem Hafen unterseeische selbsttätige Kontaktminen gelegt sind.
Art. 2
In diesem Verbote sind jedoch nicht einbegriffen militärische Werke, Militär‑ oder Marineanlagen, Niederlagen von Waffen oder von Kriegsmaterial, Werkstätten und Einrichtungen, die für die Bedürfnisse der feindlichen Flotte oder des feindlichen Heeres nutzbar gemacht werden können sowie im Hafen befindliche Kriegsschiffe. Der Befehlshaber einer Seestreitmacht kann sie nach Aufforderung mit angemessener Frist durch Geschützfeuer zerstören, wenn jedes andere Mittel ausgeschlossen ist und die Ortsbehörden nicht innerhalb der gestellten Frist zu der Zerstörung geschritten sind.
Ihn trifft in diesem Falle keine Verantwortung für den nicht beabsichtigten Schaden, der durch die Beschiessung etwa verursacht worden ist.
Wenn zwingende militärische Gründe, die ein sofortiges Handeln erfordern, die Bewilligung einer Frist nicht gestatten, so versteht es sich, dass das Verbot der Beschiessung der unverteidigten Stadt ebenso wie im Falle des Absatzes 1 bestehen bleibt und dass der Befehlshaber alle erforderlichen Anordnungen zu treffen hat, damit daraus für die Stadt möglichst wenig Nachteile entstehen.
Art. 3
Nach ausdrücklicher Ankündigung kann zur Beschiessung unverteidigter Häfen, Städte, Dörfer, Wohnstätten und Gebäude geschritten werden, wenn die Orts­behörde, nachdem sie durch eine förmliche Aufforderung in Verzug gesetzt ist, sich weigert, einer Requisition von Lebensmitteln oder Vorräten nachzukommen, die für das augenblickliche Bedürfnis der vor der Ortschaft liegenden Seestreitmacht benötigt werden.
Die requirierten Leistungen müssen im Verhältnisse zu den Hilfsquellen der Ortschaft stehen. Sie sollen nur mit Ermächtigung des Befehlshabers der Seestreitmacht gefordert und soviel wie möglich bar bezahlt werden; andernfalls sind dafür Empfangsbescheinigungen auszustellen.
Art. 4
Es ist untersagt, unverteidigte Häfen, Städte, Dörfer, Wohnstätten und Gebäude zu beschiessen, weil sie Auflagen in Geld nicht bezahlt haben.

II. Kapitel: Allgemeine Bestimmungen

Art. 5
Bei der Beschiessung durch Seestreitkräfte sollen von dem Befehlshaber alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen werden, um die dem Gottesdienste, der Kunst, der Wissenschaft und der Wohltätigkeit gewidmeten Gebäude, die geschichtlichen Denkmäler, die Hospitäler und Sammelplätze für Kranke oder Verwundete soviel wie möglich zu schonen, vorausgesetzt, dass sie nicht gleichzeitig zu einem militärischen Zwecke Verwendung finden.
Pflicht der Einwohner ist es, diese Denkmäler, Gebäude oder Sammelplätze durch deutliche Zeichen kenntlich zu machen, die aus grossen und steifen rechteckigen Flächen bestehen und diagonal in zwei Dreiecke, das obere von schwarzer, das untere von weisser Farbe, geteilt sein sollen.
Art. 6
Mit Ausnahme des Falles, wo militärische Rücksichten es nicht gestatten, soll der Befehlshaber der angreifenden Seestreitmacht vor Eröffnung der Beschiessung alles, was an ihm liegt, tun, um die Behörden zu benachrichtigen.
Art. 7
Es ist untersagt, Städte oder Ortschaften, selbst wenn sie im Sturme genommen sind, der Plünderung preiszugeben.

III. Kapitel: Schlussbestimmungen

Art. 8
Die Bestimmungen dieses Abkommens finden nur zwischen den Vertragsmächten Anwendung und nur dann, wenn die Kriegführenden sämtlich Vertragsparteien sind.
Art. 9
Dieses Abkommen soll möglichst bald ratifiziert werden.
Die Ratifikationsurkunden sollen in Den Haag hinterlegt werden.
Die erste Hinterlegung von Ratifikationsurkunden wird durch ein Protokoll festgestellt, das von den Vertretern der daran teilnehmenden Mächte und von dem niederländischen Minister der auswärtigen Angelegenheiten unterzeichnet wird.
Die späteren Hinterlegungen von Ratifikationsurkunden erfolgen mittels einer schriftlichen, an die Regierung der Niederlande gerichteten Anzeige, der die Ratiflkationsurkunde beizufügen ist.
Beglaubigte Abschrift des Protokolls über die erste Hinterlegung von Ratifikationsurkunden, der im vorstehenden Absatz erwähnten Anzeigen sowie der Ratifikationsurkunden wird durch die Regierung der Niederlande unverzüglich den zur zweiten Friedenskonferenz eingeladenen Mächten sowie den anderen Mächten, die dem Abkommen beigetreten sind, auf diplomatischem Wege mitgeteilt werden. In den Fällen des vorstehenden Absatzes wird die bezeichnete Regierung ihnen zugleich bekanntgeben, an welchem Tage sie die Anzeige erhalten hat.
Art. 10
Die Mächte, die nicht unterzeichnet haben, können diesem Abkommen später bei­treten.
Die Macht, die beizutreten wünscht, hat ihre Absicht der Regierung der Niederlande schriftlich anzuzeigen und ihr dabei die Beitrittsurkunde zu übersenden, die im Archive der bezeichneten Regierung hinterlegt werden wird.
Diese Regierung wird unverzüglich allen anderen Mächten beglaubigte Abschrift der Anzeige wie der Beitrittsurkunde übersenden und zugleich angeben, an welchem Tage sie die Anzeige erhalten hat.
Art. 11
Dieses Abkommen wird wirksam für die Mächte, die an der ersten Hinterlegung von Ratifikationsurkunden teilgenommen haben, sechzig Tage nach dem Tage, an dem das Protokoll über diese Hinterlegung aufgenommen ist, und für die später ratifizierenden oder beitretenden Mächte sechzig Tage, nachdem die Regierung der Niederlande die Anzeige von ihrer Ratifikation oder von ihrem Beitritt erhalten hat.
Art. 12
Sollte eine der Vertragsmächte dieses Abkommen kündigen wollen, so soll die Kündigung schriftlich der Regierung der Niederlande erklärt werden, die unverzüglich beglaubigte Abschrift der Erklärung allen anderen Mächten mitteilt und ihnen zugleich bekanntgibt, an welchem Tage sie die Erklärung erhalten hat.
Die Kündigung soll nur in Ansehung der Macht wirksam sein, die sie erklärt hat, und erst ein Jahr, nachdem die Erklärung bei der Regierung der Niederlande eingegangen ist.
Art. 13
Ein im niederländischen Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten geführtes Register soll den Tag der gemäss Artikel 9 Absätze 3 und 4 erfolgten Hinterlegung von Ratifikationsurkunden angeben sowie den Tag, an dem die Anzeigen von dem Beitritt (Artikel 10 Absatz 2) oder von der Kündigung (Artikel 12 Absatz 1) eingegangen sind.
Jede Vertragsmacht hat das Recht, von diesem Register Kenntnis zu nehmen und beglaubigte Auszüge daraus zu verlangen.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten dieses Abkommen mit ihren Unterschriften versehen.
Geschehen in Den Haag, am achtzehnten Oktober neunzehnhundertsieben in einer einzigen Ausfertigung, die im Archive der Regierung der Niederlande hinterlegt bleiben soll und wovon beglaubigte Abschriften den zur zweiten Friedenskonferenz eingeladenen Mächten auf diplomatischem Wege übergeben werden sollen.
(Es folgen die Unterschriften)

Geltungsbereich am 29. Oktober 2015 ⁵

⁵ BS 11 456; AS 1979 957 und 2015 5957 . Eine aktualisierte Fassung des Geltungs­bereiches findet sich auf der Internetseite des EDA (www.eda.admin.ch/vertraege).

Vertragsstaaten

Ratifikation

Beitritt (B)

Nachfolge­erklärung (N)

Inkrafttreten

Äthiopien

  5. August

1935

  4. Oktober

1935

Belarus

  4. Juni

1962 N

  4. Juni

1962

Belgien

  8. August

1910

  7. Oktober

1910

Bolivien

27. November

1909

26. Januar

1910

Brasilien

  5. Januar

1914

  6. März

1914

China

15. Januar

1910

16. März

1910

Dänemark

27. November

1909

26. Januar

1910

Deutschland*

27. November

1909

26. Januar

1910

EI Salvador

27. November

1909

26. Januar

1910

Fidschi

  2. April

1973 N

10. Oktober

1970

Finnland

10. April

1922 B

  9. Juni

1922

Frankreich*

  7. Oktober

1910

  6. Dezember

1910

Guatemala

13. April

1910

12. Juni

1910

Haiti

  2. Februar

1910

  3. April

1910

Indien

29. Juli

1950 N

15. August

1947

Island

29. Juli

1950 N

15. August

1947

Japan*

13. Dezember

1911

11. Februar

1912

Kuba

22. Februar

1912

22. April

1912

Laos

18. Juli

1955 N

18. Juli

1955

Liberia

  4. Februar

1914

  5. April

1914

Luxemburg

  5. September

1912

  4. November

1912

Mexiko

27. November

1909

26. Januar

1910

Nicaragua

16. Dezember

1909

14. Februar

1910

Niederlande

27. November

1909

26. Januar

1910

Aruba

27. November

1909

26. Januar

1910

Curaçao

27. November

1909

26. Januar

1910

Karibische Gebiete (Bonaire, Sint Eustatius und Saba)

27. November

1909

26. Januar

1910

Sint Maarten

27. November

1909

26. Januar

1910

Norwegen

19. September

1910

18. November

1910

Österreich

12. November

1918 N

12. November

1918

Pakistan

  5. August

1950 N

15. August

1947

Panama

11. September

1911

10. November

1911

Polen

31. Mai

1935

30. Juli

1935

Portugal

13. April

1911

12. Juni

1911

Rumänien

  1. März

1912

30. April

1912

Russland

27. November

1909

26. Januar

1910

Schweden

27. November

1909

26. Januar

1910

Schweiz

12. Mai

1910

11. Juli

1910

Spanien

24. Februar

1913

25. April

1913

Südafrika

10. März

1978 N

31. Mai

1910

Thailand

12. März

1910

11. Mai

1910

Ukraine

29. Mai

2015 N

24. August

1991

Ungarn

16. November

1918 N

16. November

1918

Vereinigtes Königreich*

27. November

1909

26. Januar

1910

Vereinigte Staaten

27. November

1909

26. Januar

1910

* Vorbehalte siehe hiernach.

Vorbehalte

Deutschland

Unter Vorbehalt von Art. 1 Abs. 2.

Frankreich

Unter Vorbehalt von Art. 1 Abs. 2.

Japan

Unter Vorbehalt von Art. 1 Abs. 2.

Vereinigtes Königreich

Unter Vorbehalt von Art. 1 Abs. 2.
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