Abkommen
zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über die gegenseitige Feststellung der Gleichwertigkeit von beruflichen Abschlüssen Abgeschlossen am 10. Februar 2021 In Kraft getreten durch Notenaustausch am 1. September 2021 (Stand am 1. September 2021)
Der Schweizerische Bundesrat und die Regierung der Bundesrepublik Deutschland,
im Folgenden als «Vertragsparteien» bezeichnet, –
im Geiste der freundschaftlichen Beziehungen,
im Bewusstsein der Vergleichbarkeit der Qualität und der Ausgestaltung der Bildungssysteme,
in der Absicht , den Absolventen beruflicher Bildungsgänge die Berufsausübung auf dem Arbeitsmarkt und die berufliche Weiterbildung im jeweils anderen Staat zu erleichtern und die Mobilität der Fachkräfte allgemein zu fördern,
gewillt , zu diesem Zweck gegenseitig die Gleichwertigkeit von beruflichen Abschlüssen festzustellen und diese Abschlüsse gleichzustellen,
entschlossen , dabei im Bereich der beruflichen Bildung die bestehenden Gemeinsamkeiten in den Vordergrund zu stellen und die internationale Anschlussfähigkeit der Berufsbildung allgemein zu stärken,
in dem gemeinsamen Verständnis , dass dieses Abkommen die Anwendbarkeit der Richtlinie 2005/36/EG im Bereich der reglementierten Berufe nicht berührt,
in Fortführung der langjährigen und bewährten Zusammenarbeit auf dem Gebiet der beruflichen Bildung,
bestrebt , der Entwicklung und Erweiterung dieser Zusammenarbeit besondere Aufmerksamkeit zu widmen und sie weiterhin zu fördern –
sind wie folgt übereingekommen:
Art. 1 Geltungsbereich
Das vorliegende Abkommen gilt für die Modalitäten der gegenseitigen Feststellung der Gleichwertigkeit von beruflichen Abschlüssen, die in beiden Staaten bundesrechtlich in Rechts- oder Verwaltungsvorschriften geregelt sind und in folgende Bereiche fallen:
1. im Falle der Schweizerischen Eidgenossenschaft Abschlüsse der beruflichen Grundbildung sowie Abschlüsse der eidgenössischen Prüfungen der höheren Berufsbildung (Eidgenössische Fachausweise, Eidgenössische Diplome) nach dem Berufsbildungsgesetz¹;
2. im Falle der Bundesrepublik Deutschland Abschlüsse der beruflichen Aus- und Fortbildung, die nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) oder nach dem Gesetz zur Ordnung des Handwerks (HwO) geregelt sind.
¹ SR 412.10
Art. 2 Grundsatz und Zweck
(1) Die in der Bundesrepublik Deutschland und in der Schweizerischen Eidgenossenschaft erworbenen beruflichen Abschlüsse sind hinsichtlich Ausbildungsqualität und Arbeitsmarktrelevanz vergleichbar.
(2) Die Vertragsparteien stellen die Gleichwertigkeit von beruflichen Abschlüssen der jeweils anderen Seite fest und stellen diese hinsichtlich Berufsausübung auf dem Arbeitsmarkt und Zugang zu beruflicher Weiterbildung gleich, wenn alle der in Artikel 3 aufgeführten Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind.
Art. 3 Voraussetzungen der Feststellung der Gleichwertigkeit
(1) Die Gleichwertigkeit von beruflichen Abschlüssen wird festgestellt, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
1. Die beruflichen Abschlüsse, deren Gleichwertigkeit festgestellt werden soll, befähigen zu vergleichbaren beruflichen Tätigkeiten. In diesen Berufsbildern bestehen keine wesentlichen Unterschiede.
2. Die betreffenden beruflichen Abschlüsse sind systemisch der gleichen Stufe gemäss der Anlage zu diesem Abkommen zugeordnet.
3. Die rechtlichen Grundlagen des beruflichen Abschlusses, zu dem eine Gleichwertigkeit festgestellt werden soll, sind zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Seiten der prüfenden Vertragspartei in Kraft.
(2) Ergebnisse der Prüfungen nach diesem Artikel werden in gemeinsamen Arbeitsinstrumenten nach Artikel 6 Absatz 2 festgehalten.
Art. 4 Wirkung der Feststellung der Gleichwertigkeit
Ein gleichgestellter beruflicher Abschluss der einen Vertragspartei verleiht dessen Inhaberin oder Inhaber hinsichtlich Berufsausübung auf dem Arbeitsmarkt und Zugang zu beruflicher Weiterbildung die Rechte, die mit dem gleichgestellten beruflichen Abschluss der anderen Vertragspartei verbunden sind.
Art. 5 Verfahren zur Feststellung der Gleichwertigkeit
(1) Die Gleichwertigkeit eines beruflichen Abschlusses nach diesem Abkommen wird in den allgemeinen Strukturen und Verfahren zur Anerkennung von beruflichen Abschlüssen jedes der beiden Staaten beantragt. In der Bundesrepublik Deutschland handelt es sich dabei um die Strukturen und Verfahren nach dem Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz in Verbindung mit den Regeln der Handwerksordnung, in der Schweizerischen Eidgenossenschaft um die Strukturen und Verfahren gemäss Berufsbildungsgesetz.
(2) Im Rahmen dieser Strukturen und Verfahren wird zunächst eine Gleichwertigkeit nach Artikel 3 dieses Abkommens geprüft. Wenn dessen Voraussetzungen erfüllt sind, wird die Gleichwertigkeit festgestellt. Wenn die Voraussetzungen nach diesem Abkommen nicht erfüllt sind, wird der Antrag nach den allgemeinen Bestimmungen zur Anerkennung von beruflichen Abschlüssen jedes der beiden Staaten weiter beurteilt, die sich auf das jeweils geltende übrige Recht stützen.
Art. 6 Zuständige Behörden, Arbeitsinstrumente, Gemischter Ausschuss
(1) Die für die Anwendung dieses Abkommens zuständigen Behörden der Vertragsparteien sind:
1. im Falle der Schweizerischen Eidgenossenschaft das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation im Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung; und
2. im Falle der Bundesrepublik Deutschland das Bundesministerium für Bildung und Forschung in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.
(2) Die zuständigen Behörden tauschen alle zur Entwicklung einer gegenseitigen und kohärenten Feststellungspraxis erforderlichen Informationen aus. Sie werden gemeinsame Arbeitsinstrumente entwickeln und pflegen, die die Feststellungspraxis unterstützen.
(3) Ein aus Vertretern der zuständigen Behörden bestehender Gemischter Ausschuss wird eingesetzt, der für die ordnungsgemässe Anwendung dieses Abkommens und dessen Weiterentwicklung verantwortlich ist. Zu diesem Zweck kann er Empfehlungen abgeben und Arbeitsgruppen einsetzen. Der Gemischte Ausschuss regelt offene Fragen einvernehmlich. Der Gemischte Ausschuss tritt mindestens einmal alle zwei Jahre zusammen. Weitere Behörden oder Experten können bei Bedarf eingeladen werden.
Art. 7 Erhalt erworbener Rechte und Übergangsregelungen
(1) Die von Personen vor Inkrafttreten des vorliegenden Abkommens auf Grundlage anderer Abkommen und Vereinbarungen erworbenen Rechte bleiben unberührt.
(2) Anträge auf die Feststellung der Gleichwertigkeit eines beruflichen Abschlusses, die bereits vor Inkrafttreten des vorliegenden Abkommens gestellt wurden, werden nach den zum Zeitpunkt des Antrags geltenden Bestimmungen beurteilt.
Art. 8 Aufhebung bisherigen Rechts
Mit dem Inkrafttreten dieses Abkommens tritt die Vereinbarung vom 1. Dezember 1937² zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung Deutschlands über die gegenseitige Anerkennung handwerklicher Prüfungen ausser Kraft.
² In der AS nicht veröffentlicht.
Art. 9 Geltungsdauer, Abkommensänderung
(1) Dieses Abkommen bleibt solange in Kraft, bis es von einer der beiden Vertragsparteien schriftlich auf diplomatischem Wege gekündigt wird. Eine Kündigung wird sechs Monate nach ihrem Eingang bei der anderen Vertragspartei wirksam.
(2) Dieses Abkommen kann nur durch eine zwischen den Vertragsparteien zu schliessende Vereinbarung geändert oder ergänzt werden.
Art. 10 Inkrafttreten
Dieses Abkommen tritt am ersten Tag des ersten Monats in Kraft, der auf den Monat folgt, in dem die beiden Vertragsparteien einander mitgeteilt haben, dass die jeweiligen innerstaatlichen Voraussetzungen für das Inkrafttreten erfüllt sind. Massgebend ist der Tag des Eingangs der letzten Mitteilung.
Geschehen zu Berlin am 10. Februar 2021 in zwei Urschriften.
Für den Martina Hirayama | Für die Regierung der Anja Karliczek |
Anlage
Einander entsprechende Stufen von beruflichen Abschlüssen in der Schweizerischen Eidgenossenschaft und in der Bundesrepublik Deutschland
Schweizerische Eidgenossenschaft: | Bundesrepublik Deutschland: |
Eidgenössisches Berufsattest EBA (zweijährige berufliche Grundbildung) | Berufsabschluss (zweijährige berufliche Ausbildung) |
Eidgenössisches Fähigkeitszeugnis EFZ (drei- oder vierjährige berufliche Grundbildung, gemäss Berufsprofil) | Berufsabschluss (berufliche Ausbildung von drei oder dreieinhalb Jahren, gemäss Berufsprofil) |
Abschluss der höheren Berufsbildung (nur Eidgenössischer Fachausweis oder Eidgenössisches Diplom, gemäss Berufsprofil) | Abschluss der beruflichen Fortbildung (gemäss Berufsprofil) |
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