Abkommen
zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über die Erleichterung von Rettungseinsätzen und Rücktransporten mit Luftfahrzeugen Abgeschlossen am 29. April 1965 Von der Bundesversammlung genehmigt am 5. Dezember 1967² Ratifikationsurkunden ausgetauscht am 3. Juli 1968 In Kraft getreten am 3. August 1968 ¹ AS 1968 974 ; BBl 1967 I 849 ² AS 1968 973
Die Schweizerische Eidgenossenschaft und die Bundesrepublik Deutschland in dem Wunsch, die Rettung und Heimkehr Verunglückter und Kranker mit Luftfahrzeugen zu erleichtern, haben folgendes vereinbart:
Teil I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1
Im Sinne dieses Abkommens bedeuten die Begriffe:
1. «Rettungseinsatz» die Massnahmen zur Auffindung, zur Bergung (einschliesslich Betreuung) und zum Abtransport Verunglückter oder Kranker;
2. «Rücktransport» die Beförderung (einschliesslich Betreuung) Verunglückter oder Kranker in den Staat, dessen Staatsangehörige sie sind oder in dem sie ordnungsgemäss wohnen;
3. «Abgangsstaat» den Staat, von dessen Gebiet aus das Luftfahrzeug zum Rettungseinsatz oder zum Rücktransport eingesetzt wird;
4. «Bestimmungsstaat» den Staat, in dem der Rettungseinsatz stattfindet oder aus dem der Rücktransport durchgeführt wird;
5. «Einsatzstelle» die Stelle, die mit der Durchführung der Rettungseinsätze oder Rücktransporte betraut ist;
6. «Meldestelle» die Zentralstelle, der Rettungseinsätze zu melden und über die Ersuchen um Bewilligung von Rücktransporten zu leiten sind;
7. «Hilfsstoffe» die zur Hilfeleistung bei Rettungseinsätzen geeigneten Gegenstände, z. B. Arzneimittel, Seren, Impfstoffe, Stärkungsmittel, diagnostische Mittel, ärztliche Instrumente, Werkzeuge und Geräte für Rettungsexpeditionen.
Art. 2
¹ Dieses Abkommen findet Anwendung auf Luftfahrzeuge, die von zivilen Such‑ und Rettungsorganisationen des einen Staates für Rettungseinsätze im andern Staat oder Rücktransporte aus dem andern Staat eingesetzt werden, auf das Flug‑, Rettungs‑ und Betreuungspersonal, auf die mit solchen Luftfahrzeugen beförderten Verunglückten oder Kranken und auf mitgeführte Bordvorräte, Betriebs- oder Hilfsstoffe.
² Jeder Vertragsstaat kann dem andern gegenüber unter Angabe der Gründe das Tätigwerden der Such‑ und Rettungsorganisationen ablehnen. Abgelehnten Such‑ und Rettungsorganisationen werden die Erleichterungen dieses Abkommens nicht gewährt.
³ Das Abkommen wird auf Staatsluftfahrzeuge nur angewendet, wenn diese mit ausdrücklicher Bewilligung der zuständigen Behörden des Bestimmungsstaates eingesetzt werden.
Art. 3
Die Vertragsstaaten teilen einander auf diplomatischem Wege mit
1. ihre zivilen Such‑ und Rettungsorganisationen und deren Einsatzstellen (Art. 1, Ziff. 5);
2. ihre Meldestellen (Art. 1, Ziff. 6);
3. Ablehnungen von Such‑ und Rettungsorganisationen (Art. 2, Abs. 2);
4. die Behörden, die zur Bewilligung eines Einsatzes von Staatsluftfahrzeugen in dem Bestimmungsstaat zuständig sind (Art. 2, Abs. 3);
5. die Behörden, die zur Bewilligung von Rücktransporten zuständig sind (Art. 10);
6. die Behörden, die zu Ausschlüssen von der Mitwirkung bei Rettungseinsätzen und Rücktransporten zuständig sind (Art. 12);
7. vorübergehende Verweigerungen von Erleichterungen (Art. 14);
8. Änderungen der nach den Ziffern 1 bis 7 mitgeteilten Verhältnisse.
Teil II: Rettungseinsätze
Art. 4
¹ Luftfahrzeuge (Art. 2) dürfen bei Rettungseinsätzen auch ausserhalb der Zollflugplätze beider Staaten starten und landen.
² Für Luftfahrzeuge wird kein Zollpapier verlangt oder ausgestellt. Das Luftfahrzeug, die Bordvorräte und die Betriebs‑ und Hilfsstoffe gelten im Bestimmungsstaat im Rahmen des Einsatzes als zur abgabenfreien vorübergehenden Verwendung abgefertigt.
³ Die Luftfahrzeuge dürfen ausser den zur Durchführung des Rettungseinsatzes notwendigen Bordvorräten, Betriebs‑ und Hilfsstoffen keine Waren mitführen. Betäubungsmittel im Sinne der internationalen Abkommen dürfen nur im Rahmen des dringlichen medizinischen Bedarfs mitgeführt und nur durch qualifiziertes Personal verwendet werden.
⁴ Die mitgeführten Bordvorräte, Betriebs‑ und Hilfsstoffe sind, soweit sie beim Rettungseinsatz oder zur Pflege von verunglückten Personen verbraucht werden, von allen Eingangsabgaben befreit. Soweit sie dabei nicht verbraucht werden, sind sie wieder auszuführen. Lassen besondere Verhältnisse die Ausfuhr nicht zu, so sind ihre Art und Menge sowie ihr Aufbewahrungsort der Meldestelle des Bestimmungsstaates anzuzeigen, die die zuständige Zollstelle benachrichtigt; in diesem Falle gilt das nationale Recht des Bestimmungsstaates.
⁵ Für Waren, die nach den Absätzen 2 und 4 abgabenfrei sind, finden die Vorschriften über die Verbote und Beschränkungen für den Warenverkehr über die Grenze keine Anwendung. Die mitgeführten Betäubungsmittel und ihre Verwendung unterstehen den gesetzlichen Bestimmungen des Abgangsstaates. Dieser hat im Rahmen seiner Bestimmungen angemessene Vorsichtsmassnahmen zur Vermeidung missbräuchlicher Verwendung von Betäubungsmitteln zu treffen. Diese Vorschrift berührt nicht das Recht des Bestimmungsstaates, an Ort und Stelle Kontrollen vorzunehmen.
Art. 5
¹ Die Einsatzstelle teilt der Meldestelle des Abgangsstaates den bevorstehenden Rettungseinsatz so frühzeitig wie möglich auf dem schnellsten Wege, z. B. telephonisch, mit. Die Meldestelle des Abgangsstaates benachrichtigt hierauf unverzüglich die Meldestelle des Bestimmungsstaates.
² Die Einsatzstelle benachrichtigt unverzüglich die Meldestelle des Abgangsstaates über den Abschluss des Rettungseinsatzes sowie über eine Bergung von Personen. Die Meldestelle des Abgangsstaates leitet diese Meldung an die Meldestelle des Bestimmungsstaates weiter.
Art. 6
Vor jedem Rettungseinsatz hat die Einsatzstelle dem Luftfahrzeugführer eine Bescheinigung zu übergeben, die den Auftrag, den Abgangs‑ und Bestimmungsort, die Bezeichnung des zum Einsatz gelangenden Luftfahrzeuges, sowie die Namen, Vornamen, das Geburtsjahr und die Staatsangehörigkeit der eingesetzten Personen enthält.
Art. 7
¹ Für Grenzübertritte zwischen den beiden Staaten im Rahmen eines Rettungseinsatzes benötigen die für die Rettung eingesetzten und die geretteten Personen kein Grenzübertrittspapier.
² Die Vertragsstaaten verpflichten sich, die von ihrem Gebiet aus zu einem Rettungseinsatz gestarteten und die auf ihrem Gebiet im Rahmen eines Rettungseinsatzes geborgenen und auf das Gebiet des andern Staates transportierten Personen ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit zurückzunehmen. Bei geretteten Personen, die nicht Staatsangehörige des Bestimmungsstaates sind, besteht diese Verpflichtung nur dann, wenn sie nicht Staatsangehörige des Abgangsstaates sind oder vor der Rettung auf dessen Gebiet ordnungsgemäss wohnten. Die Verpflichtung erlischt, wenn die Rückübernahme nicht binnen sechs Monaten seit dem Grenzübertritt verlangt wird.
³ Der rücknahmepflichtige Vertragsstaat erstattet dem andern die diesem durch die Anwesenheit der geretteten Personen erwachsenden Fürsorge‑ und Rückschaffungskosten. Bei Angehörigen der beiden Vertragsstaaten wird die schweizerisch‑deut-sche Vereinbarung vom 14. Juli 1952³ über die Fürsorge für Hilfsbedürftige, mit Ausnahme der Artikel 2, 6 und 8, angewendet.
³ SR 0.854.913.61
Art. 8
Im Gebiet des Bestimmungsstaates dürfen die eingesetzten Personen Ermittlungen über den Unfall nur mit Zustimmung der zuständigen Behörden dieses Staates vornehmen.
Art. 9
¹ Die Artikel 4–8 gelten sinngemäss bei der Bergung von Leichen im Rahmen eines Rettungseinsatzes. Beim Abtransport von Leichen, die ohne Zwischenlandung vom Bestimmungsstaat in den Abgangsstaat verbracht werden, tritt an Stelle des Leichenpasses ein Bericht des Luftfahrzeugführers an die Meldestelle des Abgangsstaates. Diese gibt der zuständigen Behörde ihres Staates und der Meldestelle des Bestimmungsstaates davon Kenntnis.
² Die Leichen sind in einer den Umständen angemessenen Umhüllung, z. B. einem Leichensack, zu befördern.
³ Internationale Abkommen über Leichenbeförderung sind auf diese Einsätze nicht anzuwenden.
Teil III: Rücktransporte
Art. 10
¹ Rücktransporte sind nur mit Bewilligung der zuständigen Behörden beider Vertragsstaaten zulässig. Sie werden nur bewilligt, wenn sie nach ärztlicher Ansicht dringend erforderlich und wenn sie von Pflegepersonal begleitet sind. Die zuständige Einsatzstelle teilt der Meldestelle des Abgangsstaates den beabsichtigten Rücktransport mit. Diese leitet das Ersuchen um Bewilligung des Rücktransportes an die zuständigen Behörden beider Vertragsstaaten weiter, die hierauf der Einsatzstelle ihre Entscheidung über die Meldestelle des Abgangsstaates mitteilen.
² Die Entscheidung über das Ersuchen um Bewilligung des Rücktransportes ist binnen 24 Stunden zu treffen; geht der Meldestelle binnen dieser Frist keine Entscheidung zu, gilt die Bewilligung als erteilt.
Art. 11
Für bewilligte Rücktransporte gelten die Artikel 4, 6 und 7, Absatz 1 und 2, sinngemäss.
Teil IV: Schlussbestimmungen
Art. 12
¹ Die zuständigen Behörden der beiden Vertragsstaaten sind befugt, in ihrem Gebiet wohnende Personen, die Bestimmungen dieses Abkommens verletzt oder sich anderer Zuwiderhandlungen schuldig gemacht haben, von der weiteren Mitwirkung bei Rettungseinsätzen und Rücktransporten auszuschliessen. Für ausgeschlossene Personen werden die Vergünstigungen dieses Abkommens nicht gewährt.
² Wenn der andere Vertragsstaat einen Ausschluss gemäss Absatz 1 verlangt, ist seinem Begehren zu entsprechen.
Art. 13
Die zuständigen Behörden der beiden Vertragsstaaten treffen im gegenseitigen Einvernehmen die zur Durchführung dieses Abkommens erforderlichen Verwaltungsmassnahmen.
Art. 14
Jeder der beiden Vertragsstaaten kann die Gewährung der in diesem Abkommen vorgesehenen Erleichterungen aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorübergehend verweigern.
Art. 15
¹ Dieses Abkommen soll sobald wie möglich ratifiziert werden. Die Ratifikationsurkunden sollen in Bern ausgetauscht werden.
² Dieses Abkommen tritt einen Monat nach Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft.
³ Dieses Abkommen kann jederzeit gekündigt werden; es tritt drei Monate nach seiner Kündigung ausser Kraft.
Geschehen zu Bonn am 29. April 1965 in zwei Urschriften in deutscher Sprache.
Für die | Für die |
Troendle | Carstens |
Schlussprotokoll
Anlässlich der heutigen Unterzeichnung des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über die Erleichterung von Rettungseinsätzen und Rücktransporten mit Luftfahrzeugen haben die Vertragsstaaten zusätzlich folgendes vereinbart:
1. In diesem Abkommen bedeutet der Begriff «Staatsangehörige» in Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland Deutsche im Sinne des Grundgesetzes.
2. Jeder Vertragsstaat behält sich vor, Personen nur darin als ordnungsgemäss auf seinem Gebiet wohnend im Sinne von Artikel 1, Ziffer 2, und Artikel 7, Absatz 2, anzusehen, wenn sie dort zu einem mindestens ein Jahr dauernden Aufenthalt zugelassen worden sind, oder wenn sie seit mindestens einem Jahr eine Aufenthaltserlaubnis besitzen.
Geschehen zu Bonn am 29. April 1965 in zwei Urschriften in deutscher Sprache.
Für die | Für die |
Troendle | Carstens |
Bonn, den 29. April 1965
Herr Staatssekretär!
Ich habe die Ehre, Ihnen unter Bezugnahme auf das heute unterzeichnete Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über die Erleichterung von Rettungseinsätzen und Rücktransporten mit Luftfahrzeugen zu bestätigen, dass über folgendes Übereinstimmung besteht:
1. Die Verpflichtung zur Erstattung der Fürsorge‑ und Rückschaffungskosten nach Artikel 17 Abs. 3 des Abkommens für gerettete Personen, die weder die schweizerische noch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, betrifft diejenigen Kosten, die nach dieser Bestimmung in Verbindung mit Artikel 1 der schweizerisch‑deutschen Vereinbarung vom 14. Juli 1952⁴ über die Fürsorge für Hilfebedürftige zu erstatten wären, wenn die gerettete Person die schweizerische oder die deutsche Staatsangehörigkeit besässe.
2. Für den Fall, dass die gerettete Person selbst oder dass andere privatrechtlich Verpflichtete zum Ersatz der Kosten imstande sind, bleiben die Ansprüche an diese vorbehalten. Auch sichern sich die vertragschliessenden Teile die nach den Landesgesetzen zulässige Hilfe zur Geltendmachung dieser Ansprüche zu.
3. Die Verpflichtung zur Erstattung von Fürsorge‑ und Rückschaffungskosten nach Artikel 7 Abs. 3 des Abkommens besteht nicht, soweit dem Staate, in dessen Gebiet die Behandlung gewährt wird, gegen einen dritten Staat, dessen Staatsangehörigkeit die gerettete Person besitzt, ein Anspruch auf Erstattung dieser Kosten zusteht.
4. Soweit nach Artikel 7 Abs. 3 des Abkommens Erstattungen für Aufwendungen zugunsten geretteter Personen zu gewähren sind, gelten für die Durchführung und Abrechnung der Erstattungsansprüche die Bestimmungen sinngemäss, die jeweils für die Erstattung von Fürsorgekosten nach der schweizerisch-deutschen Fürsorgevereinbarung vom 14. Juli 1952⁵ in Geltung sind.
Genehmigen Sie, Herr Staatssekretär, den Ausdruck meiner ausgezeichneten Hochachtung.
Troendle |
⁴ SR 0.854.913.61
⁵ SR 0.854.913.61
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