Verordnung zur Einführung des Opferhilfegesetzes (321.2)
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Verordnung zur Einführung des Opferhilfegesetzes

1 Verordnung zur Einführung des Opferhilfegesetzes KRB vom 17. März 1993 (Stand 20. Januar 2006) Der Kantonsrat von Solothurn gestützt auf Artikel 71 Absatz 2 der Kantonsverfassung und auf das Bun- desgesetz über die Hilfe an Opfer von Straftaten vom 4. Oktober 1991
1 ) (Opferhilfegesetz; OHG) nach Kenntnisnahme von Botschaft und Entwurf des Regierungsrates vom

23. November 1992

beschliesst: I. Allgemeine Bestimmungen

§ 1. I. Zweck

1 Der Kanton leistet Opfern von Straftaten im Sinne des Opferhilfegesetzes wirksame Hilfe.
2 Die Hilfe umfasst Beratung und Hilfeleistung, Entschädigung und Genug- tuung, sowie Schutz des Opfers und Wahrung seiner Rechte im Strafver- fahren.
3 Die Verordnung umschreibt die Voraussetzungen und regelt Organisati- on und Finanzierung.

§ 2. II. Finanzierung

1. Kostentragung

Die durch diese Verordnung entstehenden Kosten für Beratung und Hil- feleistung, Entschädigung und Genugtuung sowie für Ausbildung trägt der Kanton, soweit sie nicht durch Beiträge des Bundes gedeckt werden.

§ 3. 2. Mittel

Der Kantonsrat bewilligt die Mittel für Beratung und Hilfeleistung, Ent- schädigung und Genugtuung sowie Ausbildung.

§ 4. 3. Mitwirkung, Akteneinsicht

1 Personen, die Beratung und Hilfeleistung, Entschädigung und Genugtu- ung nach dieser Verordnung beanspruchen, haben, soweit dafür notwen- dig, über ihre persönlichen und finanziellen Verhältnisse Auskunft zu erteilen und alle erforderlichen Unterlagen und Informationen beizubrin- gen.
2 Die Polizei, die Strafuntersuchungsbehörden und die Gerichte gewähren dem Departement des Innern Einsicht in die Akten des Verfahrens, soweit ________________
1 ) SR 321.5.
2 die Einsicht für die Beurteilung der Angelegenheit notwendig ist. Die Rechte Dritter sind zu wahren. II. Beratung und Hilfeleistung

§ 5. 1. Erstberatung und Soforthilfe rund um die Uhr

Eine oder mehrere Anlaufstellen gewährleisten eine Erstberatung der Opfer und eine Soforthilfe rund um die Uhr.

§ 6. 2. Soforthilfe

1 Die Anlauf- und Beratungsstellen leisten die Soforthilfe selbst oder orga- nisieren sie mit Dritten.
2 Als Soforthilfe gelten alle Hilfeleistungen, die unmittelbar nach der Tat nötig sind.

§ 7. 3. Beratung

1 Die Beratungsstellen beraten die Opfer während beschränkter Zeit selbst oder leiten sie an die zuständigen Fachleute oder -stellen weiter.
2 Ratsuchenden Personen ist auf Wunsch die Beratung und Hilfeleistung grundsätzlich von einer Person des gleichen Geschlechts zu gewähren.

§ 8. 4. Langzeithilfe

1 Alle weiterführenden Hilfeleistungen, insbesondere die Übernahme von Arzt-, Anwalts- und Verfahrenskosten, sind Langzeithilfe.
2 Die Beratungsstellen gewähren die Langzeithilfe selbst oder organisieren sie mit Dritten.
3 Die Langzeithilfe darf nur nach Kostengutsprache ausgelöst werden.

§ 9. 5. Geltungsbereich

a) Wahlfreiheit Die Opfer können sich grundsätzlich an eine anerkannte Anlauf- oder Beratungsstelle ihrer Wahl wenden.

§ 10. b) Geltung in persönlicher Hinsicht

Die Beratung und die Hilfeleistungen werden grundsätzlich allen Opfern von Straftaten im Sinne des Opferhilfegesetzes gewährt.

§ 11. c) Geltung in zeitlicher Hinsicht

1 Die Erstberatung erfolgt sofort; die Beratung ist zeitlich befristet.
2 Die Soforthilfe muss in unmittelbarem Zusammenhang mit der Straftat stehen.
3 Die Langzeithilfe wird geleistet, solange sie notwendig ist.
1 ) ________________
1 ) § 11 Abs. 3 Fassung vom 4. März 1998.
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§ 12. d) Rückwirkung

Beratung und Hilfeleistungen werden grundsätzlich unabhängig davon, wann die Straftat begangen wurde, gewährt; der Zusammenhang mit der Straftat muss jedoch erfüllt sein.

§ 13. 6. Organisation

a) Regierungsrat
1 Die Anlauf- und Beratungsstellen werden vom Regierungsrat anerkannt.
2 Der Regierungsrat bestimmt die Voraussetzungen der Anerkennung; er kann insbesondere Anforderungen an die Ausbildung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Beratungsstellen festlegen.
3 Die Anerkennung ist mit einem Leistungsauftrag verbunden und Voraus- setzung für die Beitragsleistung.
4 Der Regierungsrat entzieht Anlauf- und Beratungsstellen, die den Vor- schriften dieser Verordnung oder des Bundesgesetzes über die Opferhilfe nicht nachkommen, den Leistungsauftrag nicht erfüllen oder für die kein Bedürfnis mehr besteht, die Anerkennung.

§ 14.

1 ) b) Koordinationsstelle Opferhilfe Die Koordinationsstelle Opferhilfe im Namen des Departementes des In- nern: a) beaufsichtigt die Anlauf- und Beratungsstellen; b) klärt den Bedarf nach Beratungsstellen ab und veröffentlicht jährlich eine Liste der anerkannten Stellen; c) verfügt Beiträge; d) sorgt für Öffentlichkeitsarbeit; e) koordiniert die Hilfeleistungen und die Zusammenarbeit der Bera- tungsstellen sowie die Finanzierung; f) erteilt Kostengutsprache für die Langzeithilfe und bestimmt die Dauer; g) prüft Entschädigungs- und Genugtuungsgesuche, Gesuche um Vor- schuss, die Rückerstattung und den Regress; h) sorgt dafür, dass sich Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Beratungs- stellen zur Erfüllung ihrer Aufgaben aus- und fortbilden.

§ 15. ...

2 )

§ 16. d) Anlauf- und Beratungsstellen

da) Art
1 Anlauf- und Beratungsstellen sind pri vate oder öffentliche Institutionen.
2 Sie können gemeinsam mit anderen Kantonen geführt werden.
3 Anlauf- und Beratungsstellen anderer Kantone können anerkannt wer- den.

§ 17. db) Zuständigkeit

1 Die vom Opfer gewählte Beratungsstelle ist zur Beratung und Hilfelei- stung verpflichtet und bleibt dafür verantwortlich, auch wenn sie mit ________________
1 ) § 14 Fassung vom 4. März 1998.
2 ) § 15 aufgehoben am 4. März 1998.
4 anderen Stellen zusammenarbeitet. Sie bleibt so lange verantwortlich, bis eine andere Bera tungsstelle die Beratung übernimmt.
2 Die Beratungsstellen geben anderen anerkannten Beratungsstellen und der Koordinationsstelle auf Anfrage Auskunft darüber, ob eine Person von ihnen betreut wird.

§ 18. dc) Berichterstattung

Die Anlauf- und Beratungsstellen berichten der Koordinationsstelle Op- ferhilfe periodisch über ihre Beratungstätigkeit und die Hilfeleistungen.

§ 19. dd) Schweigepflicht

1 Personen, die für eine Beratungsstelle arbeiten, haben über ihre Wahr- nehmungen gegenüber Behörden und Privaten zu schweigen.
2 Die Schweigepflicht gilt auch nach der Beendigung der Mitarbeit für die Beratungsstelle.
3 Die Schweigepflicht entfällt, wenn die betroffene Person damit einver- standen ist.
4 Wer die Schweigepflicht verletzt, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.

§ 20. 7. Kostenübernahme der Beratung und Hilfeleistung

a) Beratung und Soforthilfe
1 Die Beratung und die Soforthilfe sind unentgeltlich.
2 Die Anlauf- und Beratungsstellen erhalten für ihre Dienstleistungen kan- tonale Beiträge.

§ 21. b) Langzeithilfe

1 Die Kosten für die Langzeithilfe sind grundsätzlich von den betroffenen Personen zu tragen.
2 Sie werden nach Kostengutsprache der Koordinationsstelle Opferhilfe von der Beratungsstelle übernommen, sofern es aufgrund der gesamten persönlichen, insbesondere finanziellen Verhältnisse der betroffenen Per- son angezeigt ist.
3 Bei der Beurteilung der finanziellen Verhältnisse ist abzustellen: a) für die rechtliche Hilfe auf die Bestimmungen über die unentgeltliche Rechtspflege nach ZPO; b) für die soziale und medizinische Hilfe auf die Grundsätze, die für die Bemessung der Entschädigung gelten.

§ 22. c) Befugnis der Beratungsstellen

1 Die Beratungsstellen bestimmen die Art der Hilfeleistung: die Wünsche der hilfesuchenden Person sind nach Möglichkeit zu berücksichtigen.
2 Werden die Anordnungen der Beratungsstelle nicht befolgt, übernimmt sie die Kosten nicht.

§ 23. d) Rückerstattung

1 Unrechtmässig bezogene Leistungen müssen auf Verfügung des Depar- tementes des Innern zurückerstattet werden.
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2 In Härtefällen kann das Departement von der Rückforderung ganz oder teilweise absehen.
3 Der Rückforderungsanspruch verjährt ein Jahr nachdem das Departement von der Unrechtmässigkeit Kenntnis erhalten hat, spätestens aber fünf Jahre nach der einzelnen Auszahlung.
4 Bei nachgewiesenen strafbaren Handlungen gelten die allenfalls im Strafrecht vorgesehenen längeren Verjährungsfristen.

§ 24. e) Beiträge an die Beratungsstellen

1 Die anerkannten Beratungsstellen reichen der Koordinationsstelle jeweils rechtzeitig einen detaillierten Voranschlag (Budget) für das kommende Jahr ein.
2 Das Departement des Innern setzt im Rahmen des Voranschlagskredites die Höhe der Beiträge an die Beratungsstellen fest.
3 Das Departement des Innern a) verfügt im Einzelfall, ob die Beiträge für die Beratung und die Sofort- hilfe pauschal oder aufgrund nachgewiesener Einzelberatungen und einzelner Ausgaben entrichtet werden; b) erstattet den Anlauf- und Beratungsstellen die Aufwendungen für die Langzeithilfe zurück; c) zahlt im Rahmen der Opferhilfegesetzgebung Beiträge an die Ausbil- dung.
4 Die Belege sind von den betroffenen Personen sofort an die Beratungs- stellen und von diesen an die Koordinationsstelle Opferhilfe weiterzulei- ten. III. Entschädigung und Genugtuung

§ 25. 1. Grundsatz;

Bemessung der Entschädigung
1 Grundsätzlich ist die Täterschaft für die Entschädigung und Genugtuung des Opfers haftbar.
2 Kann die Täterschaft die Entschädigung und Genugtuung nicht leisten, setzt das Departement des Innern die Beträge nach dem Opferhilfegesetz und der Opferhilfeverordnung des Bundes fest und richtet sie aus.

§ 26. 2. Verfahren

1 Die Koordinationsstelle prüft die Voraussetzungen aufgrund des Gesu- ches des Opfers, der Akten des Strafverfahrens und der eigenen Abklärun- gen.
2 Das Departement des Innern verfügt.
3 Benötigt das Opfer sofortige finanzielle Hilfe oder können die Folgen der entscheidet das Departement unverzüglich, ob ein Vorschuss ausgerichtet werden soll.
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§ 27. 3. Regress

1 Wird eine Entschädigung oder Genugtuung geleistet, macht das Depar- tement des Innern die Ansprüche des Kantons gegenüber der Täterschaft geltend.
2 Der Kanton verzichtet darauf, seine Ansprüche gegenüber der Täter- schaft geltend zu machen, wenn es für deren soziale Wiedereingliederung notwendig ist.

§ 28. 4. Rechtspflege

1
...
1 )
2 Verfügungen des Departementes des Innern können innert 10 Tagen mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht weitergezogen werden. IV. Schutz und Rechte des Opfers im Strafverfahren

§ 29. Die Strafprozessordnung vom 7. Juni 1970 (B GS 321.1) wird wie folgt

geändert:

1. § 6.

Als Absatz 2 wird angefügt:
2 Für den Schutz und die Rechte des Opfers gelten die Bestimmungen der

Artikel 5-7, 8 Absatz 2 und 10 des Bundesgesetzes vom 4. Oktober 1991

über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz).

2. § 14 lautet neu:

§ 14. Wer durch die Straftat unmittelbar geschädigt bzw. gefährdet wur-

de, kann Untersuchungshandlungen beantragen; das gleiche Recht steht dem Opfer im Sinne des Opferhilfegesetzes zu. Der Verletzte kann im Strafpunkt Antrag stellen, wenn nicht der Staatsanwalt die Anklage ver- tritt.

3. § 17.

Absatz 2: Als Satz 2 wird eingefügt: Im Fall von Artikel 9 des Opferhilfegesetzes entscheidet er über die Zivil- klage dem Grundsatz nach.

4. § 81.

Absatz 1 lautet neu:
1 Die Verfügung, dass einer Anzeige oder einem Antrag keine Folge gege- ben wird, ist mit kurzer schriftlicher Begründung dem Anzeiger oder An- tragsteller sowie dem Opfer und der Person, gegen die sich Anzeige oder Antrag richtet, zu eröffnen. Der Anzeiger oder Antragsteller sowie das Opfer können gegen die Verfügung Beschwerde bei der Anklagekammer des Obergerichts erheben. ________________
1 ) § 28 Abs. 1 aufgehoben am 4. März 1998.
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5. § 85.

Absatz 1 lautet neu:
1 Ergibt sich kein Anlass, die Voruntersuchung zu eröffnen, stellt der Un- tersuchungsrichter das Verfahren ein. Der Einstellungsentscheid ist mit kurzer schriftlicher Begründung dem Anzeiger oder Antragsteller sowie dem Opfer und der Person, gegen die sich das Verfahren allenfalls richtet, zu eröffnen. Der Anzeiger oder Antragsteller sowie das Opfer können gegen den Einstellungsentscheid Beschwerde bei der Anklagekammer des Obergerichts erheben. § 81 Absatz 2 gilt auch für den Einstellungsent- scheid.

6. § 99.

Absatz 1 Satz 1 lautet neu:
1 Der Einstellungsbeschluss des Gerichts ist dem Beschuldigten sowie dem Opfer zu eröffnen, bei Offizialdelikten auch dem Staatsanwalt, ferner dem Opfer sowie dem Verletzten, wenn er Strafanzeige oder Strafantrag ein- gereicht oder einen privatrechtlichen Anspruch geltend gemacht hat.

7. § 135 Buchstabe g ist aufgehoben.

8. § 158.

Absatz 2 lautet neu:
2 Beantragt er, das Verfahren einzustellen und stimmt ihm der Präsident des Jugendgerichts zu, stellt dieser das Verfahren ein; der Einstellungsent- scheid ist dem Jugendlichen und dessen gesetzlichem Vertreter sowie dem Opfer zu eröffnen.

9. § 174.

Absatz 1 Buchstabe b Ziffer 2 lautet neu:

2. wenn er bei einer von Amtes wegen zu verfolgenden Tat im Strafpunkt

Parteirechte ausübte; Als Buchstabe b bis wird in Absatz 1 angefügt: b bis ) dem Opfer, wenn es sich bereits vorher am Verfahren beteiligt hat und soweit der Entscheid seine Zivilansprüche betrifft oder sich auf deren Beurteilung auswirken kann. Als Absatz 2 wird angefügt:
2 Die Appellation des Opfers ist auch zulässig, wenn das Amtsgericht oder der Amtsgerichtspräsident nach Artikel 9 Absatz 2 des Opferhilfegesetzes vorerst nur im Strafpunkt geurteilt hat. Die Zivilklage bleibt in diesem Falle beim erstinstanzlichen Richter hängig, bis über den Strafpunkt rechtskräftig entschieden ist.

10. § 178.

Absatz 2: Als Satz 3 wird eingefügt: Dieser Absatz gilt auch für das Opfer im Sinne des Opferhilfegesetzes.
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11. § 192.

Buchstabe b Ziffer 2 lautet neu:

2. wenn er bei einer von Amtes wegen zu verfolgenden Übertretung im

Strafpunkt Parteirechte ausübte; Als Buchstabe b bis wird eingefügt: b bis ) das Opfer, wenn es sich bereits vorher am Verfahren beteiligt hat und soweit der Entscheid seine Zivilansprüche betrifft oder sich auf deren Beurteilung auswirken kann.

12. § 199.

Absatz 1 lautet neu:
1 Gegen den Entscheid über einen privatrechtlichen Anspruch können Rekurs erheben: der Beschuldigte bei gänzlicher oder teilweiser Guthei- ssung der Zivilklage, die Zivilpartei bei gänzlicher oder teilweiser Abwei- sung der Zivilklage sowie das Opfer im Falle von Artikel 9 des Opferhilfe- gesetzes.

13. § 210.

Als Buchstabe c bis wird in Absatz 1 eingefügt: c bis ) das Opfer, wenn es sich bereits vorher am Verfahren beteiligt hatte und soweit der Entscheid seine Zivilansprüche betrifft oder sich auf deren Beurteilung auswirken kann. V. Schlussbestimmungen

§ 30. Referendum und Inkrafttreten

Diese Verordnung untersteht dem fakultativen Referendum. Der Regie- rungsrat bestimmt das Inkrafttreten.

§ 31.

1 ) Ausserkrafttreten Diese Verordnung tritt nach Inkrafttreten eines Sozialgesetzes ausser Kraft. Inkrafttreten am 1. Juli 1993.
2 ) ________________
1 ) § 31 Fassung vom 28. September 2005.
2 ) Inkrafttreten der Änderungen vom: - 4. März 1998 am 1. Januar 1998; - 5. September 2001 am 1. Januar 200; - 28. September 2005 am 20. Januar 2006.
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