Übereinkunft zwischen der Schweiz und Frankreich betreffend die Erstellung ... (0.742.140.334.95)
CH - Schweizer Bundesrecht

Übereinkunft zwischen der Schweiz und Frankreich betreffend die Erstellung einer Eisenbahn von Besançon nach Locle, über Morteau und den Col‑des‑Roches

Abgeschlossen am 14. Juni 1881 Von der Bundesversammlung genehmigt am 27. April 1882² Ratitikationsurkunden ausgetauscht am 12. Juni 1882 ¹ Der Originaltext findet sich unter der gleichen Nummer in der französischen Ausgabe dieser Sammlung. ² Art. 1 Ziff. 3 des BB vom 27. April 1882 ( AS 6 513 )
Der Bundesrat der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Präsident der Französischen Republik,
von dem Wunsche beseelt, den Angehörigen der beiden Länder neue Verkehrs­erleichterungen zu verschaffen, haben sich entschlossen, eine Übereinkunft abzuschliessen für die Erstellung einer Eisenbahn von Besançon nach Locle, und haben zu diesem Zwecke als ihre Bevollmächtigten ernannt:
(Es folgen die Namen der Bevollmächtigten)
welche, nach stattgefundener Mitteilung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten, über folgende Bestimmungen übereingekommen sind:
Art. 1
Die Regierung der Französischen Republik verpflichtet sich, die Ausführung einer Eisenbahn von Besançon nach Morteau und an die Schweizer Grenze in der Richtung nach Locle zu sichern.
Ihrerseits verpflichtet sich die schweizerische Regierung, die Ausführung einer Eisenbahn von Locle bis an die französische Grenze, in der Richtung nach Morteau, nach Massgabe der der Gesellschaft der Berner Jurabahnen erteilten Konzession, sicherzustellen.
Die Arbeiten sollen auf beiden Gebieten in der Art gefördert werden, dass der Betrieb der Linie spätestens am 1. Juli 1883 eröffnet werden kann.
Art. 2
Die Vereinigung der schweizerischen und der französischen Abteilung dieser Linie soll, gemäss den Plänen und den Profilen, welche dem Protokoll der am 21. Februar 1881 in Bern stattgefundenen Konferenz angefügt und mit dem genannten Protokoll von den beiden vertragschliessenden Parteien genehmigt worden sind, stattfinden.
Die französische Regierung wird auf ihre Kosten den Tunnel von Col‑des‑Roches bis auf 15 m über der Grenze herstellen.
Art. 3
Die Bauausführungspläne sollen von jeder der beiden Regierungen geprüft und genehmigt werden, soweit sie sich je auf die Bahnanlage auf dem Gebiet des betreffenden Staates beziehen.
Die Geleisebreite, zwischen dem innern Rand der Schienen gemessen, soll in den beiden Ländern gleichmässig mindestens 1,44 m und höchstens 1,45 m betragen.
Die Puffer an den Lokomotiven und den Wagen sollen in Übereinstimmung mit den auf den im Betrieb stehenden Eisenbahnen in beiden Ländern angenommenen Dimensionen stehen.³
³ Die Schweiz und Frankreich sind der «Technischen Einheit im Eisenbahnwesen» beigetreten (V vom 16. Dez. 1938 – SR 742.141.3 ).
Art. 4
Die beiden Regierungen werden zu ermöglichen suchen, dass die Strecke, weiche zwischen der schweizerischen und der französischen Grenzstation, also zum Teil auf französischem und zum Teil auf schweizerischem Gebiete liegt, von einer und derselben Gesellschaft oder Verwaltung betrieben werde.
Sie sind damit einverstanden, dass die Gesellschaften oder Verwaltungen, denen der Betrieb der Linien auf den beiderseitigen Gebieten zusteht, sich mit Bezug auf den genannten Punkt unter sich verständigen. Die bezügliche Übereinkunft soll der Genehmigung der vertragschliessenden hohen Parteien unterstellt werden, welche sich vorbehalten, sich, was diesen Betrieb anbetrifft, auf dem Wege der Korrespondenz abschliesslich zu verständigen.
Art. 5
Die Verwaltung, welcher der gemeinschaftliche Betrieb auf der französischen und der schweizerischen Strecke anvertraut werden wird, ist gehalten, sowohl in Frankreich als in der Schweiz einen Bevollmächtigten zu bestellen und ein Domizil zu erwählen, wohin die Anweisungen, die Mitteilungen und die Kenntnisgaben aller Art adressiert werden sollen, welche die kompetenten Behörden der erwähnten Verwaltung zu machen in den Fall kommen werden.
Diese Wahl des Domizils bedingt den Gerichtsstand. Die Zivilklagen, welche mit Rücksicht auf Vorkommenheiten auf demjenigen Gebietsteil eines der beiden Länder, welcher zwischen den Grenzstationen liegt, gegen die den gemeinschaftlichen Betrieb besorgende Gesellschaft gerichtet werden, können vor die Gerichtsbarkeit des in diesem Lande gewählten Domizils gebracht werden.
Art. 6
Die beiden Regierungen machen sich verbindlich, dafür zu sorgen, dass für die im gegenwärtigen Übereinkommen behandelte Eisenbahn soweit als möglich die Polizeireglemente nach den gleichen Grundsätzen aufgestellt und der Betrieb soviel als tunlich in übereinstimmender Weise organisiert werde.
Personen, welche gesetzmässig verurteilt worden sind wegen Verbrechen oder Vergehen und wegen Zuwiderhandlungen gegen die Zollgesetze oder Zollverordnungen, können keine Verwendung finden zwischen den Grenzstationen.
Im übrigen soll in nichts den Hoheitsrechten vorgegriffen werden, welche jedem der beiden Staaten hinsichtlich des auf seinem Gebiete liegenden Teils der Eisenbahn zustehen.
Art. 7
Die beiden Regierungen werden in gemeinsamem Einverständnis dafür sorgen, dass in den Stationen, in welchen, sowohl in Frankreich als in der Schweiz, die hier behandelte Eisenbahn mit schon bestehenden Linien verbunden werden wird, die bestmögliche Korrespondenz zwischen den ankommenden und abgehenden Zügen hergestellt werde. Sie behalten sich vor, das Minimum der für den Reisendentransport bestimmten Züge festzusetzen, welches Minimum nicht unter drei per Tag in jeder Richtung gehen darf.
Art. 8
Auf der ganzen Bahnstrecke soll weder in Hinsicht auf die Art noch auf den Preis des Transports, noch auf die Zeit der Beförderung, ein Unterschied zwischen den Einwohnern der beiden Länder gemacht werden. Die aus dem einen der beiden Staaten in den andern übergehenden Reisenden und Güter sollen auf dem Gebiet, in welches sie eintreten, nicht weniger günstig behandelt werden als die Reisenden und Güter, welche im Innern der beiden Länder verkehren.
Art. 9
Die beiden Regierungen sichern sich gegenseitig zu, dass die vorkommendenfalls zu erfüllenden Formalitäten, beziehen sich dieselben auf die Untersuchung der Pässe oder auf die Reisendenpolizei, auf die vorteilhafteste Weise, welche die Gesetz­gebung jedes der beiden Staaten gestattet, sollen geregelt werden.
Art. 10
Um den Betrieb der Bahn soviel als möglich zu begünstigen, werden die beiden Regierungen den Reisenden, ihrem Gepäck und den zu befördernden Gütern mit Bezug auf die Formalitäten der Zollbehandlung alle diejenigen Zollerleichterungen gewähren, welche die Zollgesetzgebung und die allgemeinen Verordnungen der beiden Staaten gestatten, und zwar sowohl diejenigen, welche bereits bestehen, als auch die, welche künftighin irgendeiner andern Eisenbahn, welche die Grenze des einen oder des andern Landes überschreitet, bewilligt werden.
Güter und Gepäck, die mit Bestimmung nach andern als den Grenzstationen von dem einen in das andere der beiden Länder transportiert werden, können bis an ihren Bestimmungsort gehen, ohne einer Visitation in den Grenzzollbüros zu unterliegen, vorausgesetzt, dass am Bestimmungsort ein Zollbüro sich befindet, dass dabei den allgemeinen Gesetzen und Verordnungen genügt werde, und sofern in gewissen Fällen nach diesen Gesetzen und Verordnungen die Zollrevision nicht anderswo für nötig erachtet wird.
Die beiden Regierungen gestatten sich gegenseitig, durch ihre Zollangestellten die zwischen den Grenzstationen verkehrenden Züge begleiten zu lassen.
Art. 11
Die Eisenbahn von Locle nach Morteau wird als offene internationale Strasse für die Einfuhr und die Ausfuhr der beiden Länder sowie für den Transit der nicht verbotenen Güter und für den Reisendenverkehr betrachtet, und zwar, was die im Fahrtenplan vorgesehenen Züge anbetrifft, sowohl bei Tag als bei Nacht und ohne Unterschied der Werk‑ und Feiertage.
Art. 12
Die Gesellschaften oder Verwaltungen, welche den Betrieb der Eisenbahn besorgen, haben mit Rücksicht auf den Postdienst zwischen und auf den Grenzstationen die nachbezeichneten Verpflichtungen zu übernehmen:
1. mit jedem Personenzug der Postwagen der beiden Regierungen, mit dem dazugehörenden dienstlichen Material, den Briefen und den mit dem Dienste beauftragten Angestellten unentgeltlich zu transportieren;
2. ebenso die Postfelleisen und die dieselben begleitenden Kondukteure einer oder zwei Abteilungen eines gewöhnlichen Wagens II. Klasse, wenn die beiden Regierungen von dem ihnen in der vorstehenden Ziffer eingeräumten Recht keinen Gebrauch machen;
3. den Angestellten der Postverwaltung den freien Zutritt zu den Wagen, welche zum Postdienst bestimmt sind, und das Recht zu gewähren, die Briefe und die Pakete aus den Wagen zu nehmen und wieder in dieselben zurückzubringen;
4. der Postverwaltung der beiden Staaten in den Stationen, welche zu diesem Zwecke bezeichnet werden, den nötigen Platz anzuweisen, auf welchem die für den Postdienst erforderlichen Gebäude oder Schuppen hergestellt werden können und wofür der Mietzins nach gütlichem Übereinkommen oder durch Entscheid von Sachverständigen bestimmt werden soll;
5. im Eisenbahnbetrieb und im Briefpostdienst soweit als tunlich die Übereinstimmung herzustellen, welche von den beiden Regierungen für nötig erachtet wird, um einen möglichst regelmässigen und möglichst prompten Transport zu erzielen.
Die Postverwaltungen der beiden Länder werden sich untereinander verständigen hinsichtlich des Gebrauches der Eisenbahn für den Postdienst zwischen den Grenzstationen.
Art. 13
Die beiden Regierungen gestatten, dass für den Bahndienst elektro‑magnetische Telegrafen erstellt werden.
Die beiden Regierungen können ebenfalls, jede auf ihrem Gebiete, auf ihre Kosten längs der Eisenbahn elektro‑magnetische Telegrafen erstellen für den internationalen und öffentlichen Dienst.
Die französische und die schweizerische Verwaltung sind zum Gratistransport des für den Dienst reisenden Personals und des zum Bau, dem Unterhalt und der Überwachung ihrer der Bahn entlang zu erstellenden Linien nötigen Materials zwischen den beiden der Grenze zunächst befindlichen Stationen berechtigt.
Art. 14
Die gegenwärtige Übereinkunft soll ratifiziert und die Ratifikationen sollen in Paris innerhalb eines Jahres oder, wenn möglich, früher noch ausgewechselt werden.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die beidseitigen Bevollmächtigten die gegenwärtige Übereinkunft unterzeichnet und derselben ihre Siegel beigedrückt.
So geschehen in Paris, den 14, Juni 1881.

Kern

Ch. Jagerschmidt

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