Notenaustausch vom 30. November 1927/19. September 1929 über die Ausdehnung des schweizerisch‑britischen Auslieferungsvertrages auf britische Mandatgebiete
In Kraft getreten am 19. September 1929 ¹ BS 12 130
Mit Notenaustausch vom 30. November 1927/19. September 1929 ist zwischen der Schweiz und Grossbritannien eine Abmachung über die Anwendung des schweizerisch‑britischen Auslieferungsvertrages² auf britische Mandatgebiete getroffen worden. Der Gegenstand dieser Abmachung ist aus den beiden hiernach abgedruckten Noten ersichtlich.
² SR 0.353.936.7
Britische Note
Übersetzung des englischen Originaltextes
1. Die Britische Gesandtschaft hat die Ehre, dem Eidgenössischen Politischen Departement³ auf Weisung ihrer Regierung zur Kenntnis zu bringen, dass die Britische Regierung es zur Schaffung adäquater Vorschriften für die Auslieferung flüchtiger Verbrecher von und nach Gebieten, hinsichtlich deren sie im Namen des Völkerbundes⁴ Mandate angenommen hat, als wünschenswert erachten würde, wenn die Bestimmungen vorhandener Auslieferungsverträge anwendbar erklärt würden auf die Mandatgebiete von Palästina (exkl. Transjordanien), Britisch Kamerun, Britisch Togoland und das Tanganjika‑Territorium. Die Regierungen Ihrer Britischen Majestät in dem Australischen Bunde, in Neuseeland und in der Südafrikanischen Union haben ebenfalls den Wunsch geäussert, dass die Bestimmungen solcher Verträge anwendbar erklärt werden möchten auf die Gebiete von Neu‑Guinea, Westsamoa, Südwestafrika und ebenso auf Nauru.⁵
2. Die Gesandtschaft beehrt sich demgemäss anzufragen, ob der Schweizerische Bundesrat damit einverstanden ist, dass der in Bern am 26. November 1880⁶ abgeschlossene Auslieferungsvertrag, ergänzt durch die schweizerisch‑britische Übereinkunft, unterzeichnet in London am 29. Juni 1904⁷, auf die oben bezeichneten Mandatgebiete angewendet werden soll. In diesem Falle würden diese Note und die Antwort der Schweizerischen Regierung als förmliche Beurkundung des von den beteiligten Staaten erzielten Einverständnisses darüber betrachtet werden, dass die Bestimmungen dieses Vertrages, ergänzt durch die erwähnte Übereinkunft, sich künftighin auch auf Palästina (exkl. Transjordanien), Britisch Kamerun, Britisch Togoland, das Tanganjika‑Territorium, Neu‑Guinea, Nauru, Westsamoa und Südwestafrika⁸ beziehen und dass die Auslieferungsbegehren von und nach diesen Gebieten in Übereinstimmung damit behandelt werden, so, als ob diese Gebiete britische Besitzungen und die Angehörigen oder Eingeborenen dieser Gebiete britische Staatsangehörige wären.
3. Die Gesandtschaft beehrt sich, beizufügen, dass im Hinblick auf diese Abmachung folgende Behörden als «Gouverneur oder höchste Behörde» im Sinne des Artikels XVIII des besagten Auslieferungsvertrages in Betracht fallen würden:
in Palästina⁹: | der Oberkommissär oder die jeweils die Regierungs- |
in Britisch Kamerun¹⁰: | der Gouverneur von Nigeria oder die jeweils die Regierungsgewalt ausübende Behörde; |
in Britisch Togoland¹¹: | der Gouverneur der Goldküste oder die jeweils die |
im Tanganjika-Territorium¹²: | der Gouverneur oder die jeweils die Regierungsgewalt ausübende Behörde; |
in Neu‑Guinea¹³: | der Administrator, Rabaul, Neu‑Guinea; |
in Westsamoa¹⁴: | der Generalgouverneur von Neuseeland; |
in Südwestafrika¹⁵: | der Administrator von Südwestafrika; |
auf Nauru¹⁶: | der Administrator, Nauru. |
4. Falls die Schweizerische Regierung diesem Vorschlage zustimmt, wäre die Gesandtschaft dankbar für die Bezeichnung der schweizerischen Konsularbeamten, die im Hinblick auf den genannten Artikel XVIII jeweils zur Stellung der Auslieferungsbegehren in den betreffenden Mandatgebieten zuständig wären.
³ Heute: Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten.
⁴ Der Völkerbund wurde aufgelöst durch Beschluss seiner Versammlung vom 18. April 1946 (BB1 1946 II 1233).
⁵ Siehe die Fussnoten der Mandatgebiete in Ziff. 3.
⁶ SR 0.353.936.7
⁷ SR 0.353.936.7
⁸ Siehe die Fussnoten der Mandatgebiete in Ziff. 3.
⁹ Nach dem Erlöschen des britischen Mandates über Palästina am 14. Mai 1948 hat Israel erklärt, der schweizerisch‑britische Auslieferungsvertrag gelte für sein Gebiet nicht mehr.
¹⁰ Heute: Kamerun, auf das der schweizerisch‑britische Auslieferungsvertrag nicht mehr anwendbar ist.
¹¹ Heute: Togo, auf das der schweizerisch‑britische Auslieferungsvertrag nicht mehr anwendbar ist.
¹² Heute: Teil von Tansania, auf das der schweizerisch‑britische Auslieferungsvertrag anwendbar bleibt (siehe SR 0.353.973.2 ).
¹³ Heute: Teil von Papua-Neuguinea, auf das der schweizerisch‑britische Auslieferungsvertrag anwendbar bleibt (siehe SR 0.353.963.0 ).
¹⁴ Durch eine spätere Note vom 15. Nov. 1929 hat die Britische Gesandtschaft dem EDA mitgeteilt, dass der Administrator von Westsamoa als die in Art. XVIII des Auslieferungsvertrages vorgesehene Behörde bezeichnet worden ist. Heute: Samoa, auf das der schweizerisch‑britische Auslieferungsvertrag nicht mehr anwendbar ist.
¹⁵ Heute: Namibia, auf das der schweizerisch‑britische Auslieferungsvertrag anwendbar bleibt (siehe SR 0.353.957.7 ).
¹⁶ Auf Nauru ist der schweizerisch‑britische Auslieferungsvertrag nicht mehr anwendbar.
Schweizerische Note
Übersetzung¹⁷
Das Eidgenössische Politische Departement¹⁸ beehrt sich, der Britischen Gesandtschaft auf die Note Nr. 65 vom 10. Juli¹⁹ mitzuteilen, dass der Bundesrat damit einverstanden ist, den Auslieferungsvertrag zwischen der Schweiz und Grossbritannien vom 26. November 1880²⁰ und die Übereinkunft vom 29. Juni 1904²¹ betreffend eine Erweiterung von Artikel XVIII dieses Vertrages, auf folgende, unter britisches Mandat gestellte Gebiete anzuwenden: Palästina²² (mit Ausnahme von Transjordanien), Britisch Kamerun, Britisch Togoland, Tanganjika‑Territorium, Neu-Guinea, Westsamoa, Südwestafrika und Nauru.
Die Auslieferung soll stattfinden für alle im erwähnten Auslieferungsvertrag zwischen der Schweiz und Grossbritannien vorgesehenen Straftaten, und die Bestimmungen dieses Vertrages und der Übereinkunft vom 29. Juni 1904 sollen in vollem Umfang angewendet werden. Besonders sind die Bestimmungen über die Auslieferung der eigenen Staatsangehörigen auf die Angehörigen der genannten Gebiete anwendbar, wie wenn sie britische Staatsangehörige wären.
Es wird Vormerk genommen von der Mitteilung der Gesandtschaft, wonach die unter Nummer 3 der Note vom 30. November 1927 aufgeführten Behörden im Sinne von Artikel XVIII des Auslieferungsvertrages als «Gouverneur oder höchste Behörde» der Mandatgebiete zu gelten haben. Zur Stellung des Auslieferungsbegehrens nach dem nämlichen Artikel des Auslieferungsvertrages sind folgende schweizerische Konsulate befugt: für Palästina das Konsulat in Jaffa, für Togoland das Konsulat in Freetown, für das Tanganjika‑Territorium das Konsulat in Tanga, für Neu‑Guinea und Nauru das Generalkonsulat in Melbourne, für Westsamoa das Konsulat in Auckland und für Südwestafrika das Konsulat in Kapstadt. Für Kamerun werden die Auslieferungsbegehren durch die Schweizerische Gesandtschaft²³ in London gestellt werden.
Das Eidgenössische Politische Departement²⁴ ist im weitern zu der Erklärung ermächtigt, dass der Bundesrat in der Note der Britischen Gesandtschaft vom 30. November 1927 eine vollgültige Zustimmung der Britischen Regierung zu der geplanten Abmachung erblickt. Das Eidgenössische Politische Departement²⁵ nimmt seinerseits an, dass die vorliegende Mitteilung von der Britischen Regierung als Zustimmungserklärung der Schweiz betrachtet werde. Falls dies zutrifft, so würde die Abmachung als mit dem heutigen Tage in Kraft tretend erachtet.
¹⁷ Der Originaltext findet sich unter der gleichen Nummer in der französischen Ausgabe dieser Sammlung.
¹⁸ Heute: Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten.
¹⁹ Diese Note stellt die Antwort der Britischen Gesandtschaft auf eine Zwischenfrage des EDA dar.
²⁰ SR 0.353.936.7
²¹ SR 0.353.936.7
²² Siehe Fussnote 2 auf Seite 1.
²³ Heute: Schweizerische Botschaft.
²⁴ Heute: Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten.
²⁵ Heute: Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten.
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