Übereinkommen zwischen der Schweiz und Italien betreffend den Zolldienst auf der Simplonlinie zwischen Brig und Domodossola 3
Abgeschlossen am 24. März 1906 Von der Bundesversammlung genehmigt am 29. März 1906⁴ Ratifikationsurkunden ausgetauscht am 25. Mai 1906 In Kraft getreten am 25. Mai 1906 ¹ BS 12 807 ² Der Originaltext findet sich unter der gleichen Nummer in der französischen Ausgabe dieser Sammlung ³ Siehe auch die Prot. vom 5. Jan. 1907 ( SR 0.742.140.241 ) und vom 26. Aug. 1908 ( SR 0.742.140.241 ). ⁴ Ingr. Bst. b und Ziff. 1 des BB vom 29. März 1906 ( AS 22 177 )
Der Bundesrat der Schweizerischen Eidgenossenschaft und Seine Majestät der König von Italien
in der Absicht, den Zolldienst auf der Simplonlinie zwischen Brig und Domodossola, in Vollziehung der Artikel 2 und 15 des Übereinkommens vom 2. Dezember 1899⁵ zwischen der Schweiz und Italien betreffend den Anschluss des schweizerischen Bahnnetzes an das italienische durch den Simplon und den Betrieb der Bahnstrecke Iselle–Domodossola, durch besondere Übereinkunft zu ordnen, haben hiefür zu ihren Bevollmächtigten ernannt:
(Es folgen die Namen der Bevollmächtigten)
weiche, nachdem sie sich ihre Vollmachten mitgeteilt und dieselben in guter und gehöriger Form befunden, folgende Artikel vereinbart haben:
⁵ SR 0.742.140.22
Art. 1
Die Simplonbahn von der Grenze bis Domodossola wird als Zollstrasse betrachtet.
Die Personen‑ und Güterzüge können unter Beobachtung der vereinbarten Vorschriften auf dieser Strasse frei verkehren, sowohl nachts als am Tage und an Feierwie an Werktagen.
Art. 2
Den italienischen Zollämtern in Domodossola, Preglia, Varzo⁶ und Iselle und dem schweizerischen Zollamte in Domodossola werden diejenigen Befugnisse und Kompetenzen eingeräumt, welche in Artikel 2 des Übereinkommens vom 2. Dezember 1899⁷ festgesetzt sind; den beidseitigen Verwaltungen steht jedoch jederzeit das Recht zu, diese Befugnisse im allgemeinen Verkehrsinteresse zu erweitern.
⁶ Die italienischen Zollämter in den Zwischenstationen Preglia und Varzo wurden aufgehoben (Art. 1 der Abmachung vom 14. Sept. 1927 – BS 12 814).
⁷ SR 0.742.140.22
Art. 3
Die Bahnhöfe in Domodossola, Preglia, Varzo⁸ und Iselle sowie die Bahnstrecke von der Grenze bis Domodossola sind der Überwachung der italienischen Zollverwaltung unterstellt.
Die schweizerischen Zollbehörden können ihr Personal beauftragen, die Bahnzüge auf dieser Strecke zu begleiten und die zollamtliche Behandlung desjenigen Gepäckes vorzunehmen, welches die von den Stationen Preglia, Varzo⁹ und Iselle nach der Schweiz sich begebenden Reisenden mit sich tragen.
Das nämliche Recht steht den italienischen Zollbehörden zu für die Strecke Iselle–Brig.
Die Bahnverwaltungen werden dem mit der Begleitung beauftragten Personal freie Fahrt gewähren.
⁸ Siehe Fussnote 5 zu Art. 2.
⁹ Siehe Fussnote 5 zu Art. 2.
Art. 4
Das Zollpersonal beider Staaten hat nicht nur das Recht, im Umkreise des Bahnhofes von Domodossola die Magazine und Lagerplätze der zur Einfuhr in das eigene Land bestimmten Waren zu beaufsichtigen, sondern es hat in Ausübung seines Dienstes auch das Zutrittsrecht zu allen andern Magazinen und Lagerplätzen, welche im Umkreise des genannten Bahnhofes liegen, und es kann dasselbe den vom Bahnpersonal vorzunehmenden Operationen des Ausladens, Verladens und des Abwägens beiwohnen.
Art. 5
Die Zollämter beider Staaten in Domodossola besorgen ihren Dienst und die bezüglichen Verrichtungen gemäss den Gesetzen und Verordnungen des eigenen Landes, wobei sie behufs Beschleunigung der Abfertigungen alle zolldienstlichen Erleichterungen und Vereinfachungen gewähren, welche tunlich sind.
Speditionen dringlicher Natur, der Transitverkehr und die einfache Ausfuhr aus Italien nach der Schweiz werden den Gegenstand ihrer ganz besondern Vorsorge bilden.
Art. 6
Die schweizerischen Zollbüros in Domodossola können äusserlich mit entsprechender Aufschrift und mit dem schweizerischen Wappenschilde gekennzeichnet werden.
Das Personal derselben kann die durch das Reglement vorgeschriebene Uniform und Bewaffnung tragen, mit Ausnahme des Gewehrs, welches nur bei Begleitung der Züge oder zur Bewachung der Waren und der Kasse zur Nachtzeit getragen werden darf.
Art. 7
Dem schweizerischen Zolldienste steht das Recht zu, in den Fällen und in der Weise, wie dies in den schweizerischen Gesetzen vorgesehen ist, strafrechtlich gegen jede Verletzung der schweizerischen Zollvorschriften vorzugehen, welche im Bahnhofe von Domodossola oder auf der Bahnstrecke zwischen diesem Bahnhofe und der Grenze begangen werden sollte.
Die schweizerischen Behörden, denen das schweizerische Zollamt in Domodossola unterstellt ist, sind berechtigt, Untersuchungen behufs Feststellung solcher Übertretungen vorzunehmen, erfolgte Beschlagnahmen zu bestätigen und die Übertretungen selbst nach den schweizerischen Gesetzen abzuurteilen.
Auf Ansuchen der genannten schweizerischen Behörden verpflichtet sich die italienische Behörde:
1. Zeugen und Sachverständige einzuvernehmen;
2. amtliche Besichtigungen und Durchsuchungen durchzuführen und deren Ergebnis zu bescheinigen;
3. den Beklagten die Vorladungen und Erkenntnisse der schweizerischen Behörden zu behändigen.
Art. 8
Das italienische Zollamt und das schweizerische Zollamt in Domodossola haben auf Ansuchen sich gegenseitig mittelst der ihnen zur Verfügung stehenden bewaffneten Macht Beistand zu leisten, ohne dass dafür der Verwaltung des Staates, in dessen Interesse der Beistand geleistet wird, irgendwelche Kosten überbunden werden dürfen.
Art. 9
In den Fällen, in denen die Revision des Reisendengepäcks und die bezüglichen zollamtlichen Verrichtungen nicht vorher, unterwegs oder nachher stattfinden, haben diese Verrichtungen gleichzeitig durch die Zollämter der beiden Staaten in dem hierfür bestimmten gemeinschaftlichen Saale des Bahnhofes von Domodossola und sofort nach Ankunft der Züge stattzufinden, sodass die Weiterbeförderung der Reisenden und ihres Gepäcks mit dem gleichen Zuge erfolgen kann.
Art. 10
Auf Ansuchen der Bahnverwaltung oder der Reisenden kann die Revision des eingeschriebenen Gepäcks einem hierzu ermächtigten Zollamte im Innern des betreffenden Staates vorbehalten werden. Dem Gepäck sind in diesem Falle die notwendigen, durch das zuständige Zollamt in Domodossola auszustellenden zollamtlichen Begleitpapiere beizugeben.
Art. 11
Behufs Vornahme der in die Kompetenz der Zollämter beider Staaten in Domodossola fallenden Verrichtungen sollen die Waren aus der Hand der einen Zollverwaltung in die Hand der andern übergehen ohne Vermittlung von Speditoren oder andern Vermittlern, mit einziger Ausnahme der nötigen Beihilfe des Bahnpersonals, weichem allein auch die Vermittlung bei allen andern in die Kompetenz der italienischen Zollämter fallenden Amtsverrichtungen zugestanden wird und unter Vorbehalt der in Artikel 10 des Internationalen Übereinkommens von Bern vom 14. Oktober 1890¹⁰ über den Transport auf Eisenbahnen enthaltenen Bestimmungen.
Die zollamtliche Revision der Fahrpoststücke (einzeln beförderten Warenstücken in Eilfracht) ist zuerst vom Personal des Staates, aus welchem sie austreten, und sodann von demjenigen des Staates, in welchen sie übertreten sollen, vorzunehmen.
¹⁰ [ AS 13 61 , 15 361 , 16 42 , 18 720 , 24 825 . AS 44 443 Ingr.]. Siehe heute Art. 25 des Anhanges B zum Übereink. vom 9. Mai 1980 über den internationalen Eisenbahnverkehr ( SR 0.742.403.1 ).
Art. 12
Die an den Wagen und einzelnen Kolli angebrachten Verbleiungen, Vorlegeschlösser usw., welche die Sicherung der in Domodossola auf Rechnung der beiden Staaten zollamtlich zu behandelnden Waren bezwecken, dürfen vom Personal des Ausgangszollamtes nur in Gegenwart desjenigen des andern Staates entfernt werden, welch letzteres gegebenenfalls seinerseits sofort die abgenommenen Verbleiungen, Schlösser usw. zu ersetzen hat.
Art. 13
Die aus der Schweiz mit Bestimmung nach Italien eintreffenden Züge müssen von Ladlisten begleitet sein, in welchen die Anzahl der eingeschriebenen Gepäckstücke und die in jedem Wagen verladenen Frachtstücke verzeichnet sind.
Beim ersten Halt auf italienischem Gebiet müssen diese Ladlisten mit allen andern vorgeschriebenen Begleitpapieren dem italienischen Zollpersonal, welches mit der Begleitung des Zuges bis Domodossola betraut ist, übergeben werden.
Die verschiedene Warengattungen enthaltenden Stückgüter, welche in ein und demselben Wagen verladen sind, können in den vorgenannten Ladlisten summarisch vorgemerkt werden; in diesem Falle ist jedoch die Bahnverwaltung verpflichtet, dem zuständigen Zollamte zur Vornahme der Zollbehandlung Ergänzungslisten zu verabfolgen, in welchen die in jedem einzelnen Wagen enthaltenen Waren beschrieben sind.
Die genannten Ladlisten müssen in Form und Anzahl den Vorschriften derjenigen Zollverwaltung entsprechen, der sie dienen sollen.
Die Zollformalitäten betreffend diejenigen Waren, welche mit aus der Schweiz kommenden Zügen in Domodossola anlangen, sind durch die italienischen Bahnen zu erfüllen, nachdem die Übergabe seitens der schweizerischen Bahnen erfolgt ist.
Art. 14
Alle nach der Schweiz abgehenden Züge sollen von Ladlisten begleitet sein, in welchen sämtliche mitgeführten Waren verzeichnet sind.
Diese Ladlisten müssen unverzüglich mit allen Begleitpapieren dem Zollamte in Brig ausgehändigt werden.
Diesen Zügen ist im fernern ein Verzeichnis der vom italienischen Zolle verbleiten Wagen mitzugeben, und das schweizerische Zollamt in Brig hat auf dem Verzeichnisse, unter Beisetzung des Datumstempels, den Eingang dieser Wagen in die Schweiz zu bescheinigen. Das Verzeichnis ist sodann der Bahn zurückzugeben, welche dasselbe dem italienischen Zollamte abzuliefern hat.
Die als Stückgut nach der Schweiz gehenden Waren müssen von italienischen Ausfuhrzollscheinen begleitet sein.
Auf Verlangen des italienischen Zolles wird das schweizerische Zollamt auf diesen Scheinen seinen Datumstempel beisetzen, wie dies für das Verzeichnis der verbleiten Wagen vorgesehen ist.
Sowohl der italienischen als der schweizerischen Zollverwaltung steht es frei, jederzeit zu verlangen, dass ihre Wagen oder getrennte Wagenabteile zur Verfügung gestellt werden für Waren und Gepäckstücke, welche auf den Zwischenstationen von Preglia, Varzo¹¹ und Iselle auszuladen sind oder auf den genannten Stationen mit Bestimmung nach der Schweiz eingeladen werden müssen.
¹¹ Siehe Fussnote 5 zu An. 2.
Art. 15
Die italienische Herkunft der Waren und Gepäckstücke, welche in Iselle, Varzo und Preglia¹² in die aus der Schweiz kommenden Züge verladen werden, ist durch besonderes Dokument des italienischen Zolles zu bescheinigen.
¹² Siehe Fussnote 5 zu An. 2.
Art. 16
Die Zollbehandlung der von den Postverwaltungen beförderten Sendungen erfolgt im Bahnhofe in Domodossola, und zwar ist dies auch für diejenigen Sendungen der Fall, welche die Postbüros in Preglia, Varzo und Iselle betreffen.
Art. 17
Von der Ankunft im internationalen Bahnhofe in Domodossola an bis zum Abgang unterliegen das zur Einfuhr nach der Schweiz bestimmte Gepäck und diejenigen Waren, deren Abfertigung eventuell durch den schweizerischen Zolldienst an Ort und Stelle vorgenommen wird, den schweizerischen Zollvorschriften, soweit es die Kontrolle, das Abladen, Verladen und die Überwachung betrifft, immerhin unter Berücksichtigung der Interessen der italienischen Zollverwaltung.
Art. 18
Die durch jedes der Zollämter der beiden Staaten ausgeübte Aufsicht über die Magazine und Warenlagerungsplätze im Bahnhofe Domodossola bezweckt nur die Wahrung der fiskalischen Interessen der beiden Staaten und vermindert in keiner Weise die Verantwortlichkeit der Bahnverwaltungen für die Sicherheit der Waren den Eigentümern und Adressaten gegenüber.
Art. 19
Die Verwaltung der italienischen Eisenbahnen ist verpflichtet, alle erforderlichen Massnahmen zu treffen, damit die der Zollbehandlung unterworfenen Waren, Reisenden und deren Gepäckstücke nur durch diejenigen Zugänge in den Bahnhöfen in Domodossola, Preglia, Varzo¹³ und Iselle ein‑ und austreten können, welche im zolldienstlichen Interesse beider Staaten hierfür bestimmt werden.
¹³ Siehe Fussnote 5 zu Art. 2.
Art. 20
Die Bahnverwaltungen sind gehalten, die lokalen Zollämter beider Staaten rechtzeitig von allen gewöhnlichen oder aussergewöhnlichen Änderungen in den Fahrplänen der Personen‑ und Warenzüge sowie vom Ablassen eines jeden Extrazuges zu benachrichtigen.
Art. 21
Den Bahnverwaltungen und den sie vertretenden Bahnbüros liegt es ob, unter eigener Verantwortlichkeit zu verhindern, dass irgendwelche Waren‑ oder Gepäckstücke den Bahnhof verlassen, ohne vorherige Erfüllung sowohl der italienischen als auch der schweizerischen Zollformalitäten.
Im Falle der Ausserachtlassung dieser Vorschrift unterliegen die genannten Verwaltungen den gesetzlichen Strafbestimmungen beider Staaten.
Ebenso haben die Bahnverwaltungen unter eigener Verantwortlichkeit darüber zu wachen, dass die mit spezieller Bestimmung in den besondern Lokalen eingelagerten Waren aus diesen Lokalen zwecks anderweitiger Bestimmung nicht ohne die ausdrückliche Einwilligung der beteiligten Zollämter entfernt werden können.
Art. 22
Die italienischen Behörden werden den schweizerischen Zollbeamten und ‑angestellten in Ausübung ihrer amtlichen Funktionen den gleichen Schutz gewähren wie den italienischen Zollbeamten und ‑angestellten.
Art. 23
Die in Domodossola im Dienst stehenden schweizerischen Zollbeamten und ‑angestellten sind in bezug auf Dienst und Disziplin ausschliesslich der schweizerischen Behörde unterstellt.
Die genannten Beamten und Angestellten und die Glieder ihrer Familien sind zu keinerlei Militärdienst oder andern persönlichen Leistung zugunsten des italienischen Staates verpflichtet.
Art. 24
Die auf der Strecke Domodossola–Iselle oder im internationalen Bahnhof Domodossola im Dienst stehenden Beamten und Angestellten sämtlicher schweizerischen Verwaltungen sowie deren Familien geniessen anlässlich ihrer ersten Niederlassung Befreiung von Zoll‑ und andern Gebühren für ihre Möbel, Effekten und alle Haushaltungsgegenstände, welche bereits gebraucht sind.
Im fernern sind bei ihrem Eingange nach Italien von Zoll‑ und andern Gebühren befreit: die Uniformen des gesamten Personals der schweizerischen Verwaltungen, die Waffen der in Domodossola stationierten schweizerischen Grenzwächter sowie alle Mobilien, Werkzeuge, Geräte, Formulare usw., welche für sämtliche auf der Bahnstrecke zwischen Domodossola und Iselle und im Bahnhofe in Domodossola errichteten schweizerischen Büros notwendig sind.
Die Brennstoffe, das Schmiermaterial, die Ersatzstücke für Rollmaterial und Lokomotiven, welche für den Betrieb (inbegriffen Beleuchtung, Heizung und Reinigung) und die Führung der Züge auf der Strecke von Domodossola nach der italienisch‑schweizerischen Grenze erforderlich sind, sind italienischerseits ebenfalls von jeder Zoll‑ oder andern Gebühr befreit.
Art. 25
Das vorliegende Übereinkommen ist zu ratifizieren, und der Austausch der Ratifikationen hat baldmöglichst in Rom stattzufinden.
Das Übereinkommen tritt mit dem Tage des Ratifikationsaustausches in Kraft und bleibt gültig bis zum Ablaufe eines Jahres von dem Tage an, an welchem dessen Kündigung von seiten des einen oder andern der beiden vertragschliessenden Teile erfolgen sollte.
Unterschriften
Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten das gegenwärtige Übereinkommen unterzeichnet und demselben ihre Siegel beigedrückt.
So geschehen zu Rom, in doppelter Ausfertigung, den 24. März eintausendneunhundertsechs.
G. B. Pioda | Guicciardini |
Feedback