Vergleichsvertrag zwischen der Schweiz und Dänemark
Abgeschlossen am 6. Juni 1924 Von der Bundesversammlung genehmigt am 17. Dezember 1924³ Ratifikationsurkunden ausgetauscht am 18. Mai 1925 In Kraft getreten am 18. Mai 1925 ¹ BS 11 267; BB1 1924 III 627 ² Der Originaltext findet sich unter der gleichen Nummer in der französischen Ausgabe dieser Sammlung. ³ AS 41 299
Der Schweizerische Bundesrat und Seine Majestät der König von Dänemark und Island,
von dem Wunsche geleitet, die zwischen der Schweiz und Dänemark bestehenden freundschaftlichen Beziehungen zu festigen und das Ihre dazu beizutragen, im Dienste des Friedensgedankens das Vergleichsverfahren zur Schlichtung zwischenstaatlicher Streitigkeiten zu fördern,
gewillt, in den Beziehungen zwischen den beiden Ländern die durch die Resolution der Völkerbundsversammlung vom 22. September 1922 gutgeheissenen Grundsätze für die Errichtung von zwischenstaatlichen Vergleichskommissionen im weitesten Masse zur Anwendung zu bringen,
sind übereingekommen, zu diesem Zwecke einen Vertrag abzuschliessen, und haben zu ihren Bevollmächtigten ernannt:
(Es folgen die Namen der Bevollmächtigten)
die, nachdem sie sich ihre Vollmachten mitgeteilt und sie in guter und gehöriger Form befunden haben, folgende Bestimmungen vereinbart haben:
Art. 1
Die vertragschliessenden Teile verpflichten sich, alle zwischen ihnen entstehenden Streitigkeiten, die nicht auf diplomatischem Wege geschlichtet werden können und die nach Massgabe des Artikels 36 Absatz 2 des Statuts des Ständigen Internationalen Gerichtshofes⁴ oder jedes andern zwischen den vertragschliessenden Teilen bestehenden internationalen Abkommens einer gerichtlichen oder schiedsgerichtlichen Erledigung nicht fähig sind, einer ständigen Vergleichskommission zu unterbreiten.
Es steht jeder Partei zu, darüber zu befinden, von welchem Zeitpunkt an das Vergleichsverfahren an die Stelle der diplomatischen Verhandlungen zu treten hat.
Die vertragschliessenden Teile können vereinbaren, einen Streitfall, der gerichtlicher oder schiedsgerichtlicher Erledigung fähig wäre, zuvor einem Vergleichsverfahren zu unterwerfen.
⁴ [ AS 37 7681 . Diesem Artikel entspricht heute Art. 36 Ziff. 2 des Statuts des Internationalen Gerichtshofes vom 26. Juni 1945 ( SR 0.193.501 ).
Art. 2
Die ständige Vergleichskommission besteht aus fünf Mitgliedern.
Die vertragschliessenden Teile ernennen, jeder für sich, nach freier Wahl je ein Mitglied und berufen die drei andern im gemeinsamen Einvernehmen. Diese drei Mitglieder sollen nicht Angehörige der vertragschliessenden Staaten sein, noch sollen sie auf deren Gebiet ihren Wohnsitz haben oder in deren Dienste stehen.
Aus der Mitte der gemeinschaftlich berufenen Mitglieder wird der Vorsitzende der Kommission im gemeinsamen Einverständnis ernannt.
Die Kommission ist binnen sechs Monaten nach dem Austausche der Ratifikationsurkunden zum gegenwärtigen Vertrage zu bilden.
Wenn die Ernennung der gemeinsam zu berufenden Mitglieder oder des Vorsitzenden nicht binnen sechs Monaten nach dem Austausche der Ratifikationsurkunden oder, im Falle des Rücktrittes oder Ablebens eines Mitgliedes, nicht binnen zwei Monaten nach dem Freiwerden des Sitzes stattgefunden hat, so ernennt jeder der vertragschliessenden Teile eines dieser Mitglieder, das den Bedingungen des zweiten Absatzes genügt, während die Ernennung des Vorsitzenden nötigenfalls, auf Verlangen einer einzigen Partei, durch den Präsidenten des Ständigen Internationalen Gerichtshofes⁵ oder, falls dieser Angehöriger eines der vertragschliessenden Staaten ist, durch den Vizepräsidenten oder durch das älteste Mitglied des Gerichtshofes, das nicht Angehöriger eines der vertragschliessenden Staaten ist, vollzogen wird.
⁵ Der Ständige Internationale Gerichtshof wurde aufgelöst durch Beschluss der Völkerbundsversammlung vom 18. April 1946 (BB1 1946 II 1227) und ersetzt durch den Internationalen Gerichtshof ( SR 0.193.50 ).
Art. 3
Die Mitglieder der Kommission sind für drei Jahre gewählt. Unter Vorbehalt anderweitiger Vereinbarung zwischen den vertragschliessenden Teilen können sie während ihrer Amtsdauer nicht abberufen werden.
Endigt die Amtsdauer eines gemeinsam gewählten Mitgliedes, ohne dass eine Partei gegen deren Verlängerung Einspruch erhebt, so gilt sie als für drei weitere Jahre erneuert. Desgleichen gilt die Amtsdauer eines von nur einer Partei gewählten Mitgliedes als für drei weitere Jahre verlängert, wenn bei deren Ablauf diese Partei keine Ersatzwahl vorgenommen hat.
Ein Mitglied, dessen Amt während eines Verfahrens abläuft, nimmt weiterhin bis zu dessen Abschluss an der Behandlung des Streitfalles teil.
Art. 4
Es steht jeder Partei zu, innerhalb von vierzehn Tagen, nachdem der ständigen Kommission das Begehren nach Einleitung eines Vergleichsverfahrens notifiziert worden ist, das von ihr gemäss Artikel 2 Absatz 2 in freier Wahl bezeichnete Mitglied durch eine auf dem Gebiete des betreffenden Streitfalles besonders sachverständige Persönlichkeit zu ersetzen.
Will eine der Parteien von diesem Rechte Gebrauch machen, so muss sie unverzüglich die Gegenpartei davon in Kenntnis setzen; in diesem Falle kann diese in einem Zeitraum von vierzehn Tagen nach Empfang dieser Mitteilung von demselben Rechte Gebrauch machen.
Art. 5
Der ständigen Vergleichskommission liegt ob, die Schlichtung der Streitigkeit zu erleichtern, indem sie in unparteiischer und gewissenhafter Prüfung den Sachverhalt aufhellt und Vorschläge für die Beilegung der Streitigkeit macht.
Die Anrufung der Kommission erfolgt durch ein dahinzielendes Begehren, das von einem der vertragschliessenden Teile an deren Vorsitzenden gerichtet wird.
Dieses Begehren wird von der Partei, welche die Eröffnung des Vergleichsverfahrens verlangt, gleichzeitig der Gegenpartei notifiziert.
Art. 6
Unter Vorbehalt anderweitiger Vereinbarung tritt die Kommission an dem von ihrem Vorsitzenden bezeichneten Orte zusammen.
Art. 7
Die vertragschliessenden Teile können besondere Vertreter bei der Kommission ernennen, die gleichzeitig als Mittelspersonen zwischen ihnen und der Kommission dienen.
Art. 8
Die vertragschliessenden Teile verpflichten sich, die Arbeiten der Kommission soweit als möglich zu fördern und insbesondere alle nach der Landesgesetzgebung zu ihrer Verfügung stehenden Mittel anzuwenden, um es der Kommission zu ermöglichen, auf ihrem Gebiete Zeugen und Sachverständige vorzuladen und zu vernehmen sowie Augenscheine durchzuführen.
Art. 9
Die Verhandlungen der Kommission sind geheim, es sei denn, dass die Kommission im Einvernehmen mit den Parteien anders beschliesst.
Art. 10
Das Verfahren vor der Kommission ist kontradiktorisch.
Die Kommission setzt selbst das Verfahren fest, wobei sie, falls nicht einstimmig ein anderweitiger Beschluss gefasst wird, die Bestimmungen in Titel III des Haager Abkommens vom 18. Oktober 1907⁶ zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle berücksichtigt.
⁶ SR 0.193.212
Art. 11
Unter Vorbehalt anderweitiger Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrages trifft die Kommission ihre Beschlüsse mit einfacher Stimmenmehrheit.
Die Kommission ist verhandlungsfähig, wenn alle Mitglieder ordnungsgemäss geladen wurden und der Vorsitzende sowie mindestens zwei weitere Mitglieder anwesend sind.
Art. 12
Die Kommission hat ihren Bericht binnen sechs Monaten zu erstatten, nachdem sie in einer Streitigkeit angerufen worden ist, es sei denn, dass die vertragschliessenden Teile diese Frist im gemeinsamen Einverständnis verkürzen oder verlängern.
Die mit Begründung versehene Ansicht der in der Minderheit verbliebenen Mitglieder ist in den Bericht aufzunehmen.
Jeder Partei wird eine Ausfertigung des Berichts ausgehändigt.
Der Bericht hat weder in bezug auf die Tatsachen noch hinsichtlich der rechtlichen Ausführungen die Bedeutung eines Schiedsspruches.
Es steht den Parteien zu, im gemeinsamen Einverständnis zu bestimmen, ob der Kommissionsbericht unverzüglich veröffentlicht werden kann.
Art. 13
Die ständige Vergleichskommission hat die Frist festzusetzen, innerhalb deren sich die Parteien zu ihren Vorschlägen zu äussern haben. Diese Frist darf indessen die Zeit von drei Monaten nicht überschreiten.
Art. 14
Während der tatsächlichen Dauer des Verfahrens erhalten die Mitglieder der Vergleichskommission eine Entschädigung, deren Höhe von den vertragschliessenden Teilen zu vereinbaren ist.
Jede Partei kommt für ihre eigenen Kosten auf; die Kosten für die Kommission werden von den Parteien zu gleichen Teilen getragen.
Art. 15
Während der Dauer des Vergleichsverfahrens enthalten sich die vertragschliessenden Teile jeglicher Massnahme, die auf die Zustimmung zu den Vorschlägen der ständigen Vergleichskommission nachteilig zurückwirken kann.
Art. 16
Der gegenwärtige Vertrag soll ratifiziert und die Ratifikationsurkunden sollen sobald als möglich ausgetauscht werden.
Der Vertrag gilt für die Dauer von zehn Jahren, gerechnet vom Austausche der Ratifikationsurkunden an. Wird er nicht sechs Monate vor Ablauf dieser Frist gekündigt, so bleibt er für einen weitern Zeitraum von fünf Jahren in Kraft, und so fort für je fünf Jahre.
Unterschriften
Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten den gegenwärtigen Vertrag unterzeichnet und ihn mit ihren Siegeln versehen.
Ausgefertigt in doppelter Urschrift zu Kopenhagen am 6. Juni 1924.
Schreiber | Moltke |
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