Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Italienischen Republik über die Regelung des Versicherungs‑ und Rückversicherungsverkehrs zwischen den beiden Staaten
Abgeschlossen am 9. Juli 1947 In Kraft getreten am 9. Juli 1947 (Stand am 9. Juli 1947) ¹ Übersetzung des französischen Originaltextes.
Die Regierungen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Italienischen Republik
haben, im Wunsche, den Versicherungs‑ und Rückversicherungsverkehr zwischen den beiden Staaten zu regeln,
folgendes Abkommen abgeschlossen:
Art. 1 Gegenstand des Abkommens
Als Versicherungs‑ und Rückversicherungszahlungen im Sinne des vorliegenden Abkommens gelten Zahlungen zwischen der Schweiz und Italien, die sich beziehen auf:
1. sämtliche Forderungen und Schulden, welche auf Versicherungsverträgen beruhen, die im Einklang mit den in den beiden Ländern geltenden gesetzlichen Vorschriften abgeschlossen wurden;
2. sämtliche Forderungen und Schulden aus Rückversicherungs‑ und Retrozessionsverträgen zwischen Versicherungs‑ und Rückversicherungs‑Gesellschaften der beiden Länder;
3. Vorschüsse, die von in Italien zum Geschäftsbetrieb ermächtigten schweizerischen Versicherungsgesellschaften nach Italien ihren dortigen Vertretungen für deren italienische Geschäftsführung gemacht werden, und die Rückerstattung dieser Vorschüsse nach der Schweiz; ebenso Vorschüsse, die von in der Schweiz zum Geschäftsbetrieb ermächtigten italienischen Versicherungsgesellschaften nach der Schweiz ihren dortigen Vertretungen für ihre schweizerische Geschäftsführung gemacht werden, und die Rückerstattung dieser Vorschüsse nach Italien;
4. die am Schluss eines jeden Geschäftsjahres erzielten Gewinne der italienischen Vertretungen von schweizerischen Direkt‑Versicherungsgesellschaften sowie die am Schluss eines jeden Geschäftsjahres erzielten Gewinne der schweizerischen Vertretungen von italienischen Direkt‑Versicherungsgesellschaften;
5. Leistungen der öffentlich‑rechtlichen Sozialversicherungen, wie Invaliden‑ und Altersrenten, Renten und Pensionen für Arbeiterunfälle, besonders die Leistungen der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt Luzern, sowie, im Einklang mit Ziff. 1 dieses Artikels, Leistungen aus privaten Ergänzungsversicherungen.
Ziff. 1 dieses Artikels umfasst insbesondere: a) für die Transportversicherung: die provisorischen und definitiven Beiträge zur Havarie – grosse und die Rückerstattung der ersteren;
b) für die Haftpflicht‑, Unfall‑ und Autokaskoversicherung: die Entschädigungen, welche Haftpflichtversicherte des einen Landes Personen mit Wohnsitz im andern Lande schulden; die Arzt- und Heilungskosten, welche Versicherte mit Wohnsitz im einen Lande bei im andern Lande erlittenen Unfällen zu zahlen haben; die Kosten unerlässlicher Reparaturen, welche Autokasko‑Versicherte des einen Landes für im andern Lande erlittene Schadensfälle zu zahlen haben, sowie die Rückerstattung der Vorleistungen, die in diesen Fällen durch die Vertretung oder den Sitz einer Gesellschaft im einen Lande für Rechnung des Sitzes oder der Vertretung im andern Lande gemacht worden sind;
c) für die Lebensversicherung: Prämien auf Grund von Policen, welche Schweizer Bürger mit ständigem Wohnsitz in Italien mit schweizerischen Versicherungsgesellschaften in der Schweiz abgeschlossen haben, wenn sie zur Zeit des Vertragsabschlusses Wohnsitz in der Schweiz hatten; bei italienischen Gesellschaften versicherte, fällig gewordene Summen, wenn der Versicherte oder der Begünstigte der Police im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit Wohnsitz in der Schweiz hat; ebenso Rückkaufswerte unter den gleichen Voraussetzungen. Gleich behandelt werden: Prämien auf Grund von Lebensversicherungspolicen, welche italienische Bürger mit Wohnsitz in der Schweiz mit italienischen Versicherungsgesellschaften in Italien abgeschlossen haben, wenn sie zur Zeit des Vertragsabschlusses Wohnsitz in Italien hatten; bei schweizerischen Versicherungsgesellschaften versicherte, fällig gewordene Summen, wenn der Versicherte oder der Begünstigte der Police im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit Wohnsitz in Italien hat; ebenso Rückkaufswerte unter den gleichen Voraussetzungen.
Diese Regelung gilt nicht für Lebensversicherungen mit Einmaleinlage.
Ziff. 1 dieses Artikels umfasst nicht: Zahlungen, die ihrer Natur nach dazu bestimmt sind, in dem Lande zu bleiben, in dem sie erfolgen, und die nicht Anlass zu einem Transfer nach dem andern Lande geben sollen, z. B. Entschädigungen beim Brand von Gebäuden.
Regelung der Schulden und Forderungen, die unter dieses Abkommen fallen
Art. 2 Direktversicherung
Zahlungen gemäss Art. 1, Ziff. 1, dieses Abkommens haben beiderseits frei in Originalwährung zu erfolgen, wenn sie auf andere Währungen als Lire oder Schweizer Franken lautende Versicherungsverträge betreffen.
Alle andern Zahlungen gemäss Art. 1, Ziff. 1, 3, 4 und 5 dieses Abkommens von der Schweiz nach Italien sind in Schweizer Franken an die Schweizerische Nationalbank in Zürich auf das Konto «Versicherung und Rückversicherung», das gemäss Art. 5 zugunsten des Ufficio Italiano dei Cambi eröffnet wird, zu leisten. Dieses zahlt dem Gläubiger den Gegenwert in Lire aus.
Handelt es sich jedoch um Prämien, welche Versicherte mit Wohnsitz in der Schweiz auf Grund von Lebensversicherungsverträgen an in Italien tätige Versicherungsgesellschaften zu zahlen haben, so stellt die Schweizerische Verrechnungsstelle diese Prämien dem Ufficio Italiano dei Cambi auf dessen Ansuchen zur freien Verfügung, unter Belastung des Kontos «Versicherung und Rückversicherung».
Die an Anspruchsberechtigte mit Wohnsitz in Italien zu leistenden Zahlungen der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt Luzern haben ebenfalls in Schweizer Franken an die Schweizerische Nationalbank in Zürich auf das Konto «Versicherung und Rückversicherung» zugunsten des Ufficio Italiano dei Cambi zu erfolgen. Das letztere stellt den Gegenwert in Lire der Schweizerischen Handelskammer in Mailand zur Verfügung, welche die Auszahlungen in Lire an die Anspruchsberechtigten vornimmt.
Die nicht unter den ersten Absatz dieses Artikels fallenden Zahlungen gemäss Art. 1, Ziff. 1, 3, 4 und 5, von Italien nach der Schweiz sind vom Schuldner in Italien direkt in Schweizer Franken an den Gläubiger zu leisten, unter Verwendung von Guthaben auf bewilligten Devisen‑Konti, über die er verfügt. Wenn der Schuldner nicht genügende Devisen für die Erfüllung seiner Verpflichtungen besitzt, stellt ihm das Ufficio Italiano dei Cambi den erforderlichen Betrag aus Guthaben des bei der Schweizerischen Nationalbank geführten Kontos «Versicherung und Rückversicherung» zur Verfügung.
Das vorliegende Abkommen bezieht sich nicht auf Zahlungen, die aus der Versicherung von Waren im direkten Verkehr zwischen der Schweiz und Italien herrühren.
Art. 3 Rückversicherung und Retrozession
Zahlungen, die auf Rückversicherungs‑ und Retrozessionsverträgen zwischen Versicherungs‑ und Rückversicherungsgesellschaften der beiden Länder beruhen, hat die schuldnerische Gesellschaft frei in Originalwährung zu leisten.
Jedoch haben Zahlungen, die sich aus auf Lire lautenden Rückversicherungs‑ und Retrozessionsverträgen zwischen Versicherungs‑ und Rückversicherungsgesellschaften der beiden Länder ergeben, entweder in freien Lire oder in Schweizer Franken zu erfolgen. Der Schuldner benützt zu diesem Zweck seine Guthaben an freien Lire oder Devisen.
Die schweizerischen und italienischen Versicherungs‑ und Rückversicherungsgesellschaften haben die Möglichkeit, sich bei den ermächtigten italienischen Banken freie Lire‑Konti eröffnen zu lassen, die keinen Formalitäten unterstehen und deren Saldi in Devisen frei nach dem Ausland überwiesen werden können.
Wenn ein Schuldner in Italien nicht über die zur Erfüllung seiner Verpflichtung erforderlichen freien Lire oder Devisen verfügt, stellt ihm das Ufficio Italiano dei Cambi die nötigen Beträge aus Guthaben des Kontos «Versicherung und Rückversicherung» bei der Schweizerischen Nationalbank zur Verfügung. Für Verpflichtungen in Drittwährung darf eine Beanspruchung des Kontos nur erfolgen, wenn dieselben auf Währungen lauten, die auf dem Bankwege frei in die Schweiz überwiesen werden können.
Wenn ein Schuldner in Italien Zahlungen nach der Schweiz zu Lasten des Kontos «Versicherung und Rückversicherung» ausgeführt hat, müssen alle Zahlungen von der Schweiz nach Italien zugunsten dieses Schuldners über das gleiche Konto erfolgen bis zur Höhe des Betrages, mit welchem das Konto belastet wurde. Das Ufficio Italiano dei Cambi und die Schweizerische Verrechnungsstelle werden hiefür die nötigen Vorkehren treffen.
Die schweizerischen Versicherungs‑ und Rückversicherungsgesellschaften gehörenden italienischen Titel, welche als Garantie für Rückversicherungs‑ und Retrozessionsverpflichtungen bei einer italienischen Gesellschaft deponiert sind und von dieser Gesellschaft für Rechnung der schweizerischen Gesellschaft unter Verwendung der Rückversicherungs‑ oder Retrozessionssaldi, welche die italienische der schweizerischen Gesellschaft schuldete, erworben wurden, haben die Eigenschaft von freien Titeln.
Diese Titel können daher:
1. in einem «freien Dossier» deponiert werden, das bei einer ermächtigten italienischen Bank auf den Namen der schweizerischen Gesellschaft, der sie gehören, geführt wird, unter der Bedingung, dass die italienische Gesellschaft, welche diese Titel innehat, deren Gegenwert in Devisen oder freien Lire dem Ufficio Italiano dei Cambi abtritt unter Verwendung ihrer Guthaben an Devisen oder freien Lire;
2. an eine andere italienische Gesellschaft für Rechnung der schweizerischen Gesellschaft, der sie gehören, übertragen werden unter der Bedingung, dass die italienische Gesellschaft, die sie bisher innehatte, der Gesellschaft, an die sie übertragen werden, den Gegenwert der Titel in Devisen oder freien Lire abtritt, unter Verwendung ihrer Guthaben an Devisen oder freien Lire;
3. für Rechnung der schweizerischen Gesellschaft durch die italienische Gesellschaft, welche sie innehat, verkauft werden unter der Bedingung, dass die letztere in der Lage ist, den Verkaufserlös mittels ihrer Guthaben an Devisen oder freien Lire zu transferieren.
Die «freien Dossiers» gemäss obiger Ziff. 1 sind keinerlei Formalitäten unterworfen, und der Erlös aus dem Verkauf der darin hinterlegten Titel ist in Devisen frei ins Ausland transferierbar; der Transfer erfolgt, indem das Ufficio Italiano dei Cambi die nötigen Devisen abgibt.
Die Erträgnisse der als Garantie für Rückversicherungs‑ und Retrozessionsverpflichtungen bei den Versicherungs‑ und Rückversicherungsgesellschaften der beiden Länder hinterlegten Titel werden quartalsweise den Rückversicherungs‑ und Retrozessionskonten gutgeschrieben.
Art. 4 Verrechnung von Schulden und Forderungen
Die Versicherungs‑ und Rückversicherungsgesellschaften der beiden Länder können in gemeinsamem Einverständnis direkt untereinander Schulden und Forderungen aus dem Rückversicherungs‑ und Retrozessionsverkehr verrechnen, welche unter dieses Abkommen fallen und auf Lire, Schweizer Franken oder eine auf dem Bankweg frei transferierbare Drittwährung lauten.
Art. 5 Konto «Versicherung und Rückversicherung»
Für die Durchführung des vorliegenden Abkommens wird bei der Schweizerischen Nationalbank in Zürich auf den Namen des Ufficio Italiano dei Cambi ein Konto «Versicherung und Rückversicherung» in Schweizer Franken eröffnet.
Zum Zwecke der Ausführung der Zahlungen, die über dieses Konto gehen, stellen sich die Schweizerische Nationalbank und das Ufficio Italiano dei Cambi laufend die Zahlungsaufträge gemäss den erhaltenen Einzahlungen zu. Diese Zahlungsaufträge lauten auf Schweizer Franken.
Das Ufficio Italiano dei Cambi führt die Zahlungsaufträge der Schweizerischen Nationalbank bei Empfang aus. Die Schweizerische Nationalbank führt die Zahlungsaufträge des Ufficio Italiano dei Cambi nach Massgabe der auf dem Konto «Versicherung und Rückversicherung» vorhandenen Mittel und in chronologischer Reihenfolge der Einzahlungen in Italien aus.
Art. 6 Wechselkurs
Die Schweizerische Verrechnungsstelle und das Ufficio ltaliano dei Cambi setzen in gemeinsamem Einverständnis den Wechselkurs zwischen der Lira und dem Schweizer Franken fest, der auf die durch dieses Abkommen geregelten Zahlungen und Verrechnungen Anwendung findet.
Sowohl in der Schweiz als in Italien erfolgen die Einzahlungen der Schuldner zu dem am Tage der Einzahlung gültigen Kurs und die Auszahlungen an die Gläubiger zu dem am Tage der Auszahlung gültigen Kurs.
Der Schuldner wird von seiner Schuld, sofern diese auf die Währung des Gläubigerlandes oder auf eine dritte Währung lautet, erst befreit, wenn der Gläubiger den vollen Betrag seiner Forderung erhalten hat.
Art. 7 Gemischte Kommission
Es wird eine gemischte Kommission bestellt. Sie tritt auf Verlangen einer der beiden Vertragsparteien zusammen, um die reibungslose Durchführung dieses Abkommens sicherzustellen.
Art. 8
Dieses Abkommen findet auf das Fürstentum Liechtenstein Anwendung, solange dieses mit der Schweiz durch einen Zollunionsvertrag² verbunden ist.
² SR 0.631.112.514
Art. 9
Dieses Abkommen ersetzt das Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Königreich Italien vom 30. Januar 1937 über die Anwendung des Abkommens vom 3. Dezember 1935³ die Versicherungs‑ und Rückversicherungszahlungen zwischen der Schweiz und Italien, sowie das Zusatzabkommen vom 22. Juni 1940⁴.
Es tritt am Tage seiner Unterzeichnung in Kraft. Seine Bestimmungen finden ebenfalls auf Verpflichtungen, die nach dem 30. September 1946 fällig und bisher nicht erfüllt wurden, Anwendung. Mit Bezug auf Verpflichtungen der Direktversicherung, die bis zum 30. September 1946 fällig und noch nicht erfüllt wurden, werden die Schweizerische Verrechnungsstelle und das Ufficio Italiano dei Cambi gemeinsam prüfen, ob deren Regelung gemäss den Bestimmungen dieses Abkommens möglich ist.
Es kann jederzeit unter Einhaltung einer Frist von mindestens sechs Monaten, frühestens auf den 31. Dezember 1949, gekündigt werden.
Im Falle der Kündigung dieses Abkommens bleiben seine Bestimmungen auf die Abwicklung aller Forderungen anwendbar, die während seiner Gültigkeitsdauer fällig geworden sind. Nach beendigter Abwicklung kann das Ufficio Italiano dei Cambi über einen allfälligen Saldo auf dem Konto «Versicherung und Rückversicherung» frei verfügen.
Ausgefertigt in Bern, in zwei Exemplaren, am 9. Juli 1947.
Im Namen Max Petitpierre | Im Namen Egidio Reale |
³ [ AS 52 194 . AS 1950 1181 Art. 9 Abs. 1]
⁴ [ AS 56 996 . AS 1950 1181 Art. 9 Abs. 1]
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