Vertrag zwischen der Schweiz und Japan zur gerichtlichen Erledigung von Streitigkeiten
Abgeschlossen am 26. Dezember 1924 Von der Bundesversammlung genehmigt am 25. September 1925³ Ratifikationsurkunden ausgetauscht am 19. Dezember 1925 In Kraft getreten am 19. Dezember 1925 ¹ BS 11 303; BBl 1925 II 159 ² Der Originaltext findet sich unter der gleichen Nummer in der französischen Ausgabe dieser Sammlung. ³ AS 42 25
Der Schweizerische Bundesrat und Seine Majestät der Kaiser von Japan,
von dem Wunsche geleitet, die zwischen der Schweiz und Japan bestehenden freundschaftlichen Beziehungen zu festigen und etwaige zwischen den beiden Ländern entstehende Streitigkeiten soweit als möglich im Wege einer gerichtlichen Erledigung zu schlichten, sofern sie einer solchen Erledigung fähig sind,
im Sinne von Artikel XIII des Völkerbundsvertrages,
haben beschlossen, zu diesem Zwecke einen Vertrag abzuschliessen, und haben zu ihren Bevollmächtigten ernannt:
(Es folgen die Namen der Bevollmächtigten)
die, nachdem sie sich ihre Vollmachten mitgeteilt und sie in guter und gehöriger Form befunden haben, über folgende Bestimmungen übereingekommen sind:
Art. 1
Streitigkeiten rechtlicher Natur, die zwischen den hohen vertragschliessenden Teilen entstehen sollten und auf diplomatischem Wege oder durch irgendein anderes Vergleichsverfahren nicht haben beigelegt werden können, sind einer gerichtlichen Erledigung zu unterwerfen.
Es bleibt indessen jedem der hohen vertragschliessenden Teile unbenommen, der gerichtlichen Erledigung jeglichen Streitfall zu entziehen, der nach seiner Ansicht seine Lebensinteressen, seine Unabhängigkeit oder seine Ehre oder die Interessen dritter Mächte berühren würde.
Art. 2
Streitigkeiten, die einer gerichtlichen Erledigung im Sinne des gegenwärtigen Vertrags fähig sind, sind dem Ständigen Internationalen Gerichtshofe⁴ zu unterbreiten.
Die hohen vertragschliessenden Teile können in jedem Einzelfall übereinkommen, die Streitigkeit vor die vom Ständigen Internationalen Gerichtshofe⁵ bestellte Kammer für abgekürztes Verfahren zu bringen.
Desgleichen können sie übereinkommen, die Streitigkeit einem im gemeinsamen Einvernehmen gebildeten Schiedsgerichte zu unterbreiten. In diesem Falle finden, sofern keine anderweitige Abmachung getroffen wird, die Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrages in entsprechender Weise auf das Schiedsgerichtsverfahren Anwendung.
⁴ Heute: der Internationale Gerichtshof (Art. 37 des Statuts des Internationalen Gerichtshofes – SR 0.193.50 ).
⁵ Heute: der Internationale Gerichtshof (Art. 37 des Statuts des Internationalen Gerichtshofes – SR 0.193.501 ).
Art. 3
Bevor sich die hohen vertragschliessenden Teile an den Ständigen Internationalen Gerichtshof⁶ wenden, setzen sie in jedem Einzelfall in Nachachtung der Bestimmungen des Statuts und des Reglements des Ständigen Internationalen Gerichtshofes⁷ eine besondere Schiedsordnung fest, worin der Streitgegenstand, die etwaigen besondern Befugnisse des Gerichts sowie die sonstigen zwischen ihnen vereinbarten Einzelheiten genau bestimmt werden.
Die Schiedsordnung wird durch Notenaustausch zwischen den Regierungen der hohen vertragschliessenden Teile festgesetzt.
Zu deren Auslegung ist in allen Stücken der Ständige Internationale Gerichtshof⁸ zuständig.
⁶ Heute: der Internationale Gerichtshof (Art. 37 des Statuts des Internationalen Gerichtshofes – SR 0.193.501 ).
⁷ Heute: der Internationale Gerichtshof (Art. 37 des Statuts des Internationalen Gerichtshofes – SR 0.193.501 ).
⁸ Heute: der Internationale Gerichtshof (Art. 37 des Statuts des Internationalen Gerichts-hofes – SR 0.193.501 ).
Art. 4
Der Spruch des Ständigen Internationalen Gerichtshofes⁹ ist von den Parteien nach Treu und Glauben zu erfüllen.
Die hohen vertragschliessenden Teile werden während der Dauer des Gerichtsverfahrens soweit als möglich jegliche Massnahme vermeiden, die auf die Erfüllung des vom Ständigen Internationalen Gerichtshofe¹⁰ zu fällenden Spruches nachteilig zurückwirken kann.
⁹ Heute: der Internationale Gerichtshof (Art. 37 des Statuts des Internationalen Gerichts-hofes – SR 0.193.501 ).
¹⁰ Heute: der Internationale Gerichtshof (Art. 37 des Statuts des Internationalen Gerichtshofes – SR 0.193.501 ).
Art. 5
Der gegenwärtige Vertrag soll ratifiziert werden. Die Ratifikationsurkunden sollen sobald als möglich in Tokio ausgetauscht werden.
Der Vertrag gilt für die Dauer von fünf Jahren, gerechnet vom Austausche der Ratifikationsurkunden an. Wird er nicht sechs Monate vor Ablauf dieses Zeitraums gekündigt, so bleibt er weiter in Kraft bis zum Ablauf einer Jahresfrist, gerechnet von dem Zeitpunkt an, wo einer der hohen vertragschliessenden Teile dem andern seine Absicht bekanntgegeben hat, ihm ein Ende zu setzen.
Unterschriften
Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten den gegenwärtigen Vertrag unterzeichnet und ihm ihre Siegel beigedrückt.
So geschehen zu Tokio, in doppelter Urschrift, den 26. Dezember 1924.
A. Brunner | K. Shidehara |
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