Niederlassungsabkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem ... (0.142.114.362)
CH - Schweizer Bundesrecht

Niederlassungsabkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Kaiserreich Persien

Abgeschlossen am 25. April 1934 Von der Bundesversammlung genehmigt am 8. November 1934³ Ratifikationsurkunden ausgetauscht am 2. Juni 1935 In Kraft getreten am 2. Juli 1935 ¹ BS 11 664; BBl 1934 III 157 ² Der Originaltext findet sich unter der gleichen Nummer in der französischen Ausgabe dieser Sammlung. ³ AS 51 414
Der Schweizerische Bundesrat und Seine Kaiserliche Majestät der Schah von Persien,
in gleicher Weise vom Wunsche geleitet, entsprechend dem Freundschaftsvertrag vom heutigen Tage⁴ die Niederlassungsverhältnisse der persischen Staatsangehörigen in der Schweiz und der schweizerischen Staatsangehörigen in Persien zu regeln, haben beschlossen, ein Niederlassungsabkommen zu treffen, und haben zu diesem Zwecke zu ihren Bevollmächtigten ernannt:
(Es folgen die Namen der Bevollmächtigten)
die, nach gegenseitiger Mitteilung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten, die nachstehenden Bestimmungen vereinbart haben:
⁴ SR 0.142.114.361
Art. 1
Die Staatsangehörigen eines jeden der hohen vertragschliessenden Teile werden im Gebiet des andern Teils hinsichtlich ihrer Person und ihres Vermögens nach den Grundsätzen und der Übung des allgemeinen Völkerrechts behandelt. Sie geniessen dort den ständigen Schutz der Landesgesetze und ‑behörden für ihre Person und für ihr Vermögen, ihre Rechte und Interessen. Sie können das Gebiet des andern vertragschliessenden Teils betreten und verlassen, dort reisen, sich dort aufhalten und niederlassen unter der Bedingung, dass und solange als sie die auf diesem Gebiet geltenden Gesetze und Verordnungen beachten.
In allen diesen Angelegenheiten geniessen sie eine Behandlung, die nicht weniger günstig ist als die den Angehörigen der meistbegünstigten Nation gewährte Behandlung.
Die vorstehenden Vorschriften hindern jedoch keinen der hohen vertragschliessenden Teile, jederzeit Bestimmungen zu treffen, um die Einwanderung in sein Gebiet zu regeln oder zu verbieten, sofern dieselben nicht eine Massnahme unterschied­licher Behandlung bedeuten, die besonders gegen alle Angehörigen des andern Teils gerichtet ist.
Es versteht sich, dass dieser Artikel weder die Passvorschriften noch die Bestimmungen allgemeiner Natur berührt, die der eine oder der andere der hohen vertragschliessenden Teile darüber erlassen hat, unter welchen Bedingungen ausländischer Arbeiter auf seinem Gebiete zur Ausübung eines Gewerbes zugelassen werden.
Art. 2
Die Bestimmungen dieses Abkommens beeinträchtigen nicht das Recht jedes der hohen vertragschliessenden Teile, den Angehörigen des andern Teils im einzelnen Falle infolge gerichtlicher Verfügung oder aus Gründen der innern oder äussern Sicherheit des Staates oder auch aus polizeilichen Gründen den Aufenthalt zu ver­sagen.
Die Ausweisung soll unter Bedingungen, die den Anforderungen der Hygiene und der Menschlichkeit entsprechen, durchgeführt werden.
Art. 3
Unter Beobachtung der Landesgesetze und Verordnungen haben die Angehörigen eines jeden der hohen vertragschliessenden Teile im Gebiet des andern Teils in gleicher Weise wie die Inländer das Recht, jede Art von Industrie und Handel zu betreiben und jedes Handwerk und jeden Beruf auszuüben, soweit es sich nicht um ein Staatsmonopol oder die Ausbeutung eines vom Staate verliehenen Monopols handelt und mit Ausnahme des Hausierhandels und aller sonstigen Wandergewerbe.
Diese Bestimmung findet auch insofern keine Anwendung, als nach den erwähnten Gesetzen und Verordnungen die Ausübung eines Berufes den Inländern vorbehalten ist.
Art. 4
Die Handelsgesellschaften jeder Art, einschliesslich der Industrie‑, Finanz‑, Ver­sicherungs‑, Verkehrs- und Transportgesellschaften, die gemäss den Gesetzen eines der hohen vertragschliessenden Teile errichtet wurden, ihren Sitz auf seinem Gebiet haben und denen dort ordnungsgemäss die Nationalität dieses Landes zuerkannt wird, werden im Gebiete des andern als Rechtssubjekte mit der Fähigkeit und dem Recht, vor Gericht aufzutreten, anerkannt.
Ihre Zulassung zur Ausübung einer Geschäftstätigkeit im Gebiete des andern Teils bestimmt sich nach den dort geltenden Gesetzen und Vorschriften.
Hinsichtlich der Voraussetzungen ihrer Zulassung, der Ausübung ihrer Tätigkeit und in jeder andern Beziehung können diese Gesellschaften unter der Bedingung, dass sie die Gesetze und Vorschriften des Aufenthaltslandes beobachten, sich dort jeder Handels- oder industriellen Tätigkeit widmen, die gemäss Artikel 3 den Angehörigen des Landes, in dem sie errichtet wurden, offensteht. Die genannten Gesellschaften müssen in jeder Hinsicht wie die gleichartigen Unternehmungen der meist­begünstigten Nation behandelt werden.
Es herrscht Einverständnis darüber, dass weder die Bestimmungen dieses Artikels noch irgendeine Bestimmung dieses Abkommens die Befugnis geben können, die besondern Vorrechte zu beanspruchen, die Persien gewissen fremden Gesellschaften gewährt, für welche die Bedingungen ihrer Tätigkeit durch besondere Konzessionen festgesetzt sind.
Anderseits haben die Gesellschaften des einen oder andern der hohen vertragschlies­senden Teile, für welche die Bedingungen ihrer Tätigkeit im Gebiete des andern Teils durch besondere Konzessionen festgesetzt sind, nicht die Befugnis, für die in der Konzession vorgesehenen Punkte Vorteile in Anspruch zu nehmen, die in den geltenden Verträgen oder Abkommen gewährt wurden oder aus der Meistbegünstigungsklausel sich ergeben könnten.
Art. 5 ⁵
Die Staatsangehörigen sowie die in Artikel 4 aufgeführten Gesellschaften des einen der hohen vertragschliessenden Teile geniessen auf dem Gebiete des andern Teiles sowohl für ihre Person als auch für ihr Vermögen, ihre Rechte und Interessen, in bezug auf Steuern und Abgaben jeder Art wie auch bezüglich aller andern Lasten fiskalischer Natur in jeder Beziehung die gleiche Behandlung und den gleichen Schutz wie die Angehörigen der meistbegünstigten Nation.
⁵ Siehe auch den Notenwechsel vom 9. Sept. 1956/7. Febr. 1957 zwischen der Schweiz und Iran betreffend die Besteuerung von Unternehmungen der Luftfahrt ( SR 0.672.943.65 ).
Art. 6
Die Angehörigen eines jeden der hohen vertragschliessenden Teile haben, wenn sie die auf dem Gebiete des andern geltenden Gesetze und Verordnungen beachten, das Recht, dort jede Art von beweglichen Rechten und Vermögen zu erwerben, zu besitzen und zu veräussern. Sie werden in dieser Beziehung behandelt wie die Angehörigen der meistbegünstigten Nation.
Hinsichtlich der Grundstücke und der Rechte an solchen werden die Angehörigen jedes der hohen vertragschliessenden Teile im Gebiete des andern in jedem Falle wie die Angehörigen der meistbegünstigten Nation behandelt. Bis zum Abschluss eines besondern Abkommens besteht Einverständnis darüber, dass die schweizerischen Staatsangehörigen in Persien nur berechtigt sind, Grundstücke, die sie als Wohnung und zur Ausübung ihres Berufes oder ihrer Geschäftstätigkeit benötigen, zu erwerben, innezuhaben oder zu besitzen.
Art. 7
Die Wohnungen und alle andern Grundstücke, die von den Angehörigen eines der hohen vertragschliessenden Teile gemäss den Bestimmungen dieses Abkommens auf dem Gebiete des andern Teiles erworben, besessen oder gemietet werden, können Haussuchungen oder Durchsuchungen nur unter den gleichen Bedingungen und Förmlichkeiten unterworfen werden, die durch die geltenden Gesetze für die Inländer vorgeschrieben sind.
Ebenso dürfen Geschäftsbücher, Abrechnungen oder Urkunden irgendwelcher Art, die sich in den Wohnungen oder Geschäftsräumen der Angehörigen des einen der hohen vertragschliessenden Teile im Gebiete des andern Teils befinden, nur unter den Bedingungen und Förmlichkeiten einer Prüfung oder Beschlagnahme unter­zogen werden, welche die geltenden Gesetze für die Inländer vorschreiben.
Art. 8
Die Angehörigen jedes der hohen vertragschliessenden Teile geniessen im Gebiete des andern Teils in allem, was den gerichtlichen und behördlichen Schutz ihrer Person und ihres Vermögens betrifft, die gleiche Behandlung wie die Angehörigen der meistbegünstigten Nation.
Sie haben insbesondere freien und völlig unbehinderten Zutritt zu den Gerichten und können vor Gericht unter den gleichen Bedingungen wie die Angehörigen der meistbegünstigten Nation auftreten. Die Fragen des Armenrechts sowie der Sicherheitsleistung für Prozesskosten bilden Gegenstand einer besonderen Gegenrechts­erklärung, die diesem Abkommen beigefügt ist.
In bezug auf das Personen‑, Familien- und Erbrecht bleiben die Angehörigen jedes der hohen vertragschliessenden Teile im Gebiete des andern Teils den Vorschriften ihrer Heimatgesetzgebung unterworfen. Es kann von der Anwendung dieser Gesetze durch den andern Teil nur in besondern Fällen und insofern abgewichen werden, als dies allgemein gegenüber jedem andern fremden Staat geschieht.
Die hohen vertragschliessenden Teile sind darüber einig, dass das Personen‑, Familien- und Erbrecht, d. h. das Personalstatut, folgende Materien umfasst: die Ehe, das eheliche Güterrecht, die Ehescheidung, die Trennung, die Mitgift, die Vaterschaft, die Abstammung, die Annahme an Kindes Statt, die Handlungsfähigkeit, die Volljährigkeit, die Vormundschaft und die Beiratschaft, die Entmündigung, die testamentarische und gesetzliche Erbfolge, die Nachlassabwicklungen und Erbauseinandersetzungen, ferner alle andern Angelegenheiten des Familienrechts mit Einschluss aller den Personenstand betreffenden Fragen.
Art. 9
Die Angehörigen jedes der hohen vertragschliessenden Teile sind in Friedens- und Kriegszeiten im Gebiete des andern Teils ausser im Fall einer Abwehr einer Naturkatastrophe von jeder Arbeitspflicht für den Staat befreit. Sie sind von jeder militärischen Dienstpflicht sowohl in der Landarmee, in der Marine und in der Fliegertruppe als auch in der Nationalgarde oder der Miliz und ebenso von jeder Abgabe an Stelle des persönlichen Dienstes befreit. Die Angehörigen jedes der hohen vertragschliessenden Teile sind im Gebiete des andern Teils von allen Zwangsanleihen befreit. Sie können militärischen Kontributionen sowie militärischen und nichtmilitärischen Requisitionen gleichviel welcher Art oder Enteignungen zum öffentlichen Nutzen nur unter den gleichen Bedingungen und im gleichen Masse wie die Angehörigen der meistbegünstigten Nationen und vermittelst der gleichen Entschädigungen unterworfen werden.
Die Bestimmungen dieses Artikels finden auch auf die in Artikel 4 erwähnten Gesellschaften Anwendung.
Art. 10
Das Abkommen soll ratifiziert und die Ratifikationsurkunden sollen sobald als möglich in Bern ausgetauscht werden.
Das Abkommen tritt einen Monat nach Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft und bleibt fünf Jahre in Geltung. Wird es nicht sechs Monate vor Ablauf dieser Frist gekündigt, so gilt es als stillschweigend für unbestimmte Zeit verlängert. Es kann dann jederzeit unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten gekündigt werden.

Unterschriften

Zu Urkunden dessen haben die oben erwähnten Bevollmächtigten dieses Abkommen unterzeichnet und mit ihren Siegeln versehen.
So geschehen in doppelter Ausfertigung in Bern, am fünfundzwanzigsten April eintausendneunhundertvierunddreissig.

Motta

A. H. Foroughi

Beilage

Erklärung über das Armenrecht und die Sicherheitsleistung für Prozesskosten

Zur Ergänzung von Artikel 8 Absatz 2 des am heutigen Tage zwischen Persien und der Schweiz abgeschlossenen und unterzeichneten Niederlassungsabkommens haben die dazu durch ihre Regierungen gehörig ermächtigten Unterzeichneten nachstehenden Artikel vereinbart:
Art. 1
Treten Angehörige des einen Vertragsstaates vor den Gerichten des andern als Kläger oder Intervenienten auf, so darf, sofern sie in Persien oder in der Schweiz ihren Wohnsitz haben, ihnen wegen ihrer Eigenschaft als Ausländer oder deswegen, weil sie keinen Wohnsitz oder Aufenthalt im Inland haben, eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung, unter welcher Benennung es auch sei, nicht auferlegt werden.
Die gleiche Regel findet Anwendung auf die Vorauszahlung, die von den Klägern oder Intervenienten zur Deckung der Gerichtskosten einzufordern wäre.
Art. 2
In einem der beiden Vertragsstaaten gefällte Entscheidungen, wodurch der Kläger oder Intervenient, der nach Artikel 1 oder nach den im Staate der Klageerhebung geltenden Gesetzen von der Sicherheitsleistung, Hinterlegung oder Vorauszahlung befreit war, in die Prozesskosten verurteilt wird, sind im andern Staat durch die zuständige Behörde kostenfrei vollstreckbar zu erklären. Der Antrag wird entweder auf diplomatischen Wege oder direkt durch die beteiligte Partei gestellt.
Die gleiche Regel findet Anwendung auf gerichtliche Entscheidungen, durch die der Betrag der Kosten des Prozesses später festgestellt wird.
Art. 3
Die für die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung zuständige Behörde hat ihre Prüfung darauf zu beschränken:
1. ob nach dem Gesetze des Landes, wo die Verurteilung ausgesprochen wurde, die Entscheidung Rechtskraft erlangt hat;
2. ob das Dispositiv der Entscheidung von einer Übersetzung in die Sprache der ersuchten Behörde begleitet ist, die durch einen diplomatischen oder konsularischen Agenten des ersuchenden Staates oder durch einen beeidigten Übersetzer des ersuchten oder des ersuchenden Staates beglaubigt ist.
Dem Erfordernis von Absatz 1 Ziffer 1 wird genügt durch eine Erklärung der zuständigen Behörde des ersuchenden Staates, dass die Entscheidung Rechtskraft erlangt hat. Die Zuständigkeit dieser Behörde ist durch den höchsten Justizver­waltungsbeamten des ersuchenden Staates zu bescheinigen. Die Erklärung und die Bescheinigung, die soeben erwähnte worden sind, müssen nach Massgabe von Absatz 1 Ziffer 2 übersetzt sein.
Die für die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung zuständige Behörde hat auf gleichzeitigen Antrag der Partei den Betrag der Kosten für die in Absatz 1 Ziffer 2 vorgesehene Übersetzung und Beglaubigung festzusetzen. Diese Kosten sind als Kosten des Prozesses zu betrachten.
Art. 4
Es versteht sich, dass die Artikel 1 bis 3 dieser Erklärung ebenfalls anwendbar sind auf die in Artikel 4 des Niederlassungsabkommens zwischen der Schweiz und Per­sien erwähnten Gesellschaften.
Art. 5
Die Angehörigen des einen Vertragsstaates werden im andern unter denselben gesetzlichen Bedingungen und Voraussetzungen zum Armenrecht zugelassen wie die Angehörigen dieses Staates.
Geschehen in doppelter Ausfertigung in Bern, den fünfundzwanzigsten April eintausendneunhundertvierunddreissig.

Motta

A. H. Foroughi

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