Verordnung über den Normalarbeitsvertrag für die Erzieher in Heimen und Intern... (221.215.324.1)
CH - Schweizer Bundesrecht

Verordnung über den Normalarbeitsvertrag für die Erzieher in Heimen und Internaten

vom 16. Januar 1985 (Stand am 1. Februar 1985)
Der Schweizerische Bundesrat,
gestützt auf Artikel 359 a des Obligationenrechts¹,
verordnet:
¹ SR 220

1. Abschnitt: Geltungsbereich und Wirkung

Art. 1 Geltungsbereich
¹ Dieser Normalarbeitsvertrag gilt in der ganzen Schweiz.
² Der Normalarbeitsvertrag ist anwendbar auf die Arbeitsverhältnisse zwischen pri­vaten Heimen und Internaten, die der Erziehung und Betreuung von Erzie­hungs­schwierigen oder Behinderten dienen (Arbeitgeber), und den von ihnen be­schäftig­ten Erziehern (Arbeitnehmer).
³ Der Normalarbeitsvertrag ist nicht anwendbar auf Arbeitnehmer, die nicht mit Betreuungsaufgaben beschäftigt sind. Er gilt ebenfalls nicht für Personen geistli­chen Standes und Angehörige von Ordens- und Mutterhäusern.
Art. 2 Wirkungen
Die Bestimmungen dieses Normalarbeitsvertrages gelten, sofern nichts anderes durch Einzel- oder Gesamtarbeitsvertrag verabredet ist.

2. Abschnitt: Probezeit und Kündigung

Art. 3 Probezeit
Die ersten drei Monate nach Antritt der Stelle gelten als Probezeit, sofern das Arbeitsverhältnis nicht für eine feste Dauer von weniger als sechs Monaten ver­ein­bart worden ist.
Art. 4 Kündigung
¹ Das Arbeitsverhältnis kann von beiden Parteien wie folgt gekündigt werden:
a. während der Probezeit auf das Ende der der Kündigung folgenden zwei­ten Woche;
b. nach Ablauf der Probezeit auf das Ende des der Kündigung folgenden drit­ten Monats.
² Die Kündigung hat schriftlich zu erfolgen.

3. Abschnitt: Allgemeine Rechte und Pflichten

Art. 5 Stellenbeschreibung
Die Aufgaben des Arbeitnehmers sind in einer Stellenbeschreibung festzuhalten. Dem Arbeitnehmer ist der grösstmögliche Spielraum zu eigener Initiative und Ver­antwortung zu belassen, soweit dies mit der allgemeinen Ordnung in den Hei­men vereinbar ist.
Art. 6 Weiterbildung
¹ Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zu geben, sich beruf­lich weiterzubilden. Er hat ihm zu diesem Zweck bezahlten Urlaub zu gewähren.
² Der Arbeitgeber trägt die Kosten für Weiterbildungskurse, soweit sie im Inter­esse des Betriebes liegen.
Art. 7 Verschwiegenheitspflicht, Verbot der Annahme von Geschenken
¹ Der Arbeitnehmer darf geheimzuhaltende Tatsachen, namentlich betreffend Krankheiten, Verhalten und persönliche Verhältnisse von betreuten Personen oder ihren Angehörigen, während und nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht verwerten oder Dritten mitteilen.
² Der Arbeitnehmer darf nicht für sich oder für andere Geschenke annehmen, sich versprechen lassen oder sonstige Vorteile beanspruchen, welche seine Un­befan­gen­heit in der Berufsausübung in Frage stellen.

4. Abschnitt: Arbeits- und Ruhezeit

Art. 8 Arbeitszeit
¹ Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt im Durchschnitt 45 Stunden. Sie darf 50 Stunden in der Woche nicht überschreiten, ausser wenn aus dringenden Gründen länger gearbeitet werden muss.
² Die 45 Stunden überschreitende Arbeitszeit ist innert 14 Wochen durch Freizeit von gleicher Dauer auszugleichen. Ist in Ausnahmefällen ein Ausgleich nicht mög­lich, so ist sie mit einem Lohnzuschlag von mindestens 25 Prozent zu ent­schädigen.
Art. 9 Nachtarbeit
Der Arbeitnehmer darf in der Woche während höchstens dreier Nächte beschäf­tigt werden. Als Nacht gilt die Zeit zwischen 22 Uhr und 6 Uhr. Nachtarbeit ist zu ei­nem Viertel durch Freizeit auszugleichen oder mit einem entsprechenden Lohn­zu­schlag abzugelten.
Art. 10 Bereitschaftsdienst
¹ Die Zeit, in der sich der Arbeitnehmer innerhalb oder ausserhalb des Heimes zur Verfügung des Arbeitgebers halten muss, gilt als Arbeitszeit, soweit der Ar­beit­neh­mer tatsächlich zur Arbeit herangezogen wird.
² Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben über den Ausgleich durch Freizeit oder die Abgeltung des Bereitschaftsdienstes eine Regelung zu treffen.
Art. 11 Ruhezeit
Die tägliche Ruhezeit beträgt zehn aufeinanderfolgende Stunden im Durchschnitt von zwei Wochen; sie darf nur in Ausnahmefällen weniger als acht Stunden in­ner­halb von 24 Stunden betragen.

5. Abschnitt: Freizeit, Urlaub, Ferien

Art. 12 Freizeit
Dem Arbeitnehmer sind wöchentlich zwei arbeitsfreie Tage zu gewähren. Min­de­s­tens einmal im Monat haben diese auf einen Samstag und Sonntag zu fallen.
Art. 13 Urlaub
¹ Nach dreijähriger Dienstzeit beim gleichen Arbeitgeber hat der Arbeitnehmer Anspruch auf einen bezahlten Urlaub von einem Monat und nach jeweils fünf weite­ren Dienstjahren auf einen bezahlten Urlaub von je drei Monaten.
² Der Arbeitgeber ist berechtigt, den auf diesen Urlaub entfallenden Lohn zu­rück­zu­fordern, wenn der Arbeitnehmer die Stelle vor Ablauf eines Jahres seit dem Ende des Urlaubs verlässt.
Art. 14 Urlaub bei Schwangerschaft und Niederkunft
Bei Schwangerschaft und Niederkunft hat die Arbeitnehmerin Anspruch auf ei­nen bezahlten Urlaub von insgesamt 16 Wochen. Artikel 19 bleibt für weiterge­hende Ansprüche vorbehalten.
Art. 15 Ferien
Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf bezahlte Ferien von fünf Wochen im Jahr. Der Ferienanspruch erhöht sich auf sechs Wochen vom 40. Altersjahr an oder nach zehnjähriger Dienstzeit beim gleichen Arbeitgeber.

6. Abschnitt: Lohn

Art. 16 Lohn
¹ Der Lohn ist vor dem Stellenantritt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu vereinbaren. Der Lohn hat dem Aufgabenbereich, der Ausbildung und der beruf­­lichen Erfahrung des Arbeitnehmers zu entsprechen. Er ist jährlich im Hinblick auf die Dienstjahre des Arbeitnehmers sowie die Teuerung zu überprüfen.
² Der Lohn ist monatlich auszuzahlen.
Art. 17 Naturalleistungen
¹ Im Heim oder Internat wohnende Arbeitnehmer haben Anspruch auf angemes­sene Verpflegung, auf einwandfreie Unterkunft und auf Besorgung der Wäsche. Verhei­ratete Arbeitnehmer haben Anspruch auf eine der Familiengrösse entspre­chende Wohnung.
² Erbrachte Naturalleistungen darf der Arbeitgeber höchstens nach den Ansätzen der eidgenössischen Alters- und Hinterlassenenversicherung mit dem Lohn ver­rechnen.
Art. 18 Kurzabsenzen
Der Arbeitnehmer hat bei folgenden Ereignissen Anspruch auf bezahlte freie Ta­ge, sofern diese auf einen Arbeitstag fallen:
a.

bei eigener Heirat, Niederkunft der Ehegattin

2 Tage;

b.

bei Hochzeit eines Kindes

1 Tag;

c.

bei Tod des Ehe­gatten, eines Kindes, eines Elternteils

3 Tage;

d.

bei Tod von Ge­schwistern, Schwiegereltern, Schwägerin, Schwager

1 Tag;

e.

bei Wechsel der eigenen Wohnung

2 Tage.

Art. 19 Lohn bei Arbeitsverhinderung
¹ Wird der Arbeitnehmer aus Gründen, die in seiner Person liegen, wie Krank­heit, Unfall, Erfüllung gesetzlicher Pflichten, ohne sein Verschulden an der Ar­beitslei­s­tung verhindert, so hat er, unter Vorbehalt von Artikel 20, innerhalb von zwölf Monaten Anspruch auf den Lohn während folgender Dauer:

im ersten Dienstjahr

1 Monat,

im zweiten Dienstjahr

2 Monate,

im dritten und vierten Dienstjahr

3 Monate,

im fünften und sechsten Dienstjahr

4 Monate,

im siebten und achten Dienstjahr

5 Monate,

vom erfüllten achten Dienstjahr an

6 Monate.

² Bei Schwangerschaft der Arbeitnehmerin hat der Arbeitgeber den Lohn im glei­chen Umfang zu entrichten.
³ Der Arbeitgeber darf das von einer Lohnausfallversicherung ausbezahlte Tag­geld von dem nach den Absätzen 1 und 2 zu zahlenden Lohn abziehen.
Art. 20 Lohn bei Militär- und Zivilschutzdienst
¹ Bei obligatorischem Militär- und Zivilschutzdienst des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber für die ersten zwei Monate der Dienstleistung den vollen Lohn zu ent­rich­ten. Für die folgende Zeit beträgt der Lohnanspruch für ledige Arbeit­nehmer ohne Unterstützungspflicht 60 Prozent, für verheiratete Arbeitnehmer und ledige Arbeit­nehmer mit Unterstützungspflicht 80 Prozent des Lohnes.
² Die Leistungen der Erwerbsersatzordnung kommen dem Arbeitgeber zu.

7. Abschnitt: Ärztliche Untersuchung, Versicherungen

Art. 21 Ärztliche Untersuchung
¹ Der Arbeitnehmer hat sich beim Stellenantritt und nachher alle zwei Jahre ärzt­lich untersuchen zu lassen. Die Untersuchung hat auch eine Schirmbild- oder Lun­gen­aufnahme zu umfassen.
² Die Kosten dieser Untersuchung gehen zu Lasten des Arbeitgebers.
Art. 22 Krankenversicherung
¹ Der Arbeitnehmer hat sich gegen Krankheit zu versichern.
² Die Versicherung hat mindestens Krankenpflege und Krankengeld im Sinne der Bundesgesetzgebung über die Krankenversicherung zu umfassen.
³ Die Prämien sind von Arbeitgeber und Arbeitnehmer je zur Hälfte zu tragen.
Art. 23 Berufshaftpflichtversicherung
Der Arbeitgeber hat zugunsten des Arbeitnehmers eine Berufshaftpflichtversi­che­rung abzuschliessen.

8. Abschnitt: Schlussbestimmungen

Art. 24 Aufhebung bisherigen Rechts
Der Bundesratsbeschluss vom 11. Juni 1970² über den Normalarbeitsvertrag für das Erziehungspersonal von Heimen und Internaten wird aufgehoben.
² [ AS 1970 737 , 1973 337 Ziff. I 1]
Art. 25 Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am 1. Februar 1985 in Kraft.
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