Übereinkommen Nr. 151 (0.822.725.1)
CH - Schweizer Bundesrecht

Übereinkommen Nr. 151

über den Schutz des Vereinigungsrechtes und über Verfahren zur Festsetzung der Beschäftigungsbedingungen im öffentlichen Dienst Abgeschlossen in Genf am 27. Juni 1978 Von der Bundesversammlung genehmigt am 16. Dezember 1980² Schweizerische Ratifikationsurkunde hinterlegt am 3. März 1981 In Kraft getreten für die Schweiz am 3. März 1982 (Stand am 29. März 2016) ¹ Übersetzung des französischen Originaltexts. ² AS 1982 326
Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation,
die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 7. Juni 1978 zu ihrer vierundsechzigsten Tagung zusammengetreten ist,
nimmt Bezug auf die Bestimmungen des Übereinkommens über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes, 1948³, des Übereinkommens über das Vereinigungsrecht und das Recht zu Kollektivverhandlungen, 1949⁴ und des Übereinkommens und der Empfehlung über Arbeitnehmervertreter, 1971;
erinnert daran, dass das Übereinkommen über das Vereinigungsrecht und das Recht zu Kollektivverhandlungen, 1949, bestimmte Gruppen von öffentlich Bediensteten nicht einbezieht und dass das Übereinkommen und die Empfehlung über Arbeitnehmervertreter, 1971, für Arbeitnehmervertreter im Betrieb gelten;
nimmt Bezug auf die starke Ausweitung der Tätigkeiten des öffentlichen Dienstes in vielen Ländern und die Notwendigkeit gesunder Arbeitsbeziehungen zwischen den öffentlichen Stellen und den Verbänden der öffentlich Bediensteten;
verweist auf die grosse Vielfalt der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Systeme in den Mitgliedstaaten sowie auf deren unterschiedliche Praxis (z. B. hinsichtlich der jeweiligen Aufgaben der Zentral‑ und Kommunalverwaltungen, der Bundes‑, Länder‑ und Provinzbehörden und der staatseigenen Betriebe und der verschiedenen Arten von autonomen oder halbautonomen öffentlichen Stellen sowie der Art der Beschäftigungsverhältnisse);
berücksichtigt die besonderen Probleme, die sich im Zusammenhang mit dem Geltungsbereich und den Begriffsbestimmungen für die Zwecke einer internationalen Urkunde daraus ergeben, dass in vielen Ländern hinsichtlich der Beschäftigung im privaten und im öffentlichen Sektor Unterschiede bestehen; berücksichtigt ferner die Auslegungsschwierigkeiten, die im Zusammenhang mit der Anwendung einschlä­giger Bestimmungen des Übereinkommens über das Vereinigungsrecht und das Recht zu Kollektivverhandlungen, 1949, auf die öffentlich Bediensteten aufgetreten sind, und die von den Aufsichtsorganen der IAO wiederholt gemachte Feststellung, dass einige Regierungen diese Bestimmungen in einer Weise angewendet haben, die gros­­­se Gruppen von öffentlich Bediensteten vom Geltungsbereich dieses Übereinkommens ausschliesst;
hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend Vereinigungsfreiheit und Verfahren für die Festsetzung der Beschäftigungsbedingungen im öffentlichen Dienst, eine Frage, die den fünften Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und
dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.
Die Konferenz nimmt heute, am 27. Juni 1978, das folgende Übereinkommen an, das als Übereinkommen über Arbeitsbeziehungen (öffentlicher Dienst), 1978, be­zeichnet wird.
³ SR 0.822.719.7 ⁴ SR 0.822.719.9

Teil I. Geltungsbereich und Begriffsbestimmungen

Art. 1
1.  Dieses Übereinkommen gilt für alle durch öffentliche Stellen beschäftigten Personen, soweit günstigere Bestimmungen in anderen internationalen Arbeitsübereinkommen auf sie nicht anwendbar sind.
2.  Durch die innerstaatliche Gesetzgebung wird bestimmt, inwieweit die in diesem Übereinkommen vorgesehenen Rechte für hochgestellte Beschäftigte gelten, die auf Grund ihrer Aufgaben normalerweise als Entscheidungsbefugte oder Führungskräfte angesehen werden, oder für Beschäftigte, deren dienstliche Tätigkeiten streng vertraulicher Natur sind.
3.  Durch die innerstaatliche Gesetzgebung wird bestimmt, inwieweit die in diesem Übereinkommen vorgesehenen Rechte auf das Heer und die Polizei Anwendung finden.
Art. 2
Der Ausdruck «öffentlich Bediensteter» im Sinne dieses Übereinkommens bezeichnet jede Person, für die das Übereinkommen gemäss Artikel 1 gilt.
Art. 3
Der Ausdruck «Verband der öffentlich Bediensteten» im Sinne dieses Übereinkommens bezeichnet jeden Verband, gleich welcher Zusammensetzung, dessen Zweck es ist, die Interessen der öffentlich Bediensteten zu fördern und zu wahren.

Teil II. Schutz des Vereinigungsrechtes

Art. 4
1.  Öffentlich Bedienstete sind vor jeder gegen die Vereinigungsfreiheit gerichteten unterschiedlichen Behandlung, die mit ihrer Beschäftigung im Zusammenhang steht, angemessen zu schützen.
2.  Dieser Schutz ist insbesondere gegenüber Handlungen zu gewähren, die darauf gerichtet sind,
a) die Beschäftigung eines öffentlich Bediensteten davon abhängig zu machen, dass er keinem Verband der öffentlich Bediensteten beitritt oder dass er aus einem solchen Verband austritt;
b) einen öffentlich Bediensteten wegen seiner Zugehörigkeit zu einem Verband der öffentlich Bediensteten oder wegen seiner Beteiligung an der normalen Tätigkeit eines solchen Verbandes zu entlassen oder auf sonstige Weise zu benachteiligen.
Art. 5
1.  Die Verbände der öffentlich Bediensteten müssen vollständige Unabhängigkeit gegenüber öffentlichen Stellen geniessen.
2.  Den Verbänden der öffentlich Bediensteten ist in bezug auf ihre Bildung, Tätigkeit und Verwaltung gebührender Schutz gegen jede Einmischung seitens einer öffentlichen Stelle zu gewähren.
3.  Als Einmischung im Sinne dieses Artikels gelten insbesondere Handlungen, die darauf gerichtet sind, von einer öffentlichen Stelle abhängige Verbände der öffentlich Bediensteten zu gründen oder Verbände der öffentlich Bediensteten durch Geldmittel oder auf sonstige Weise zu unterstützen, um sie unter den Einfluss einer öffentlichen Stelle zu bringen.

Teil III. Den Verbänden der öffentlich Bediensteten zu gewährende Erleichterungen

Art. 6
1.  Den Vertretern anerkannter Verbände der öffentlich Bediensteten sind Erleichterungen zu gewähren, die geeignet sind, ihnen die rasche und wirksame Durchführung ihrer Aufgaben während und ausserhalb ihrer Arbeitszeit zu ermöglichen.
2.  Die Gewährung solcher Erleichterungen darf die wirksame Tätigkeit der betreffenden Verwaltung oder des betreffenden Dienstes nicht beeinträchtigen.
3.  Die Art und der Umfang dieser Erleichterungen sind entsprechend den in Artikel 7 dieses Übereinkommens erwähnten Verfahren oder auf andere geeignete Weise festzusetzen.

Teil IV. Verfahren zur Festsetzung der Beschäftigungsbedingungen

Art. 7
Soweit erforderlich, sind den innerstaatlichen Verhältnissen entsprechende Massnahmen zu treffen, um die uneingeschränkte Entwicklung und Anwendung von Verfahren und Einrichtungen zur Aushandlung von Beschäftigungsbedingungen zwischen den beteiligten öffentlichen Stellen und den Verbänden der öffentlich Bediensteten oder von anderen Verfahren zu fördern, die eine Mitwirkung der Vertreter der öffentlich Bediensteten an der Festsetzung dieser Bedingungen erlauben.

Teil V. Beilegung von Streitigkeiten

Art. 8
Die Beilegung von Streitigkeiten über die Festsetzung der Beschäftigungsbedin­gungen ist entsprechend den innerstaatlichen Verhältnissen durch Verhandlungen zwischen den Parteien oder durch unabhängige und unparteiische Verfahren, wie Vermittlung, Schlichtung und Schiedsverfahren, anzustreben, deren Einführung in einer Weise erfolgt, dass die beteiligten Parteien ihnen Vertrauen entgegenbringen.

Teil VI. Bürgerliche und politische Rechte

Art. 9
Die öffentlich Bediensteten müssen, wie andere Arbeitnehmer, die bürgerlichen und politischen Rechte geniessen, welche die Voraussetzung für die normale Ausübung der Vereinigungsfreiheit bilden, vorbehaltlich allein der Pflichten, die sich aus ihrer Stellung und der Art ihrer Aufgaben ergeben.

Teil VII. Schlussbestimmungen

Art. 10
Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.
Art. 11
1.  Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Ratifikation durch den Generaldirektor eingetragen ist.
2.  Es tritt in Kraft zwölf Monate nachdem die Ratifikationen zweier Mitglieder durch den Generaldirektor eingetragen worden sind.
3.  In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes Mitglied zwölf Monate nach der Eintragung seiner Ratifikation in Kraft.
Art. 12
1.  Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum ersten Mal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.
2.  Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absatz genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrecht keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.
Art. 13
1. Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes gibt allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation Kenntnis von der Eintragung aller Ratifika­tionen und Kündigungen, die ihm von den Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.
2. Der Generaldirektor wird die Mitglieder der Organisation, wenn er ihnen von der Eintragung der zweiten Ratifikation, die ihm mitgeteilt wird, Kenntnis gibt, auf den Zeitpunkt aufmerksam machen, in dem dieses Übereinkommen in Kraft tritt.
Art. 14
Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes übermittelt dem General­sekretär der Vereinten Nationen zwecks Eintragung nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen⁵ vollständige Auskünfte über alle von ihm nach Massgabe der vorausgehenden Artikel eingetragenen Ratifikationen und Kündigungen.
⁵ SR 0.120
Art. 15
Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat, sooft er es für nötig erachtet, der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und zu prüfen, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.
Art. 16
1.  Nimmt die Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen:
a) Die Ratifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich ohne Rücksicht auf Artikel 12, vorausgesetzt, dass das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.
b) Vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.
2.  Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.
Art. 17
Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

Geltungsbereich am 29. März 2016 ⁶

⁶ AS 1982 334 , 1983 620 , 1985 305 , 1986 1194 , 1989 1423 , 2005 1775 , 2010 3541 , 2013 1293 und 2016 1243 . Eine aktualisierte Fassung des Geltungsbereiches findet sich auf der Internetseite des EDA (www.eda.admin.ch/vertraege).

Vertragsstaaten

Ratifikation

Nachfolge­-
erklärung (N)

Inkrafttreten

Albanien

30. Juni

1999

30. Juni

2000

Antigua und Barbuda

16. September

2002

16. September

2003

Argentinien

21. Januar

1987

21. Januar

1988

Armenien

29. Juli

1994

29. Juli

1995

Aserbaidschan

11. März

1993

11. März

1994

Belarus

  8. September

1997

  8. September

1998

Belgien

21. Mai

1991

21. Mai

1992

Belize

22. Juni

1999

22. Juni

2000

Bosnien und Herzegowina

31. März

2015

31. März

2016

Botsuana

22. Dezember

1997

22. Dezember

1998

Brasilien

15. Juni

2010

15. Juni

2011

Chile

17. Juli

2000

17. Juli

2001

China

Hongkonga

  6. Juni

1997

  1. Juli

1997

Dänemark

  5. Juni

1981

  5. Juni

1982

El Salvador

  6. September

2006

  6. September

2007

Finnland

25. Februar

1980

25. Februar

1981

Gabun

  1. Oktober

2009

  1. Oktober

2010

Georgien

10. Oktober

2003

10. Oktober

2004

Ghana

27. Mai

1986

27. Mai

1987

Griechenland

29. Juli

1996

29. Juli

1997

Guinea

  8. Juni

1982

  8. Juni

1983

Guyana

10. Januar

1983 N

10. Januar

1983

Italien

28. Februar

1985

28. Februar

1986

Kolumbien

  8. Dezember

2000

  8. Dezember

2001

Kuba

29. Dezember

1980

29. Dezember

1981

Lettland

27. Januar

1992

27. Januar

1993

Luxemburg

21. März

2001

21. März

2002

Mali

12. Juni

1995

12. Juni

1996

Marokko

  4. Juni

2013

  4. Juni

2014

Mazedonien

22. Juli

2013

22. Juli

2014

Moldau

  4. April

2003

  4. April

2004

Niederlande

29. November

1988

29. November

1989

Norwegen

19. März

1980

19. März

1981

Peru

27. Oktober

1980

27. Oktober

1981

Polen

26. Juli

1982

26. Juli

1983

Portugal

  9. Januar

1981

  9. Januar

1982

Russland

19. September

2014

19. September

2015

Sambia

19. August

1980

19. August

1981

San Marino

19. April

1988

19. April

1989

São Tomé und Príncipe

  4. Mai

2005

  4. Mai

2006

Schweden

11. Juni

1979

25. Februar

1981

Schweiz

  3. März

1981

  3. März

1982

Seychellen

23. November

1999

23. November

2000

Slowakei

22. Februar

2010

22. Februar

2011

Slowenien

20. September

2010

20. September

2011

Spanien

18. September

1984

18. September

1985

Suriname

29. September

1981

29. September

1982

Tschad

  7. Januar

1998

  7. Januar

1999

Tunesien

11. Februar

2014

11. Februar

2015

Türkei

12. Juli

1993

12. Juli

1994

Ungarn

  4. Januar

1994

  4. Januar

1995

Uruguay

19. Juni

1989

19. Juni

1990

Vereinigtes Königreich

19. März

1980

19. März

1981

Gibraltar

11. August

1980

11. August

1980

Guernsey

12. Mai

1981

12. Mai

1981

Insel Man

18. Februar

1997

18. Februar

1997

St. Helena

11. August

1980

11. August

1980

Zypern

  6. Juli

1981

  6. Juli

1982

a
Vom 3. Febr. 1981 bis zum 30. Juni 1997 war das Übereink. auf Grund einer Ausdehnungserklärung des Vereinigten Königreichs in Hongkong anwendbar. Seit dem 1. Juli 1997 bildet Hongkong eine Besondere Verwaltungsregion (SAR) der Volks­republik China. Auf Grund der chinesischen Erklärung vom 6. Juni 1997 ist das Übereink. seit dem 1. Juli 1997 auch in der SAR Hongkong anwendbar.
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